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Zweites Buch.
In Russland


I.
Fürst Potemkin

Fürst Potemkin hatte sich so eben erst von seinem Lager erhoben, und begab sich langsamen, schweren Schrittes in sein Cabinet. Zwei Pagen in goldstrotzenden Anzügen flogen vor ihm her, und rissen, tief bis zur Erde sich neigend, vor ihm die Thüren auf, zwei andere Pagen gingen hinter ihm, und trugen die lange Schleppe des sammetnen, mit Gold und Juwelen besetzten Schlafrocks, der langhin wallte hinter der hohen kolossalen Gestalt des Fürsten. Hinter den Pagen folgten vier Kammerdiener des Fürsten, sein Dejeuner und seine türkische Tabakspfeife tragend.

Potemkin betrat sein Cabinet. Schweigend und mit düsterm Gesicht ließ er sich auf die mit den schönsten Cashemir-Shawls bedeckte Ottomane niedergleiten, und nahm aus den Händen der vor ihm knieenden Pagen die Tasse Chocolade entgegen, die sie auf goldenem mit Perlen besetzten Teller ihm darreichten. Dann aber, als dünke ihn diese Arbeit zu schwer, ließ er die Tasse wieder sinken, und sein Haupt rückwärts lehnend an die Kissen, sagte er müde: eingießen!

Sofort erhob sich einer der Pagen, und da der Fürst geruhte, den Mund zu öffnen, näherte er die spitz auslaufende, wie eine pompejanische Lampe gestaltete Tasse, dem Munde des Fürsten, und ließ langsam die Chocolade in den Mund des Fürsten träufeln. Die Pagen und Kammerdiener und die sechs Officiere des Fürsten, welche in seinem Cabinet sein Kommen erwartet hatten, standen, während der Fürst sein Frühstück einsog, in steifer, militärischer Haltung ehrerbietig und schweigsam da, die Blicke mit einem Ausdruck unaussprechlicher Ehrfurcht auf den Fürsten, den allmächtigen Günstling der allmächtigen Czarin, gerichtet.

Potemkin indeß würdigte sie Alle keines Blickes. Nachdem er seine Chocolade geschlürft und dem Pagen erlaubt hatte, ihm mit dem gestickten Nesseltuch den Mund zu trocken, öffnete er abermals seine Lippen. Sofort näherte sich ihm der Kammerdiener, welcher den Dienst der Pfeife zu versehen hatte, mit der türkischen Pfeife, und das goldene, wundervoll verzierte Gefäß auf den türkischen Teppich, der den Fußboden bedeckte, niedersetzend, schob er die Bernsteinspitze des langen Schlauches zwischen die halbgeöffneten Lippen des Fürsten.

Wieder trat eine tiefe Stille ein, wieder blickten die Pagen, Kammerdiener und Officiere in schweigender Ehrfurcht auf Potemkin hin, der jetzt große Rauchwolken aus seiner Pfeife zog, und mit trüben, gelangweilten Blicken ihren bläulichen Wirbeln folgte.

Was ist die Uhr? fragte endlich Potemkin mit schwerer Zunge.

Zwölf Uhr Mittag, beeilte sich einer der Officiere zu sagen.

Viel Leute im Vorsaal? fragte Potemkin.

Sämmtliche Minister, die ganze Generalität, der ganze hohe Adel, und eine ungeheure Zahl von Bittstellern und Supplicanten haben sich heut wie immer zum Lever Seiner Durchlaucht eingefunden.

Wie lange sind sie schon im Vorzimmer?

Seit drei Stunden erwarten sie den glücklichen Augenblick, wo es ihnen vergönnt sein wird, Ew. Durchlaucht zu sehen!

Der Fürst rauchte ruhig weiter, ohne sich durch den Gedanken an die im Vorsaal seit drei Stunden wartende Hofgesellschaft stören zu lassen.

Erst, nachdem seine Pfeife ausgeraucht war, erwachte er aus seinem sinnenden, trüben Schweigen und erhob sich langsam von der Ottomane.

Zwei seiner Kammerdiener eilten herbei, jeder mit fragendem Blick dem Fürsten eine goldgestickte reich verzierte Uniform, deren jede indeß von anderer Farbe, anderm Schnitt und anderer Stickerei war, darreichend, um zu wissen, ob Se. Durchlaucht heute geruhen wollten, die Feldmarschalls-Uniform, die Großkammerherrn-Uniform, oder den goldgestickten, wundervoll mit Pelz verbrämten Rock eines russischen Fürsten anzulegen.

Potemkin stieß sie Beide mit einer stummen Handbewegung fort, und schritt vorwärts. Sein braunes Haar, das lang und dicht war wie die Mähne eines Löwen, hing unordentlich und struppig um sein schönes Antlitz nieder, hier und dort noch die Spuren der Daunenbetten tragend, aus deren weichen Pfühlen Potemkin sich erst erhoben hatte; der vorn geöffnete Schlafrock ließ ziemlich unverholen die nachlässige Unterkleidung sehen, die mit Gold und Perlen gestickten Pantoffeln bedeckten seine Füße, deren nicht ganz saubere Strümpfe schlotternd niederhingen, und einen Theil seiner kräftigen Waden sehen ließen.

In diesem harmlosen und kostbaren Negligé näherte sich der Fürst der Thür des Vorsaals. Sofort öffneten die dienstthuenden Officiere diese Thür, und riefen mit lauter Stimme: Se. Durchlaucht der Fürst!

Dieser Name schien auf einmal wie ein Sonnenblick die vom dreistündigen Warten ermüdeten Gesichter der Hunderte, die da im Vorsaal warteten, zu erhellen, und Generäle und Minister, Greise und Jünglinge, die höchsten Würdenträger, die Fürsten aus altadeligem Geschlecht, und die Herzöge und Fürsten, welche die allmächtige Laune der Czarin vielleicht erst gestern geschaffen, neigten sich gleich demuthsvoll vor der hohen, stolzen Gestalt des Mannes, der allmächtiger noch war, als die Kaiserin, weil er keinem Willen sich beugte, während sie vor Einem Willen doch sich beugte, vor dem Willen Potemkin's!

Potemkin ging schweigend und stolz durch die Reihen seines Hofes dahin, hier und dort mit nachlässigem Kopfneigen irgend einen General, einen einflußreichen Minister grüßend, und stolz an Andern vorüberschreitend, die mit sehnsuchtsvoll flehenden Blicken ihn anschauten und jeder seiner Bewegungen mit gespannter Aufmerksamkeit und der glühenden Hoffnung folgten, endlich doch noch von ihm bemerkt zu werden.

Aber Potemkin schien heute wenig geneigt, irgend Jemand zu bemerken, und auf irgend ein Gespräch sich einzulassen. Er nahm die Huldigung des Hofes wie eine schwere Regierungssorge hin, der er sich unterwerfen müsse, und näherte sich bald wieder der Thür seines Cabinets.

Ist der Juwelier da, den ich herbestellen ließ? fragte er den Officier an der Thür, und als dieser bejahete, sagte Potemkin: soll zu mir kommen, dann der Polizeiminister!

Er trat wieder in sein Cabinet ein, und während er seinen Kammerdienern erlaubte, ihn anzukleiden, trat der Juwelier Artankopf in das Cabinet. Bleich, mit verstörten Mienen blieb der Mann an der Thür stehen, die Anrede des Fürsten erwartend, der eben seine langen Mähnen der nothwendigen Procedur des Kämmens unterziehen ließ, und dabei auf einem Lehnstuhl sitzend wie ein Jongleur kleine goldene Bälle auf und nieder warf.

Gut, Artankopf, daß Du da bist, sagte Potemkin lächelnd. Ich habe eine Bestellung für Dich.

Der Juwelier neigte sich bis zur Erde nieder und murmelte einige unverständliche Worte, auf die Potemkin indeß nicht achtete.

Ich sah da gestern in Deinem Laden einen sehr schönen Tafelaufsatz von Gold mit allerliebsten Statuetten.

Er ist eine bestellte Arbeit, beeilte der Juwelier sich zu sagen.

Ach, bestellt, sagte Potemkin lächelnd, ich kann ihn also nicht kaufen?

Unmöglich, Durchlaucht!

Ich bestelle also bei Dir zwei eben solche Tafelaufsätze, hörst Du, von derselben Arbeit, und besonders von demselben Gewicht. Wie viel Goldwerth hat der Aufsatz?

Sechszigtausend Rubel, Durchlaucht!

Die Augen Potemkin's leuchteten höher auf. Eine hübsche Summe, sagte er. Also, hörst Du, zwei solcher Tafelaufsätze sollst Du für mich arbeiten! Ich bestelle sie bei Dir! Sie müssen in acht Tagen fertig und hier abgeliefert sein.

Und die Bezahlung? wagte der Juwelier zu fragen. Wann wollen Ew. Durchlaucht die Gnade haben zu zahlen?

Ich will Dich gleich in dieser Minute bezahlen, sagte Potemkin lächelnd. Ich ernenne Dich zum ersten Hofjuwelier der Kaiserin, unserer allergnädigsten Herrin.

Der Juwelier schien indeß wenig entzückt über diese große Gunst, sondern blickte den Fürsten mit verzweiflungsvoller Angst an.

Ich beschwöre Ew. Durchlaucht, sagte er mit zitternder Stimme, wollen Sie die Gnade haben, keinen Scherz mit mir zu treiben. Ich bin Familienvater, und wenn ich diese ungeheure und wahrhaft fürstliche Bestellung, welche Ew. Durchlaucht bei mir zu befehlen die Gnade haben, ausführen soll, so muß ich sogleich auf Bezahlung rechnen dürfen, wenn ich nicht ruinirt werden soll.

Du wirst meine Bestellung ausführen, oder Du wirst jedenfalls ruinirt werden, sagte Potemkin lächelnd, indem er seine goldenen Bälle weiter tanzen ließ. Wenn Du sie nicht ausführst, wirst Du in acht Tagen eine Reise nach Sibirien antreten, um einige Jahre zu prüfen, ob die Goldschmiedearbeit oder der Zobelfang eine amüsantere Beschäftigung ist.

Ich werde die Bestellung ausführen, sagte der Juwelier seufzend. Aber wann werden Ew. Durchlaucht die Gnade haben, mich zu bezahlen?

Bezahlen? sagte Potemkin lachend. Zum Teufel, ich habe Dich bezahlt, Du bist Hofjuwelier, das ist eine mehr als genügende Bezahlung! Geh! Und denk' ein wenig an Sibirien! Geh!

Mit einer stolzen Handbewegung entließ Potemkin den Juwelier, der bleich, mit Thränen in den Augen, kaum im Stande sich aufrecht zu halten, hinaus schwankte.

Potemkin blickte ihm lächelnd nach, und seine vorher so matten und schlaffen Züge hatten jetzt einen lebhaften, glänzenden Ausdruck. Einhundertzwanzigtausend Rubel Goldwerth, murmelte er vor sich hin, während er die Feldmarschalls-Uniform anlegte. Ich lasse das Zeug einschmelzen, und in Münzen umprägen. Zahlbare Münze ist immer bester, als goldene Tafelaufsätze!

In diesem Moment öffnete sich wieder die Thür und der Polizeiminister Narischkin trat ein.

Hinaus, Ihr Alle, rief Potemkin laut, und sofort stürzten die Pagen, die Kammerdiener, die Officiere den Thüren zu und verschwanden hinter den schweren goldflimmernden Portièren.

Jetzt, mein Herr Polizeiminister, lassen Sie Ihren Bericht hören, sagte Potemkin, indem er sich vor seinem Toilettenspiegel niederließ, und sich damit beschäftigte, seine blendend weißen Zähne mit einem feinen Leinentuch abzureiben und seine langen Nägel mit der goldenen Scheere zu kürzen.

Der Polizeiminister Narischkin blieb vor dem Fürsten in ehrfurchtsvoller gebeugter Haltung stehen, und begann mit halblauter Stimme seinen Bericht über alles das, was sich seit den letzten zwei Tagen in Petersburg begeben hatte.

Potemkin hörte ihm mit gelangweilten Mienen zu, oft mit seinem lauten Gähnen die Worte des Ministers übertönend, und ganz und gar, wie es schien, mit den Angelegenheiten seiner Toilette beschäftigt.

Sie sind und bleiben ein alter Narr, unterbrach er dann auf einmal den Polizeiminister mitten in seinem Bericht. Erzählen mir da, wie viel Diebstähle, wie viel Banquerotte, und kleine unschuldige Scandale in unserer guten Stadt Petersburg vorgekommen sind. Was gehen mich diese Dinge an, sie sind langweilig, wenn es sich nicht um irgend eine schöne Mordthat, oder einige pikante Scandalosa aus der Hofgesellschaft handelt. Wenn ich Sie herrufen ließ, um mir Bericht zu erstatten, so mußten Sie errathen können, worüber ich Bericht haben will.

Ew. Durchlaucht befehlen also ohne Zweifel, daß ich Bericht erstatte über den Kaiser Joseph, der sich seit zwei Tagen hier in Petersburg befindet?

Sie sind wirklich nicht ganz so dumm, als Sie aussehen, denn Sie haben's errathen! Erzählen Sie mir von dem Kaiser! Was thut er, was treibt er?

Und indem der Fürst so fragte, lehnte er sich in seinen Fauteuil, und starrte mit seinen großen schwarzen Augen den Minister an.

Er setzt das Leben fort, wie er es in Moskau geführt hat, sagte Narischkin achselzuckend. Er scheint wirklich ganz sein Kaiserthum in der Burg zu Wien zurückgelassen zu haben, und als einfacher Graf von Falkenstein hierher gekommen zu sein.

Freilich ist er hierher gekommen als sein eigener Gesandter, rief Potemkin lachend, aber der deutsche Kaiser Joseph hätte sich in der That keinen schlechtern Gesandten wählen können, als den Grafen von Falkenstein. Potemkins eigene Worte. Siehe Kaiser Joseph II. Von keinem Reichsbiographen. Wie arm und elend muß doch dieses Deutschland sein, wenn sein Kaiser nicht mehr Luxus machen kann, als ein einfacher russischer Gutsbesitzer!

Er ist, nachdem er hier in Petersburg angelangt war, zu Fuß, nur begleitet von einem Bedienten, der ihm den Mantelsack trug, durch die Stadt gegangen, und dann, in einem Gasthof einkehrend, hat er sich dort einfach zwei Zimmer geben lassen.

Ja, ich weiß, rief Potemkin, er hat die Passion lieber im Gasthof als in einem Schloß zu wohnen, und diese Passion ist leicht zu erklären. Wenn er als Gast der Kaiserin in einem ihrer Schlösser wohnte, würde es der Anstand erfordern, daß er kaiserliche Geschenke machte und glänzende Douceurs gäbe. Das will er vermeiden, der kleine Graf von Falkenstein. Hat deshalb auch, als ihn unsere erhabene Kaiserin nach Sarskoe-Selo einlud, nur unter der Bedingung angenommen, daß er dort in einem Gasthof logiren kann. Unsere große Czarin hat ihm das versprochen, und weil kein Gasthof da ist, muß der kaiserliche Gärtner jetzt sein Haus zum Gasthof einrichten, und ein Schild vor seiner Thür aushängen. Der Kaiser wird nichts ahnen und glauben im Gasthof zu logiren. So wird Rußlands Kaiserin im Großen wie im Kleinen dem guten Kaiser von Oesterreich Nasen drehen und ihn nach ihrer Pfeife tanzen lassen. Weiter, weiter, Narischkin. Erzähl' mir von dem Grafen Falkenstein. Er hat sich, wie er mir selbst sagte, in diesen Tagen unsere Kunstschätze und Sammlungen angeschaut, und Du hast ihn, wie's einem guten Polizeimann geziemt, überall beobachtet. Nun, war er, ganz geblendet von unserm Glanz?

Der Graf von Falkenstein hat, wie es scheint, viel Selbstbeherrschung, Durchlaucht, und läßt sich nicht blenden. Er sieht Alles mit still beobachtenden Blicken an, und selbst die überraschendsten Huldigungen scheinen ihm durchaus nur natürlich.

Habt Ihr ihm denn so viel überraschende Huldigungen bereitet? fragte Potemkin düster.

Ihre Majestät hat es befohlen, und hat selbst einige sinnreiche Schmeicheleien, mit denen man ihn überraschen sollte, erfunden!

Ja, ja, sie scheint diesem kleinen Kaiser sehr geneigt, murrte Potemkin. Schwärmt mit ihm von großen Plänen, die ich in ihrem Kopf entstehen ließ, und vergißt – Ach, ach, was sind's für Huldigungen, die Ihr dem Grafen von Falkenstein auf Befehl der Kaiserin dargebracht?

Vorgestern, Durchlaucht, besuchte der Kaiser die Akademie der Wissenschaften, man überreichte ihm einen Atlas mit Landkarten, und als er ihn aufschlug, fand er darin unter Anderm eine Karte, auf welcher seine eigene Reise, wie er sie von Wien nach Mohilew, Moskau und Petersburg gemacht, der ganzen Länge nach und mit verschiedenen durch Zeichnungen hervorgehobenen Einzelnheiten dargestellt und gestochen war. Theodor Mundt: »Der Kampf um das schwarze Meer«. S. 141.

Nicht übel, sagte Potemkin mit einem spöttischen Lächeln, doch leider nicht ganz neu, denn in Paris ist dem kleinen Grafen Falkenstein schon Aehnliches geschehen. Weiter, Narischkin!

Von dort begab sich der Kaiser in die Akademie der Künste, und da legte ihm der Präsident eine Mappe mit Kupferstichen vor, unter denen ihm wieder sein eigenes meisterhaft ausgeführtes Portrait entgegenschaute mit der Inschrift: multorum providus urbes et mores hominum inspexit.

Wer hat diese Inschrift angegeben? fragte Potemkin rasch.

Ihro Majestät die Kaiserin selber, erwiderte der Polizeiminister, sich bei dem Namen der Kaiserin tief verneigend.

Das ist in der That eine erhabene Schmeichelei, rief Potemkin, und ich wette, der kleine Kaiser war ganz berauscht davon!

Es scheint, Durchlaucht, daß er eine gute Portion dieser Götterspeise der Schmeichelei vertragen kann, der Kaiser blieb ganz gelassen dabei, und das ruhige, halb spöttische Lächeln, das immer seine Lippen umspielt, verließ ihn auch dabei nicht einen Moment. Mit diesem halben Lächeln betrachtete der Kaiser gestern auch unsere kaiserliche Münze, wo die ungeheure Menge von Silberbarren, die er dort fand, ihn nur zu der Frage veranlaßte: ob immer so viel Silber in der Münze vorhanden sei? Theodor Mundt: »Der Kampf um das schwarze Meer«. S. 143.

Potemkin lachte laut auf. Das ist eine schlaue Frage, sagte er, der kleine Falkenstein beweist damit, daß er uns ein wenig hinter die Coulissen geschaut hat, und ganz wohl begreift, daß wir überall zu seinem Empfang unsern besten Festtagsputz angelegt haben, den wir wieder in die Truhe packen, wenn er fort ist.

Ja, es scheint wirklich, als ob der Kaiser von Oesterreich nicht an den enormen Reichthum Rußlands glaubt, seufzte der Minister, denn obwohl er die ungeheuren Silberbarren in der Münze gesehen hatte, fragte er doch nachher auf der kaiserlichen Bank mit seinem fürchterlichen Lächeln: ob die Bank auch wohl im Stande sein würde, all ihr ausgegebenes Papiergeld gegen baares Geld einzutauschen?

Und man bejahte es ihm?

Man bejahte es ihm natürlich, Durchlaucht.

Das war ein Meisterwerk der Effronterie, rief Potemkin lachend. Aber diese Antwort gefällt mir, und ich werde die Herren Bankdirectoren beim Wort nehmen, und ich werde sie noch heute prüfen. Gehen Sie hin, Narischkin, sagen Sie, man solle mir sofort hunderttausend Rubel senden. Ich bedarf das Geld zu einem Fest, das ich meiner angebeteten Kaiserin geben will. Man solle mir das Geld in einer Stunde senden, aber baar! Gehen Sie, eilen Sie, Narischkin!

Ich eile, Durchlaucht, nur bitte ich um die Gnade, mir die kaiserliche Ordre einzuhändigen, denn Ew. Durchlaucht wissen wohl, die Bank darf keine Gelder auszahlen, ohne einen Befehl der Kaiserin und ohne ihre Unterschrift.

Ach, ich möchte doch sehen, ob diese Herren es wagen werden, meine Handschrift zurückzuweisen, rief Potemkin mit blitzenden Augen. Er sprang auf und zu seinem Schreibtisch tretend, warf er rasch einige Worte auf ein Blatt Papier.

Da steht die Forderung mit meiner Unterschrift, sagte er, dem Minister das Papier darreichend. Trag' es den Herren Bankdirectoren hin, und sag' ihnen, daß ich dieses Geld noch heute haben will. Wenn sie nach der Unterschrift der Kaiserin fragen, so sag', daß ich ihnen dieselbe morgen senden werde, aber das Geld bedarf ich noch heute! Geh!

Narischkin verbeugte sich vor dem Fürsten so tief, wie er es nicht vor dem Großfürsten Paul, dem Sohn und Nachfolger der Kaiserin, gethan haben würde, und verließ dann auf den Spitzen seiner Zehen das Gemach des allmächtigen Günstlings.


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