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Zimmer im Schlosse des Grafen von Eichenfels.
Graf und Gräfin von Aichenfels.
Graf. Theure Adelhaid! dein trüber Blick, den ich schon mit Beginn des heutigen Tages bemerkte, sagt mir, daß unsre Gedanken sich begegnen; denn auch ich bin tief bewegt.
Gräfin. Du weißt es, lieber Gemahl; heute jährt es sich wieder, daß wir unsern Heinrich verloren haben!
Graf. Gerade acht Jahre sind es, als ich verwundet des Abends auf die Burg gebracht wurde, daß unser Kind aus diesen Mauern verschwunden, ohne daß wir jemals seine Spur wieder auffinden konnten.
Gräfin. So ist's! Gott hat durch seine Gnade und den Ablauf der Zeit allerdings unsern Schmerz gemildert; allein der Gedanke bleibt dennoch peinigend, was wohl mit Heinrich geschehen sein mag?
Graf. Lieber möge er todt, als in Hände gekommen sein, die ihn auf schlechte Wege geleitet haben!
Gräfin. Ach! sein Verlust muß uns immer schrecklich bleiben; weiß der Himmel, wo das arme Kind nun ist? Vielleicht Hunger und Durst und allem Elend preis gegeben! der Gedanke ist fürchterlich!
Graf. Tröste dich, theueres Weib! Wo immer Heinrich sein mag, Gottes Auge überwacht ihn, sein heiliger Engel schützt ihn und unser unablässiges Gebet wird nicht verhallt sein, ohne daß der Vater aller Menschen es gehört hätte.
Gräfin. Dieß ist auch mein einziger Trost, obgleich wir stets Arges befürchten mußten, da der zurückgelassene Brief der aus Angst und Verzweiflung entflohenen Wärterin Margaretha die Vermuthung aussprach, Heinrich sei von den durchziehenden Zigeunern aus der Wiege geraubt worden.
Graf. Allerdings, und trotz meiner augenblicklichen Nachforschungen gelang es damals nicht, den vermeintlichen Räuber meines Kindes zu erreichen. Gott weiß, in welche Höhlen der Gebirge, in welche Tiefen der großen unwirthsamen Wälder sie sich verborgen hatten! Ein Schimmer von Hoffnung bleibt mir aber dennoch, daß die Schändlichen in Erwartung eines bedeutenden Lösegeldes doch einmal irgend eine Gelegenheit suchen werden, an uns von unserem Sohne Kunde gelangen zu lassen.
Gräfin. Und warum sollte dieß nicht schon längst geschehen sein? Diese Zweifel zerfleischen mein Mutterherz und lassen mich an deiner Hoffnung verzweifeln.
Graf. Wie dem auch sei; laß uns auf Gott vertrauen! Seine Fügung lenkt stets Alles zum Beßten. – Bevor ich in das Zimmer trat, erhielt ich Nachricht, daß man wieder Zigeunern auf der Spur sei, die vor ein paar Tagen einen Zug Kaufleute überfallen und ausgeraubt hatten. – Eine alte Zigeunerin, die in der zerfallenen Waldkapelle den Ausgang des Ueberfalles abgewartet, wurde von meinen Reisigen gefangen. Ich habe befohlen, daß man sie zum Verhöre hieherbringe. Entferne dich unterdessen, liebe Adelhaid.
Gräfin. Ich will auf mein Zimmer gehen. (ab.)
Graf (allein.) Immer und immer hoffnungslos! und wenn ich auch meine Adelhaid zu trösten suche, so ist es stets vergebens! Mir selbst baute ich nur ein Gebäude von Scheingründen auf – Vorspiegelungen der hoffenden Liebe! Mein Kind ist und bleibt verloren!
Holla, wer kömmt?
(Ein Knappe bringt Juta gefesselt herein.)
Knappe. Hier ist die alte Hexe, edler Herr! Soll ich sie nicht gleich todt schlagen?
Graf. Mit dem Todtschlagen hat's noch immer Zeit. Woher – alte Schlange?
Juta. Ich bin eine arme Zigeunerin und lebe vom Bettel; der Hunger ist mein Gefährt' auf allen Wegen.
Graf. Man kennt euch wohl! Bös' Gesindel seid ihr, das ehrlichen Leuten auf dem Wege lauert. – Habt's erst wieder bewiesen bei den Kaufleuten, die ihr ausgeplündert.
Juta. Das gilt mir nicht; ich bin unschuldig!
Graf. Mit gefangen, mitgehangen! du wärst mir die rechte Unschuld mit deinen Katzenaugen. Gestehe Alles oder ich laß dich in die Marterkammer werfen.
Juta. Ach! gnädiger Herr! wir Zigeuner sind ein verstoßen Volk; was bleibt uns übrig, als zu wandern und in Wäldern zu schlafen, da uns kein Mensch aufnimmt?
Graf. Das ist eure Schuld! – Fort mit dir auf die Folter!
Juta (wirft sich auf die Knie.) Ach, edler Ritter, laß mich nicht foltern, ich bin ein armes, schwaches, altes Weib! Alles will ich euch gestehen; ja ich will euch mehr sagen, als ihr von mir zu vernehmen glaubtet! Nur laßt mich nicht foltern!
Graf. So sprich – aber die Wahrheit!
Juta. Beim maro dad, der uns heilig ist, ich spreche wahr. Aber laßt mich frei! – Acht Jahre sind's ungefähr als wir hier auf eurer Burg durchzogen und dem Gesinde Kurzweil trieben; ich stahl mich ab, da fand ich ein schönes weißes Knäblein in der Wiege. – –
Graf (sie unterbrechend.) Gott im Himmel – hier ein Knäblein?
Juta. Ein schönes, weißes Knäblein – ich – ich –
Graf. Weiter, weiter, verfluchtes Weib!
Juta. Ich – Ich –
Graf. Denk der Folter!
Juta. Ich nahms mit mir, weil's mir so wohl gefiel und ich wollt's lieb haben. –
Graf. Mein Heinrich!
Juta. Ich nahm's und zog's auf mit guten Bissen und pflegt's gut und strich ihm seine seine Sammthaut und – –
Juta. Eben wollt ich's euch wiederbringen das liebe Kind um ein gering Lösgeld, da war's fort; fort aus unserm Schlupfwinkel, weiß nicht wohin –
Graf. Verfluchtes Lügenmaul! wo ist mein Kind?
Juta. Tödtet mich – ich weiß es nicht!
Graf. Fort mit dir in den Kerker! s'wird sich bald zeigen, ob du's nicht weißt; fort, fort!
(Knappe führt Juta ab.)
Graf. Weh mir! Ein Schimmer von Hoffnung und auch der ist dahin! Meine Sinne sind schier verwirrt! Auf, Auf! – wohin aber, wohin? Ich muß wieder der Alten nach; sie muß mir auf die Spur helfen, wenn anders ihre Kunde nicht Lüge war.
(ab.)