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Mit seinen schneebedeckten Bergkämmen, seinen Hängegletschern und mächtigen Eisströmen macht Süd-Georgien auf den ersten Blick den Eindruck eines echten Polarlandes.
Aber ein eingehenderes Studium schwächt diese Vorstellung doch sehr ab. Während der äusserste Vorposten des eigentlichen Südpolarlandes nach Norden zu, das Graham-Land, eine jährliche Durchschnittstemperatur von -11,8° hat, steht in Bezug auf die Temperaturverhältnisse Süd-Georgien dem Feuerlande und den Falklandsinseln näher, deren jährliche Durchschnittstemperatur von +5,90° bis zu +60° ungefähr dem Jahresmittel von +1,40° auf Süd-Georgien entspricht. Die Verschiedenheit zwischen den Temperaturverhältnissen Süd-Georgiens und dem echten Südpolarklima ergibt sich am besten aus einem Vergleich zwischen den auf beiden Seiten beobachteten Minimaltemperaturen. Während auf Snow Hill eine Kälte von -41,4° beobachtet wurde, beträgt die niedrigste auf Süd-Georgien beobachtete Temperatur nur -12,3°. Dies ausgeprägte Inselklima, das mit sehr kleinen Abweichungen in Bezug auf Kälte wie auf Wärme sich das ganze Jahr in der Nähe des Jahresdurchschnittes von 1½° über dem Gefrierpunkt hält, hat zur Folge, dass Süd-Georgien in mehr als einer Beziehung sich den Naturverhältnissen des Feuerlandes und der Falklandsinseln näher anschliesst, als denen des eigentlichen Südpolargebietes.
Die Fjorde von Süd-Georgien sind im Sommer wie im Winter beständig eisfrei, und auf der ganzen Reise nach dieser Insel beobachteten wir draussen im Meere nicht einen einzigen Eisberg. Andere Seefahrer haben zwar in letzterer Beziehung andere Erfahrungen gemacht als wir, indem sie um Süd-Georgien herum zahlreichen, grossen Eisbergen begegnet sind. Aber dies waren langsam schmelzende Eisriesen, die mit der Meeresströmung weit aus ihrem Ursprungsgebiet fortgetrieben waren, und ihr Erscheinen im Meer um Süd-Georgien herum widerspricht keineswegs der Behauptung, dass diese Insel gänzlich ausserhalb des normalen Ausbreitungsgebietes des antarktischen Treibeises liegt. Dass grosse Mengen kleinerer Eisstücke sich von den Gletscherenden in den Fjorden Süd-Georgiens ablösen, ist weniger bemerkenswert, als dass ganze Scharen von Miniatureisbergen von den Eisströmen geboren werden, die durch die wintergrünen Wälder des Feuerlandes dem Meere zufliessen.
An den Küsten des Grahamlandes wachsen keine oder doch nur verkrüppelte Algen in seichtem Wasser, wo das Treibeis fast beständig die Strandklippen abnutzt und abfeilt, so dass die kleinen Pflanzen fortgerissen und gestört werden. Erst in einer etwas grösseren Tiefe, 10-100 m, trifft man hier bei einem Dretschzug die zahlreichen, verschiedenen, oft zierlichen und schön gefärbten, oft riesengrossen Algenformen, die zu Skottsbergs interessantesten Entdeckungen gehörten und worüber in dem folgenden Kapitel ausführlich berichtet werden soll. Die Küste des Südpolarlandes hat also auch eine üppige Algenflora, obwohl diese in tieferem Wasser, einem oberflächlichen Beobachter verborgen, wächst. Bei allen diesen drei Inselgruppen liegt um das Ufer herum ein Kranz von an der Wasserfläche schwimmenden, mächtigen Blättermassen, die der grössten aller Meeralgen, dem Kelp (Macrocystis pyrifera), angehören. Die Wurzel dieser Algen fusst in einer Tiefe, die zwischen 2 und 25 m wechselt, die Blättermassen breiten sich aber an der Wasserfläche aus und die Pflanze gedeiht daher nur in einem Gürtel ausserhalb des eigentlichen, südlichen Eismeeres, dessen Küsten der Einwirkung des Treibeises ausgesetzt sind.
Wenden wir uns nun der Landflora zu, so finden wir, dass Süd-Georgiens Pflanzenwelt allerdings mit ihren 15 Phanerogam-Arten äusserst einförmig ist im Vergleich zu der reichen und wechselnden Flora des Feuerlandes. Aber die üppigen Wiesen aus Riesengras, die an den Bergabhängen bis zu 250 und 300 m über dem Meere hinaufklettern, der reiche Bestand einer Rosacee (Acaena adscendens), deren Wintersteher oben abgebildet sind, die üppigen Blütengewächse, wie Ranunculus u. a. m., die Farnen und die schwellenden Moosmatten an den kleinen Wasserfällen der Bäche, das alles ist der echten antarktischen Natur fremd, wo alles Land der Region des ewigen Schnees angehört, wo man nur selten eine kleine grünende Moosmatte auf einem schneefreien Bergabhang findet, und wo nur vereinzelte, verkümmerte Individuen einer einzigen Grasart, Aira antarctica, die phanerogame Pflanzenwelt repräsentieren. Süd-Georgiens kleine Sammlung von Blütenpflanzen ist sozusagen eine Auswahl von gehärteten Formen der Flora der Falklands-Inseln und des Feuerlandes, und ihre am meisten in die Augen fallende Art, das Tussockgras (Boa caespitosa), war einstmals auch an der Küste der Falklands-Inseln das charakteristische Gewächs, wo es noch heute alle gegen die Schafe geschützten kleinen Werder bedeckt, wie es auch an geeigneten Stellen an den Küsten des Feuerlands wächst.
Auch die Tierwelt Süd-Georgiens weicht wesentlich von der eigentlichen antarktischen Fauna ab. Hier fehlen z. B. unter den Robben die typischen Eismeerformen, der Weddell-Seehund (Leptonychotes Weddelli) und der Krabbenfresser (Lobodon carcinophaga). Süd-Georgiens Charakterform auf dem Gebiete der Seehunde bildet der Seeelefant (Macrorhinus leoninus), der allerdings früher auf den allernördlichsten antarktischen Inseln, z. B. den Elefanten-Inseln und den Süd-Shetlandsinseln gelebt hat, wo er jedoch von den Seehundsfängern ausgerottet wurde, während er noch in grossen Scharen auf mehreren ausserhalb des Treibeisgebietes gelegenen Inseln, wie auf den Kerguelen und der Heard-Insel, vorkommt.
Fügen wir zu dem obigen noch hinzu, dass der am zweithäufigsten auftretende Pinguin Süd-Georgiens, der Königs-Pinguin (Aptenodytes patagonica), ein im Feuerland vorkommender, in der Antarktis aber unbekannter Verwandter des hochpolaren Kaiser-Pinguins (Aptenodytes Forsteri) ist, wie auch ferner, dass Süd-Georgien unter seine Vogelfauna auch eine Ente (Nettion georgicum) und einen kleinen, lieblich trillernden Singvogel (Anthus antarcticus) zählt, so ist die Verschiedenheit zwischen der Fauna Süd-Georgiens und der der Antarktis zur Genüge nachgewiesen.
Alles in allem schliesst sich Süd-Georgien durch sein mildes Winterklima, die Kelpverbrämung an den Küsten, die Tussock-Matten auf dem Flachlande und an den Bergabhängen, wie durch eine Menge anderer biologischer Charakterzüge einem Gürtel von Inseln (Feuerland, Falkland, Kerguelen, wie einige kleinere Inseln in der Nähe der letzteren) an und bildet mit ihnen einen subantarktischen Aussengürtel um die zentrale Antarktis. In dieser klimatischen und biologischen Zone repräsentiert das Feuerland die Extremität mit hoher Durchschnittstemperatur und reicher Vegetation, während Süd-Georgien mit seiner niedrigen Jahrestemperatur und artenarmen Flora auf dem Übergang zu den eigentlichen Südpolarländern steht.
Schon der Biolog der deutschen Überwinterungsexpedition, Dr. Karl von den Steinen, glaubte während der ersten Hälfte seines Aufenthalts auf Süd-Georgien, dass dort ein kleines Landsäugetier, ein Nager vorkomme, fand aber später, dass alle dies sagenhafte Tier betreffenden Andeutungen sich als falsch und irrtümlich erwiesen. Ähnliche Angaben liegen auch aus älteren Zeiten vor. So bezeichnet Klutschak, der im Jahre 1877-78 die Insel an Bord eines Seehundsfängers besuchte, eine Bucht an der nordöstlichen Küste als den »Rattenhafen« und behauptet, dass dort Ratten vorkämen, die nach seiner Angabe mit einem Schiff dahin geführt seien. Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik., III. Jahrg., II. Heft. Sollte sich wirklich ein Tier aus der Gruppe der Nager hinter Klutschaks Angabe verbergen, so scheint es sehr wahrscheinlich, dass es sich um eine auf der Insel einheimische Form handelt, nicht aber um eine Rattenart, die sich dahin verirrt hat. Die Frage ist also von grossem zoologischem Interesse.
Auch während unseres Besuches auf Süd-Georgien kam gar bald die Rede auf den rätselhaften Nager. In der Bay of Isles beobachteten Karl Andreas Andersson und Larsen auf dem frisch gefallenen Schnee Spuren, die sie mit Bestimmtheit einem Landsäugetiere zuschrieben, und während unseres Aufenthaltes in der Kochtopfbucht berichtete Steuermann Haslum eines Tages, er habe den Kopf eines Nagers aus einem Loch im Erdboden hervorgucken sehen. Leider hatten wir keine Gelegenheit, diese Angaben entweder zu widerlegen, oder durch einen Fund des Tieres ihre Richtigkeit zu beweisen. Indessen teile ich hier unten als Wink für künftige Forscher einen von dem Zoologen der Expedition, K. A. Andersson, abgefassten Bericht über die in der Bay of Isles beobachteten Spuren mit:
»Am Strande der Bay of Isles beobachtete ich am 8. Mai Spuren eines Landsäugetieres. Sie waren zum Teil verschneit, so dass man im allgemeinen nur ihre Aufeinanderfolge sehen konnte. An einzelnen konnte ich aber doch ganz deutlich grössere Spuren von vier Zehen und eine kleinere von einer fünften unterscheiden. Wo die Spuren in normaler Entfernung von einander lagen, betrug das Mass zwischen den vorderen Spuren in zwei aufeinander folgenden Gruppen 28 cm.«
Wenn also auch das Landsäugetier von Süd-Georgien noch immer eine etwas rätselhafte Erscheinung ist, so ist dahingegen der einzige Landvogel ein im Flachlande oft vorkommendes kleines, liebenswürdiges Tierchen. Ein gelblichbrauner Vogel von der Grösse einer Lerche, der mit seinem fröhlichen Zwitschern einen eigentümlichen und bezaubernden Eindruck macht in dieser öden, grossartigen Natur, wo die lieblichen Triller des kleinen Sängers in uns die Erinnerung an mildere Zonen wachrufen. Seine nächsten Verwandten leben auf den Falklandsinseln und in Südamerika, er selbst aber ist ein echtes Kind seiner Insel, eine für Süd-Georgien eigentümliche Art (Anthus antarcticus), beschrieben nach dem von der deutschen Expedition mitgebrachten Exemplar. Er lebt von Fliegen, Käfern und Larven, die er zwischen Steinen und Gras sammelt, und oft sieht man ihn auch auf dem zur Ebbezeit trocken gelegten Strand eifrig zwischen den von den Wellen aufgeworfenen Algenmassen suchen. Sein Nest liegt gut versteckt zwischen den Halmen der Grasmatten. Sowohl in sitzender, wie auch in schwebender Stellung hoch oben in der Luft lässt er seinen Gesang ertönen, den man mit dem Tirilieren einer Lerche vergleichen kann. Am eifrigsten singt er in der frühen Morgenstunde, und der deutsche Forscher berichtet, dass man im Oktober, dem Frühling der südlichen Länder, schon gegen 4 Uhr morgens seinen Gesang durch das tiefe Dunkel der Nacht schallen hören kann.
Mit Ausnahme dieses kleinen Sängers und der Krickente, die sich mit Vorliebe in den Bächen und auf den Landseen aufhält, gehören alle übrigen Vogelarten Süd-Georgiens der Tierwelt des Meeres an.
Von den hier beobachteten Pinguinarten trafen wir nur eine Form, den Papuapinguin, den wir in kleineren Scharen hier und dort in der Cumberland-Bay sahen. Die deutsche Expedition hingegen fand in der Royal-Bay Hunderte von brütenden Königspinguinen und ausserdem einzelne Exemplare von teils antarktischer Form (Pygoscelis antarctica), teils ein paar Arten der Gattung Catarrhactes.
Fügen wir zu den oben aufgezählten Arten noch eine Anzahl grösserer und kleinerer Sturmvögel, ferner eine Raubmöwe, eine Möwe (Larus dominicanus), eine Seeschwalbe und eine Schaube hinzu, so haben wir eine Übersicht über die ganze Vogelwelt Süd-Georgiens.
Die Namen von den beiden Seehundarten, die wir kennen zu lernen Gelegenheit hatten, der Seeelefant und der Seeleopard, sind mit Hindeutung auf eine äussere Ähnlichkeit mit zwei wohlbekannten Landtieren gewählt. Das Männchen der ersteren Art ist ein grauer, klotziger, dickköpfiger Koloss mit kurzer Schnauze, der letztere ist ein fleckiges, schlankes und geschmeidiges Raubtier, das sich in seinem richtigen Element, dem Meere, in Bezug auf die Gewandtheit, mit der es seinen Raub ergreift, sehr wohl mit seinem Namensvetter unter den Landraubtieren messen kann. Den Seeleoparden trafen wir an mehreren Stellen in der Cumberland-Bay an niedrigen sandigen Ufern, aber immer nur vereinzelt oder in einigen wenigen Exemplaren am Strande zerstreut, dahingegen nie, wie das bei den Seeelefanten der Fall war, auf gewissen Lieblingsplätzen zu wirklichen Herden vereint.
Mit seinem schmalen, reptilähnlichen Kopf und seinem lauernden Blick macht der Seeleopard, wie er so an dem sandigen Ufer liegt, einen tückischen, abstossenden Eindruck. Noch mehr aber kommt seine geschmeidige Raubtiernatur zum Vorschein, wenn er mit eleganten, weichen Bewegungen fischend zwischen den Kelps herumschwimmt, hin und wieder seinen Kopf aus dem Wasser erhebend.
Einmal während unseres Aufenthaltes in der Maibucht wollte ich im Segeltuch-Kajak mein Glück mit Angelleinen in unserm kleinen Bootshafen versuchen. Aber ich war noch nicht viele Meter vom Strande entfernt, als ich hinter mir ein leises Plätschern hörte, und als ich mich umwandte, sah ich einen hässlichen Leopardenkopf dicht über dem Kajakrande aufragen. Mit einigen kräftigen Paddelschlägen glitt ich vorwärts, gleich aber ragte das Ungetüm wieder hoch über dem Hinterteil des Kajaks auf. Ein einziger Schlag von ihm hätte mich zum Kentern gebracht und dann stand ich auf dem Kopf in dem runden Kajakloch. Bei dem Gedanken an seine grossen, spitzigen Raubtierzähne wandte ich das Kajak dem Lande zu und paddelte aus Leibeskräften, während ich nach Skottsberg und Andrew rief, die im Zelte waren. Der Leopard war noch immer dicht hinter mir. Während Andrew ihn mit Steinwürfen zurückscheuchte, zog Skottsberg das Kajak an Land und half mir schnell heraus. Sobald Andrew sein Steinbombardement einstellte, kam der Leopard auf den Strand herauf, wo er sich hin und her rollte, das Maul aufriss und allerlei ergötzliche Bewegungen machte. Was er mit dem Kajak und mit mir eigentlich beabsichtigt hatte, ist mir nicht recht klar geworden. Aber nach diesem Ereignis verlor ich gänzlich die Lust, mich im Kajak auf den Fjord hinauszubegeben.
Der Seeelefant ist das Fabeltier der Südsee gewesen. So wie die Riesenalgen, mit denen er in Bezug auf seine Ausbreitung verknüpft zu sein scheint, in der Vorstellung des Südseefahrers unerhörte Dimensionen angenommen haben – selbst ein so kritischer Forscher wie Hooker erzählt von Macrocystis-Exemplaren von 700 Fuss Länge –, so sind die Angaben über die Grösse des Seeelefanten bis auf unsere Zeit sehr übertrieben gewesen. Während unseres Besuches auf Süd-Georgien hatte ich Gelegenheit, eine bedeutende Anzahl dieser Tiere, im ganzen ungefähr ein paar hundert Stück, darunter viele ausgewachsene Exemplare. zu sehen. An sechs der grössten von uns getöteten nahm ich Messungen vor. Ein * bezeichnet, dass bei dem betreffenden Exemplar die Haut des Vorderkörpers sehr faltig und rissig war, was auf ein sehr hohes Alter schliessen liess.
Projektionsmasse
(Schnauzenspitze –Schwanzspitze) |
Umfang
(An der Körperfläche entlang gemessen, Schnauzenspitze – Schwanzspitze). |
Umfang
(Schnauzensitze – Hinterrand der hinteren Extremitäten.) |
Exemplar 1 | 4,55 . | – |
Exemplar 2 | 4,42 – | – |
Exemplar 3* | 4,88 – | – |
Exemplar 4* | 5,24 . | – |
Exemplar 5* | 4,70 5,40 | 5,85 |
Exemplar 6* | 4,81 5,24 | 5,86 |
Das in der letzten Spalte angeführte Mass, das der Rundung des Körpers von der Schnauzenspitze bis zu dem hinteren Rand der Hinterfüsse folgt, ist zweifelsohne das grösste, das man von der Länge eines Tieres erhalten kann. Diese Zahl dürfte meiner Erfahrung nach bei keinem Exemplar das Mass von 6 m beträchtlich überschreiten.
Aber selbst bei dieser Reduktion der älteren Angaben ist der Seeelefant ein Riese unter den Seehunden, um so mehr, als sein Körper sehr schwerfällig und unbeholfen ist. An Land sind seine Bewegungen sehr ungraziös. Langsam und mit Mühe schleppt er sich ruckweise vorwärts, wobei ihm die kräftig entwickelten Vorderbeine eine wesentliche Hilfe sind. Die Tussocks legen sich unter seiner Schwere nieder, und in dem Kies des Strandes hinterlässt er eine tiefe und breite Furche.
An mehreren Stellen in der Royal-Bay wie in der Cumberland-Bay trafen wir oben im Tussockgras an niedrig gelegenen Strandflächen ganze Herden von bis zu fünfzig Stück und darüber, ausgewachsene und junge Tiere bunt durcheinander. Fast alle von uns beobachteten Tiere waren Männchen; mit Sicherheit entdeckten wir nur ein einziges Weibchen. Dies Verhältnis ist wohl so zu erklären, dass sich die Weibchen um diese Zeit in einer andern Gegend aufhielten.
Oft dicht nebeneinander, Seite an Seite, lagen die Tiere zwischen den Grasbüscheln, träge und ohne auf die sich nähernden Menschen zu achten. Als ein ausgewachsenes Elefantenmännchen durch einen Steinwurf gereizt wurde, erhob es den Vorderkörper, sperrte das Maul weit auf, blies die Schnauze auf und gab durch einen trompetenähnlichen Laut sein Missfallen zu erkennen. Aber es bedurfte eines energischen Angriffes, um es zu veranlassen, sich auch nur einige Meter von der Stelle zu bewegen. Man kann sich kaum ein phlegmatischeres Geschöpf vorstellen.
Das halb ausgewachsene Junge hat ein anderes Aussehen als die alten Tiere. Mit dem runden Kopf, dessen kurze Schnauze schon einen grossen Katzenbart hat, und den grossen, fromm dreinschauenden Glotzaugen sieht es gutmütig und zugleich höchst drollig aus. Es ist ein ganz ungezogener Balg, wenn es das Maul aufsperrt und den Friedenstörer anfaucht. Nichts, was ich an verschiedenartigen Szenen aus dem Tierleben gesehen habe, kann sich in Bezug auf unbeschreibliche Komik mit so einem gedeihlichen Jungen messen, das gemächlich seine handähnliche Tatze in die Höhe hebt und sich damit den Kopf kraut.
Ausser diesen beiden von uns beobachteten Seehundsarten lebt in Süd-Georgien auch der von den Fängern seines wertvollen Felles wegen gesuchte Pelzseehund (Arctocephalus australis). Nach Klutschaks Angaben kommt er hauptsächlich auf den kleinen Inseln hoch oben im Nordwesten (Bird Island, Willis Island u. a.) vor.
Überall in Süd-Georgien, wo man durch die Täler und über die Felsabhänge streift, findet man Spuren einer früheren allgemeinen Vergletscherung des Landes. Ich habe schon die ersten derartigen Funde in der Cumberland-Bay erwähnt und angedeutet, wie sie davon zeugen, dass der grosse Fjord einstmals mit einem mächtigen Eisstrom angefüllt war, dessen Abbruchgletscher ein gutes Stück draussen in dem offenen Meer stand. Drinnen im Fjord beträgt die Meerestiefe 250-310 m, aber vor seiner Mündung liegt eine breite Bank mit einer Tiefe von nur 177-179 m. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese grosse Unterseeschwelle an der Mündung des Fjordes durch die Anhäufung der Kiesmassen gebildet ist, die der ehemalige Cumberlandgletscher vor seinem Ausläufer ablagerte.
Aber man findet in der Cumberland-Bay auch Spuren einer jüngeren Eiszeit, wo die Gletscher, die nach der grossen Vergletscherung sehr zusammengeschmolzen waren, wieder anschwollen und sich in Tälern ausbreiteten, die inzwischen eisfrei gewesen waren. Diese zweite Vereisung füllte freilich nur die inneren Fjordarme aus, aber die Spuren, die sie hinterliess, gehören zu dem schönsten und grossartigsten, was man an dergleichen Bildungen auf der ganzen Welt kennt.
Manch ein Naturfreund würde entzückt sein, könnte er mit eigenen Augen den merkwürdigen Arm der Cumberland-Bay schauen, den ich den Moränenfjord genannt habe. Jeder, dem es Freude macht, eine Landschaft mit grossen, klaren Zügen zu sehen, deren Bildungsgeschichte einfach und leicht zu deuten ist, wird entzückt die Brandung betrachten, die an der Mündung der Fjordbucht über das Riff rollt, und die Terrassen, die seine Seiten bekleiden.
Aber der Weg dahin ist lang und die Reise beschwerlich. Deswegen, lieber Leser, wenn du Lust dazu hast, so lass mich dich auf eine kurze Weile im Geiste dahin führen. Nehmen wir an, dass die »Antarctic«, unsere gute alte Schute, die jetzt für immer in der Tiefe der Erebus-Bucht vertaut liegt, noch ihre hohe Takelage in dem stillen Wasser der Kochtopfbucht spiegelt, und dass die munteren Kameraden, die jetzt für immer zerstreut sind, noch die Messe mit ihrem fröhlichen Geplauder füllen. Du gehörst nun auf einen Tag unserm Kreise an, wir haben uns zu einem Ausflug gerüstet, und das Boot liegt an der Schiffsseite bereit. Die höchsten Schneegipfel erglühen in dem Purpurschimmer des Sonnenaufgangs, aber durch die Stille des windlosen Morgens tönt das dumpfe Brausen einer fernen Brandung.
Sobald wir auf den offenen Fjord hinausgelangt sind, wird unser Boot in sanften Wellenbewegungen von der Dünung gehoben und gesenkt, die vom Meer hier hereindringt. Die Brandung singt nun mit stärkerem Getöse, denn wir sind ihr ganz nahe gekommen. Die ganze Mündung des Fjordarmes, die vor uns liegt, ist ein einziger, schäumender Schlund. Die grosse Bucht ist offenbar von dem Hauptfjord durch eine Barriere getrennt, die die östliche Landzunge mit der westlichen verbindet, und diese Schwelle an der Mündung des Fjordarmes reicht allem Anschein nach bis an den Wasserspiegel herauf, denn hier und dort sehen wir dunkle Steinblöcke aus den Schaumrücken auftauchen. Es wäre interessant zu wissen, wie gross die Tiefe zu beiden Seiten dieses mächtigen Walles ist. Im Vordersteven unseres Bootes ist eine kleine Handwinde mit einem dünnen Drahtseil befestigt, mittels welchem wir bis zu ein paar hundert Meter Tiefe loten können. Wir befestigen ein Tiefenthermometer an die Leine und lassen dann das Lot auslaufen. 108 m Tiefe und eine Grundtemperatur von +1,5º haben wir hier hart an der Barriere.
Es handelt sich für uns nun darum, zu sehen, wie weit wir mit dem Boot in die Bucht hineinkommen können. Das Boot in den zischenden Schlund hinein zu steuern, hiesse sich direkt ins Verderben stürzen, aber an einer Stelle, näher nach der westlichen Landzunge heran, rollen die Dünungen, ohne sich zu brechen. Dort muss man einen Kanal durch die Barriere finden können, und dahin lenken wir das Boot. Ein breiter Kelprand bekleidet die Aussenseite der unterseeischen Bank. Wir müssen gut acht geben, während wir das Boot durch die dichte Kelpmasse pressen, damit es sich nicht mit der Langseite gegen die hohe, wilde Dünung legt und dann kentert. Hier ist überall Grund, der helle Kiesboden schimmert an einigen Stellen zwischen den Kelpriffen hervor, es kann hier an den tiefsten Stellen höchstens zehn Meter Wasserstand sein.
Jetzt sind wir glücklich über die Barre hinübergelangt und steuern in den kleinen Fjord hinein. In der Mitte desselben nehmen wir eine abermalige Lotung vor. Eine Tiefe von 148 m und eine Bodentemperatur von nur -0,35º finden wir hier drinnen! Welch ein Unterschied zu beiden Seiten der Barre! Vor derselben überall eine Tiefe von 108-250 m und ein Wärmegrad von +1,5°, und hier drinnen bei einer Tiefe von 150 m ein Grundwasser, dessen Temperatur unter dem Gefrierpunkt liegt. Der Grund zu der niedrigen Temperatur ist bald gefunden. Die Schwelle an der Mündung der Bucht hindert allen Zufluss an warmem Wasser von dem Hauptfjorde, und im Laufe der Zeit ist das Grundwasser abgekühlt worden durch die Berührung mit dem Gletscher, dessen Abbruchstellen wir ganz hinten in einer Ecke der Bucht sehen. Es ist ein schmaler Eisstrom, der voll von Riffen und Klüften in Zickzackform den Felsabhang hinabstürzt. Ich habe ihm den Namen De Geer-Gletscher gegeben, nach dem Forscher, der mehr als irgend ein anderer jetzt lebender Schwede die Kenntnis von den Bildungen der Eiszeit im Norden gefördert hat.
Hier und da auf der ruhigen Oberfläche der Bucht treiben ganze Scharen von Eisstücken, Miniatureisbergen, die von der Abbruchstelle des De Geer-Gletschers ausgekalbt sind. Drinnen, hart am Ufer, liegt eine grosse Eisscholle, deren Oberfläche eigentümlich dunkel gefärbt ist. Wir wollen dahin rudern und sie ein wenig näher in Augenschein nehmen. Sie ist auf der Oberfläche geriefelt. An einzelnen Rändern ist das blaue Eis ganz klar und rein, dazwischen aber liegen breite Rücken von dunkelfarbigem Staub, Kies und schön geschrammten Steinen. Es ist augenscheinlich ein beim Kalben gekentertes und deswegen umgedrehtes Stück von dem Bodenlager des Gletschers, auf das sich beim Hinabgleiten von dem Felsabhang ein Belag von Kies und Steinen gelagert hat.
Vor der westlichen Landzunge an der Mündung der Bucht läuft ein gewaltiger, breiter Wall nach dem Strande hinab, bis an den hohen, dunkeln Felsen, der auf halbem Wege nach dem De Geer-Gletscher am Strande steil aufragt. Wenn wir an Land gingen und diesen Wall ein wenig genauer untersuchten, würden wir finden, dass er aus einer unsortierten Kiesmasse besteht, unter der wir zahlreiche geriefelte Steine antreffen, das ganze völlig übereinstimmend mit dem Kiesbelag auf dem gekenterten Eisberg draussen in der Bucht. Dies gibt uns den Schlüssel zu der Deutung des Ganzen. Der heute sehr unansehnliche De Geer-Gletscher ist in früheren Jahren unendlich viel grösser gewesen. Er hat einstmals die ganze Fjordbucht ausgefüllt und zu dieser Zeit unerhörte Massen von Kies und mächtige Blöcke ausgeführt, die an seinem Rand abgelagert wurden. Die gewaltige, mindestens 150 m hohe Unterseebarriere, die die Bucht von dem Hauptfjord abtrennt, ebenso wie ihre 43 m über der Meeresfläche aufragende Fortsetzung nach dem westlichen Strand der Bucht zu, ist die kolossale Endmoräne des ehemaligen Gletschers.
Wenn wir, die wir hier auf diesem Moränenwall an der westlichen Seite des kleinen Fjordes stehen, zu dem östlichen Ufer hinüberblicken, so können wir dort am Felsabhang leicht eine ganze Serie von Terrassen unterscheiden, von denen die eine über der andern liegt, und die sich alle gleichförmig von dem inneren Teil des Fjordes, wo sie am höchsten liegen, nach dem Meere zu herüberneigen. Auch diese Terrassen sind Moränenbildungen, aber von anderer Art, als die grossen Moränenwälle. Es sind sogenannte Seitenmoränen, schmale Streifen aus Kies und mächtigen Steinblöcken, die am Rand des Gletschers nach dem Felsabhang zu angehäuft sind. Die höchste dieser Terrassen bezeichnet also die grösste Ausbreitung des ehemaligen Eisstromes nach Osten hin, ebenso wie die Barre seine Ausdehnung nach dem Hauptfjord anzeigt; da die oberste Terrasse ganz weit hinaus an der Mündung des Fjordes noch eine Höhe von 101 m über dem Meere hat, schliessen wir, dass der ehemalige De Geer-Gletscher in den Zeiten seines Glanzes, von der grössten Tiefe des Fjordes gerechnet, eine ungefähre Mächtigkeit von 250 m gehabt haben muss.
Fast rings umher umkränzt von den Ablagerungen des jetzt bis auf einen ganz geringen Rest eingeschrumpften Gletschers, hat der Moränenfjord den Namen, den ich ihm gegeben, wohl verdient. Aber wenn er auch eine der prachtvollsten Sammlungen von mächtigen und in einem Zusammenhang übersehbaren Moränenbildungen enthielt, die man überhaupt kennt, so ist er doch nicht der einzige seiner Art in der Cumberland-Bay. In dem linken Fjordarm befinden sich nämlich zwei kleine Seitenarme, in welche die Eisströme münden, die jetzt die Namen Lyell- und Geikie-Gletscher erhalten haben. Auch vor diesen kleinen Buchten liegen Unterseeschwellen, von üppigen Kelprändern markiert, und an ihren Seiten befinden sich Moränenbildungen, die in kleinerem Massstabe die Erscheinungen im Moränenfjord wiederholen.
Wenden wir uns oben auf dem Wall am Ufer des Moränenfjords nach Westen, so sehen wir vor uns ein ganz ebenes, flaches, breites Tal, das sich parallel mit dem Moränenfjord in südlicher Richtung zwischen die Berge hineinschiebt. Auch zu der Bildung dieser ebenen Talfüllung hat der ehemalige Gletscher kräftig beigetragen, indem die Schmelzbäche die Moräne ausschlämmten und hier draussen auf der Talebene die feineren Sinkstoffe ablagerten.
Wenn wir nun über die grasbewachsene Flachebene landeinwärts wandern und schliesslich einen Berg besteigen, der den inneren Teil der Talsenkung von dem Moränenfjord trennt, so erblicken wir neue schöne Bilder von der Wirksamkeit der Gletscher in der Gegenwart und in der Vergangenheit.
Den Bergabhang im Innern des Tales bedeckt zum grössten Teil ein Gletscher, der zu dem Typus gehört, den man mit einem leicht verständlichen Namen als Hängegletscher bezeichnet. Ich habe diesen kleinen hübschen Gletscher nach Axel Hamberg benannt, der eine Musteruntersuchung einer Gruppe schwedischer Gletscher unternommen hat.
Inmitten der Eismasse ragt ein senkrechter, dunkler Felsabhang auf, der den Gletscher in einen oberen und einen unteren Teil spaltet. Ganz nach links schlängelt sich ein schmaler Arm des Gletschers wie ein chaotischer, aber trotzdem zusammenhängender Eisstrom den Felsabhang hinab. An dem grösseren Teil des Gletschers aber schreitet die Eismasse langsam bis zu dem steilen Abfall vor, ein Teil der vorderen Masse verliert den festen Boden und stürzt in grössere und kleinere Blöcke zerschellend den Felsabhang hinab. Wenn wir Glück haben, können wir eine solche »Luftkalbung« erleben. Zuerst sehen wir, wie die gelöste Eismasse als weisser Schleier den dunkeln Felsabhang hinabstürzt. Einige Sekunden später dringt das donnerartige Getöse der zerschmetterten Eisblöcke bis an unser Ohr.
Das auf diese Weise am Fusse des Felsabhanges aufgehäufte Eis verschmilzt allmählich zu einer zusammenhängenden Masse, einem »wiedergeborenen« Gletscher.
Am Rande des Hamberg-Gletschers liegt ein kleiner See. Quer darüber führen drei Wälle, Endmoränen des Gletschers, die sicher aus der Zeit stammen, als der De Geer-Gletscher noch den ganzen Moränenfjord ausfüllte. Forscht man nach der Ursache der früheren grossen Vergletscherung von Süd-Georgien, so liegt der Gedanke an eine Temperatursenkung sehr nahe. Da die Durchschnittstemperatur hier +1,4° beträgt, und die Schwankungen dieser Zahl nach beiden Seiten verhältnismässig gering sind, so braucht offenbar die Durchschnittstemperatur nur um einige wenige Grade zu fallen, damit der feste Niederschlag, der jetzt im Sommer im Flachlande gänzlich verschwindet, sich von Jahr zu Jahr anhäuft und Anlass zu einer neuen Vergletscherung gibt.
Als die deutsche Expedition im August 1882 in der Royal-Bay landete, war die Flachebene mit einer ein bis zwei Meter hohen Schneeschicht bedeckt, die im folgenden Sommer verschwand. Um ein zweites Beispiel anzuführen, fiel während der letzten Wochen unseres Aufenthalts auf Süd-Georgien eine mehr als meterhohe Schneedecke auf die bisher schneefreie Umgegend der Kochtopf-Bucht. Wäre das Klima von Süd-Georgien z. B. 5º kälter als es jetzt ist, so würde nur ein geringer Teil dieser grossen Winterniederschläge im Laufe des Sommers abschmelzen.
Wir haben festgestellt, dass Süd-Georgien zwei Vereisungen durchgemacht hat, erst eine totale, die die ganze Cumberland-Bay anfüllte, dann eine spätere, kleinere, die sich auf die inneren Fjordarme beschränkte. Das Klima hat sich hier also mehrmals hin und her verschoben. Auch von andern Teilen der Erde hat man zwei oder mehrere mildere Perioden zwischen den einzelnen Vereisungen.
Zu der obigen Übersicht über die Naturverhältnisse von Süd-Georgien sind noch einige Worte über die Entdeckung der Insel und die Forschungsarbeiten hinzuzufügen, die hier von einer Reihe von Seefahrern und wissenschaftlichen Expeditionen betrieben worden sind.
Wann die eisige Alpeninsel zum ersten Male von Menschen erblickt wurde und wer ihre rechtmässigen Entdecker sind, dürfte wohl niemals mit Bestimmtheit aufgeklärt werden.
Nach einer Angabe des bekannten Florentiners Amerigo Vespucci trat die portugiesische Flotille, auf der er sich an den Untersuchungen der damals eben entdeckten brasilianischen Küste beteiligte, am 13. (oder 15.) Februar 1502 von einem auf der Grenze zwischen den jetzigen brasilianischen Staaten San Paolo und Parana gelegenen Ort eine lange Fahrt über den Ozean nach Südosten zu an, auf der am 7. April ein neues, felsiges, unbewohntes Land entdeckt wurde. Diese Angabe ist Gegenstand mehrerer verschiedener Deutungen gewesen, und u. a. hat man sie auch auf Süd-Georgien bezogen; die ganze Geschichte erscheint aber sehr zweifelhaft.
Im April 1675 wurden zwei Handelsschiffe unter dem Befehl von Antonio de la Roché, die an der Ostküste des Feuerlandes kreuzten, von dem Sturm so weit nach Osten verschlagen, bis sie ein unbekanntes, schneebedecktes Land in Sicht bekamen und an dessen Küste einen Ankerplatz fanden, wo sie Sturmes halber mehrere Wochen vor Anker liegen mussten. Als sich dann das Wetter aufklärte, erblickten sie in einer Entfernung von ungefähr 30 Seemeilen im Südosten ein anderes, ebenfalls schneebedecktes Land. Auch diese Entdeckung hat man auf Süd-Georgien beziehen wollen, aber die Angaben lassen sich schwerlich mit den tatsächlichen Verhältnissen vereinigen.
Im Jahre 1756 wurde Süd-Georgien von einem spanischen Handelsschiff »Leon« wiedergefunden oder entdeckt, und an dem Tage, nachdem dies geschehen war, dem 29. Juni, erhielt es den Namen Isla de San Pedro.
Die erste nähere Kenntnis von unserer Insel erhielten wir durch den grossen englischen Entdeckungsreisenden James Cook, der auf seiner zweiten Weltumsegelung auf hohen südlichen Breitengraden am 14. Januar 1775 die Insel in Sicht bekam, in groben Zügen ihre Nordostküste kartierte, ihr die Benennung Süd-Georgien gab und sie im Namen seines Landes in einer Bucht in Besitz nahm, die aus Anlass dieses Ereignisses Possession-Bay genannt wurde.
Eine Vermessung derselben Art, wie sie Cook an der nordöstlichen Seite von Süd-Georgien ausführte, wurde im Dezember 1819 an der Westküste von dem russischen Südseefahrer Fabian Gottlieb von Bellingshausen vorgenommen, und von diesen beiden Männern stammen die Übersichtskarten über Süd-Georgien, die noch allgemein in Gebrauch sind.
Die Kenntnis von den Naturverhältnissen Süd-Georgiens rührten bis zu unserm Besuch der Insel ausschliesslich von der deutschen Überwinterungsexpedition 1882-1883 her, die eine sehr detaillierte und allseitige Untersuchung ihres Stationsgebietes, der Royal-Bay, vornahm.
Während des vorigen Jahrhunderts scheinen Seehundsfänger englischer und amerikanischer Nationalität die Insel oft besucht zu haben. Wir können von ihnen nur den wegen seiner Fahrt im südlichen Eismeer berühmten englischen Fangschiffer James Weddell nennen, der am 12. März 1823 in die Adventure-Bay an der nördlichen Spitze der Insel einlief, um seiner auf der Fahrt bis zum 74° 15' s. Br. von Skorbut angegriffenen Mannschaft eine Erholung zu gönnen.
Die Fangschiffe, die auf der Jagd auf den kostbaren Pelzseehund und in einigen Fällen auch auf den speckreichen Seeelefanten Süd-Georgien besucht hatten, sind offenbar mit einer gewissen Heimlichkeit verfahren, um nicht Konkurrenten nach dem guten Fanggebiet zu lenken. Hier und da in den Fjorden trifft man noch heute Spuren von diesen Fangexpeditionen. Ich habe schon im vorhergehenden Kapitel von unserm Fund von Lagerresten in einer Grotte an der Maibucht wie von dem grossen Boot auf der Landzunge an der Mündung der Kochtopfbucht berichtet.
An der letzteren Stelle, einem natürlichen Hafen ersten Ranges, sind offenbar häufig Menschen gelandet.
In dem innersten Teil der Bucht, an der nördlichen Seite der Mündung eines Baches, der aus dem Bore Tal kommt, liegt eine Wohnhütte einfachster Art oben zwischen den Tussocks. Ein kleiner viereckiger Platz ist von niedrigen tussockbewachsenen Wällen umgeben, und in der einen Ecke steht eine aus flachen Steinen aufgeführte Feuerstelle.
Am südlichen Rande der Bucht liegt eine Sammlung von Seehundsfänger-Gräbern. Der Platz ist sehr hübsch: eine ebene Grasdecke in der Nähe eines murmelnden Baches, der oberhalb des kleinen Friedhofes als schäumender Giessbach von einem steilen Felsabhang herabstürzt. Einige in die Erde gerammte Pfähle bezeichnen die Grabstellen, und auf dreien von ihnen befinden sich noch deutlich lesbare Namentafeln. Die Inschriften lauten:
IN MEMORY
of
W. H. DYKE
SURGEON
of the
ESTHER OF LONDON.
Jas. Carrich. Master.
July 1846.
IN MEMORY
of
H. BROCKLOAE.
COOPER OF BARK TRINITY
NEW LONDON. CONN.
Aged 35. Died Jan. the 10 1871.
D. Rogers. Master.
JOSEP H. MONTARO. BRAVO. C. D. VERA
A. B. SCH. S. W. HUNT.
Died Feb. 28th 1891. Aged 19 Yrs.
R. I. P.
Die Gräber sind also verschiedenen Alters. Einmal war es der Schiffsarzt selber, ein andermal der Fassbinder, und im dritten Fall ein neunzehnjähriger Jüngling, der hier von dem heimkehrenden Schiff zurückgelassen wurde.
Jetzt ist es wahrscheinlich, dass die Kochtopfbucht bald ständige Bewohner bekommt. Kapitän Larsen, der auf seinen beiden Reisen mit dem »Jason« und mit der »Antarctic« an den Küsten von Süd-Georgien grosse Scharen von Walfischen beobachtet hat, ist jetzt mit den Vorbereitungen zu der Anlage einer festen Fangstation in der Kochtopfbucht beschäftigt. Mit drei grossen Fangschiffen wie mit einem Transportschiff zur Ueberführung der nötigen Gebäude usw. beabsichtigt er, binnen kurzem (im September 1904) dort hinunter zu gehen.
Während so ein Teil der durch das Walfischfang-Verbot in Norwegen ausser Tätigkeit gesetzten, fachkundigen Arbeitskräfte nach einem neuen Fangegebiet übergeführt wird, gewinnen wir durch dies Unternehmen einen vorzüglichen Stützpunkt für eine fortgesetzte Erforschung der interessanten Insel. Der für die wissenschaftlichen Arbeiten mit unermüdlichem Eifer strebende Kapitän hat bereits Verbindungen geschlossen, zwecks Regelung gewisser hydrographischer und zoologischer Beobachtungen.