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Das Leben, das heilige Leben, der hohe Herr, den die Unwissenden Gott nennen, erhob das Haupt und preßte den Nacken gegen die Rückenlehne seines Thrones. Dabei streifte sein Blick eine Gestalt, eine hagre und herrische Gestalt, die auf einem Stuhl am Fenster saß und mit der knochigen Rechten einem Hund übers Fell strich. Als dieser Mann den Blick seines Herrn auf sich ruhen fühlte, erhob er sich hastig, schob den Hund beiseite, beugte sich zum lautlos ausgehenden Fenster hinaus und pfiff durch die Zähne.
Unter dem Fenster lag ein kleiner Hof. Durch das offene Tor, das auf die breite Landstraße hinausführte, warf die Sonne ihre letzten Strahlen. In der Tiefe des Hofes standen in welliger Reihe dreißig gesattelte Pferde, denen der Schaum grasgrün von den klirrenden Trensen troff. Vor jedem Pferd aber hockte am Boden ein Mann in weißem Rock, und als ihnen nun der hagre Alte vom Fenster aus zupfiff, sprangen die weißen Männer empor und bestiegen die Gäule. Die Tauben stotterten auf, zogen einen Kreis über dem Hof und flogen davon, der Haufe aber jagte dröhnend zum Tor hinaus. An jedem Sattelknopf funkelte eine Trompete, und an jeder Trompete baumelte eine Quaste in der weißen Farbe des Todes. Und als der Mond seine halbe Runde beendet hatte, trompetete ein Reiter an der Bucht von Sligo, und ein Reiter am Aransund, und einer bei Ballycroneen, und von Arklow, Drogheda und Downpatrick antworteten andre. Den Anfang machte ein schmetterndes «Zur Attacke», ihm folgten andere Signale: grollende, klagende, jubelnde. Und da sie verstummt waren, schwang der Sturm die Peitsche über seinem tausendfachen Gespann, und das Verderben nahm wieder einmal seinen Weg über Irland. Denn der hagre Mann mit dem herrischen Antlitz war der große Kondottiere Tod. Er wendete sich zu seinem Herrn und fragte: «Wer hat mich diesmal gerufen?» – «Eamon de Valera!» antwortete das Leben. «Und warum jetzt wieder?» fragte der Tod. «Er lädt das irische Volk zu dem großen Fest, wo es seine vollendete Freiheit grüßen soll mit Bechern, voll von dem Blut seiner Söhne.» Da trieb der Tod seine Hunde in ihre Hütten und jagte dröhnend über das Pflaster.
Aber von den Vorgebirgen und den Sunden – von Bloody Foreland bis Carnsore Point schwoll klagend und lockend der Klang der Trompeten, und von Bantry bis zur Insel Rathlin wurde es kund, daß Eamon de Valero zu einem neuen blutigen Feste lud, prächtiger, als man je eines gesehen. Die Geladenen aber begannen sich zu entschuldigen. Einer sagte: «Ich habe einen Acker gekauft und muß hin, ihn zu besehen; bitte, entschuldige mich!» Und ein anderer sagte: «Ich habe ein Paar Stuten gekauft, die muß ich zureiten.» Und ein Dritter sagte: «Ich habe grade geheiratet und will nun auf die Hochzeitsreise nach der Riviera.» Und einer hatte einen vorteilhaften Bankerott gemacht, und einer wollte lieber Brot als Blut, und viele wollten lieber ihre Männer, Söhne und Brüder zurückhaben, die bei den früheren Festen geblieben waren.
Da erhob sich der Festgeber weiß vor Zorn und begab sich mit seinen Getreuen hinaus in die Wüste, und dort setzte er noch einmal den Scheiterhaufen des Hasses in Brand. Doch zu viele waren es satt, die Hölle auf Erden zu sehen, und zu viele waren des Mordens müde, und zu viele sagten einer zum andern: «Was frommt es, immerfort zu beweinen, was nun einmal vertan ist!»
So geschah es, daß die weißröckigen Reiter des Todes bald wieder vor ihren Pferden im Hof saßen, der vom Sonnenlicht überflutet war, und daß ihr Herr hineinging und vor das Leben hintrat, den hohen Herrn, den die Unwissenden Gott nennen, und sagte: «Erins Kinder sind des Streites müde.» Aber das Leben ließ seinen Blick langsam über Irland schweifen, von den Poteentrinkern im Norden südwärts bis zu den Palmen von Killarney, und lachte ungläubig.