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Der Stich

Wie war nun das Gefühl, in seiner Loge zu sitzen, in der Hofloge sozusagen, im Frack und mit dem Grosskordon, und sein Stückchen zu schauen, die plötzliche und nicht ganz geheure Lebendigkeit seiner Gestalten und seiner Worte, die umtummelt waren von Gesang, Musik und herausforderndem Licht, ja, und belagert von einem dunklen und stummen Gegensatz, der dazu gehörte, weil er die andere Hälfte des sonderbaren Ganzen ausmachte, belagert von den Gegensitzern, einer höchst unheimlichen Anonymität? Nun, auch das Gefühl war nicht ganz geheuer. Denn das Stückchen wird belagert und Belagerung kommt aus der Kriegssprache: die Unheimlichen, die gegen das Stückchen gesetzt sind, scheinen also zunächst keine Freunde. Doch damit nicht genug: er selber, der Autor, gehört leiblich und sogar namentlich zu den Belagerern; denn wo im ganzen Zuschauerraum ist die Namenlosigkeit so vollkommen aufgehoben wie in der Loge des Vicekaisers? Morny also belagerte Saint Remy, das Gefühl war nicht angenehm, der Präsident, wahrlich gewöhnt, auf der hohen Bühne seines Amtes zu sitzen und ganz allein gegen den Saal mit den Deputierten und den politischen Schlachtenbummlern gekehrt zu sein, – der grosse Präsident verlor bei dieser sonderbaren Doppelhandlung der eigenen Person seine berühmte Sicherheit und sorgte sich nicht nur recht für die Bühne Saint Remys, gegen welche die Loge Mornys gerichtet war wie ein weitmäuliges Belagerungsgeschütz, sondern spürte zugleich auch eine geradezu feindselige Zuschauerlust an der Kritik. Ja, Morny fand, dass es ein dünnes, dummes, blutarmes Stückchen sei, welches nur durch die Musik lebe wie ein Missgeschöpfchen durch die Milchgnade der guten Amme, Morny zweifelte sogar an seiner Lebensfähigkeit trotz Offenbach und Ausstattung, – und Saint Remy flatterte das Herz dabei und er fürchtete sich sehr vor dem Augenblick, wo das Licht von der Bühne auf die dunklen Belagerer überspringt und die Klarheit der Niederlage bringt.

Aber gerade dieser Augenblick war es, der den ganzen Spuk verjagte; denn mit einemmal bestand das helle Theaterchen aus lauter guten Freunden, aus gehörig erholten Biarritz- und Deauville-Gesichtern, aus Schranzen, Snobs, Speichelleckern und den vielen schönen Frauen der Zeit, und die gesiebte Gesellschaft der Zeit, der Morny-Zeit, war von grosser Begeisterung erfasst und hörte zu klatschen nicht auf, und da die Bouffes sehr klein waren, sehr intim, so nahe wie möglich die Bühne dem Zuschauer, brauchte es nur einer geringfügigen Wendung, um den Beifall für das Stückchen zur richtigen Stelle zu lenken, zur Morny-Loge, bedurfte es nur einer Vierteldrehung des Kopfes, der Schultern und der akklamierenden Hände, um an hoher, an zweithöchster Stelle anzuzeigen, wie gut man unterrichtet und wie gern man enthusiasmiert sei. Da aber der Autor Saint Remy hiess, konnte sich Morny weder als erfolgreicher Dichter verneigen noch als bescheidener Poet in den Hintergrund drücken. Er konnte sich aber auch nicht am Beifall des hellen Parketts beteiligen wie vorhin an der Kritik des dunklen. Er sass also ernst und unbeteiligt an der Logenbrüstung und übersah die Vierteldrehung des Lobes.

Was war das für ein Gefühl, als Dichter gefeiert zu werden, aber als bedeutsamster Zuschauer in Frack und mit dem Grosskordon den Lorbeer übersehen zu müssen. Nun, das Gefühl war zu drei Vierteln peinlich und nur zu einem Viertel beglückend; und da auch das selbstsicherste Gesicht des Kaiserreichs diese ausgefallene oder sogar lächerliche Mischung zu zeigen sich hüten musste und man schliesslich nicht mehr wusste, ob man noch unbeteiligt aussah oder schon die gemischten Gefühle verriet, griff man zum Opernglas, um sich ein wenig in Deckung zu bringen, – nur deshalb, nicht um eine schöne Frau aufs Korn zu nehmen, wie die Jubilierer denken mochten. Das Vergrösserungsglas fuhr über die plötzlich aufgedunsene und aus den menschlichen Fugen geratene Bewunderung hin, Karikaturen des Lobes, ihm zugewandt, und selbst das Glas wurde verlegen und lief rasch weiter, die Fratzen verschwammen. Doch jetzt blieb es stehen, am Eckplatz der zweiten Parkettreihe, jetzt blieb es stecken.

Da sah er wieder, wie schon einmal – wann war es?, es war, als zum ersten Mal in diesem kleinen Haus die Cancan-Götter in der Hölle tanzten –, da sass vor dem Binokel übergross und überdeutlich der besondere Kopf, Mephisto mit verbeulter Riesenstirn, Stichflämmchen der schwarzen Brauen und kurzen, schwarzen Haarflammen, und er hielt das Kinnbärtchen zwischen den Fingern wie zwischen einer Schere und lächelte ganz infernalisch vor sich hin. Damals staunte man, dass dieser Hadesherr im Parkett sass und nicht auf der Bühne. Heute ging es nicht um Orpheus in der Unterwelt, sondern um den missglückten Empfang der grossen Welt durch den neureichen Parvenü Choufleury; und heute weiss man wenigstens, wer dieser Teufel ist und dass er seine dreiste Realität nicht ohne den Schutz erreicht hätte, den die zweithöchste Reichsstelle dem gemeinsamen Figaro zuteil werden liess. Das kann man die Überwindung einer etwas fatalen Mythologie nennen und das sollte doch auch die sonderbare Neugierde stillen; denn man weiss ja sogar, was dieser Teufel tut, man liest seine Halbwochenchroniken mit Vergnügen, die geschickten Unverschämtheiten eines journalistischen Clowns, hinter dessen respektwidrigen Kapriolen allerlei stecken mag, allerlei Ernst und Mut und Wut. Aber dennoch, das Binokel blieb wieder bei ihm stecken: Rochefort schloss sich vom allgemeinen Beifall aus, er lobte weder die Bühne noch die Hof löge, und sein ungutes Lächeln, das keine Richtung zu haben schien, zielte doch genau in die Beglückung des Autors, die schon mager genug war. Ja, Morny fühlte den Stich, er liess das Opernglas sinken, und plötzlich waren es nur Schmeichler, Lügner, Stellenjäger und dankbare Börsianer, die zu ihm herauf klatschten. – Mexiko!, dachte Morny böse, ganz aus dem Zusammenhang, und er wollte aufstehen und fortgehen. Aber er ging nicht, noch nicht, er war ein liebenswürdiger Herr, er war auch ein kluger Autor; denn der Präsident Morny wird, bevor die Presse über das Stückchen berichtet, im Palais Bourbon empfangen: die grosse Welt, die Theaterwelt, die Kunstwelt, alle Schmeichler des Parketts und vor allem die Presse selber. Wer bezahlte nicht gerne den Eintritt in den Königsbau mit der guten Zensur für Saint Remy? Wer käme nicht gerne zu Morny?

Der Schlossherr ging dann durch die vollen Salons, sehr liebenswürdig, wenn auch ein wenig zerstreut. Man kann zur Morny-Loge in den Bouffes hinaufklatschen, aber nicht dem Vicekaiser im Palais Bourbon zu Choufleury gratulieren. Man war etwas verlegen. Allein der Komponist Offenbach, Sieger ohne Pseudonym, wagte an den Zusammenhang zu erinnern, als er dem Hausherrn fröhlich zurief: »Nur einer fehlt hier, Monseigneur.«

»Ich weiss schon«, entgegnete der Schlossherr nicht einmal heiter.

»Nur Herr de Saint Remy fehlt«, sagte der Musiker schon leise und lachte etwas gezwungen; es war vielleicht kein guter Witz, er missfiel vielleicht dem grossen Herrn. Aber Morny hatte nicht den Dichter Saint Remy vermisst, sondern den Chronisten Rochefort.

 

Wie war schliesslich das Gefühl, sich schwarz auf weiss gelobt zu sehen – von so geschickten Federn, dass sowohl der Dichter als auch der Präsident seine Freude daran haben konnte –, wie stand es mit der Freude an den geernteten Rezensionen, lieblichen und zutunlichen Angebinden? Ja, der Vicekaiser freute sich, er konnte sich nicht helfen, es war eine gute Sache, am Frühstückstisch zu sitzen, angetan mit dem Morgengilet aus himmelblauem Velours, die Tasse Bouillon mit Ei zu schlürfen und gemächlich das raschelnde Lob aufzublättern. Da stand es schwarz auf weiss, in langen, sauberen Kolonnen, er hatte sein Freude dran, seine harmlose Freude an der ausgezeichneten Meinung über den harmlosen Saint Remy: warum zwischen den Zeilen und hinter den Zeilen nach dem Wahrheitsbeweis stöbern? Man hatte ja nicht so viel Zeit für die Ernte des kleinen Ehrgeizes, der Tag war angefüllt wie immer, mit weniger harmlosen Dingen, die Mexiko-Konvention mit London und gar auch noch mit dem undeutlich interessierten Madrid war keine leichte Arbeit und strotzte von Unaufrichtigkeit, der Minister Persigny fuchtelte gegen die katholische Opposition, sabotierte mit Lust und Umsicht die Morny-Reform und dachte schon jetzt an die nächsten Wahlen, Persigny-Wahlen, nicht Morny-Wahlen, – ja, das kleine Frühstück mit Bouillon und dem Presselob auf Choufleury war eine so gute und angenehme Sache, dass man sie am folgenden Tag wiederholte.

Siehe, jetzt hatte der aufmerksame Sekretär die Rezensionen schon säuberlich ausgeschnitten und auf feierliche Büttenbogen geklebt, die in Schönschrift die Namen der Zeitungen trugen. So las man, bouillonschlürfend, das schon Gelesene gleichsam doch wieder in anderer Form. Da ist der Figaro, unser aller Figaro, und würde Chefredakteur de Villemessant jemals selber schreiben – die Spötter behaupten, er könne garnicht schreiben –, so hätte er als Intimer sowohl des Palais Bourbon als auch der Bouffes gewiss das Preislied selber geschrieben. So aber tat es der erste Feuilletonist und Kritiker des Blattes, – man kann sich nicht einmal mehr an das Gesicht erinnern, es waren zu viele Feuilletonisten beim Empfang; aber der Händedruck und die vicekaiserliche Anrede werden sehr freundlich gewesen sein. Denn hier steht gedruckt: »Ach, was für ein Glück ist es für uns arme Schriftsteller, dass der Autor dieses entzückenden Einakters für den Hauptteil seiner Zeit von der grossen Politik in Anspruch genommen wird! Was würde aus uns werden, hätte er genug Musse, sich ausschliesslich den Dingen des Theaters zu widmen?«

Der Autor lächelte wie gestern bei der ersten Lektüre, er freute sich. – Vielleicht hat der Figaro recht, – warum soll er nicht recht haben, warum sollte man nicht mit Musse und Übung ganz präsentable Stückchen schreiben können, vielleicht sogar ernste Sachen, Schauspiele, Haupt- und Staatsaktionen, man hat ja schliesslich allerlei erlebt, aus nächster Nähe …

Der Sekretär brachte die Morgenzeitungen, der Titelsatz des »Figaro« war so vertraut und freundschaftlich wie noch nie, man greift auch gleich nach ihm, sozusagen aus Erkenntlichkeit; denn er hat dem Protektor Freude gemacht; man entfaltet ihn, – ach ja, es ist der Tag der Chronik jenes spröden Polichinells …

So schnell, so jäh kann die Freude aus dem Gesicht gejagt werden, dass noch die Züge in dem wohligen Ausdruck verharren und noch das Lächeln da bleibt. Doch dann ist es auch schon so, als gehöre die leere Form der Freude nicht mehr zum Gesicht, sondern als verkleide und entstelle sie es wie ein horniger Überzug.

Hier steht gedruckt: »Ach, was für ein Glück ist es für den Autor, dass er sich an einem höchst vorteilhaften Staatsstreich beteiligt hatte und darum nicht nötig hat, von seiner Feder zu leben! Wenn einer von uns es wagen würde, eine Albernheit dieses Kalibers einem Theaterdirektor anzutragen: der liesse ihn flugs packen und hinunterschleudern zu den Logenschliesserinnen, dass sie ihn mit der Fussbank erschlügen!«

Endlich hob der Vicekaiser den Kopf, das Lächeln klebte immer noch an den Mundwinkeln, doch das Gesicht war wieder frei, die Freude schon weit, sehr weit, er kniff die Augen zusammen und glich jetzt recht dem Bruder, dem Menschenverächter, – ja, die Verachtung bezog das Lächeln, das die flüchtige und wahrscheinlich zu einfältige Freude stehen gelassen hatte. Man wird jetzt den Tisch von den Zeitungen räumen lassen, von den gestrigen und heutigen. Das ist alles. Man wird nicht einmal das Frühstück unterbrechen. Aber das Frühstück besteht aus dem Tässchen Bouillon: die Tasse ist leer. Man isst wenig. Man schluckt jetzt seine Silberpille aus dem vierten Flacon. Man fühlt etwas, eine Andeutung nur, – man will sie nicht wahr haben, nicht jetzt, nicht in diesem Zusammenhang.

Das ist alles? Die Zeitungslava ist aus dem Figaro-Krater ausgebrochen, schon vor Stunden, schwemmt durch die Boulevards und in die Häuser, die Rochefort-Chronik über Saint Remy, die den Vicekaiser in die Gosse zieht, geht in der Glücksstadt um und alle freuen sich – Morny weiss es, er kennt Paris, er kennt die Zeit –, alle freuen sich, dass der Zweithöchste getroffen ist, sei es auch von der Dreckschleuder, alle, die im Parkett sassen, alle, die zu seinen Empfängen laufen, alle, die ihn schwarz auf weiss gelobt haben, alle, die sich vor ihm bücken, die an ihm verdienen, ja, die ihn selbst lieben, – alle freuen sich. Denn hier hat einer, dieser Rochefort, die Staatshand beiseite geschlagen, die auf dem Mund der öffentlichen Meinung liegt, immer noch, schwerer als je; dieser Rochefort hat auf seine Art den Zusammenhang ausgenutzt und den Dichter Saint Remy angefallen, um den grossen Morny zu verwunden, und Morny ist das Regime, er ist mit einemmal nicht mehr der Reformer, es ist viel Ironie dabei, dass man ihn trifft, der auch die Freiheit der Presse will und sie jetzt schon behütet, wo er kann, zumal beim dreisten Figaro, bei seinem Figaro, der mit einer Harlekinade die Revolution beginnt. Denn es ist Revolution, wenn man den Vicekaiser beschimpfen darf, schwarz auf weiss, ungestraft, die Rochefort-Chronik schwemmt schon über die Seine ins Quartier latin, wo die empörerische Intelligenz sitzt, und über den Bastille-Platz nach Osten und Norden, wo die Faustkämpfer der Revolution sind und wo sie selber ist, die alte Wölfin, – und alle freuen sich. Morny weiss es, er ist der Innenminister des Staatsstreiches gewesen, er hat schiessen lassen, auch mit Kartätschen, er hat sogar vorher erst die Zielscheibe der Revolution aufrichten lassen, weil sie noch nicht da war, sondern nur ihre Möglichkeit. Er reformiert, um das Reich zu retten; aber er kann auch wieder, um das Reich zu retten, Zielscheiben aufrichten, für den prophylaktischen Schuss.

Morny schlug heftig auf die Tischglocke. Ein von der Kritik mitgenommener Bühnenautor tut klug daran, noble Verachtung für den Anwurf zu zeigen: die beleidigte Staatsautorität kann es sich nicht leisten, nicht einmal das verächtliche Lächeln. Morny befahl mit ernstem und sogar unfreundlichem Gesicht dem eintretenden Lakaien: »Ordonnanz zur Polizeipräfektur – ich bitte den Leiter des Zweiten Büros des secrétariat particulier, sich zu mir zu bemühen … – Halt, mon vieux!«

Für den Kammerdiener war das unfreundliche Gesicht des immerfreundlichen Herrn ein ungewohnter und fast aufregender Anblick. Jetzt musste er sehen, wie sich das strenge und klare Gesicht des Präsidenten plötzlich verzerrte und gleichsam verbog, wie er die Augen zudrückte, die Lippen zusammenpresste, die Hände hastig öffnete und schloss, – das war erschreckend. Dann stand Morny auf, mit einem Ruck, ging zum Toilettentisch, sah aufmerksam in den Spiegel und schluckte Silberpillen. »Halt, mein Junge«, sagte er wieder, aber mit anderer, mit enger Stimme, »ich habe es mir anders überlegt. Ordonnanz zur Redaktion des »Figaro«, ich bitte Herrn Chefredakteur de Villemessant, sich zu mir zu bemühen, in dringlicher Angelegenheit.«

Da hat also, nach langer Zeit, wieder die Sonde gestochen, ob man den Zusammenhang leugnet oder nicht. Das Leid ist noch da und mahnt zur Vorsicht. Man ist also doch nicht stichfest und tut gut daran, weniger sicher, auch weniger hoffärtig zu sein und die Parabel vom gepfeilten Sebastian nicht nur auf die anderen anzuwenden; denn vielleicht gehört man dazu. Es empfiehlt sich, an die neue Reform zu denken, nicht an den alten Staatsstreich, und lieber nobel zu verachten als vorsorglich zu schiessen. Der Staatsstreich und die Kartätschen liegen zehn Jahre zurück. Bis du so weit sein wirst, wie du es willst, brauchst du vielleicht andere zehn Jahre, das ganze neue Jahrzehnt, – und weisst du denn, ob es dir zur Verfügung steht, ach, ob du auch nur die fünf Jahre hast, die du ganz und gar haben musst, lieber Gott, ganz und gar? Sparsam sein, sparsam sein mit sich, ja, und auch mit den Feinden!

Die Pressezensur des Zweiten Büros aufzurufen, ist nicht Mornys Sache und ist auch überflüssig; denn die Zensur hat die flinkeren und besseren Augen und schiesst genug Zeitungen zusammen, vorsorglich und nachträglich. Mornys Sache ist vielmehr, aus den Feinden Freunde zu machen: man war auch auf Herrn Ollivier neugierig. Und die Verachtung für die Kritik ist so falsch wie die Frage, die wie eine Zecke in dir sitzt, wie die Frage: was habe ich diesem Rochefort denn getan? Du hast diesem Rochefort den Staatsstreich angetan, er bekannte es schwarz auf weiss; und das ist ein mutiges Bekenntnis, kein zu verachtendes. Verächtlich ist der Feuilletonist, den der Chronist persiflierte. Verächtlich ist das Parkett, das ein schlechtes Stück beklatscht, zu verachten ist die Personalunion des Autors mit dem Vicekaiser, die Union der Operette mit dem Kaiserreich. Der Chronist hat recht.

Chefredakteur de Villemessant trat ein, vergnügt, wenn auch ausser Atem, und übertrieb ein bisschen diese Atemlosigkeit, um auf seine humorig bärbeissige Weise den Eifer und die Dienstfertigkeit zu zeigen, auf die der Gönner zu jeder Zeit rechnen könne. »Zur Stelle, Exzellenz«, keuchte er, mit dem Taschentuch die Stirn und den Schnauzbart betupfend, »gleich sind auch die Nachwehen der bourbonischen Treppen überwunden; aber die angenehme Erregung über die garde de Paris in grosser Kriegsbemalung, mit Helm, Säbel und Handschuhen, wie sie mich militärisch und feierlich hierher beorderte, zur ehrfürchtigen Freude des ganzen Figaro-Betriebes, ja, zur Erhöhung meines persönlichen, moralischen und finanziellen Kredites im ganzen Viertel, – Exzellenz, die aufregende Erwartung lassen Sie mir und die Ahnung, die Ahnung …«

Der staunende Morny hörte sich den Figaro-Schwatz an und betrachtete das gutgelaunte Bierbrauergesicht. Unverfrorenheit ist eine Begabung und gewiss keine zeitferne, das gehörte zu den besten Erfahrungen dieses immerhin erfolgreichen Zeitgenossen: aber gerade die Unverfrorenheit muss sinnvoll sein. Was für einen Sinn hatte dieser unverfrorene Figaro-Schwatz, wenn die Rochefort-Chronik schon Paris überschwemmt und mit den Morgenzügen auf hundert Strängen ins Land strömt? Aber der Vicekaiser hatte eine kleine Schwäche für die Dreistigkeit, zumal wenn sie virtuos war (der Bruder übrigens auch, selbst bei Frauen), und er musste doch lächeln. »Also wenigstens ahnungsvoll, lieber Villemessant«, warf er ein.

»Ja, ahnungsvoll!«, dröhnte der lustige Mann. »Die Botschaft mit dem Helm, – bedeutet sie nicht etwas Heroldhaftes, Ritterliches? Hat man sich nicht jüngst wieder um das Vaterland verdient gemacht, als man die Schlacht schlug für Choufleury, mit nicht übler Strategie und Taktik, wie der Sieg beweist? Chevalier, Chevalier! Kurz und gut, Monseigneur, ich ahne die Dekoration!«

Ein toller Kerl, dachte Morny, oder eine tolle Mystifikation; aber die Sache hat Humor, zum Vorteil fürs Gemüt. »Dekoration …«, wiederholte er und lachte leise, »ich weiss nicht recht, lieber Choufleury-Ritter, ob die Ahnung nicht etwas daneben geht, – doch wie mans nimmt: wenn Sie sich die Urkunde, die Sie vom Zweiten Büro der Polizeipräfektur empfangen werden, einrahmen lassen, so ist es auch eine Dekoration, wenigstens für die Wand der ehemaligen Chefredaktionsstube.«

»Hoho!«, lachte der Figaro, »ist das der Dank vom Hause Morny?« Aber das Lachen war schon flach und die Heiterkeit nicht mehr rund. Der Zeitungsmann kannte die Menschen; das war seine Kunst und das Geheimnis seines Erfolges. Er kannte auch den grossen Herrn, dem er sein Glück verdankte oder an dessen Glück er sich anseilte, – es blieb sich gleich; seine flinken, scharfen Äuglein kamen in unruhige Bewegung, sie rückten hin und her, schon während des flachen Gelächters, sie kannten den witzigen und den liebenswürdigen Morny ganz genau und sahen jetzt, dass er knapp unter der Oberfläche weder der eine noch der andere war. Und wie die grobianische Ergebenheit, die er im Verkehr mit dem Gönner aufzuwenden pflegte, mit einemmal gegen kühle Ablehnung stiess wie gegen eine Mauer und auch der beliebte Spass nicht mehr verfing, riss er den ganzen Figaro-Plunder von sich ab, grob und grimmig wie ein Bierbrauer. »Im Ernst, Herr Präsident, wie sind Ihre Worte zu verstehen?«

»Im Ernst, Herr Villemessant, ganz im Ernst und wortwörtlich, so wie doch wohl Ihre Zeitung verstanden werden will, – oder ist es etwa eine verspätete oder verfrühte Fastnachtsnummer?«

»Wo? … was? … welche Nummer? – Monseigneur, ich flehe Sie an – ich begreife nicht …«

War das noch Unverfrorenheit? Es war unwahrscheinlich. Die Ratlosigkeit brachte das schwere Gesicht besser in Schweiss als vorhin die eifervolle Dienstfertigkeit und die bourbonischen Treppen, und das Taschentuch steckte doch verdrückt und vergessen in der krampfigen Faust. Der Mann sah wahrhaftig aus, als wüsste er von nichts. Morny schüttelte den Kopf. »Merkwürdig«, meinte er, »sehr merkwürdig für einen Chefredakteur. Sie haben also Ihr heutiges Morgenblatt nicht gelesen.«

»Aber verehrter Herr Graf, es geht kein Blatt in die Druckerei, dessen Zusammensetzung ich nicht genehmigt habe. In der heutigen Ausgabe finden Sie einen guten Mozartaufsatz von Jouvin, einen Leitartikel von Lapierre, Beiträge von Audebrand, Meillard, dem kleinen Prémeray und … und …«

»Und die Chronik von Rochefort, nicht wahr?«

»Ach ja, heute ist sein Tag.«

»Haben Sie auch diese Chronik genehmigt, Herr Villemessant?«

Der Chefredakteur antwortete nicht.

»Haben Sie sie gelesen, Herr Villemessant? Zum Placet gebraucht man noch weniger Zeit als zur Lektüre.«

»Es geschieht allerdings im Drange der Geschäfte …«, stöhnte Figaro.

»Begreiflich, Herr Villemessant, aber bedauerlich; denn der tückische Geschäftsdrang, der sich gerade vor der heutigen Rochefort-Chronik bemerkbar gemacht hat, wird Ihnen den Hals brechen. Haben Sie zufällig die Zeitung bei sich?« Figaro schlug sich hoffnungslos gegen die Rocktaschen: nein, er hatte kein Exemplar bei sich, ehrlich gestanden war er heute noch garnicht auf der Redaktion gewesen, er habe gerade heute recht lange geschlafen, müde von später Nachtarbeit, gut, Exzellenz, müde von einer Choufleury-Nachfeier bei Brébant, und er habe die Ordonnanz in Begleitung eines Lehrlings zehn Schritte von seiner Haustür getroffen, als er sich zur Redaktion begeben wollte, – ach, eine Verkettung unseliger Umstände! »Würden Sie dann dort im Papierkorb nachschauen«, bat der Vicekaiser, und als sich jetzt die massige Gestalt, tragisch wühlend, über den Lederbehälter beugte, durfte er endlich lächeln. – Gibt es eine Szene im ganzen »Choufleury«, fragte er sich, die sich mit dieser Chefredaktion messen könnte?

Figaro erwischte die Zeitung, riss sie hoch wie einen Hund, der sich verbissen hat, gleichsam am Nackenfell, fand mit einem Blick und einem Griff die Chronik-Spalte und las. »Ich erkläre!«, rief er schon – wie schnell er lesen konnte!, und sein Satthals wurde röter noch als sein Gesicht, die niedrige Stirn unter der schrägen Haarsträhne schob sich zusammen wie eine Harmonika –, »ich erkläre: dies ist der ungeheuerlichste Vertrauensmissbrauch …«

»Ganz gut«, unterbrach Morny, »aber das entbindet Sie nicht von Ihrer gesetzlichen Verantwortung für den Inhalt Ihres Blattes.«

»Diese Verantwortung lehne ich ab!«, rief der Chefredakteur dröhnend, und seine schwere Hand zerknitterte das Blatt, es war, als erwürgte sie es, als frässe sie es, »man trägt nicht die Verantwortung für den Brandstifter seines Hauses, für den Mörder seines Kindes! Ich bin auf das Schändlichste betrogen, auf das Gemeinste hintergangen worden! Das hier ist so gut wie Urkundenfälschung; denn es unterschiebt meinem Blatt und meiner verantwortlichen Person eine Handlung, die nicht nur wahrheitswidrig ist, sondern, als Angriff auf Ihre hohe und verehrte Person, geradezu verbrecherisch! Jawohl, diese Fälschung gehört vor den Staatsanwalt!«

»Nur sachte«, meinte Morny, dem dieser vorzügliche Angriff aus der Defensive zugleich gefiel und reizte, »wenn das in diesem Furioso weitergeht, übernehmen Sie neben der Chefredaktion noch die Funktionen des Zweiten Büros, Herr Villemessant. Solange wir noch unter uns sind, erübrigen sich starke Worte, zumal wenn sie nicht zutreffen. Die Chronik ist nämlich nicht strafwürdig, weil sie eine Fälschung ist, wie Sie formulieren, oder weil sie in der Sache lügt, sondern ganz im Gegenteil, weil sie die Wahrheit sagt. Wir leben ja noch, hinsichtlich der Presse, in der Diktatur, da kann ich Ihnen nicht helfen, noch nicht, und die Rochefort-Wahrheit ist erstens ungehörig und zweitens verfrüht.«

Der Chefredakteur vermochte augenscheinlich mit der gleichen Schnelligkeit aus Verzweiflung und Empörung zu gelangen, wie er in sie hineingeriet. Er warf die misshandelte Zeitung in den Papierkorb zurück, fasste den Gönner mit einem schon wieder sicheren, nicht mehr umherfahrenden Blick, faltete die Hände und sagte gläubig: »Sie können mich retten, Monseigneur. Ich biete Ihnen, ausser dem öffentlichen Nachweis meiner persönlichen Integrität in dieser Sache, jede Art von Genugtuung: vor allem den sachlichen Widerruf in der Form eines neuen grossen Feuilletons über »Choufleury«, aus der Feder meines ausgezeichneten Mitarbeiters …«

»Wäre ich boshaft, mein Lieber, so würde ich es von Ihrer Feder verlangen. Doch da ich mich überdies an Choufleury, mit Verlaub, überfressen habe, da es mir bis an den Hals steht wie Herrn Rochefort, möchte ich auch Ihren ausgezeichneten Mitarbeiter damit verschonen.«

»Ja«, sagte Villemessant hastig, »was Rochefort betrifft: er wird selbstverständlich fristlos entlassen, mit entsprechender Notiz in der Zeitung.«

Der Vicekaiser strich sich mit den Fingerspitzen über die kahle Stirn, – das tat auch manchmal der Kaiser, wenn er den Kopfschmerz vertreiben oder den Anschein erwecken wollte, als schmerze der Kopf, und dabei rumorte nur der Kaninchenstall der Gedanken. – »Falsch«, sprach Morny, »Sie sind doch ein kluger Mann, Herr Villemessant, überlegen Sie doch: wird Ihre Zeitung verboten, dann ist es überflüssig, diesen Rochefort hinauszuwerfen. Wird sie nicht verboten, dann besitzt sie ab heute den berühmtesten und gelesensten Chronisten von Paris, – dann werden Sie sein Zeilenhonorar verdreifachen müssen, Herr Chefredakteur.«

Der Zeitungsmann erwiderte nichts, er lauerte. Morny strich sich über die Stirn, immerzu. »Was habe ich ihm eigentlich getan?«, fragte er unerwartet, und das war doch eine schon beantwortete Frage aus dem Selbstgespräch, nicht bestimmt für fremde Ohren. Figaro hob nur den Kopf; aber er sagte nichts.

In die Pause, die jetzt entstand, trat der Kammerdiener. »Seine Exzellenz der Herr Minister des Innern wünschen Eurer Exzellenz Gutentag zu sagen.«

»Ach«, sagte Morny lächelnd, als sie wieder allein waren, »wenn mein alter Freund Persigny kommen sollte, um mich wegen der Chronik zu trösten, dann sind Sie ein armer Figaro, mein Lieber.«

»Sie können mich retten, Monseigneur«, sagte der Redakteur ohne rechte Erschütterung, vielmehr in gläubiger Hartnäckigkeit, und noch in der Tür flüsterte er zurück: »Sie können mich retten – wann soll ich wiederkommen?«

Morny antwortete freundlich: »In einer Stunde etwa – zusammen mit dem Chronisten.«

»Mit wem?«

»Mit Rochefort.«

 

Die Tür ging auf. Villemessant hatte keine Zeit mehr für eine zweite Rückfrage – und dann war er ja ein kluger Mann mit starker Kombinationsgabe –, er hatte nur noch die Zeit, sich zweimal zu verbeugen, gegen den Gönner im Zimmer und gegen den Feind in der Tür. Morny winkte jovial mit der Hand, es konnte sowohl dem Gehenden wie dem Kommenden gelten. Der Innenminister aber unterschied in der Begrüssung um so genauer zwischen dem grossen Herrn, den er besuchte, und dem Inkulpaten, der ihm in den Weg lief. Für den Präsidenten hob er in seiner bekanntlich etwas theatralischen Herzlichkeit beide Arme, den Bückling des Figaro bedachte er mit einem kurzen, bösen Blick. Damit war die Situation geklärt. Der Chefredakteur wusste, woran er war; aber er ging in guter Haltung, und dahinter steckte die Zuversicht.

Der ihn bei dem Vicekaiser ablöste, war also der hochbedeutsame Vicomte Fialin de Persigny, der Mitbegründer des Kaiserreichs. (Dass er immer noch nicht Herzog war, dass es auch Morny noch nicht war, mochte bei einem so dankbaren Souverän befremden; aber des Kaisers Gefühle gegen die beiden Schrittmacher seines Glücks waren ja nicht frei von Beschattungen: Schrittmacher? Sie waren doch, in mancher Stimmung, die beiden Kugeln, die er mit sich schleppen muss.) Der Prophet des Bonapartismus, der rasende Derwisch der napoleonischen Idee, der sagenhafte Propaganda-Chef des Prätendentengeschäfts, der Dunkelmann von 48, der Schwarzkünstler der Plebiszite – eigentlich doch schon eine historische Figur –, schien kaum gealtert. Immer noch lag volles dunkles Haar über der Stirn, die so schön und klar war wie seine Stimme; doch damit hört ja das Schöne und Klare des Äusseren auf, die kleinliche Nase hatte den sonderbaren Schwung nach rechts, und sie zog, zumal in der Erregung, das ganze Gesicht mit, das zugleich grob und verdrückt war, ein Kasernenhofgesicht, – und er war ja auch einmal, in ausgelöschter Vorzeit, Husarenunteroffizier gewesen, irgend ein Korporal Fialin, kein Vicomte, und die Säbelbeine zeugten noch davon, in der Frühzeit des Propheten hatte noch mehr davon gezeugt: die Freude an Trommel und Trompete des lärmigen Tuns und an ausladenden Liebesgöttinnen für Feldwebel. Immer noch büschelte sich der dunkle Backenbart üppig auf, und es war nicht zu merken, dass Haar und Bart gefärbt waren und nur an den Schläfen das echte Silber sehen liessen; denn auch die Kosmetik wie die sichere Eleganz der Kleidung und die ganze männliche Vorbildlichkeit stammte von dem apollinischen Alfred d'Orsay ab und war also vollkommen. Die Freude an der gepflegten Aussenseite des Lebens war geblieben, aber auch an seinem dramatischen Inhalt, an seiner heftigen Forderung. Der historische Mann war so alt wie der Kaiser, fast auf den Monat: beide standen im vierundfünfzigsten Jahr; aber es war schon immer so, dass die Zeit sehr verschieden mit ihnen umging, den einen zäh schleppend, den andern heftig treibend, und dass sie auf dem Geduldigen schwerer lastete als auf dem Ungeduldigen. Der Kaiser war viel älter als seine Jahre, es schien seine geringste Sorge. Der Prophet hatte jünger zu scheinen als er war, schon weil der Herr gegen das Altern gleichgültig war und weil die Müdigkeit, die er sich früher doch nur als Maske aufsetzte, allmählich mit dem Gesicht verwuchs. Also war es notwendig, nicht nur für den zeitlichen Ausgleich, sondern auch für die ewige Attacke, dass sich der Paladin die Jahre abzog, die sich der Fürst hatte aufpacken lassen. Es war ein Irrtum, zu glauben, dass es die Zeit gut mit ihm meinte. So hatte der Diener zu wachen, wenn der Herr schlief, er hatte um so wachsamer zu sein, je schläfriger Napoleon wurde, und er hatte ihn aufzuwecken, aufzurütteln, aufzustellen, wenn es die Stunde verlangte. Das war schon immer so.

Es hatte den Anschein, als wollte der Innenminister den Kammerpräsidenten umarmen und als hätte Morny unrecht, den herzlich stürmischen Mann mit seiner allgemeinen Liebenswürdigkeit oder sogar nur mit seiner kühlen Höflichkeit abzufangen. Aber beide kannten sich gut und benutzten das Auftrittszeremoniell nur als Gradmesser ihres jeweiligen Gegensatzes: es war eine alte und fast schon zärtliche Feindschaft, eine so nützliche Abneigung des einen gegen den anderen, dass sie sich gegenseitig das Dasein hin und wieder wohl schwer machten, aber zugleich auch in seiner regulierenden Bedeutung immer wieder bestätigten. Denn beide waren klug. Der Prophet hatte einst den Bruder zum Bruder und den Spieler Morny zur grossen politischen Spekulation gebracht; denn Morny hatte Glück, und das brauchte man. Damals waren sie gute Freunde gewesen, und sie hatten nur gefühlt, was für gute Feinde sie werden würden. Als das grosse Glück gekommen war, erkannten sie die Gründe der Antipathie: Persigny war der Sieger über die Zeit, Morny aber ihr Liebling. Das geht schlecht zusammen, doch gut gegen einander. Man bringt sich gegenseitig ins Amt und ums Amt, Innenminister Persigny folgte dem Innenminister Morny, der Vicekaiser hatte den Eiferer auf ehrenvollen Aussenposten nach London deportiert und jetzt zurückgeholt, damit bei der kommenden, grossen Abwägung der Zeit die andere Schale der Waage nicht leer sei. – Man darf einander zusetzen, weil es heilsam ist im Kampf für die Zeit, im Kampf gegen die Zeit: aber man bringt sich nicht um.

Persignys Auftrittsschwung reichte bis zum Sessel, den ihm der Hausherr anwies, verebbte nicht einmal in Einleitungen oder Überleitungen der artigen Rede, sondern brach ab. Er schwieg noch eine Sekunde mit zusammengekniffenem Mund, den Blick, immer noch den Stierblick, auf Mornys himmelblauem Morgengilet; dann öffnete er die Lippen mit einem kleinen Knall, so als würde ein Korken aus der Flasche gezogen, und sagte: »Jetzt statuiere ich ein Exempel.«

»Wie bitte?«, fragte Morny.

Persignys Äuglein kletterten flink von der Weste ins Gesicht des Hausherrn, in dieses ungeliebte Kaisergesicht, das dem geliebten nun einmal brüderlich glich und überdies noch seine Vorzüge hatte: die Wachheit und die Deutlichkeit. »Mein lieber Morny, ich hoffe sehr, dass Ihr gerechter Zorn noch nicht verraucht ist und dass Sie Ihre schützende Hand von dem Zeitungskerl abgezogen haben.«

»Mein gerechter Zorn?«, fragte Morny zurück und schien belustigt. »Wenn ich selbst zugebe, dass mich jene Kritik, die offenbar auch Sie mobilisiert hat, lieber Vicomte, als Privatperson angeht, so bin ich doch noch nicht ein so vollkommener Literat, um meinen Zorn über eine schlechte Besprechung gerecht zu nennen. Überdies war ich garnicht zornig, sondern zunächst nur ein bisschen verärgert, aber bald darauf bereits so einsichtig, dass ich ganz im Gegenteil den gerechten Zorn auf Seiten des Kritikers entdeckte.«

Persigny strich mit dem Handrücken über die Backenbartbüschel, nach alter Gewohnheit, und es war keine gemütliche, sondern eher eine gereizte Bewegung. »Hübsch gesagt, Morny, und jedenfalls die einzig richtige Haltung für den vornehmen Dilettanten. Aber Sie können es sich leider nicht leisten, private Ohrfeigen einzustecken. Wer Sie schlägt, vergreift sich am Staat. Deshalb werde ich ein Exempel statuieren.«

»Sie wollen also den ›Figaro‹ verbieten.«

»Allerdings. Ich bin gekommen, um Ihr Einverständnis mit der Massregelung einzuholen.«

»Mein Einverständnis? Das gebe ich Ihnen natürlich nicht. Ich mache mich doch nicht lächerlich, Persigny, ich werde doch nicht die schlechte Kritik eines Operettenlibrettos durch die Polizei beantworten lassen.«

»Aber ich, Morny; denn der Librettist ist als Staatsstreichgewinnler deutlich genug apostrophiert …«

»Es gibt viele Staatsstreichgewinnler«, unterbrach Morny.

Das war zu stark. Der Prophet lehnte sich zurück, steckte die Hände in die Hosentaschen und knallte mit den Lippen. »Das ist ein Argument!«, rief er in die Luft. »Wissen Sie, was das ist, Morny? Das Argument der Revolution!« Er fuhr hoch, auch seine Hände fuhren hoch, er sass knapp auf dem Sesselrand. »In Sie ist der Teufel gefahren, Morny, ich fürchte es schon geraume Zeit.«

»Wir wollen bei der Sache bleiben«, erwiderte Morny und machte die hoffärtigen kleinen Augen wie der Bruder. »Ohne mich in Ihre Kompetenzen einmischen zu wollen, Persigny: ich lasse das Zeitungsverbot, das sich direkt oder indirekt auf die Rochefort-Kritik meines dramatischen Versuchs bezieht, nicht zu. Geschieht es trotzdem, so werde ich im »Moniteur« eine Erklärung abgeben lassen und Sie desavouieren. Jetzt wissen Sie wohl Bescheid.«

»Danke«, sagte Persigny und griff nach dem Hut, der neben dem Sessel auf dem Teppich lag, und nach den Handschuhen, die ordentlich über der Krempe hingen. Es sah nach abruptem Aufbruch aus. Aber der Prophet stand nicht auf, er behielt den Hut auf den Knien und nickte traurig. »Ich weiss Bescheid, lieber alter Freund, ich weiss schon lange Bescheid und ich bleibe bei der Sache, bei unserer Sache, wenn ich davon rede. Sie sind nachgerade die grosse Hoffnung aller, die es schlecht mit uns meinen, Morny. Sie werden unser Unglück.«

»Das ist ganz gewiss nicht mein Ziel«, entgegnete Morny ernst und sonderbar geduldig.

»Ich glaube es Ihnen gerne, Morny. Ich bin ja nicht so dumm, um mir nicht klar machen zu können, was Sie mit Ihren unseligen Reformen und parlamentarischen Wiederbelebungsversuchen beabsichtigen. Wenn Sie Glück haben und die Zügel in der Hand behalten, mögen Sie zum Ziel kommen, zu Ihrem aufgewärmten Juli-Königtum, mit angelsächsischem Liberalismus garniert, – gemässigte Monarchie, gemässigter Parlamentarismus, gemässigt und massig. Wenn Sie kein Glück haben und den Wagen auf der abschüssigen Bahn nicht mehr bremsen können, rollt er ganz unmässig weiter und muss schliesslich umstürzen. Der Umsturz ist das Ende des Kaiserreichs. Aber schon Ihr parlamentarisches Glück, schon Ihre Toleranz gegen die Rochefort-Chronik ist das Ende der Idee.«

»Es gibt heutzutage so viele Ideen«, warf Morny ein, »welche meinen Sie eigentlich, Persigny?«

»Es gab und gibt für uns nur eine: die napoleonische Idee!«, rief der Prophet und stellte den Hut wieder neben sich auf die Erde; aber die Handschuhe behielt er in der Hand.

»Das ist die einzige Idee, mein Lieber, die es nicht mehr gibt – oder nur bei Ihnen.«

Persigny zerrte an den Handschuhen aus feinstem malvenfarbigen Leder, – wunderbar auf die Farbe seiner Beinkleider abgestimmte Handschuhe; er war erregt. »Ich weiss, dass ich es so schwer habe, wie noch nie, Morny, und dass ich ganz allein bin. Sie kennen ja den Ausspruch des Kaisers: ›die Kaiserin ist Legitimistin, Morny ist konstitutioneller Monarchist, ich bin eigentlich Sozialist; es gibt in Frankreich nur einen Bonapartisten: Persigny, und der ist verrückt.‹ Aber ich bin nicht verrückt, Morny, oder ein notwendiger Maniak, – sonst hätten Sie selber ja nicht den Kaiser bestimmt, mich in die Regierung zurückzurufen.«

»Das wissen Sie also«, lächelte Morny.

»Unser diskreter Souverän liebt zweierlei Indiskretionen: gegen die Herren seiner Umgebung im einzelnen und gegen ihre Ehefrauen im allgemeinen.«

Morny sah auf seine Fingernägel und sagte nichts, ein taktvoller Mann; denn jetzt streifte Persigny, der aufrichtige Maniak, das Leid seines privaten Lebens, das Leid seiner Ehe mit der wilden und angriffswütigen Dame, einer so grossen Dame doch, dass sie in ihrem Mann nicht den künftigen Herzog, sondern nur den ehemaligen Korporal sah und ihn auch so behandelte, mit geringer Achtung vor seiner eigentlich doch schon historischen Person – ach, die Frauen hatten ihn niemals als Propheten behandelt, zumeist wie einen Maniak, er hatte kein Glück bei ihnen –, und vor der Lady Persington (wie die Gesellschaft die anglomanische Nymphomanin nannte) hatte selbst der Kaiser Angst; denn die neue Innenministerin wollte mit Gewalt die zärtlichen Beziehungen zur Krone wiederherstellen, die die ehemalige Innenministerin vor beinahe zehn Jahren in einer glücklichen, aber einmaligen Stunde erobert hatte; doch das wollte selbst der Kaiser nicht.

Persigny schlug sich mit den Handschuhen auf die Handfläche. »Ich begreife auch dies: dass Sie mich holten, Morny, gerade mich. Sie haben ja selber Angst vor Ihren Reformen und vor den Geistern, die Sie riefen. Was haben Sie bisher erreicht? Rochefort-Chroniken, wie Sie es nennen, kaum verhüllte Pamphlete, wie ich es nenne, – und den Mann bringe ich über kurz oder lang ins Gefängnis, falls Sie nichts dagegen haben. Was haben Sie erreicht? Den Lärm, also die Kritik, also die Opposition. In den zehn Jahren der Diktatur herrschte die grosse Stille, und ihr konntet euch allerlei Dummheiten erlauben; denn man durfte nicht darüber sprechen. Jetzt erlauben Sie, dass die Aussenpolitik, die fehlerhaft genug ist, weil sie sich an Revolutionen bindet statt an Autokratien, an Italien statt an Preussen, ein Echo im Lande hat, jetzt erlauben Sie das grosse Geschrei. Was haben Sie erreicht? Eine neue und mächtige Oppositionsgruppe: die katholische Opposition mit fast hundert Abgeordneten, dem Klerus und den Gläubigen, – den lauten und bündigen Kulturkampf mit allen Arten und Graden des Kampfes zwischen den staatlichen und kirchlichen Behörden. Sehen Sie nicht ein, Morny, dass eine Diktatur niemals, niemals in die Formen zurückverwandelt werden kann, die sie zerstört und aufgefressen hat, – so wenig wie der Wolf in das Lamm, das er zerriss, – ja, dass sie nicht einmal gemässigt werden kann, dass sie eben nicht mehr ist, in dem Augenblick, wo sie auch nur einen Zipfel ihrer Macht hergibt? Natürlich sehen Sie es ein; darum riefen Sie mich, den alten Waldschratt, damit die eiligen Früchte Ihres liberalistischen Treibhauses zur Hälfte wenigstens wieder zertreten werden. Ich arbeite wacker, ich schlage mich mit Kardinälen und Jakobinern, ich zerschlage ihre Zeitungen und ihre Organisationen, ich mache Ihnen Anno 63, sofern man mich vorher nicht in die Zwangsjacke tut, eine Neuwahl, die die Zeit wieder um zehn Jahre zurückdreht, ich mache in Gegenreformation. Und Sie, Morny, Sie arbeiten ebenfalls wacker, man weiss es, man sieht es, Sie machen in Reformation, Sie befreien das Wort und die Schrift und die Demagogie. So schaffen wir ein erstaunliches Kaiserreich, zur Hälfte autoritär, zur Hälfte liberal, die Welt kennt sich schon jetzt nicht mehr aus, und wer hält die beiden Teile zusammen, wer verhütet, dass sie auseinander fallen?«

»Der Kaiser«, sagte Morny.

»Und wie lange?«

»So lange, bis sich der eine Teil des anderen bemächtigt, so lange, bis die Zeit, die für mich arbeitet, den Waldschratt vertreibt oder in die Zwangsjacke steckt.«

Persigny fuhr nicht auf, wie man hätte erwarten können, sondern er lächelte, – und das stand ihm bekanntlich nicht gut; denn wenn er lächelte, war sein Gesicht so schief wie seine Nase. »Sieh einer diese Zuversicht an!«, meinte er, »und sieht man genau hin, so bemerkt man mit Staunen, dass Ihre programmatische Toleranz just die Zeit ausnimmt, die Sie ganz autokratisch für sich arbeiten lassen und die Sie zu kommandieren vermögen, nicht einmal mehr wie ein Vicekaiser, sondern schon wie ein Vicegott. Ist das nicht ein bisschen vermessen? – Wie alt sind Sie jetzt eigentlich, Morny?«

Morny sah ihn lange an, nicht freundlich und nicht feindlich, aber aufmerksam, als sähe er in den Spiegel, bevor er die Silberpille wählt. »Sagen Sie, Persigny, ist es nicht ein bisschen vermessen von Ihnen, die grosse und gute und mächtige charitative Katholiken-Organisation wie einen politischen Geheimbund zu behandeln? Sind Sie in der Tat entschlossen, diese wunderbare Bruderschaft zu zerschlagen, diese europäisch wirksame und wohltätige Gesellschaft des Heiligen Vinzenz von Paul?«

Der Prophet zog sich ernst, nachdenklich und ganz langsam den linken Handschuh an. So fein war das Leder und so knapp für die grobe Hand gearbeitet, dass man es nicht anders anstreifen konnte als mit grossem Bedacht und vielen kleinen, sachten Bemühungen. »Darauf antworte ich Ihnen nicht gerne«, sagte er endlich, »und Sie antworten auf manche Fragen überhaupt nicht. Man will ja schliesslich seine Informationen nicht irgend einem Chronisten ausgeliefert sehen, nicht wahr? Wir sind uns nun einmal äusserst suspekt, nicht wahr? – Und ich antworte Ihnen doch. In dem Staat, den der Kaiser und ich schufen und den Sie reformieren, also vernichten wollen, in dem Allstaat meiner Idee kann es keine Sonder-Autonomie geben, auch nicht die der Nächstenliebe. Jene Bruderschaft hat eine so vollkommene Anonymität der Hilfsbereitschaft erreicht, eine so ausserordentlich glatt und lautlos funktionierende, charitative Präzision, dass sie zu einer Art Republik der Nächstenliebe geworden ist, mit einer heimlichen Hierarchie wie das Freimaurertum. Dadurch wird auch die Christentugend zur Staatsgefahr, – eben durch ihre Unabhängigkeit. Ich will nur die Unabhängigkeit zerschlagen, nicht die Tugend. Ich will, dass auch die grandiose Nächstenliebe dem Staat gehört und seinen Kaiser hat, meinen Kaiser. Die vinzenzianische Republik der Christenpflicht wähle sich den Kaiser zum Präsidenten, – dann ist alles gut, ist das so vermessen? Dann ist die klerikale Opposition vermessen, weil der Staat auch die katholische Barmherzigkeit ausübt. Ist das nicht besser als Kulturkampf?«

»Nicht besser als Kampf, mein Lieber, sondern nur eine taktisch, nicht einmal moralisch bessere Form des Kampfes. Das ist klug, recht klug; aber es wird nicht glücken, weil es für die Allmacht zu spät ist und erst recht für neue Ansprüche. Das hätten Sie vor zehn Jahren machen sollen, als der Kaiser für die Kanzeln noch der Charlemagne war. Jetzt ist die Zeit für Zurückverwandlungen vorbei, das Lamm ist schon lange hin und der Wolf hinfällig, – Sie haben es ganz richtig gesagt, Persigny.«

Der Prophet dehnte und streckte die linke Hand im Handschuh, und diese Hand war fein und schmal und gesittet gegenüber der nackten Rechten, die er jetzt aufhob, den Zeigefinger unhöflich gegen den Vicekaiser richtend. »Und, Morny, was tut der hinfällige Wolf in Mexiko? Was tut Ihre ergebene Zeit in Mexiko? Was tolerieren Sie in Mexiko?«

Morny schluckte und entgegnete leise: »Das ist doch eine ganz andere Frage.«

Der Prophet nahm den Hut und stand auf. »Nein, mein Lieber, nein, nein! Wir bleiben bei der Sache, auf welchem Punkt der Erdkarte eure Unruhe oder eure Dummheit oder eure Ränke sich auch hinverirren! Sie antworten recht mangelhaft, Monseigneur. Warum stellen Sie sich gegen mich schützend vor den infamen Figaro, der das Kaiserreich einseift, und vor diesen Rochefort mit dem Rasiermesser, der dem Kaiserreich die Kehle durchschneiden will? Warum stellen Sie sich nicht einmal, einmal neben mich und schützen den Kaiser vor Mexiko, der letzten, der äussersten, der entlegensten Sinnlosigkeit, – ich sage Ihnen noch mehr: vor Mexiko, dem Abgrund!«

»Sie übertreiben, Persigny«, sagte Morny und erhob sich müde, »Sie übertreiben immer, es hat sich indessen bei Ihnen verlohnt. Und sollte es sich erweisen, dass Sie nicht übertrieben haben, so werden die kontrollierenden Organe der Nation den Kaiser vor Mexiko schützen. Dafür will ich ja sorgen.«

»Ach, ich fürchte, Sie besorgen zu vieles, Sie übernehmen sich, lieber alter Freund. Ich fürchte, dass dann die kontrollierende Nation die Initiatoren von Mexiko, ob sie Ideologen oder Spekulanten sind, nicht schützt, sondern köpft. Wir können unsere Narrheit und unsere Infamie auch zu Hause an den Mann bringen, wir sollten sie nicht exportieren. Wie nennen Sie doch Ihr umstrittenes Stückchen, Morny? ›Choufleury restera chez soi‹. – Sie sehen übrigens angegriffen aus.«

Der Vicekaiser ging auf und ab, und immer, wenn er die Richtung änderte, sah er auf die grosse, doppelflüglige Tür. Durch diese Tür wird dieser Mensch eintreten, der mit dem Rasiermesser, der Kehlabschneider. Der Prophet liebt kräftige Gleichnisse und einprägsame Bilder, ein aufregender Mann. – Mexiko! Mexiko! Wenn einmal Rochefort die Mexiko-Chronik schreibt …

Der Chefredakteur trat ein, der Vicekaiser sah an ihm vorbei zur Tür. Die beiden Flügel schlossen sich hinter ihm leise und schadenfroh. Villemessant zeigte seine Atemlosigkeit, aber ohne Humor. Denn Morny sah angegriffen aus, das Gesicht war grau und der Kopf merkwürdig nackt – gottverlassen nackt, dachte Figaro, ganz einsam sozusagen –, vielleicht konnte er mich nicht retten …

»Ich finde ihn nicht, Exzellenz«, keuchte er, »es ist schrecklich mit diesem Menschen, er ist nie zu finden, nicht in der Redaktion, nicht in seiner Wohnung, – er wohnt pikanterweise, wo der heilige Mérimée wohnt: was doch so alles aus der Rue des Beaux-Arts kommt!, schöne Künste … – nicht einmal bei Brébant, seinem Stammcafé – was für ein Weg übrigens vom Quartier latin bis zum Fauborg Montmartre, und ganz umsonst …«

Morny unterbrach: »Herr Rochefort will also nicht zu mir kommen.«

Der Chefredakteur betupfte sich die Stirn und den Mund mit dem Taschentuch, sein Satthals war rot. »Exzellenz, ich entlasse ihn.«

»Falsch«, sagte Morny; »denn er ist von nun an der grosse Mann des Figaro. Passen Sie gut auf ihn auf, Villemessant, sowohl wegen der Konkurrenz als auch wegen des Zweiten Büros. Der Herr Minister des Innern möchte ihn einmal doch recht gerne ans Messer liefern.«

»Ich mache noch einen Paulus aus ihm«, versicherte Figaro, und weil er gerettet war, dem Himmel und dem teuren, grossen Herrn sei es gedankt!, weil er glücklich war, lachte er laut; aber es klang doch in diesem Augenblick etwas unziemlich und unstatthaft, beinahe wie grundloses Gelächter.

Der Vicekaiser lächelte höflich. Er öffnete zwei Knöpfe des himmelblauen Gilets und schob die Hand hinein, es sah ganz harmlos aus und wohlgemut. Aber die Hand presste sich auf den Magen und krallte sich ins Fleisch, – so tief ging der Stich.


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