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»Fair Rosamonds« Reise zog sich in die Länge. Die »Antarctic« konnte jetzt jeden Tag in Port Stanley zurückerwartet werden. Es handelte sich für mich darum, rechtzeitig nach der Fox Bay zu kommen, so dass es mir möglich war, mit dem Postschoner »Estrella« zu fahren, der um den 25. von dort nach Port Stanley abgehen sollte. Freilich konnte ich in einem mehrtägigen Ritt von Port Stephens, wo wir jetzt lagen, dahin gelangen, aber ich zog es vor, noch einige Tage mit der »Rosamond« zu segeln, um noch ein wenig mehr von der verlockenden Geologie West-Falklands zu sehen. Von Chartres River, das der Schoner zunächst anlaufen sollte, war die Entfernung quer über die Insel bis Fox Bay ziemlich kurz. Aber ein unvorhergesehenes Ereignis warf alle diesbezüglichen Pläne über den Haufen.
Wir gingen am 18. in Port Stephens dicht vor einem »Settlement« in der nordwestlichen Ecke dieser mehr als meilenweiten Bucht vor Anker. Der Abend war völlig windstill mit leicht bewölkten Himmel, und in dem sanften Mondschein sassen der alte Willis und ich noch eine Stunde auf Deck, ehe wir uns in die Koje begaben.
Gegen 2 Uhr morgens erwachte ich davon, dass der Kapitän auf Deck hinauf ging. Der Schoner rollte auf eine Art und Weise, die geradezu erstaunlich war, in Anbetracht dessen, dass wir in einer gegen das Meer völlig geschützten Bucht lagen. Durch die Schiffswand neben meinem Kopf konnte ich deutlich hören, wie die Wellen da draussen brausten, der Sturm pfiff durch die Takelage, ein Tauende schlug mit einem klatschenden Laut gegen irgend einen Gegenstand, vom Deck drangen laute, eilige Schritte und Kommandorufe bis zu mir herab. Nach einer Weile kam der Kapitän wieder herunter.
»How is it, captain?«
»Oh well, Doctor, it is blowing a veritable gale from the southeast, but I have dropped the second anchor, and I think we will be all right.«
Das klang ja ganz beruhigend. Ich drehte mich nach der Wand herum und schlief auch bald wieder ein. Doch gegen halb fünf Uhr wurde ich abermals durch einen harten Stoss geweckt, der die ganze Schute erbeben machte. Mit jeder Welle, die herankam, wiederholte sich dieser kurze, harte Stoss, der durch den ganzen Schiffsrumpf zitterte. Es unterlag keinem Zweifel mehr, dass trotz der beiden Anker der Schoner an Land getrieben war und nun dastand und zwischen den Strandsteinen stampfte.
Der Schiffer hatte sich ganz leise wieder auf Deck geschlichen, und ich fand es jetzt an der Zeit, mich persönlich einmal von der Sachlage zu überzeugen.
Es war noch halbdunkel, als ich auf Deck hinaufkam. Ich glaubte früher schon ganz gehörige Stürme mitgemacht zu haben, sowohl im nördlichen Eismeer wie an der Westküste von Schweden, das alles war aber nichts im Vergleich zu dem Orkan, der hier raste. Gegen den Wind konnte man nichts weiter sehen, als den siedenden Meeresgischt. Aus diesem Sturmnebel heraus kamen die kurzen Wellen auf uns zugerollt. Das Meer war beträchtlich gestiegen. Die Wogen spülten hoch hinweg über die Brücken des Settlements, Gischt und Tangstücke weit ins Land hinein schleudernd.
»Fair Rosamond« war jetzt übel zugerichtet. Mit dem Hinterteil lag sie oben zwischen den grossen Felsblöcken am Strande. Jede Welle hob sie empor, und mit jeder fiel sie wieder und schlug auf die Klippe auf. Das Steuer bekam die ärgsten Stösse, es stöhnte und krachte, und das Rad schnurrte wie wild geworden hin und her. Splitter vom Kiel trieben nach den ärgsten Stössen auf dem Wasser.
Das Schiffsboot wurde in der Brandung neben dem Schiff bald hierhin, bald dorthin, geschleudert. Ein Matrose sprang hinunter, um die Ruder und andere lose Geräte zu bergen. Wenige Minuten, nachdem er wieder an Bord war, zerriss eine grobe See die Fangleine. Ein paarmal sahen wir das Boot auf den Wellenrücken auftauchen, dann wurde es von einer schäumenden Brandung gegen eine Strandklippe geschleudert, und im nächsten Augenblick trieben Splitter und zerbrochene Bretter mit der zurückschlagenden Welle gegen unser Schiff.
Der Schoner ächzte und knackte unter den harten Umarmungen der Brandung. Hin und wieder machte er zwischen den einzelnen Wellen eine verzweifelte Anstrengung, sich dem Lande zu nähern, oder er versuchte nach der Steuerbordseite aus der Bucht herauszukommen. Das letztere war sehr fatal, denn dann rollten die Wellen frei über das Deck hin. Es erschien mir möglich, dass der Schoner, wenn das Wasser zur Ebbezeit fiel, von einer kräftigen See so gründlich zum Kentern gebracht werden konnte, dass er sich nicht wieder aufzurichten vermochte. Ich teilte dem Kapitän meine Vermutung mit, er liess die Mannschaft alle auf Deck liegenden Ankerketten auf die Backbordseite schaffen und bohrte selber Löcher in die auf der Steuerbordseite liegenden Wassertonnen, – alles um dem Schoner die Lust zu nehmen, nach der Steuerbordseite hinüber zu kentern.
Währenddessen fing der Tag an zu dämmern, und im Settlement erwachten die Leute. Der »Manager« an dem Platz, Mr. Hennah, kam an den Strand herab und nahm die Zerstörung in Augenschein. Es gelang uns, ihm eine Trosse an Land zuzuwerfen. Nachdem diese zwischen dem Grossmast und einem Felsblock oben am Strande ausgespannt war, schwand die Gefahr des Kenterns, und gleichzeitig war eine Verbindung mit dem Lande hergestellt.
Da der Sturm noch keine Miene machte, nachzulassen, und der Aufenthalt an Bord immer unangenehmer wurde, beschloss ich, den Versuch zu wagen, an dieser Leine das Ufer zu erreichen. Ich steckte meine Tagebücher, die Glasröhren mit Insekten und ein paar Kästen exponierter photographischer Platten zu mir. Nachdem ich den Mantel fest über diesen Schätzen zugeknöpft hatte, fing ich an, in kleinen Schlägen das Ufer zu gewinnen. Aber das dehnbare Grasseil gab unter meiner Last nach, so dass es mehr eine Reise unter als über Wasser wurde. Eine Welle riss mir die Mütze vom Kopf, und in einem ziemlich jammervollen Zustand langte ich schliesslich an Land an. Glücklicherweise hatte aber der Mantel die Platten und die Tagebücher geschützt.
Im Settlement wurde ich auf das liebenswürdigste aufgenommen, man gab mir trockene Kleider und ein kräftiges Frühstück.
Der Wechsel war schnell und gründlich vor sich gegangen. Eben noch stand ich im Halbdunkel der Morgendämmerung, nass und schaudernd, in Sturm und Spritzwasser auf Deck, jetzt genoss ich hier in angenehmer Ruhe eine erwärmende Mahlzeit.
Ich sass im »Parlour« der Familie und schaute sinnend in das glimmende Torffeuer des offenen Kamins. Noch heulte der Sturm da draussen, aber die ersten Sonnenstrahlen drangen in das Zimmer durch ein mit herrlich blühenden Zierpflanzen gefülltes Fenster. Die beruhigende Stimmung eines guten, gastlichen Heims hüllte mich in ihren Zauber, während die junge Tochter des Hauses, die kleine goldblonde Miss Lucy, »a sweet little melody« ertönen liess.
Am folgenden Tag (den 20.) hatte der Sturm nachgelassen. Der Schoner lag jetzt auf Grund, nach der Landseite hinüberneigend. Der Kiel war beschädigt, er hatte ein arges Leck, und das Steuer war vollständig zerbrochen. Aber auch nach anderer Richtung hin hatte der Sturm seine Spuren hinterlassen. Bis an einen Speicher hinauf, der sonst eine gute Strecke vom Strande entfernt liegt, waren die Wellen gedrungen, und durch die Spalte unter dem Torweg hatten sie ganze Mengen von Algen hineingespült.
Ich musste nun sehen, wie ich über Land nach Fox Bay gelangte. Mein hilfreicher Wirt, Mr. Hennah, ordnete auch diese Angelegenheit für mich. Um die Mittagszeit des 21. brach ich auf, begleitet von seinem Schwager, Mr. Dickson, der den Führer machte.
Ich war ein ungeübter Reiter, aber Fräulein Lucy hatte die Güte gehabt, mir eines ihrer Pferde zu leihen, das sehr fügsam und sicher war. Der Falkländer hat eine eigene Art, sein Pferd zu lenken, nämlich indem er mit dem Zügel einen leichten Druck auf den Hals des Pferdes ausübt. Ich wusste das nicht und versuchte das Pferd auf unsere Weise zu lenken, indem ich an den Zügeln zog. Daher erschien es mir anfänglich, als habe ich es mit einem störrischen Tier zu tun. Bald aber sah ich ein, wie leicht das Pferd zu regieren, wie zahm und wie bewundernswürdig vertraut es mit dem Terrain war, über das unser Weg führte.
Der Tag war sonnig und am Himmel jagten weisse Wolken dahin. Wir ritten durch flache Täler zwischen rundlichen Sandsteinbergen, oft an einem kleinen Bachgeriesel entlang, und wieder und wieder sumpfige Striche an Watestellen durchquerend, die nur ein geübter Führer zu finden vermochte. Unser Weg ging ganz nahe an die Westküste heran, von den Hügeln sahen wir weit in das durch schmale, langgezogene Buchten und vorspringende Landzungen zerstückelte Küstenterrain, und an einigen Stellen trabten unsere Pferde auf dem durch die Ebbe trocken gelegten Strand entlang.
Der Abend dämmerte herein, der Wind legte sich völlig und von dem leichtbewölkten Himmel sickerte ein gedämpfter Mondschein, der zauberhaft, aber zugleich verwirrend wirkte, auf die Landschaft herab. Wunderbar war das Glitzern des Mondlichts auf dem Meere, dessen Brandung die Stille unterbrach, fesselnd und eigenartig war die Stimmung, die über der Heidelandschaft lag. Aber in dieser Beleuchtung verwischten sich für mein ungewöhntes Auge alle kleinen Formen des Terrains. Ich sah die schroffen Bachtäler nicht eher, als bis das Pferd den Abhang hinunter kletterte, und da unten vermochte ich nicht die Steine der Watestelle zu erkennen, die den Weg durch das sumpfige, moosbewachsene Bett des Baches bildeten. Aber mein Führer kannte die pfadlose Heide, und das Pferd war scharfäugig und fussfest.
Endlich erblickten wir von dem Kamm eines Höhenzuges herab die dunkeln Konturen einer kleinen Hütte an der innersten Ecke einer schmalen Bucht. Es war die Hirtenhütte in Double Creak, wo wir übernachten wollten.
Wie die meisten Ansiedlungen, die zwischen den grossen »Settlements« liegen, war diese Hütte auch dazu bestimmt, fremden Hirten und des Weges kommenden Reisenden Unterschlupf zu gewähren. Unsere Ankunft erregte deswegen kein weiteres Aufsehen. Einige »Camp«-Bewohner, die vor uns angelangt waren, rückten ein wenig zusammen, so dass wir Platz am Esstisch hatten, und die Wirtin, die ihrer Pflichten an dem offenen Herd waltete, setzte uns das traditionelle, ewig unveränderte Menu vor, das aus Schaffleisch, Tee, Weizenbrot und dänischer Konservenbutter bestand. Die Unterhaltung drehte sich um die Schafe, die am nächsten Tage hinausgetrieben werden sollten, um »sheep-sheering« und »sheep-dip« (das Scheren und Waschen der Schafe, zwecks Tötung des Schafparasiten »scab«), um die Havarie der »Fair Rosamond« und den Fremdling aus der Ferne, der sich auf der Durchreise nach »the far south« befand. In ein paar niedrigen Bodenkammern eine Treppe höher standen Betten für uns alle bereit.
In der Frühe des nächsten Morgens brachen wir auf. Es war wieder ein Tag, wie wir ihn uns nicht besser wünschen konnten, mit glitzernder Sonne über dem Steppenlande und Wind im Rücken; infolgedessen ging das Reiten leicht und fröhlich von statten.
Am Nachmittag langten wir in Fox Bay an, und den Anweisungen folgend, die ich in Port Stephens erhalten hatte, begab ich mich sofort zu dem Polizeichef von West-Falkland, Mr. Hurst. Ich erzählte ihm mit wenigen Worten, dass ich ein Mitglied der schwedischen Südpolarexpedition sei und mich auf einer längeren Reise an der Falklandsküste befinde, dass ich auf die Rückkehr der »Antarctic« warte, und dass ich in Port Stephens mit der »Fair Rosamond« Schiffbruch gelitten habe und nun nach Fox Bay gekommen sei, um den Postschoner »Estrella« abzuwarten.
»Würden Sie mich wohl bis zur Ankunft der »Estrella« in Ihrem Hause aufnehmen?« schloss ich meinen Vortrag.
Mr. Hurst sah ein wenig bedenklich aus.
»Would you like to take a cup of tea?« fragte er, offenbar, um Zeit zu gewinnen.
»Sehr gern,« antwortete ich, »doch muss ich jetzt gleich Bescheid haben, mein Führer steht draussen und wartet, sobald er weiss, dass ich ein Unterkommen gefunden habe, kehrt er um, da er Double Creek gern vor Einbruch der Nacht erreichen möchte.«
Er bot mir noch einmal Tee an, aber auf meine eindringliche Bitte begab er sich dann zu seiner Frau, um die Sache mit ihr zu bereden. Zwei Minuten später war alles in bester Ordnung, und während der sechs Tage, die ich mich in Fox Bay aufhielt, sorgten diese prächtigen Menschen auf das liebenswürdigste für mich. Ihr halb erwachsener Sohn Robert begleitete mich fast jeden Tag auf meinen Ausflügen. Er war ein munterer, intelligenter Junge, dessen stolze Vaterlandsliebe einem das Herz erwärmen musste. Er verschlang die Geschichte Englands, namentlich alles, was von den neueren militärischen Expeditionen in Indien und im Sudan handelte, er hatte sich ein Verzeichnis über die Schiffe der englischen Marine verschafft und es zum grössten Teil auswendig gelernt. Den lieben langen Tag zankten wir uns über den Krieg in Südafrika, er war ein Vollblut-Imperialist, ich hingegen ein »Proboer«, trotzdem blieben wir aber die besten Freunde.
Eines Tages machten wir einen Fund, der uns alle beide sehr interessierte. In dem feinen, dünn geschichteten Sandstein, der hier überall in den niedrigen Strandhügeln vorkommt, entdeckten wir nämlich zahlreiche Fossilien, die derselben devonischen Meeresfauna angehören, wie sie von Darwin in Ost-Falkland gefunden wurde. Ausser den Arten, die in Darwins Sammlungen vorkommen, fanden wir noch verschiedene neue, darunter in erster Linie einen Trilobit, eine jetzt ausgestorbene, mit den Krebstieren verwandte Tierform. Um meinem Kameraden, Master Bob, einen Begriff von der Natur des Fundes zu geben, erklärte ich ihm, es sei ein »Lobster«. Dass der Hummer im Meere lebt, war für ihn eine Abstraktion, aus eigener Anschauung wusste er nur, dass diese Tiere in Konservendosen vorkommen, als er nun aber sah, dass er sogar im Sandstein auftritt, kannte sein Entzücken keine Grenzen.
Am 27. März traf die »Estrella« ein. Bei ihrer Abfahrt aus Port Stanley vor zwei Tagen war die »Antarctic« noch nicht dort gewesen, doch konnte man sie jetzt täglich erwarten.
Am Nachmittag desselben Tages verliess die »Estrella« Fox Bay, und nach einer ungewöhnlich schnellen und angenehmen Fahrt passierten wir schon am folgenden Vormittag Kap Pembroke, den Leuchtturm an der Einfahrt von Port Stanley.
Mit gespannter Erwartung stand ich auf Deck, als sich die »Estrella« der schmalen Hafeneinfahrt näherte.
Würde die »Antarctic« dort mit wichtigen Nachrichten aus dem südlichen Eismeer liegen, oder sollte ich noch eine Weile hier in Port Stanley bleiben und auf das Schiff warten, ohne Aussicht, mich auf eine neue, längere Exkursion begeben zu können?
Der Schoner gleitet an den schaumumbrausten Strandklippen vorüber. Ja, wirklich! Da liegt sie, leicht erkennbar an ihrer hohen Takelage und der weissen Ausgucktonne.
Der Wind kommt uns jetzt direkt entgegen, aber die »Estrella« ist ein scharfer Segler. Mit ein paar Schlägen ist sie auf gleicher Höhe mit der »Antarctic« und rauscht nun an ihrem Bug vorüber.
Dort auf Deck steht eine ganze Gruppe von alten Freunden, die mich lebhaft begrüssen. Ich sehe Larsens breite, feste Gestalt, den grossen, schlank gewachsenen Skottsberg, Karl Andreas Andersson und die alten Kameraden von der Nordpolarfahrt der »Antarctic« im Jahre 1898, Ohlin und Haslum.
Kaum hatte die »Estrella« ihre Anker niedergelassen, als schon das Boot der »Antarctic« an ihrer Seite anlegte. Der erste Steuermann Andreasen kam, um mich abzuholen. Seine norwegische Begrüssung mutete mich heimatlich an, da ich seit fast zwei Monaten nur Englisch hatte sprechen hören.
Bald enterte ich die »Antarctic« über die Reeling. Larsen fing mich mit einer herzlichen Umarmung auf. Von allen Seiten drängten sich alte Freunde um mich, aber hinter ihnen standen noch ein paar Männer, die ich nicht kannte. Der kleinere war der amerikanische Maler Stokes, der sich jetzt wieder auf dem Heimwege befand, der andere, eine stattliche, kräftige Gestalt mit blondem Haar und üppigem Vollbart redete mich auf schwedisch an. Das war also Leutnant Duse, der Kartograph der Expedition, der erst in Falmouth an Bord der »Antarctic« gekommen war und den ich daher nicht kannte.
Jetzt hagelten die Neuigkeiten aus dem Süden auf mich ein. Nordenskjöld und seine fünf Überwinterungskameraden waren in Snow Hill an Land gesetzt, also ganz in der Nähe der Seymour-Insel, wo Larsen im Jahre 1893 die ersten antarktischen Fossilien fand. Das war ja recht vielversprechend für die geologischen Arbeiten. Und jetzt kamen sie von allen Seiten mit Fossilien, die bei dem Stationsplatz auf Snow Hill gefunden worden waren! Es waren grosse, schöne Ammoniten, offenbar aus der Kreideformation stammend und infolgedessen etwas ganz Neues aus dem Südpolargebiet.
Die herrlichsten Funde aller Art wurden mir vorgelegt. Skottsberg zeigte die schönsten Algen aus dem südlichen Eismeer, und Karl Andreas erzählte, er habe vor der Seymour-Insel eine der seltensten Erscheinungen der Meeresfauna wiedergefunden, das eigentümliche Tier, Cephalodiscus, das im Jahre 1876 von der Challengerexpedition entdeckt, seit jener Zeit aber niemals wieder erblickt wurde. Duse beschrieb eine in kartographischer Beziehung bedeutungsvolle Fahrt an der Westküste des Louis Philipp-Landes entlang, und Larsen schilderte, wie die »Antarctic« nahe daran war, in einem heftigen Sturm bei den Süd-Shetlands-Inseln Schiffbruch zu leiden.
Mit Bewunderung und vielleicht auch mit ein wenig Neid betrachtete ich diese Männer, die von ihrer ersten Sommerfahrt in das südliche Eismeer so wichtige Funde mitgebracht und mit unverwüstlich guter Laune die drohende Lebensgefahr überstanden hatten. Als sie mir dann erzählten, dass die »Antarctic« in Ushuaia ausreichenden Kohlenvorrat eingenommen habe, und dass sie, trotz des herannahenden Winters im Begriffe seien, sofort einen Ausflug nach Süd-Georgien anzutreten, da fühlte ich mich glücklich und stolz, mich ihrem Kreise einreihen, mit ihnen arbeiten und ihr Schicksal teilen zu dürfen.
Bald hatte ich mich wieder in eine der Kabinen der alten »Antarctic«, die mir von der denkwürdigen Nordpolarfahrt im Jahre 1898 wohlbekannt und lieb war, einquartiert und eingelebt.
Nun folgten einige harte Arbeitstage. Die Schiffszimmermänner der Falkland-Kompanie waren beschäftigt, die Schäden auszubessern, die der schwere Sturm verursacht hatte, die Sammlungen wurden verpackt und an Land geschafft, wo sie bis zu unserer Rückkehr bleiben sollten, und eine umfassende Korrespondenz wurde zum Abschluss gebracht. In freien Stunden widmeten wir uns auch dem geselligen Leben. Die gastfreien Häuser des Städtchens standen uns offen, und die Offiziere der englischen Kriegsschiffe, des Kreuzers »Cambrian« und des Kanonenboots »Basilisk«, erwiesen uns alle mögliche Liebenswürdigkeit, ja, sie versprachen sogar, ein besonderes »Antarctic«-Couplet für die Pantomime zu verfassen, die sie gerade mit den Damen aus Port Stanley einübten, wenn wir nur bis zu dem Tage verweilen wollten, wo dies Kunstwerk aufgeführt werden sollte.
Aber am Morgen des 1. April war alles zur Abreise bereit. Um 10 Uhr lichtete die »Antarctic« den Anker und fuhr mit gesenkter Flagge um die Kriegsschiffe herum, während das schwedische Königslied von Deck der »Cambrian« ertönte.
Die englische Bark »Cypromene« begrüsste uns mit Hurrarufen, und oben im Städtchen winkten uns die fröhlichen jungen Mädchen ein letztes Lebewohl zu, als wir an dem schönen, windstillen Morgen die Winterfahrt antraten.