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Die Kaiserin war nicht sobald in dem neben ihrem Cabinet befindlichen kleinen Audienzsaal eingetreten, als sie heftig klingelte und dem eintretenden Kammerherrn befahl, die im Vorsaal wartenden Grafen Panin und Görtz eintreten zu lassen. Alsdann ließ sie sich in dem Fauteuil, dem einzigen in dem Salon befindlichen Sitzplatz, nieder und erwartete mit stolzer Gelassenheit die Annäherung der beiden Herren, die eben in den Saal eintraten und sich der Sitte gemäß, schon an der Thür dreimal tief und langsam verneigten, Graf Panin wie ein Leibeigener, der gewohnt ist, den Staub von den Füßen seiner Herrin zu küssen, Graf Görtz mit dem ruhigen und feinen Anstand eines Weltmannes, der, indem er sich ehrfurchtsvoll neigt, doch seiner eigenen Würde und Stellung eingedenk bleibt.
Die Kaiserin erwiderte den sclavischen Gruß Panins mit einem kaum merklichen Kopfnicken, den Gruß des Grafen Görtz mit einem graciösen Lächeln und einem anmuthigen Winken ihrer weißen Hand.
Nun, Herr Graf, sagte sie freundlich, bringen Sie mir frohe Botschaft von dem Weisen von Sanssouci? Ist der König, das erhabene Vorbild aller Fürsten und aller Dichter, von seinem Unwohlsein genesen?
Der König ist genesen, Majestät, und er wird glücklich sein, zu vernehmen, welchen freudigen Antheil Ew. Majestät an seinem Wohlbefinden nehmen.
Oh, rief Katharina, der große Friedrich weiß es wohl, welchen großen und innigen Antheil ich an seinem Leben nehme, vielleicht so viel als er an meinem Tode haben würde.
Graf Görtz blickte überrascht in das lächelnde Antlitz der Kaiserin. Wie, rief er entsetzt, Ew. Majestät sagen, der König würde Antheil an Ihrem Tode haben?
Sagte ich das? fragte Katharina leichthin. Es war ein Sprachfehler, mein lieber Graf, ich wollte nehmen sagen, Antheil nehmen, nicht Antheil haben! Mein Gott, es ist mir da geschehen, was leider sehr vielen Menschen geschieht. Ich habe nehmen mit haben verwechselt; wie Viele glauben schon zu haben, was sie sich eben nehmen wollen, und wieder, wie viele Andere glauben zu nehmen, was sie schon haben. Also, ich wollte sagen, daß der König gewiß dereinst nicht mehr Antheil an meinem Tode nehmen könnte, als ich Antheil an seinem Leben nehme.
Der König, mein gnädiger Souverain, ist um Vieles älter als Ew. Majestät, und seine vielen Kriege haben ihn noch älter gemacht als seine Jahre.
Nun, wenn Kriege den Jahren vorgreifen, rief Katharina lächelnd, dann bin ich eine Urgreisin, denn auch ich habe viele Kriege geführt.
Möge die Zeit gekommen sein, wo die Majestäten von Rußland und von Preußen die Schwerter in die Scheide stecken und ihren Völkern die Segnungen des Friedens gönnen können! rief Graf Görtz emphatisch.
Seid Ihr auch der Meinung des preußischen Herrn Gesandten, Ihr, Graf Panin? fragte die Kaiserin rasch.
Ich weiß von dem edlen Herzen meiner erhabenen Monarchin, daß sie glücklich sein wird, Rußland und der Welt den Frieden zu erhalten, und ich glaube, daß der Moment gekommen ist, wo dies möglich ist, erwiderte Panin ausweichend.
Es ist wahr, sagte die Kaiserin sinnend, wir haben jetzt für den Augenblick keine Veranlassung zum Krieg. Alle Zwistigkeiten zwischen mir und der Pforte sind durch die letzte den Frieden bestätigende Convention ausgelöscht worden, und die Pforte wird sich wohl hüten, neue Streitigkeiten hervorzurufen. Auch in Polen haben wir keinen Bruch des Friedens mehr zu erwarten; es wird nicht wagen, sich meiner Oberherrschaft zu entziehen und sich des Schutzes unwürdig zu machen, den Rußland ihm großmüthig gewährleistet hat. Auch unsere Beziehungen zu allen übrigen europäischen Staaten sind freundlich und gut, England sucht unser Bündniß, Holland desgleichen, Frankreich ist uns befreundet, Preußen ist unser Alliirter, und Oesterreich hat als schmeichelhaftes Zeichen seiner Gesinnung seinen Kaiser an unsern Hof gesandt. Ihr habt Recht, es ist gar keine Aussicht auf einen Krieg, und die Russen und die Türken können als gut befreundete Nachbarn ihren Kopf auf ihr Kissen legen und schlafen.
Und Kaiserin Katharina, sagte Graf Görtz, Kaiserin Katharina kann jetzt, nachdem sie sich glänzenden Kriegsruhm erworben und ihre Heere furchtbar gemacht, ausruhen von ihren Siegen. Sie kann als Schöpferin eines neuen Wohlstandes ihres weiten Reiches, als Gesetzgeberin, als Bildnerin und Beglückerin der mannigfachen ihrer Herrschaft unterworfenen Völker die höchste Stufe des Regentenruhms erreichen, und durch glänzende Thaten der innern Regierung ihren edlen Ehrgeiz befriedigen.
Oh, sehen Sie da, rief Katharina mit einem leisen Ausdruck des Spottes, wie gut es der Herr Gesandte versteht, eine Lehre in die goldbrocatenen, schimmernden Gewänder der Schmeichelei einzukleiden! Sie meinen also, Herr Graf, daß es jetzt meine Regentenaufgabe wäre, die Schulmeisterin meiner Völker zu werden, und statt des erobernden Schwertes die civilisirende Zuchtruthe in die Hand zu nehmen. Und Ihr, Panin, lächelt dazu gar holdselig und überlegt, wie viele Millionen diese goldenen Zeiten des Friedens in unsere Kassen fließen lassen würden, nicht wahr?
In der That, Majestät, der Frieden wäre eine Segnung, unsere erschöpften Finanzen würden schnell wieder einen blühenden Zustand erreichen, und die Künste des Friedens würden dem herrlichen russischen Reich einen ganz neuen Aufschwung verleihen.
Katharina lächelte. Ja wohl, sagte sie, wir werden Fabriken bauen, Manufacturen anlegen, Academien gründen und unser Volk gelehrt machen, wie es das Volk meines edlen Verbündeten, des Königs von Preußen, ist. Ich hoffe mit Euch Beiden, daß diese Zeit der Ruhe und des Friedens gekommen ist, und daß ich mich gleich Friedrich dem Großen jetzt nur nach innen mit der Beglückung meiner Völker zu beschäftigen brauche! Oh, Europa geht einer sehr glücklichen Zeit entgegen, der Zeit des ewigen Friedens, wie es scheint!
Und damit diese Zeiten des Friedens wirklich ewig und dauernd sein mögen, sagte Graf Görtz, werden die Monarchen daran denken müssen, sich einander in Freundschaft und Zugehörigkeit immer mehr zu nähern, ihre Interessen zu verschmelzen und Hand in Hand in unerschütterlicher und unauflöslicher Bundesgenossenschaft die neuen Wege des Friedens zu wandeln. Alsdann wird kein Feind es wagen, diese heilige Ruhe zu unterbrechen, und drohend und angreifend sich Denen gegenüber zu stellen, die stark und unüberwindlich erscheinen durch Eintracht und gemeinsames Wollen!
Nun, sagte Katharina lächelnd, wir sind im Stande, unsern Feinden dieses Schreckbild mächtiger Bundesgenossenschaft entgegenzustellen, denn wir leben ja mit unserm preußischen Nachbar in treuester und herzlichster Allianz.
Dieser Allianztraktat, sagte Graf Panin rasch, dieser Allianztraktat war nur auf acht Jahre abgeschlossen, und die acht Jahre sind bald zu Ende!
Wirklich! Acht Jahre sind schon verflossen, seit wir jenes Bündniß schlossen? rief die Kaiserin erstaunt. Acht Jahre! Die Zeit fliegt über unserm Haupt mit Sturmesflügeln hin, und ehe wir es denken, stehen wir an unserm Grabe. Ach, ich werde alt, ich fühle es, meine Kräfte ermatten, und bald wird es mit mir zu Ende gehen. Mein edler Freund, der König von Preußen, läßt sich wirklich von seiner Freundschaft für mich verblenden, wenn er glaubt, es verlohne sich noch der Mühe, mit mir Bündnisse abzuschließen und Traktate zu erneuern. Es wäre weiser, er verständigte sich zu rechter Zeit mit meinem Nachfolger, und entwürfe mit ihm die großen Pläne einer Zukunft, die leider mir nicht mehr gehören wird!
Ew. Majestät belieben gnädigst zu scherzen, sagte Graf Görtz ehrfurchtsvoll. Wie sehr mein Souverain, der König von Preußen, auf das lange und glückliche Leben Ew. Majestät hofft, davon bin ich im Stande, Ew. Majestät einen überzeugenden Beweis zu geben, denn ich bin beauftragt, Ew. Majestät im Namen des preußischen Monarchen ganz neue Vorschläge für eine Allianz der Zukunft zu machen. Wollen Ew. Majestät mir gnädigst verstatten, dieselben vorzutragen?
Kennt Ihr diese Vorschläge, Graf Panin? fragte die Kaiserin rasch.
Nein, Majestät. So viel mir aber Graf Görtz gesagt hat, ist er beauftragt, Ew. Majestät nicht förmliche, sondern nur vorläufige Vorschläge zu machen, und erst wenn diese die Billigung Ew. Majestät erhalten, wird der König seine Vorschläge in definitive Anträge verwandeln.
Nun denn, Herr Graf Görtz, sagte Katharina, lassen Sie Ihre vorläufigen Vorschläge hören.
Der König von Preußen, mein hoher Herr, wünscht nichts sehnlicher, als diesem Freundschaftsverhältniß zwischen Rußland und Preußen eine lange Dauer zu geben, damit zu gleicher Zeit den Frieden Europa's zu sichern, und denjenigen Fürsten, welche vielleicht von Ehrbegierde und Eroberungssucht verblendet, den Ruhestand Europa's zu stören wünschen könnten, in so drohender Allianz gegenüber zu treten, daß sie nicht zu thun wagen, was sie zu thun wünschten. Zu diesem Zweck scheint meinem Monarchen nichts geeigneter als die Abschließung einer Defensivallianz und einer gegenseitigen Garantie ihres jetzigen Besitzthums zwischen den Mächten Rußland, Preußen, Polen und der Türkei. Eine solche defensive Allianz scheint meinem Monarchen das sicherste Mittel, dem jetzt im östlichen Europa bestehenden Zustande Dauer zu geben, und die Ruhe auf lange Zeit vor jeder Unterbrechung zu schützen. Wenn nun Ew. Majestät diesen Plan des Königs von Preußen billigen und gut heißen, so wird mein Monarch den betreffenden Höfen von Polen und der Türkei dieselben Vorschläge machen, und dem Abschluß des Bündnisses wird dann nichts mehr im Wege stehen, denn Frankreich wird ein solches, wie der König weiß, sehr gern sehen, und Oesterreich wird durch die Kraft eben dieses Bündnisses genöthigt sein, jeder Unternehmung, welche die Ruhe stören könnte, zu entsagen!
Die Kaiserin hatte den Worten des preußischen Gesandten mit immer steigendem Erstaunen, mit immer höher anschwellendem Mißvergnügen zugehört. Den scharfen, verstohlenen Blicken des Grafen Panin war das nicht entgangen, und er erkannte an dem heftigen Zucken von Katharina's Lippen, an den Falten, die sich auf ihrer Stirn bildeten, daß der Plan des Königs scheitern werde, und daß er nicht die Macht habe, dies Lieblingsproject des Großfürsten zu unterstützen. Freilich hatte er dem Grafen Görtz seine Unterstützung zugesagt, aber die Stirnfalten der Kaiserin waren mächtiger, als sein gegebenes Wort, und da er sich durch die kluge Verleugnung seiner Kenntniß des preußischen Planes die Möglichkeit eines Rückzugs offen gehalten, beschloß Graf Panin jetzt denselben einzuschlagen, und seinem heimlichen Bundesgenossen, dem Grafen Görtz, jetzt als offener Widersacher entgegenzutreten.
Als Graf Görtz jetzt schwieg, trat eine augenblickliche Pause ein. Die Kaiserin, glühend vor Zorn, athemlos vor Aufregung, heftete ihre flammenden Blicke bald auf den Gesandten, bald auf ihren Minister, immer noch schweigend, als bedürfe sie der Zeit, um sich von ihrer Ueberraschung zu erholen.
Das also sind die Vorschläge Sr. Majestät des Königs von Preußen, sagte sie endlich hochaufathmend, und ihre Stimme zitterte vor Erregung. Statt sich einfach mit einer Erneuerung unseres ablaufenden Allianztraktates zu begnügen, macht die preußische Majestät uns ganz neue unerwartete Anträge, und schlägt uns ein Defensiv-Bündniß mit der Pforte vor! Herr Graf Panin, Ihr seid Minister, und da Ihr meine Gesinnungen kennen müßt, übertrage ich Euch das Geschäft, dem Herrn Gesandten des Königs von Preußen so zu antworten, wie Ihr glaubt, daß es meinen Ansichten und den Interessen meines Reiches gemäß ist! Ich ertheile Euch das Wort! Sprecht also, antwortet dem Herrn Grafen!
Sie lehnte sich zurück in den Fauteuil und ließ ihre Augen mit einem glühenden, durchbohrenden Ausdruck auf dem Angesicht des Ministers ruhen.
Kein Zug in dem Antlitz Panins verrieth Schwanken oder Unentschiedenheit, er schien völlig mit sich einig und ganz bewußt dessen zu sein, was er zu sagen habe. Mit ruhiger Würde und einem Ausdruck des Erstaunens wandte er sich an den Grafen.
Da Ihro Majestät, meine erhabene Monarchin, mir befohlen hat, sagte er, statt ihrer das Wort zu nehmen, so müssen mir Ew. Excellenz erlauben, Ihnen das Erstaunen auszudrücken, mit welchem ich den wunderbaren und höchst unerwarteten Eröffnungen Ew. Excellenz zugehört habe. Se. Majestät der König von Preußen schlägt der Kaiserin von Rußland ein Bündniß mit der Pforte vor. Eine Defensivallianz zwischen Rußland und der Türkei, das ist indessen ein so unglaublicher mährchenhafter Gedanke, daß ich nicht im Stande bin zu begreifen, wie Eurer Excellenz erhabener und weiser Monarch eine solche Verbindung Rußlands mit dem alten Erbfeind seines Reiches nur als möglich hat denken können! Panins eigene Worte. Siehe Dohms Denkwürdigkeiten. Th. I. S. 401.
Sehr gut, Panin, rief die Kaiserin, lebhaft mit dem Kopf nickend.
Graf Panin, ermuthigt von diesem Beifall Katharinens, fuhr fort: Die Pforte ist für Rußland eine Macht, mit der jeder Friede nur Waffenstillstand, nur momentane Unterbrechung des Kriegszustandes sein kann. Eine Allianz mit der Pforte ist daher dem ganzen politischen System Rußlands und allen persönlichen Gesinnungen meiner Monarchin höchst zuwider und ganz unausführbar. Panins eigene Worte. Siehe Dohm etc. S. 400.
Da es so ist, sagte Graf Görtz sich verneigend, so wird mein Monarch diesen Plan sofort aufgeben, und ich erlaube mir nur zu wiederholen, daß der König von Preußen seinen Plan keineswegs als förmlichen Antrag angesehen wissen will, sondern nur als eine Idee, auf welche der Wunsch, die Ruhe im östlichen Europa befestigt zu sehen, etwa leiten könne, und über welche Idee der König die Meinung seiner hohen Alliirten, der Kaiserin von Rußland, zu wissen wünschte.
Sie kennen jetzt meine Meinung über diese Idee, rief Katharina, indem sie sich rasch von ihrem Lehnstuhl erhob, und stolz mit blitzenden Augen dem Diplomaten gegenüber stand. Graf Panin hat Ihnen genau und gut meine Meinung darzulegen gewußt, und ich bitte Sie, dieselbe dem König mitzutheilen. Und damit der große Friedrich sehe und erfahre, daß ich kein Hehl aus meinen wahren Absichten mache, und daß ich sehr wohl seine Gesinnungen in Bezug auf mich kenne, will ich Ihnen frei und offen sagen, was ich will, und was der König mit seinem Plan verhindern möchte! Sie sollen also wissen, mein Herr, daß ich den letzten Frieden mit der Pforte keineswegs deshalb geschlossen habe, damit ein bleibender Zustand auf denselben gegründet werden solle, sondern vielmehr allein in der Absicht, um Zeit zu gewinnen, Zeit, damit ich neue Kräfte zum Angriff sammle, und mich rüsten könne zur Ausführung der Entwürfe, welche in meiner Seele glühen, und bei denen mich hoffentlich das Glück, das bisher allen meinen Unternehmungen zu Theil geworden, nicht verlassen wird. Eine Verbindung mit den Türken ist darum auch für mich unmöglich, sie widerspricht allen meinen Entwürfen und Neigungen, und ich beklage deshalb auch den Vorschlag Sr. Majestät des Königs, denn ich sehe aus demselben, daß ich niemals auf eine Mitwirkung des großen Friedrich zur Ausführung meines Lieblingsentwurfes rechnen kann, und dies macht mich traurig. Sagen Sie dies dem König und fügen Sie hinzu, daß ich sehr wohl die Absicht seines Vorschlags durchschaue, und daß sein Plan mir sehr weise berechnet und ganz den wahren und bleibenden Interessen des preußischen Staats angemessen erscheine. Nicht um meine Besitzungen zu sichern und den Ruhestand zu fördern, hat der König diesen Plan einer Defensivallianz zwischen Preußen, Rußland, Polen und der Türkei vorgeschlagen, sondern weil er mein Streben kennt, die glühenden Wünsche meines Herzens errathen hat, und sie abdämmen und einengen möchte, damit sie nicht hinaus können über die Grenzen meines Reiches! Rußland hat seine Grenzen noch nicht geschlossen; so weit die Welt reicht, reichen Rußlands Wünsche, und sie werden wachsen und gedeihen, und auch dann noch nicht befriedigt sein, wenn die Polen unterjocht und die ungläubigen Türken verjagt sind aus dem Erdtheil, über welchem leuchtend und groß nur das Kreuz, das heilige Symbol des Christenthums, sich erheben soll! Sagen Sie dies Alles Ihrem König, denn dies ist mein letztes Wort und ich werde es niemals weder verleugnen noch zurücknehmen!
Sie grüßte die Herren mit einem leichten, stolzen Kopfnicken und das Gemach mit großen Schritten durcheilend, kehrte sie zurück in das nächste Zimmer.
Dort saß Potemkin noch immer auf seinem Lehnstuhl neben der Portière. Er hatte Alles gehört, Alles verstanden, und er begrüßte daher die eintretende Kaiserin mit einem strahlenden Lächeln, und mit Blicken voll Begeisterung und Gluth.
Katharina winkte ihm mit der Hand, und schritt vorwärts, gerade durch das Zimmer zu ihrem Cabinet. Potemkin folgte ihr leise und lächelnd.
In ihrem Cabinet angelangt, ließ sich Katharina tief aufseufzend auf den Divan niedergleiten.
Schließe die Thüren, Gregor, sagte sie athemlos, laß die Portièren nieder, damit mich Niemand hört, denn ich weiß nicht, ich muß entweder laut weinen, oder laut lachen. Es ist mir, als habe ich ein Mährchen gehört, in welchem die heiligsten und geheimsten Wünsche meines Herzens in Kartenhäuser verwandelt und von einer Grille umgestoßen werden. Oh, oh, Potemkin, laß mich lachen, lachen, daß die Wände meines Palastes einstürzen und der König von Preußen es vernimmt, welche Sensation sein mährchenhafter Plan bei mir gemacht hat. Gregor, ich, ich sollte eine Defensivallianz mit der Türkei abschließen? Begreifst Du das, und Du findest nicht, daß das ein Scherz ist, über den man lachen muß, bis Einem die Augen übergehen?
Ich kann nicht lachen, Majestät, wenn es sich um die heiligsten Güter der Menschen handelt, sagte Potemkin fast zürnend. Der König von Preußen wagt es, Ew. Majestät einen solchen Vorschlag zu machen? Ein Bündniß zwischen Rußland und der Türkei! Das hieße ja das religiöse Gefühl der ganzen russischen Nation beleidigen und den Widerstand der öffentlichen Meinung gegen Dich aufreizen, gegen Dich, meine erhabene, herrliche Czarina, deren edle und kühne Hand dazu berufen ist, den frevelnden Halbmond abzureißen von der Kuppel der heiligen Sophienkirche zu Constantinopel und das heilige Kreuz der Christenheit wieder auf demselben zu befestigen.
Und glaube es mir, mein Freund, rief Katharina glühend, ich werde diesen meinen Beruf niemals vergessen, und ihm niemals ungetreu werden. Der König von Preußen hat nicht die Kraft, meine Hand zurückzuhalten, und sein abmahnender Ruf wird übertönt werden von den kühnen Siegeshymnen, die meines großen Oberfeldherrn Potemkins Mund mir zu singen weiß! Wie lange noch, und unser Schwert wird wieder aus der Scheide fliegen, und die Welt wird wieder erdröhnen unter den Siegerschritten meiner Armeen, und die Völker werden ihre alten Landkarten verbrennen und neue zeichnen müssen, eine neue Karte von Europa, denn Polen und die Türkei werden von derselben verschwunden sein, und Rußland wird die Hälfte der Karte einnehmen!
Oh, möchte der König von Preußen lange genug leben, um eine solche Karte in seiner Bibliothek aufhängen zu können, rief Potemkin lachend. Und der abgelaufene Allianztraktat zwischen Rußland und Preußen, Katharina?
Er wird nicht wieder erneuert werden, sagte die Kaiserin mit einem triumphirenden Lächeln. Das wird wenigstens ein kleiner Geißelhieb sein für den Aerger, den mir Preußen bereitet hat.
Ein Schach dem König! rief Potemkin. Ach, meine erhabene Kaiserin, Du wirst, wie überall, Siegerin bleiben auch in diesem Kampf, und dem Schach des Königs wird bald das Matt folgen.
Es ist wahr, sagte Katharina sinnend, der König von Preußen ist alt geworden, und die Adlerfittige seines Geistes beginnen zu sinken. Er möchte ausruhen in irgend einem Myrthenhain, während ich mich sehne weiter zu fliegen, immer höher hinauf, der Sonne zu! Wer wird mir folgen zu dieser schwindelnden Höhe, wer wird mit mir den kühnen Flug wagen, und –
Se. Majestät der Kaiser von Oesterreich! rief draußen die laute Stimme des Kammerherrn, welcher heftig an die Thür des Cabinets der Kaiserin klopfte.
Kaiser Joseph kommt! rief Katharina. Du weißt, ich habe ihm auf seinen Wunsch erlaubt, immer unangemeldet und ohne alles Ceremoniell zu mir zu kommen. Nur muß der Wachtposten am äußern Thor sofort ein Zeichen geben, wenn der Kaiser naht, und so gelangt die Nachricht zu mir, noch bevor Joseph die Schwelle des Palastes überschritten hat.
Eben vernahm man da draußen das Heranrollen eines Wagens. Das ist der Kaiser, sagte Potemkin. Lebewohl, Katharina, die arme Krähe muß sich zurückziehen vor dem stolzen Kaiseraar. Ach, Katharina, warum bin ich nicht unter einem kaiserlichen Thronhimmel geboren; warum bin ich nicht ein Kaiser, wie er es ist! Ich würde dann das Recht haben, Dir meine Hand zu bieten, das Recht, mit der Gluth der Eifersucht Deine Schwelle zu bewachen, und keinen andern Mann dieselbe überschreiten zu lassen!
Würde ich Dich mehr lieben können, Gregor, wenn Du ein Kaiser wärst, als jetzt, wo Du der Potemkin bist? fragte Katharina mit einem süßen Lächeln. Aber still, der Kaiser kommt! Lebe wohl, Gregor, lebe wohl, und bewahre Deinen Schlüssel wohl, denn wenn Joseph fort ist, mußt Du wieder zu mir kommen! Lebe wohl!
Potemkin küßte glühend ihre dargereichte Hand und verschwand wieder durch die geheime Thür der Tapete, die auf den kleinen Corridor führte. Aber statt diesen Corridor hinabzugehen, trat er rasch durch die gegenüberliegende Thür in das kleine Zimmer ein, das dem kaiserlichen Cabinet als Vorsaal diente, und welches der Kaiser durchschreiten mußte, wenn er sich jetzt zu Katharinen begab.
Er war kaum eingetreten, als die Thür da drüben sich öffnete, und der Kaiser Joseph, seiner Gewohnheit gemäß in seiner einfachen Uniform, ganz allein und ohne Begleitung in den kleinen Vorsaal eintrat.
Josephs große blaue Augen richteten sich sofort mit einem raschen fragenden Blick auf Potemkin, dem er lächelnd seinen Gruß zunickte.
Aber Potemkin legte einen Finger auf seinen Mund, und deutete auf die Thür des kaiserlichen Cabinets hin. Joseph verstand den Wink, und ging mit seinem lauten gewichtigen Schritt vorwärts.
Während er weiter ging, näherte sich ihm Potemkin und flüsterte leise: Sire, ich habe Ihnen vorgearbeitet; die Freundschaft mit Preußen hat heute einen gewaltigen Riß bekommen, und der Allianztraktat wird nicht wieder erneuert werden. Es hängt jetzt von Ihnen ab, diese Umstände zu benutzen, und Oesterreich die Stelle einnehmen zu lassen, welche Preußen bisher inne hatte. Schonen Sie gnädigst die Sympathieen der Kaiserin, schmeicheln Sie ihrem Ehrgeiz und Sie werden Alles erlangen! Meiner Mitwirkung sind Ew. Majestät gewiß!
Wie Sie, Durchlaucht, meiner Dankbarkeit! flüsterte der Kaiser, der jetzt schon vor der Thür des kaiserlichen Cabinets stand.
Potemkin machte eine tiefe, ehrfurchtsvolle Verbeugung und schlüpfte dann wieder auf den Corridor hinaus. Der Kaiser blieb stehen, bis die Thür sich leise hinter Potemkin geschlossen hatte, und dann erst klopfte er laut an die Pforte des kaiserlichen Cabinets.