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Enges Erkerstübchen.
Eine alte Frau sitzt an der Spindel und spinnt. Zu ihren Füssen ein knurrender Kater.
Die Alte (singt.)
Ich sinn' und spinne manches Jahr
Den Faden fein wie Frauenhaar;
Die Welt dreht sich in Einem fort,
Doch Alles bleibt am alten Ort.
Sie dreht sich fort im Schwindel
Wie in der Hand die Spindel.
Als Eva Adam nahm zum Mann,
Sie auch das Spinnen gleich begann;
Sie spann und webte Hemdlein schon
Für Kain, ihren ersten Sohn.
Die Welt dreht sich im Schwindel
Wie in der Hand die Spindel.
Und also that das erste Weib,
Es spann zu seinem Zeitvertreib,
Und dieß war bei den Andern all,
Die ihm nachfolgen, auch der Fall.
Die Welt dreht sich im Schwindel
Wie in der Hand die Spindel.
(Röslein guckt zur halbgeöffneten Thür herein.)
Die Alte (singt fort.)
Ihr Mägdlein lernt das Spinnen gut;
Die Spindel sticht, da fließet Blut.
Ihr lieben schönen Jungfräulein,
Das Spinnen will gelernt auch sein.
Die Welt dreht sich im Schwindel
Wie in der Hand die Spindel.
Röslein. (eintretend.) Ei wie schön du singst?
Alte. Wer ist da? Ein lieb Jungfräulein! Wie kömmst du herauf in mein einsames Loch?
Röslein. Ich bin dem Schnurren deiner Spindel gefolgt.
Alte. Das freut mich, denn ich habe schon viele Jahre kein menschlich Wesen geseh'n.
Röslein. Wie kömmt das, gutes Weib?
Alte. Ich bin ein altes Hofmeubel, das längst aus den Gemächern entfernt wurde.
Röslein. Du bist ja ein menschlich Wesen.
Alte. So halb und halb, wie man's nehmen will. Ich bin die Spindel, mit der die Mutter des Königs Purpur spann. Als die starb, ward ich da herauf gestellt und schnurre aus alter Gewohnheit noch immer so fort.
Röslein. Ei wie? Sorgt Niemand für dich?
Alte. Siehst du den Kater? Er ist mein Freund und fangt Mäuse, die wir zusammen verzehren.
Röslein. Pfui! wer wird auch Mäuse essen?
Alte. Liebes Kind, es ist Alles nur Gewohnheit. Wenn es üblich wäre, Mäuse auf die Tafel zu setzen, so würden sie aller Welt schmecken. Ißt man doch viele andere Thiere, die nicht so appetitlich und sauber, sind wie die niedlichen Mäuslein.
Röslein. Ich könnte mich doch nicht daran gewöhnen. Sieh da, was hast du für eine schöne goldene Spindel!
Alte. Gib Acht, gutes Mädchen, du könntest dich daran stechen; denn sie ist an beiden Enden spitz.
Röslein. Ach, ich möchte gar zu gern auch ein bißchen spinnen.
Alte. Hast recht, das Spinnen ist was Schönes. Sieh nur die Spinnen, wie sie die Fäden ihres Netzes bilden und die Raupe, wie sie sich einspinnt und aus ihrer Puppe der bunte Schmetterling ersteht; und wie die Vöglein ihre Nester spinnen – kurz Alles spinnt und spinnt und spinnt – –
(Unterdessen hat Röslein nach der Spindel gelangt.)
Röslein. (mit einem Schmerzensschrei.) Weh mir! ich habe mich gestochen!
(Die Alte und ihr Kater verschwinden unter wehmüthiger schnurrender Musik. Es wird plötzlich dunkel, Röslein sinkt bewußtlos nieder.)
Wiltrud und Scohlint erscheinen, jede eine brennende Fakel in der Hand.
Beide sprechen in feierlichem Tone:
So schlummere, schlummere manches Jahr,
Dornröslein mit dem goldnen Haar;
Schlaf gut, du allerliebstes Kind,
Gerächt sind Wiltrud und Scohlint.
Und all' ihr Andern in dem Haus,
Vom König bis zur kleinen Maus,
Schlaft alle; denn so will's der Fluch,
Der Zauberinen Rachespruch!
Wer wird euch wecken aus der Nacht,
Die wir in dieses Schloß gebracht?
Für euch gibt's wohl kein Morgenroth
Und euer Schlummer ist der Tod!
(Sconea erscheint im hellen Schimmer, die Fakeln der bösen Fee'n erlöschen.)
Sconea.
Sconea spricht's: es währt die Nacht
Nicht ewig! wie die Blum erwacht,
Geküßt vom ersten Sonnenstrahl,
Wird Röslein auch geweckt einmal.
Die Minne thut's mit holdem Mund
Und sie zerstört der Rache Bund.
(Die bösen Fee'n versinken.)
Unter leisem Donner fällt der Vorhang.