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Noch immer besteht die Schmach, daß deutsche Frauen auf ihren Köpfen Teile von Tieren tragen, die aus der Gottesnatur geraubt werden, um als Hutputz zu dienen; noch immer werden Dampfkraft und Pulver, werden die Machtmittel menschlicher Erfindung dazu mißbraucht, den Erdball zu veröden, statt ihn zu beherrschen: noch immer ängstet sich die Kreatur, und den Schöpfer der Welt schaudert's, wenn er die blutige Schreckensherrschaft des Menschen auf der Erde sieht. Früher tötete der Mensch doch wenigstens aus Hunger und aus Not; jetzt mordet er aus Geldgier und Eitelkeit. Jetzt rühmt er sich noch seiner Grausamkeit, und während in alten Zeiten der Henker Henker hieß, und wenn man sagte: das ist ein Schinderknecht, das ein Mordbube, so nennt man jetzt den feigen Anstifter zum Morde hilfloser Geschöpfe – einen Wirtschaftspolitiker. Dieser Zusammenhang soll gezeigt, der Weg aus der furchtbaren Verirrung gesucht werden.
Die Münzen der deutschen Kolonie Neu-Guinea tragen auf der Rückseite das Bild eines Paradiesvogels. Wie in Deutschland der Adler sorgfältig aus der freien Natur entfernt wurde und nur auf Münzen, Marken und Kriegerhelmen ein heraldisches Dasein fristet, so hat jetzt das edle deutsche Handelsvolk dem schönsten Vogel aus der Paradieswelt der tropischen Meere auf seinen Münzen ein Denkmal geprägt, als ob es damit andeuten wollte, daß das Bild dieses Naturwunders der Nachwelt nur noch im leblosen Denkmal erhalten werden könne.
Beruhige dein Zartgefühl, deutsche Frau, wenn solches unter dem Kriegerschmuck deines Hauptes irgendwo noch in dir wohnen sollte: der Paradiesvogel lebt als Bild auf deutschem Gelde, und der Vogel selbst, der einst über die tropischen Bäume dahinflog und jetzt als ausgestopfter Leichnam aus Glasaugen auf die Krempe deines Fürstenhutes glotzt, ist für das Vaterland geopfert worden, weil er Geld ins Rollen brachte, und Geld ist dem Deutschen von gestern Vaterland. Das Geld ist sogar schneller ins Rollen gekommen durch den feigen Mord, dem du die Flatterzier deiner – sonst wohl unvollständigen – Stirn verdankst. Auch darüber beruhige dich: Der Blutgeruch, der an dem Gelde klebte, ist schon wieder abgegriffen worden. Der Mörder gab die Münze weiter; denn der Gewinn, den er aus dem Vogelmord zog, reizte ihn zu höherer Lebensführung: er wurde ein Käufer von Whisky und Tabak. So stieg in deutschen Kolonien infolge der Vogelausfuhr auch die Wareneinfuhr. Und in Deutschland dürfen Federarbeiterinnen die Freude genießen, in Fabriken zu sitzen und zwischen unzähligen Federn des Schlachtgeflügels auch die letzten Paradiesvögel auf Damen- und Dirnenhüte zu binden. So kam durch den Vogelmord deutsches Wirtschaftsleben zur Blüte.
Der Zusammenhang ist furchtbar: die ferne Urwaldinsel im einsamen Meere, wo seit Jahrtausenden buntes Leben den Schöpfer pries, mußte still werden, weil sie deutsches »Schutzgebiet« wurde. Denn das Volk der Dichter und Denker darf keinen Vogel leben lassen, dessen Leichnam Geldeswert hat. Es geht einfach nicht: aus wirtschaftlichen Erwägungen.
Während die Natur mit Nacht und Verwesung den Mord vergessen macht und mit ihren Tränen die Blutflecken von den Blättern des Urwaldes wäscht, wallen die gelben Federn von den Köpfen deutscher Frauen; starren spitze Schnäbel, die einst Nester bauten und hungrigen Jungen Nahrung suchten, auf die Brüste deutscher Mütter hinab. Wenn die Natur eine Rächerin wäre, wenn sie fähig wäre, dem Schmerze, der die Schöpfung durchzittert, Waffen zu leihen, so müßten die Schnäbel sich, von neuem Leben bewegt, von den Hüten herab den gedankenarmen Modedamen in die Augen bohren. Sie tun das nicht; denn die Natur ist hilflos, wenn das Herz des Menschen versagt.
Indianerhäuptlinge und wilde Negerstämme trugen von jeher auf ihren Köpfen die Federn wilder Vögel, die ihre Weidmannskunst mit einfachen Waffen aus einer reichen Natur erbeutete. Im Mittelalter zierten Straußenfedern den Helm des Ritters, den Hut des Ratsherrn. Es waren seltene und deshalb kostbare Federn. Die Ursache der Seltenheit war aber eine andere als heute. Wenn heute Reiher, Paradiesvögel und Marabu selten wurden, so wurden sie es, weil ihre völlige Ausrottung nicht in einigen, sondern in allen Teilen der Erde bevorsteht; in früheren Zeiten waren solche Federn wertvoll, weil sie aus einem unerschlossenen, dem Handel fast unzugänglichen Erdteile unter Lebensgefahr und wilden Abenteuern herausgeholt wurden. Andere Federn wurden als Erinnerung an den Aufenthalt in der freien Natur auf die Hüte gesteckt oder einer Jagdbeute entnommen; sie wurden also wirklich aufgelesen, und wer sie trug, wollte damit andeuten, daß er Erinnerungen habe an den Aufenthalt in der Natur.
Eine Mode, mit all ihren schädlichen Folgen, entstand erst, als auch Menschen, die sich keiner Jagdbeute rühmen konnten, den Jäger nachahmten und Federn wilder Tiere an ihren Hüten trugen; wie die Bewohner Oberbayerns den Adlerflaum zur Schau trugen und das auch jetzt noch tun, wo in ihrem eigenen Lande keine Vögel mehr leben, die diese Federn liefern können.
Man kann heute gerade von den Frauen, die den wildesten Federschmuck auf ihren Hüten tragen, am allerwenigsten annehmen, daß sie damit die Erinnerung an einen Aufenthalt in der Natur betonen wollen; man kann sogar sagen, daß diese Frauen am allerwenigsten an Natur erinnern. Das Wesen der heutigen Sitte, Federn wilder Tiere an den Hüten zu tragen, ist also ein anderes: die Feder soll den Hut schmücken. Das könnte jede Feder tun, wenn wirklich Federn am besten geeignet sind, einen Hut zu schmücken. Es könnten also Federn von Tieren genommen werden, die schon ihres Fleisches wegen getötet werden. Allein, da kommt etwas hinzu: der Händler verleitet die Federträgerin dazu, den Gaffern zu zeigen, daß sie Federn habe, die besonders wertvoll sind. So kommt folgende Entwicklung zustande: die schönsten Federn wild lebender Vögel werden ihrer Form und Schönheit wegen so lange getragen, bis sie selten werden. Dann werden sie weiter getragen, weil sie selten und wertvoll sind, auch wenn nur noch häßliche aufgetrieben werden können. Schließlich wird ein Ersatz hergestellt, der die gleiche Form und das gleiche Aussehen hat, und es wird dadurch die Meinung erzeugt, daß man diese Art Hutschmuck nicht entbehren könne. Zugleich werden dann auch alle anderen Vögel mitverarbeitet. Alles, was die Schöpfung an lebender Schönheit hervorbrachte, muß in die Hutschachtel.
Man erinnere sich an die Entwicklung, die wir in den letzten Jahren mit der Reihermode erlebten. Reiherfedern waren früher der Schmuck einzelner Fürstinnen und einiger Reitertruppen. Dann wurde eine große Mode daraus gemacht, die zur Folge hatte, daß die Reiher in der Natur seltener wurden und immer schwerer zu beschaffen waren. Deshalb wurden sie eines Tages aus Pferdehaar nachgemacht, oder es wurde aus Spitzentüll ein Gebilde geformt, das an Reiherstutz erinnerte. Jetzt konnte man beobachten, daß die Frauen durch die Art ihres Hutschmuckes anzeigten, wieviel Geld sie zur Verfügung hatten oder vortäuschen wollten. Wer reich war oder einen reichen Liebhaber suchte, trug umfangreiche Büsche echter Reiher, wer unbemittelt war, benutzte Nachahmungen oder einige Federstummeln vom Ausschuß als Ausweis für die gehorsame Abhängigkeit vom Unternehmer oder Modeschieber. Aber auch bei dieser Entwicklung ging der Federindustrie der Vorrat aus, und es wurden zwischendurch einige Millionen Möwen und Seeschwalben ausgepolstert und auf die Hüte gebunden. Dazwischen wurden Eulen, Mandelkrähen, Eisvögel hingerichtet, ausgestopft, angebunden.
Fiel es denn niemandem auf, daß hier ein frecher Griff in die Arche Noah getan wurde? Gewiß; aber als der Handel viele Reiher auf den Markt bringen konnte, wurde denen, die diesen ganzen Zusammenhang durchschauten und die Gefahr der Naturverödung kannten, geantwortet: »Die Natur hat unerschöpfliche Vorräte.« Als es dann bald deutlich wurde, daß das eine Lüge war, wurde dreist auf die Pferdehaarbüschel hingewiesen und gesagt: »Der Reiher ist nicht gefährdet; die meisten Reiher, die getragen werden, sind ja Nachahmungen!« Der aufmerksame Beobachter aber hat aus der ganzen Entwicklung des Putzes dies gelernt: die Hutfeder, welche Form und Farbe und welches Gewicht sie auch habe, ist nicht unersetzlich. Weder die Federindustrie noch die hochherzigen Frauen werden jemals die Tierarten vermissen, die, um der Mode zu dienen, vernichtet wurden. Nur die denkende und fühlende Menschheit wird es wissen. Und deshalb ist die Forderung der Naturkenner berechtigt: die Mode soll jetzt schon von den lebenden Tieren der Wildnis ablassen und sich auf den Hutputz beschränken, der beschafft werden kann, ohne blutigen Eingriff in die lebendige Natur.
Wenn man eine deutsche Stadt aufsuchen will, in der das Tierleben noch so ist, wie es sein kann, muß man sehr weit wandern: bis nach Innerafrika. Dort sah ich noch vor kurzem solch einen Ort, in dem deutsche Beamte und Kaufleute arbeiten und sich über das bunte Tierleben in ihrer Nähe freuen. Wenn sich der Dampfer der Landungsbrücke nähert, fliegen ihm Flüge von Reihern entgegen, Kormorane und Schlangenhalsvögel tauchen von hohen Klippen hinab in das Wasser, Enten schwirren den Strand entlang, und der starke Schrei der Ibisse ertönt. Adler kreisen über den Felsen, und unbekümmert um den Menschen und seine Maschinen stehen Graufischer in nächster Nähe des Dampfers flatternd über dem Wasser. Kleine weiße Reiher streichen durch die Baumreihen der Straßen. Nicht weit am Strande kann der Spaziergänger gar Krokodile in der Sonne liegen, riesige Flußpferde auftauchen sehen. Wenn vor der Stadt ein gefallenes Stück Vieh nicht gleich vergraben wird, erscheinen hoch am Himmel riesige Geier und Marabus und lassen sich in unmittelbarer Nähe der Hütten zur Erde nieder. Menschen und Tiere dulden einander.
So kann es überall sein, wo Menschen leben, die aus der Freundschaft der Tiere Glück genießen. Aber es strömen neue Menschen zu. Einer schießt nach den Nilpferden, ein anderer versucht seine Schrotflinte an den vertrauten Graufischern, der dritte gibt Gift an die Neger aus und befiehlt: »Bringt mir von den toten Vögeln die weißen, die lange Federn haben.« Noch ein anderer erstrebt den Ruhm, einen Adler getötet zu haben. Hier kann er das leicht haben; denn die Tiere sind zutraulich und fühlen sich noch nicht als seltene Jagdbeute. So vergeht kurze Zeit, und das einzige, was dann noch lebt, sind einige Schildraben und Milane, an die niemand einen Schuß Pulver verschwenden will.
Muß das alles so kommen? Wer die Natur, wer die Freundschaft der Tiere zum Menschen, wer die Gaben der Tiere kennt und weiß, wie gern sie dem Menschen nutzen und sein Gemüt erheitern, der findet es unbegreiflich, daß die Bewohner der Städte nichts vermissen, wenn sie auf leblose Straßen und Plätze hinaussehen. Ja, seht euch in eurer Heimat um: »Wo sind denn die Reiher? Wo die Adler, die Ibisse?« Die Antwort ist hart: »Hier sind sie schon lange tot, und die aus fernen Landen kleben als Skalpe auf den Hüten weißer Frauen.« Dreihundert Millionen Zier- und Nutzvögel müssen jährlich ihr Leben lassen, weil der Kulturmensch sich dieser Ruchlosigkeit schuldig macht. In Amerika, in Afrika, in China ist der weiße Reiher so gut wie ausgerottet. Unzähligen Eingeborenen ist es versagt, sich seiner Schönheit noch zu freuen, aus seinem Leben die Kräfte der Phantasie zu bereichern. Erschreckend greifen Seuchen um sich, weil gewissen krankheitbringenden Insekten, wie der Tsetsefliege und den Anophelesmücken, die das Malariafieber übertragen, ihre natürlichen Feinde zu fehlen beginnen. Manche Vogelarten sind bereits ausgerottet worden. In den letzten sechs Jahren haben die Lieferanten der Federhändler die Eulen Nordafrikas so völlig vernichtet, daß es jetzt nicht mehr möglich ist, sie für die Wissenschaft noch zu sammeln. Ebenso wurden die Eulen und Uhus Sibiriens durch die Hutmode ausgerottet. Auf der Insel Trinidad, wo der Gang der Ausrottung überschaut werden kann, wurde festgestellt, daß im Auftrage der Federhändler fünf Kolibriarten völlig vernichtet worden sind. Mehrere Arten des Paradiesvogels sind bereits ausgerottet, Über die Schönheit, die Farben und Formenpracht der Paradiesvögel sollte sich jede Frau unterrichten. »Die Wunder der Natur« (Deutsches Verlagshaus Bong) und die vierte Auflage von Brehms »Tierleben« geben Einblick in ein Naturkapitel, das wir bisher leider nur mit roher Hand aufgeschlagen haben andere sterben in diesen Tagen aus, weil wir uns darüber streiten, ob das wirklich so kommen wird, anstatt den Handel zu verbieten. Der Emu ist in Tasmanien ausgerottet worden; der Kondor, der in den Anden lebt, wird in diesen Jahren vernichtet. Jeder Zweifel, ob das wahr sei, statt schneller Tat, kommt zu spät. Dafür ein Beispiel von vielen: Von der amerikanischen Wandertaube wurde vor einigen Jahren behauptet, nie würde es dem Menschen, selbst wenn er es wollte, gelingen, sie auszurotten. Kein Gewehr, kein Pulver und kein Gift könnte den Mengen dieser Tiere etwas anhaben; wenige Jahre später kannte man nur noch ein einziges frei lebendes Weibchen. Vergeblich wurde ein Preis ausgeschrieben für den, der ein Männchen dazu nachweisen könne. So sehen die »Übertreibungen der Naturschützer« aus.
Ein schlimmer Zustand also. »Das kann nicht sein«, höre ich sagen. »Das ist Fanatismus.« »Wenn das wahr wäre, wären ›die Regierungen‹ schon eingeschritten. Das Weltblatt her! Sagte ich's nicht? Da steht's: ›Bekanntlich werden die Hutfedern in der Steppe (von sanften Händen) aufgelesen, wenn der Vogel sie (im Dienste des Federhandels) verliert.‹ Dasselbe, was Frau Nähdrauf, die Huthändlerin, sagt. Es stimmt also.«
Halt! Sachte. Wir kommen zu den frechen Lügen; denn wir sind bei wirtschaftlichen Interessen angelangt, bei »investiertem Kapital«, beim wahren Deutschtum. Es ist die erste der Lügen, die gewisse Leute nötig haben, um trotz aller Warnungen weiter plündern zu können. Die Wahrheit ist, daß die Vögel an den Nestern ihrer Brut herabgeschossen werden, wenn sie den hungrigen Jungen Nahrung bringen. Die Jungen müssen elend verschmachten. So wird der Hutschmuck deutscher Mütter gewonnen!
Noch andere Lügen werden verbreitet. Die gefährlichste ist die von den Reiherfarmen. Es ist bekannt, daß jedes Unternehmertum, das Naturschätze plündert oder Menschen verdirbt, mit der Oberflächlichkeit der Menge rechnet und weiß, daß es sein Geschäft ruhig weiter betreiben kann, wenn es die Anschauung verwirrt. Auch das Federnkapital begegnet den berechtigten Warnungen der Vogelkenner, indem es allerlei Nachrichten verbreiten läßt, denen man nicht ansehen kann, woher sie kommen. Das Reiherzuchtmärchen nun kommt so zustande: Es ist eine bekannte Tatsache, daß Strauße in Afrika schon seit Jahrzehnten auf Weidegütern gezüchtet werden, wo man ihnen die Federn regelmäßig abnimmt, ohne daß den Tieren ein Leid geschieht. An diese Tatsache knüpfen die Händler an und sagen sich: Wenn man nur irgendwo auf der Erde eine einzige »Reiherzüchterei« hätte, dann ließe sich gleich die Meinung verbreiten, daß auch die Reiherfedern so gewonnen werden wie die meisten Straußenfedern: ohne Töten von Tieren. Nun gibt es aber solche Reiherzüchterei nicht (sonst hätte das beliebte Weltblatt längst den aufklärenden Artikel über die Reiherzucht gebracht mit den belehrenden Aufnahmen: der Reiherfarmer im Kreise seiner Familie; beim Brutgeschäft; das Abernten der Federn). Weil es das also nicht gibt, muß anders vorgegangen werden. Und so wurde ein Preis von mehreren tausend Mark gestiftet für den, der bis zum Jahre 1918 mit einer »Reiherfarm« Erfolg hätte. Dieser Preis wurde der deutschen Kolonialgesellschaft zur Verfügung gestellt. Die übernahm das Amt des Preisverteilers auch und merkte nicht, daß sie dadurch von der begonnenen Kritik des Federhandels abgelenkt werden sollte.
Nun ist der Federhandel fein raus: Bis zum Jahre 1918 ist die Verhandlung vertagt. Bis dahin kostenlose Verbreitung des irreführenden Begriffs »Reiherzucht« durch die Kolonialgesellschaft, die sich gern in einer »wirtschaftlichen« Frage betätigt. Und 1918 sind alle Reihergebiete ausgeschossen, dann mag man über Reiherzucht denken wie man will, dann lohnt der Handel doch nicht mehr. Zudem braucht höchstwahrscheinlich der Preis garnicht ausgezahlt zu werden, weil es eben auch in vier Jahren noch keine gewinnbringende »Reiherfarm« geben wird. Mit solchen Mitteln wird die öffentliche Meinung irregeführt. Natürlich läßt sich Straußenzucht nicht durch eine Reiherzucht nachahmen; Strauße sind Pflanzenfresser und nähren sich auf der Weide; Reiher nähren sich von Fischen. Der Mensch duldet aber Fleischesser nie in großer Zahl neben sich. Die Ernährung solcher Tiere ist ihm zu teuer.
Ich höre von denen, die sich beruhigen wollen, neue Einwände: »Wir haben doch Sachverständige, haben Forschungsreisende, Männer der Wissenschaft.« Das stimmt; die haben wir. Aber die werden nicht gehört, wenn ihr Urteil »wirtschaftlichen Interessen« unbequem ist. Da ist Professor R. Neuhauß, der in Neu-Guinea die Augen nicht nur als Gelehrter aufgetan hat, sondern offenbar auch als Mann von Herz und Verstand. Er hat ein dreibändiges Werk über die Inseln geschrieben, die die Heimat der Paradiesvögel sind. Er deckt den Zusammenhang auf zwischen Paradiesvogeljagd, Übergriffen gegen Schwarze, Ermordung von weißen Jägern und daraus folgenden »siegreichen« Strafexpeditionen.
Nur ein Vorgang sei hier mitgeteilt, der Bände spricht: Ein Paradiesvogeljäger kam bei der Ausübung seiner Tätigkeit in die dabei unvermeidlichen Reibungen mit den Eingeborenen, die nachweislich mindestens glaubten, er wolle sie des Eigentums berauben und sie töten. Sie befanden sich in »Putativnotwehr« und brachten ihn um. Der amtliche Bericht über die daraufhin natürlich notwendige Strafexpedition sagt: »Das große Wambadorf wurde unter Feuer genommen und eingeäschert. Die Wambaleute hatten etwa 40 Tote.« (Deutsche Frauen, hört, auch Menschenblut klebt an eurem Hutschmuck!)
Professor Neuhauß macht auf die beschränkte Verbreitung der einzelnen Paradiesvogelarten aufmerksam und warnt vor völliger Ausrottung weiterer Arten. Er rechnet der Regierung auch vor, daß die paar tausend Mark Zolleinnahme aus Vogelbälgen in den Unkosten für Strafexpeditionen draufgehen. Es ist auffallend, daß solch ein Sachverständiger der Vereinskommission unbequem war, die über den Schutz der Paradiesvögel beraten sollte. Und doch wundert sich niemand darüber, der weiß, daß in solchen Beratungen heutzutage unangefochten Männer mitsprechen, die selbst gewisse wirtschaftliche Interessen in den Kolonien haben und deshalb mehr Wert legen auf einen »Sachverständigen« anderer Art: Irgendeinen Mann, der der kolonialen Landgesellschaft nahesteht, die an der Vogeljagd wirtschaftlich interessiert ist. Dieser »Landeskenner« fand sich denn auch und war bereit, vor Kolonialfreunden laut auszusagen, daß der Paradiesvogel nicht ausstirbt.
Und diesem »Sachverständigen« wurde geglaubt. Wir erleben in unserm Volke und in unserer Zeit eine merkwürdige Umkehrung: Menschen mit wirtschaftlichen Interessen heißen unparteiisch; Gelehrte und Menschen, die nach idealen Zielen streben, sind der Parteilichkeit verdächtig. Deshalb hat man neben dem »Landeskenner« sogar einen Händler als Sachverständigen zu Worte kommen lassen. Es ist ein Zeichen der Zeit, daß dessen Urteil nicht nur völlig ernsthaft, sondern sogar mit einer gewissen Genugtuung aufgenommen wurde.
Es war so erfreulich, daß ein an Mitgliederzahl großer Verein, wie die deutsche Kolonialgesellschaft, sich für die Tierwelt einsetzen wollte. Aber, wenn man nicht sehr vorsichtig ist, dann geht's einem so wie ihr: Man will die Vögel schützen und schützt den Handel mit Vogelfedern. Einen Federhändler zu Rate ziehen, wenn Vögel geschützt werden sollen, das ist geradeso, als wollte man einen Bierbrauer bitten, Vorschläge zu machen, wie eine Verringerung des Alkoholverbrauchs zu erreichen sei.
Natürlich ist es ein Unding, in der Frage, wie ein wildlebender Vogel zu schützen sei, einen Händler zu hören. Ihm ist es ganz gleichgültig, was aus der Natur wird, und er geht nur darauf aus, jetzt und möglichst schnell ein Geschäft zu machen. In dieser Frage kann es nur heißen: Unter heutigen Verhältnissen, bei der Leistung unserer Waffen und unserer Verkehrsmittel darf kein wildlebender Vogel Handelsgegenstand sein, wenn er nicht vernichtet werden soll. Man kann nichts schützen, was im Busch umherfliegt und hundert Mark wert ist.
Nun gibt es unter den immer wiederkehrenden acht Einwänden gegen den Federmodekampf einen, der zunächst stutzig macht: »Federn seien als Hutschmuck besonders schön und unersetzlich, weshalb der Mensch das Recht habe, aus der ihm unterstellten Natur zu nehmen, solange der Vorrat reicht.« Hier sei einmal abgesehen von dem Widerspruch, daß man etwas, was man notwendig zu gebrauchen wähnt, schleunigst vernichtet; abgesehen sei auch von der Frage, ob der Mensch ein derartiges Recht habe, und ob nicht die Natur mehr seinem Mitgefühl als seinem Eigennutz und seiner Grausamkeit unterstellt wurde. Nur die Frage, ob Federschmuck als Schmuck in dem Maße schön und unersetzlich sei, wie es behauptet wird, soll erörtert werden.
Niemand wird behaupten, daß ein Federbündel nicht einen Hut schmücken könne; aber das muß bestritten werden, daß ein häßliches Weib durch Vogelfedern schöner aussehe, oder daß Steißfedern des Marabu die Aufmerksamkeit von einem vernachlässigten Körper ablenken könnten. Ein schöner Frauenkopf aber hat keine Federn nötig. Nur edle Gedanken können ein Gesicht verschönen, dem Schönheit verloren ging; das Tragen von Federschmuck, dieses plumpe Sichbrüsten mit Blutschuld, muß edle Menschen abstoßen; als Abzeichen der Halbwelt aber genügen Schminke, Stöckelschuh und aufdringlicher Duft. Doch sei gern zugegeben, daß da der Federschmuck noch einen gewissen Zweck hat.
(...)
Wo Anmut und Schönheit sich verbinden mit einem feinen Geschick, sich zu kleiden und zu schmücken, da sind die Federn unnötig oder stören gar. Welche Frau möchte nicht einen Hauch frischer Jugend mit sich tragen! Jugend aber stürmt oder steht im Sturme. Keine Ballspielerin, keine Seglerin oder Skifahrerin könnte einen Tafelaufsatz von Federn auf dem Kopf tragen. Eine Mütze oder ein glatter, kecker Hut umrahmt das frische Gesicht. Soll aber ein Hut mit Formen und Farben verziert werden, was bietet die Kunst der Hutschmückerinnen da nicht alles an: Straußenfedern, Blumen, Bänder, Kordeln, Spitzen. Es braucht kein Blut zu fließen, wenn deutsche Frauen ihren Kopf putzen wollen.
Jetzt tragen sie Köpfe von Eulen und Möwen mit Schnäbeln, Glasaugen, Vogelbeinen, Marder und Eichhörnchen mit Köpfen und Beinen, Maulwürfe. Ja, gilt es Naturkunde zur Schau zu bringen, warum werden nicht auch Hammelfüße und Affenhände ausgestopft und aufgebunden? Weshalb nicht ganze Vogelnester auf die Hüte befestigt? Es ist ja keine Grenze, und kein Strafrichter schreitet ein. Alles, was nicht menschliche Sprache spricht, darf getötet, erwürgt, erstickt, vergiftet werden. Hängt's nur den Frauen an, damit sie es über die Straße tragen und die Schande des Okzidents ruchbar machen.
(...)
Ich denke nicht daran, jemandem einreden zu wollen, man könnte alle deutschen Frauen über das Wesen der Federmode aufklären und sie veranlassen, keine Federn mehr zu tragen. Solch Beginnen wäre aussichtslos. Viele würden trotz aller Aufklärung Federn tragen, und die Vögel würden vernichtet werden. Da sind zuerst die Frauen der Halbwelt. Das Leid der Tiere darf ihnen gleichgültig sein. Sie trifft die geringste Schuld. Dann sind da die denkfaulen und gefühllosen Frauen, die wohl Zeit hätten, über die Unsitte der Federmode nachzudenken, es aber nicht tun. Bei ihnen liegt die größte Schuld. Sehr viele andere haben wirklich viel zu tun und lesen oder hören nichts. Andere sind völlig und ohne Unterbrechung mit Liebeleien in Anspruch genommen; ihnen ist jedes Mittel recht aufzufallen, und was nicht ihrer Gefallsucht dient, kann sie nicht beschäftigen.
Wieder andere – ich denke an einen Teil der in der Frauenbewegung kämpfenden Frauen – sind klug und gewissenhaft, scheuen sich aber, das Mitleid mit Tieren wichtig zu nehmen und kümmern sich, weil sie' s den Männern gleichtun wollen, recht auffallend um die Angelegenheiten, um die die Männer heute streiten. Sie machen sich, zum Schaden der Frauenbewegung, zu Mägden der heute bestehenden politischen Parteien, anstatt mutig aufzutreten, sich schützend vor alle Lebenskeime zu stellen und, wie es die Natur will, zu rufen: »Schweigt, die Mütter sprechen!«
Weh dem, der da lachen wollte! Die Mütter: wie lange lassen sie noch auf sich warten? Ist es denn überhaupt noch wahr, daß auf dieser blutdampfenden Erde »die Mutter mit dem Kinde wohnet«? Es gibt wirklich Mütter, die Säuglinge an ihrer Brust hielten und die die Tatsache nicht zu Tränen rührt, daß um jeden Reiherstutz hilflose Junge verhungern mußten. Und weil es solche und viele andere gibt, ist es unmöglich, alle Frauen zum Verzicht auf die Federmode zu bringen.
Aber etwas anderes muß möglich sein: ein einziges Mal alle aufzurufen, die ein Herz haben und ihnen den Kampfruf zu geben: »Wir fordern das Verbot!«
Es mag hier scheinen, als ob ich voraussetzte, die Frauen hätten schon Stimmrecht und mithin unsere Gesetze fortan nicht nur Väter, sondern auch Mütter. Davon spreche ich heute aber nicht: ich fordere hier nur, daß unter den heutigen Verhältnissen alle denkenden, gesund empfindenden deutschen Frauen und Mädchen ein einziges Mal in Empörung gebracht werden. Wenn darunter die Frauen und Töchter von Fürsten, Ministern, Abgeordneten sind, von Zeitungsherrschern und mächtigen Kaufleuten, dann werden auch die Männer den Notschrei der Tierwelt hören, und es wird etwas geschehen.
Haben wir erst wie in Nordamerika und in einigen anderen Ländern das gesetzliche Verbot des Handels mit allen Federn außer den Federn des Schlachtgeflügels und der Straußenfedern, dann können wir ausruhen und brauchen nicht mehr so viele Frauen zu belehren. Dies Sondergesetz wird dann nicht wieder umgestoßen werden, bis das höhere Kampfziel erreicht sein wird, bis die abendländischen Unternehmervölker wieder zu einer tieferen Auffassung ihrer Stellung zur Tierwelt gekommen sein werden und der Weltnaturschutz feste Formen haben wird.
In anderen Ländern hat dieses Gesetz Geld gekostet. Auch bei uns kostet der Kampf Geld. Man sagt, für fünfhunderttausend Mark sei die Werbung für das Gesetz bei uns zu leisten. Dieses Geld aber wird in Deutschland nicht aufgebracht werden. Für irgendein Denkmal eines Toten wäre es zu beschaffen; Naturwunder, lebendige Denkmale der Schöpfung finden bei uns keine schützenden Geldgeber. Deshalb muß das, wonach die geschändete Natur schreit, mit der Begeisterung geschaffen werden, zu der das deutsche Volk fähig sein muß, wenn es überhaupt noch lohnt, sich in diesem Volke mit Druckerschwärze und Sprache mitzuteilen.
In Deutschland wird der Kampf geführt von dem Bunde für Vogelschutz, Stuttgart, Jägerstraße 34, dem Frauenbund für Vogelschutz, Charlottenburg, und von einzelnen energischen Vorkämpfern wie Prof. Paul Sarafin und Prof. Schillings. (Diesen Herren verdanke ich auch wertvolle Ergänzungen meiner eigenen Beobachtungen in vier Erdteilen.) Außer dem Vortrupp treten für den Schutz der Vögel gegen die Federmode ein: der Dürerbund mit dem Kunstwart, der Kosmos, die Süddeutschen Monatshefte und die Ethische Rundschau. Berufene Helfer sind die organisierten deutschen Frauen, die Bodenreformer, der Deutsche Käuferbund, der Deutsche Bund für naturgemäße Lebens- und Heilweise mit der gewaltig verbreiteten Zeitschrift »Der Naturarzt«, und alle gesunden Vereine der Jugend. Wenn diese alle willens sind, zu helfen, sollte da nicht auch in Deutschland ein Erfolg möglich sein? Jetzt ist es Zeit; es muß etwas geschehen! An alle geht die Bitte, dem Vortrupp oder einem der Bünde ihre Zustimmung zu diesem edelsten Kampfe zu geben. Vor allem natürlich an die Frauen als an die, auf die es praktisch zunächst ankommt. Viele tausend deutsche Frauen und Mädchen haben sich bereits durch ihre Unterschrift verpflichtet, keine Federn von Reihern, Paradiesvögeln, Marabus und anderen gefährdeten Vögeln zu tragen und haben durch diese Tat gezeigt, daß sie für die große Sache kämpfen. An die Frauen richtet sich hiermit dieser Aufruf des Vortrupp:
Gegen die Federmode
Deutsche Frauen, deutsche Mädchen, die Schöpfung selbst bittet Euch, sie ruft Euer Mitleid an:
Macht dem grausamen Vogelmord ein Ende. Sprecht Euern Willen aus: es soll kein Vogel mehr getötet werden, um als Hutschmuck zu dienen.
Verzichtet auf alle Federhüte außer Hüten mit Straußenfedern, weil nur Straußenfedern durch Zucht gewonnen werden, alle anderen Federn aber, wenn sie nicht dem Schlachtgeflügel entnommen werden, nur durch grausame Vernichtung unersetzlicher, schöner Vögel beschafft werden.
Wisset: Edelreiher und Paradiesvögel und manche andere Vogelarten stehen jetzt infolge der Hutmode unmittelbar vor ihrer Ausrottung. Der Handel sucht Euch über diese Tatsachen zu täuschen und streut Unwahrheiten aus. Abhilfe ist noch möglich, wenn Ihr helft, eine große Bewegung zum Schutze der gefährdeten Geschöpfe zu erregen. Andere Staaten haben schon den Handel mit den genannten Federn verboten. Nur Verbotgesetze können helfen. Sprecht viel davon, dann kommen sie. Lernt die Federn kennen, die auf Hüte gebunden werden, damit Ihr wißt, von welchem lebenden Wesen sie stammen. Die Kenntnis der Vogelwelt, eines der größten Wunder der Natur, wird Euch glücklicher machen. Denkt an das Schicksal des Tieres, dessen Federn Euch zum Kauf angeboten werden. Werbt für den Schutz der gefährdeten Vögel, indem Ihr sprecht von blutigen Federn, im Gegensatz zu harmlosem Federschmuck.
Bedenkt: Die meisten Frauen, die blutige Federn tragen, sind sich der Grausamkeit noch nicht bewußt.
Es wird nichts Unbilliges verlangt, sondern nur dies: Die Mode soll von den lebenden Tieren der Wildnis ablassen, bevor sie ausgerottet werden und sich auf den Hutputz beschränken, der beschafft werden kann ohne blutigen Eingriff in die lebendige Natur. Laßt Euch nicht von der Mode beherrschen, sondern von Euren eigenen sittlichen Kräften, von Eurem Gewissen und Eurem Schönheitssinn. Mag die Mode an sich sein, was sie will; in unserer Zeit ist sie nur ein Mißbrauch und wird von Unternehmern gemacht. Die Zeit, wo man bei edlen Frauen anfragte, was sich ziemt, ist nicht mehr. Heute sind es nicht gerade edle Frauen, mit deren Hilfe das Unternehmertum Moden aufstellt. Verbittet es Euch, daß solch eine Mode Euch blutige Federn aufzwingen will; fordert harmlosen Hutschmuck.
Wenn Ihr nicht die Hutmacherin erzieht, dann gebietet sie Euch und gewöhnt Euch an Roheiten. Vergeßt nicht, daß Ihr als Käufer Macht habt; und Macht verpflichtet.
Bis in unsere Zeit hat der Mensch seinen Scharfsinn dazu benutzt, Mittel der Vernichtung zu ersinnen. Er hat sich Herr der Erde genannt, wenn er andere Lebewesen tötete. Es ist jetzt erwiesen, daß seinen Waffen und seinen Fallen nichts standhält. Jetzt zeige der Mensch einmal, daß er die Erde wirklich schon beherrscht. Wenn er doch selbst nie Schöpfer sein kann, so beweise er, daß er fähig ist, Geschöpfe zu schützen.
Und er hüte sich vor Überhebung. Die Vögel sind die natürlichen Vertilger derjenigen Insekten, die wir heute, dank den Erfolgen der wissenschaftlichen Forschung, als Überträger vieler Krankheitserreger kennen und bekämpfen. Wohl ist es dem Menschen in seine Hand gegeben, das, was seinem Geschoß Ziel bietet oder in seine Schlingen tritt, völlig zu vernichten. Macht er jedoch in Verblendung oder Leichtsinn davon Gebrauch, dann kommen die kleinen und kleinsten Lebewesen und fressen ihn auf. Wer weiß, ob es dem menschlichen Scharfsinn von kommenden Jahrtausenden je gelingen wird, die Schutzwehren wieder aufzubauen, die durch den Tod der heute geopferten Tierarten niedergerissen werden.
Nur Dummheit merkt nicht, daß die Hutmode über das Schicksal der Menschheit mitentscheidet.