Balder Olden
Ich bin Ich
Balder Olden

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebzehntes Kapitel

Peters, nur mit Revolver und Kiboko bewaffnet, – hinter ihm steht Hamisi mit seinem Gewehr – kommandiert zum Aufbruch. Nach diesen achtundvierzig Stunden harter Arbeit, Exerzierens, Kommandierens, scheint er kein »Kind« mehr in Afrika.

»Wapagasi!« schnauzt er die Träger an. »Wer seinen Dienst tut und seine Last gegen jede Gefahr verteidigt, bekommt den ausgesetzten Lohn und später ein reiches Geschenk. Wer Dienst verweigert, bekommt Fünfundzwanzig mit diesem Kiboko. Ich kann euch versichern, daß ich sauber ziehe. Wer zu desertieren versucht, wird erschossen!«

»Den Kiboko sollt er lieber mir überlasse«, schwatzt Herr Otto dem Grafen zu. »Die Schwarze lache sich kaputt, wenn's einer nit recht versteht.«

Aber diese vierzig Herkulesse murmeln, in ihrer Heimat, im schwarzen Weltteil, dem Willen eines Fremden blindlings unterworfen:

»Jawohl, großer Herr!«

»Ich will euch ein guter Herr sein! Aber kali kabissa, wenn's nötig ist!«

»Ndio, bwana mkuba!« murmeln die Vierzig mit wachen Gesichtern.

»Ich und Doktor Jühlke nehmen die Spitze, meine Herren! Sie, Graf Pfeil und Herr Otto, die Nachhut. Seinen Boy hat jeder der Herren in seiner Nähe. Sie, Graf Pfeil, sorgen, daß Fühlung gehalten wird.«

»Heia, heia, Safari!«

Das heißt »Vorwärts, Reise!«

Mit diesem Kommando aus Peters' Mund beginnt Deutschlands Kolonialgeschichte. 184

Lasten fliegen auf die Köpfe. Der Zug formiert sich. Tief neigt sich der Duka-Walla.

Peters und Hamisi, Jühlke und sein Boy Marabu. Die Träger. Dann Pfeil und Otto. Als letzte ihre Boys, Sururu und Funza, der Sandfloh. Ein Kind noch, der Gescheiteste, der Gedankenschnellste im Zug nach Peters.

Jetzt geht's über Berg und Tal, heia – vorwärts, durch des Sultans von Sansibar Reich! In drei Tagesmärschen wird es durchschritten.

Dann wird alles Land, alle Weite Petersland!

Peters muß seinen Schritt mäßigen, der Träger wegen. Er möchte durch die durstige Steppe, immer steigend, hinschießen, schräg verkantet, gefährlich jedem, der ihm begegnet, wie einst durch Berliner Nebel, Londoner Nebel.

Trotzdem muß er gleich im ersten Lager einen Rasttag aussetzen. Dieser Schuft von Hindu, dieser Schandkerl, hat zu wenig Träger geliefert. Die einzelnen Lasten sind zu schwer.

»Sie als alter Afrikaner hätten das sehen müssen, Herr Otto!«

Der Kindongosi Ramassan muß nach Saadani zurück, mit einem Sack voll von Drohungen und Flüchen für den Duka-Walla.

Immerhin, dieser Rasttag war ein Dreizehnter! Seit den Nächten im Spukhaus ist Peters abergläubisch.

War es nicht auch ein dreizehnter November gewesen, vor drei Jahren, als Karl Engel die Treppe herunterschlürfte, drohend, tot, rachedurstig?

Peters' Mund zuckte an diesem Tag, er zerkaute den Schnurrbart. Niemand kam ihm nah. Ein Jahr, seit 185 er sich von Georges und Maud, von merry old England getrennt! Seit er angefangen hatte, Ekel und Empörung zu würgen, womit ihn die deutsche Heimat bewirtet.

Immerhin, hier weht andere Luft!

Hier gibt es kein Verleumden und Intrigieren. Nicht einmal Kritik! Hier kommandiert nur Einer, dem alle gehorchen!

Er blickt die sanft abfallende Steppe hinunter, sieht das Meer, umwölkt den westlichen Himmel.

Riesenbäume stehen klotzig im braunen Steppengras. Voll ist die Luft von Zimt und süßem Heuduft. Voll von nie geahntem Vogellaut, seltsamen Vogelsprachen, Zurufen, Antworten, Parlamentieren. Das sticht hervor aus der Insektenmusik, die nie abbricht, als atmete dieser afrikanische Boden sie aus.

In weitem Bogen umkreiste Peters sein Lager. Im Buschwerk äsen zwei Giraffen, nicken ihm zu mit spitzbärtigen Gesichtern wie Kleinbürger, Schneidersleute, die sich durchs Fenster lehnen, weil ein Fremder durchs Dorf geht. Dann kehren sie sich wieder zum Freßnapf.

Überall Äsen, Essen, Leben genießen!

Dort standen, zweihundert Meter vor ihm, Grant-Antilopen, Zebras, sahen Kongoni-Gazellenaugen ins Licht. Bunt durcheinander, wie Kühe und Schafe. Sie beachten Peters nicht. Er aber starrt wie als Kind im Zoologischen Garten.

Gegen Gefahr hatten sie ihre Posten aufgestellt, nicht gegen Neugier.

Strauße, dann und wann die Hälse reckend, wachen wie Türmer. Papageien und Krähen, die sich's auf ihrem Rücken bei Zeckenfleisch oder jungem Sandfloh 186 wohl sein lassen, flattern abwechselnd auf, steigen hoch, spähen den Horizont ab.

Auf fünfzig Meter lassen sie Peters heran, dann ein Schrei aus der Luft, Flügelschlagen des Straußes, ein Pfiff des Leittiers. Zebras fallen bellend ein, Staub wallt auf, Hufe dröhnen.

Ohne Panik, ohne Angst, nur in würdiger Vorsicht zieht das Volk ab, ein Strauß an der Spitze, geflügelte Patrouillen über sich, nach außen die wehrhaften Mannskerle. Mütter und Kinderlein in der Mitte.

Geschossen wird nicht an diesem Tag. Peters hat es verboten. Ihm ist, als sollte er leise und friedlich auch gegen fremdes Herren Getier durch den Gürtel fremder Staatsoberhoheit dringen.

So saß man abends wieder bei Ziegenbraten und kaltem Kaffee. Es wurde kalt, höher ließ man die Feuer des Lagers flammen, die Nacht brach schaurig rasch herein. Glühwürmer lichtern grünlich, es rauscht von Uhuflügeln, als zögen Engel durch die Stille. Irgendwoher, ans dem Dunkel, zuckt ein Schrei; dort litt ein Wesen Todesnot.

»Famose Sache, dies Afrika« meinte Pfeil, ganz beklommen von all dem Geheimnis.

»Das ischt bis jetz noch gar nix!« brummt der alte Afrikaner.

 

Im Dorf Mvomero schloß am vierten Tag Peters mit Salim, Sohn des Hamid, Grenz-Repräsentanten des Sultanats Sansibar, einen Freundschaftsvertrag.

Salim, Sohn des Hamid, neigte sich tief vor der Macht und den Bestrebungen der Gesellschaft für deutsche Kolonisation und ihrem erhabenen Vertreter.

Er erklärte, sein Souverän habe weder Hoheit noch 187 Schutzrechte über die Landschaften im Innern, insbesondere Ngura und Usagara, wolle aber den Plänen Peters' jegliche Unterstützung leihen.

Auf seinem Herzen dies kostbare Schreiben, das von Salim Bin Hamid und ihm gezeichnet, durch vier Unterschriften und fünf Handzeichen der Zeugen beglaubigt war, reiste Peters nun von Dorf zu Dorf, von Sultanat zu Sultanat, zwanzig Tage lang, in gewaltigen Märschen.

Der Ruf seiner Macht, – Freund des großen Sultans von Sansibar, der seine Schritte segnete! – lief ihm voraus. Er war Herr über zehn Feuerwaffen von schrecklicher Gewalt, denen auf weite Strecke jedes Tier und jeder Gegner zum Opfer fällt.

War Freund eines mächtigen Sultans der »Wadatschi« (der Deutschen) im fernen Uleia, wo die weißen, weisen Männer geboren werden, jeder ein Zauberer, Schütze, Arzt, Priester in einem, des Schreibens kundig.

Er war reich wie kein Sultan. Köstliche Stoffe, Trompeten und Pfeifen, schreiende Uhren, die jede Stunde wissen, Perlen und Messingdraht führte er auf den Köpfen seiner Träger mit sich, gewaltige Mengen!

Er war stark von Körper, wenn auch klein! Sein Händedruck schmerzte. Drei Gewaltige seines Landes, hoch von Wuchs, schön anzusehn, waren seine Diener.

Von Hügel zu Hügel hallte im Dämmern des Tages die Zeitung ihm voraus – durch ganz Ngura, durch ganz Usagara.

Kamen dann die weißen Zaubermänner – müd, auf Schusters Rappen, in brüchigen Kleidern, ohne Zelt und Roß, – dann schickte der Sultan seine Minister und Trabanten ihnen entgegen.

In der Halle seines Lehmhofes war ein Mahl 188 gerüstet. Gastgeschenke lagen da, Hühner und Ziegen, frisch geschlachtet, Früchte, Mais. Tänzerinnen, Beischläferinnen, Paukenschläger standen wartend im Hintergrund. Aber noch nahm der große Herr, noch nahmen seine weißen Diener nicht Platz. Sie standen im Halbkreis dem Sultan und seinen Vertrauten gegenüber. Ihre Sklaven schleppten Lasten herbei – lösten die Stricke, breiteten Peters' Gaben.

Inmitten des Kreises Peters, Ramassan neben ihm. Mit durstigen Lippen, ungespeist, sprach man von Freundschaft.

»Ich komme, hoher Sultan, dir die Grüße des Volkes der Weißen zu bringen!

Du bist reich an Weibern und Kühen, an Untertanen, Feldern.

Du hast schöne Hühner zu eigen und fette Ziegen, reiche Fruchtbäume.

Es soll dir nichts von deinem Reichtum genommen werden.

Ich will ihn mehren. Heute nur arme Gaben meiner Liebe! Aber immer voller und voller wird dein Palast werden durch unsere Freundschaft.«

Ramassan übertrug jeden Satz aus der Küstensprache Kisuaheli ins Kisagara, Kiguru, umwand ihn mit noch reicherem Wortschmuck, edlerem Klang von Höflichkeit und Würde.

Peters' Gaben lockten.

Seine Worte waren süß wie Honig.

Süß wie Honig – hätte er nicht zürnen können und donnern aus den Mäulern der Feuerrohre?

Wohlgefällig ruhte sein Auge auf den Mädchen, Ziegen, Hühnern und Früchten, die er gütig hinnahm für seine Kostbarkeiten. 189

Was wollte der weiße Mann?

Er brachte nur Schutz gegen Nachbargewalt, versprach, weiße Männer ins Sultanat zu senden, die hier wehren, lehren würden aus dem Schatz der Uleia-Weisheit.

Er versprach Reichtum und Aufschwung.

Die Sorgen der Regierung wollte er auf sich nehmen. Aus dem Boden Gold und Eisen zaubern, Recht sprechen, nicht mehr zulassen, daß Sklavenräuber das Volk des Sultans verringerten.

Sein Beistand würde Segen des Himmels sein, wenn wirklich Massai, die furchtbaren, aus der Seringeti hervorbrachen, Land zu überfluten, Herden wegzuschleppen, Dörfer in Asche zu legen.

Der Sultan verlor nicht. Er gewann, wenn er solch eines Herrn Untertan wurde!

Titel und Würde blieb ihm, blieb seinem Samen, ewiglich!

 

Nach Begriffen, wie sie wenige Jahre später schon in Afrika herrschten, war diese ganze Peters-Expedition ein Unternehmen weißer Landstreicher. So etwa durchzogen bald darauf an der Küste desertierte Matrosen das Land, in Khakilumpen, ohne Zelt, ohne Konserven- und Getränkelasten.

Für gut Ausgerüstete war der Marsch wirklich nur ein Spaziergang von drei Wochen. Nirgends Hungersnot, nichts von streitbaren Massai! Marschleistungen, die ein mit fünfzig Kilo bepackter Neger ohne Schwierigkeit erträgt, immer ausgetretene Karawanenstraßen unter den Füßen, überall Wasser.

Bis auf ein paar Flußübergänge mit ihren Schwierigkeiten wäre von dieser Reise durch fruchtbare, 190 herrliche Landschaft nichts von Strapazen zu berichten, wenn Peters besessen hätte, was bald darauf der kleinste seiner weißen Emissäre an Komfort in Anspruch nahm: Chinin, so reichlich angewendet, daß es Malaria nicht nur heilt, sondern den Ausbruch verhindert. Feldbetten mit Moskitonetzen, unter denen man trotz Fliegen ungestört seinen redlichen Schlaf schläft. Zelte zum Schutz gegen Regen und Sonne, mit Schreibtisch und Streckstuhl, mit Badewanne. Gute, kräftige Mahlzeiten, Konserven aller Art zum monotonen Negerfutter. Whisky und Sodawasser aus Kohlensäure-Patronen als Schlaftrunk und Prophylaxe gegen Dysenterie, Küstenfieber, Schwarzwasser . . .

Für nichts von alldem hatte Peters gesorgt. Er und seine Herren schliefen auf nacktem Boden oder in der Hängematte, von Fliegen umschwirrt, eine Beute der Malaria tragenden Anopheles, der mörderischen Rückfallzecke. Ihr Getränk war Kaffee, an dem sie noch dazu eiserne Sparsamkeit übten. Ihre Reiseapotheke: ein wenig Verbandzeug. Zu wenig Seife!

Dennoch!

Sie sahen wie Landstreicher aus, die sich bald ärmlich genug auch in der kahlsten Lehmresidenz eines Sultans ausnahmen. Aber sie waren Weiße! Etwas wie großes Mythos umgab sie in diesen Binnenländern Afrikas, in denen man viel von »Uleia« gehört, aber noch kaum einen Europäer gesehen hatte.

Man wußte nur: das sind die Übermenschlichen, die den »Akili Uleia« besitzen, den europäischen Geist, der da Schiffe baut, Feuerwassen erfindet, dem Wellen und Blitz gehorchen. Gegen den es Widerstand nicht gibt.

Peters und seine Mannen begegneten schwarzen Herrschern, die gepflegt waren, blütenweiße Kanzus trugen, 191 Purpurmäntel und blitzenden Schmuck, auf schön geflochtenen bunten Matten lagen; die für jede Handreichung einen Diener hatten, der von Sauberkeit und Gesundheit strahlte.

Diese Fürsten übersahen die Zerlumptheit der Petersschen Vagabundenschar, sahen nur diese feuerstrahlenden blauen Augen, die unbegreiflich hellen Gesichter, das erschütternd Große ihres Selbstbewußtseins.

Feinnervige, instinktsichere Naturmenschen, spürten sie sofort das Gigantische in Peters.

Dieser weiße Landstreicher, Befehlshaber über drei weiße Männer und fünfzig nackte Wilde, hatte schon als Siebenjähriger die Kinderscharen seines Dorfes und der Nachbardörfer organisiert, Parteien unter ihnen gebildet und seine Partei bis zur absoluten Unterwerfung jedes einzelnen beherrscht.

Hatte sich als Sekundaner, bürgerlich, Privatpauker, zum Herrscher in Ilfeld gemacht!

Wie leicht war es, damit verglichen, Ehrfurcht und Grauen armer Neger zu erzwingen, die Unendliches vom Weißen gehört, nie einen Weißen gesehen hatten!

Manche nahmen ihn mit Jubel auf, umtanzten seine Geschenke, priesen sich glücklich, aus Häuptlingen die Satrapen eines wahren Herrschers zu werden.

Andere wühlten ihre Finger in die Falten des Gewandes, warfen irre, wirre Blicke um sich und wußten mit Entsetzen, daß jene neue Zeit hereinbrach, von der sie aus Nord und Süd mit Schauer gehört hatten. Zeit der Weißen! Die den Schwarzen zwang, in seinem eigensten Heimatland, unter der Glut der bisher nur ihm erträglichen Sonne, im Gestrüpp des bisher nur ihm zugänglichen Busches zu dienen, für den 192 Fremden zu arbeiten, ihm zu steuern, Waffen und Lasten zu tragen.

Mancher begriff es, klagte zu seinen Ahnen und seinen Göttern, schlug seine Brust, weil gerade er es war, unter dessen Regierung dieser weiße Lindwurm sein Reich bekroch.

Keiner aber dachte daran, Kriegstrommeln durch seine Täler rasseln zu lassen, den Fremden Dach, Nahrung zu verweigern, speertragende junge Krieger auf ihre Fersen zu hetzen.

Zehntausende weißer Krieger, Feuer schleudernde, standen ja »drüben zur Rache bereit«!

Sie ahnten nichts von Bismarcks Erlaß. Ungeheuer ist die stählerne Macht im blauen Auge. Entsetzlich das Elementare eines Peters, der unter Millionen aller Rassen und Klassen nur einmal auftaucht.

Sie wurden nicht hinters Licht geführt! Jedes Wort, das sie wenig Stunden nach dem Einzug Peters' in ihre Residenz unterschrieben, war ihnen verdolmetscht und wieder erklärt worden, bis sie den letzten Sinn erfaßt. Der aber lautete unerbittlich:

»Sultan Muinin Sagara tritt das alleinige und ausschließliche Recht völliger und uneingeschränkter privatrechtlicher Ausnützung von ganz Usagara an Herrn Dr. Carl Peters, als den Vertreter der Gesellschaft für deutsche Kolonisation, hiedurch ab.

Sultan Muinin Sagara tritt an Herrn Dr. Carl Peters, als den Vertreter der Gesellschaft für deutsche Kolonisation, alle diejenigen Rechte ab, welche nach dem Begriff des Staatsrechts den Inbegriff staatlicher Oberhoheit ausmachen: unter anderem das alleinige und uneingeschränkte Recht der Ausbeutung von Bergwerken, Flüssen, Forsten; das Recht, Zölle aufzulegen, Steuern 193 zu erheben, eigene Justiz und Verwaltung einzurichten und das Recht, eine bewaffnete Macht zu schaffen.«

Die Eroberung Usagaras, eines Reiches, so groß wie Bayern, ohne Schuß, ohne andere Zahlung als die von Höflichkeitsgeschenken, wie Afrikaforscher vor Peters sie für ein paar Ziegen zu zahlen pflegten, geschah am vierten Dezember, zwanzig Tage nach dem Einmarsch von der Küste!

Peters hatte keine Drohung gebraucht, höchstens einmal den sagenhaften Kiboko der »alten« Afrikaner leise fuchteln lassen. Dies allerdings in entscheidender Minute! Wenn ein Häuptling, ein Landesgewaltiger, es an Ehrerbietung fehlen ließ, bewies ihm und all seinem Volk ein einziger, schicksalsvoller Hieb, daß gerade er diesem weißen Eindringling als Sklave gegenüberstand.

Höflichkeit gegen Ehrfurcht. Für jeden Verstoß gegen die Form aber eiskalt verabreichte Peitschenhiebe, Sultanen so selbstverständlich gegeben wie Sklaven oder Rindern.

»Er muß ein großer Mann unter den Weißen sein, daß er mich zu schlagen wagt« dachte dann der Fürst.

Das war die ganze Taktik, eine tief-afrikanische Taktik, die Peters nicht aus Büchern gelesen, sondern aus dem Innersten seiner Natur genommen und angewandt hatte.

Der Vertrag in Muinin Sagara wurde am vierten Dezember geschlossen, am sechsten Dezember durch den Kronprinzen Masengo bestätigt.

Mit ihm schloß diese Märchenreise!

Ein Gebiet, so groß wie Bayern, Württemberg, das Elsaß und Baden zusammen, reich bevölkert, fruchtbar, strategisch wichtig, hatte ihn, Carl Peters, ganz persönlich zum unbeschränkten Herrn über seine Naturschätze, 194 die Arbeitskraft seiner Bewohner, seine Justiz, Handel und Zölle gemacht!

Ein Traum war bis zum letzten, kleinsten in Erfüllung gegangen, wie ihn phantastischer kein Knabe jener Zeit geträumt!

Jetzt konnte Peters als gleichberechtigter Kontrahent vor die Regierung Deutschlands treten: ich bin in meiner Person – denn nach den Statuten der Gesellschaft für deutsche Kolonisation bin ich ihr unabsetzbarer Vertreter – Herr über ein afrikanisches Reich. Nehmt es aus meiner Hand als eine Gabe, die euch in wenig Wochen kein Heer und keine Flotte mehr erobert! Ich fordere nur Dank!

Oder weist sie zurück. Dann werde ich diesen, meinen Besitz, unter den Schutz einer anderen Macht stellen.

Belgien oder England – wie ich's für gut befinde.

Dies ist Quittung eines Patrioten für den Fußtritt, mit dem du, Deutschland, dein Bismarck, dein Auswärtiges Amt mich an der Schwelle meiner Bahn begrüßten! –

 


 << zurück weiter >>