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Tiefe Stille herrschte in den Gemächern der Kaiserin; die prunkenden goldfunkelnden Säle, in denen sich allabendlich die von Gold, Juwelen und Ordenssternen funkelnde Hofgesellschaft versammelte, waren jetzt noch verödet und leer. Katharina hatte für diesen Vormittag die befohlene große Cour abgesagt, sie hatte Befehl ertheilt, daß Niemand vorgelassen werde, weil sie allein sein wolle, um zu arbeiten.
Aber sie war nicht allein! Sie war in ihrem, neben ihrem Schlafzimmer befindlichen Cabinet, und bei ihr war der Graf Gregor Orloff, der Mörder ihres Gemahls, der Geliebte ihrer früheren Tage.
Die Kaiserin lag halb hingegossen auf dem von purpurrothem Sammet überzogenen Ruhebette, und ihre klugen, blitzenden Augen waren mit einem Ausdruck innigster Herzlichkeit auf Orloff hingerichtet, der ihr gegenüber saß. Katharina war, trotz ihrer fünfzig Jahre, noch immer eine schöne Frau; selbst das Alter schien Respect gehabt zu haben vor dieser hohen Stirn, welche eine Krone trug, und hatte kaum mit der Spitze seines Fingers sie zu berühren gewagt; ihr Auge hatte noch immer das Feuer der Jugend, ihr Mund das reizende coquette Lächeln ihrer früheren Tage bewahrt, und in ihrem Busen glühte noch immer das leidenschaftliche, liebebegehrende, unruhige, bewegliche Herz eines Mädchens von sechszehn Jahren. Dieses Herz war noch immer des glühenden Hasses, der leidenschaftlichsten Liebe fähig, und dieses energische, interessante Antlitz war immer noch im Stande, zu gefallen und Liebe zu erwecken.
Und in dieser Stunde wollte Katharina Orloff gefallen, in dieser Stunde träumte sie sich zurück in die goldenen Sonnentage ihrer Jugendliebe, und mit wehmüthiger Theilnahme suchte sie auf dem harten, alternden Gesicht des Grafen Orloff die verblichene Schönheit, welche sie einst an ihn gefesselt hatte. In dieser Stunde war Katharina nicht die Kaiserin, sondern das Weib, und sie dachte nicht an die Krone, welche einst Gregor Orloff mit blutigen Händen auf ihr Haupt gesetzt, sondern nur an die Myrthen und Rosen, mit denen er sie umkränzt hatte.
Sie hatten sich anfangs von gleichgültigen Dingen unterhalten, dann war die Kaiserin verstummt und in dieses wehmüthige Schweigen versunken, das den Grafen zu ängstigen begann.
Majestät haben mir befohlen, sagte er leise, befohlen, hierher zu kommen und –
Katharina hob ihren schönen, nur halb bedeckten Arm ein wenig von dem Ruhekissen empor, und winkte ihm mit ihrer von Brillanten funkelnden Hand.
Still, Orloff, still, flüsterte sie leise. Nenne mich nicht Majestät, es hört uns ja Niemand! Sag' nicht, daß ich Dir befohlen habe, hierher zu kommen!
Meine gnädige Kaiserin, stammelte Orloff, ich –
Kaiserin! rief Katharina glühend, steh' ich denn vor Dir als Deine Kaiserin, Gregor? Nein, nein, Orloff, ich bin hier nur ein Weib, ein Weib, das Dich einst sehr geliebt hat, und das auch heute noch nicht erröthet, es Dir sagen. Oh, sie sagen wohl von mir, ich sei kein frommes Weib, ich habe mich verblenden lassen von dem Religionsspötter Voltaire, aber sie irren sich, die guten, dummen Menschen, ich bin doch fromm, und ich habe doch eine Religion, über welche ich selbst Voltaire nicht erlaubt haben würde zu spotten, das ist die Religion der Erinnerungen, Gregor! Dieser meiner Religion habe ich in meinem Herzen Tempel gebauet, und Dich betrachte ich als den ersten Hohepriester in demselben! Deshalb auch, Gregor, habe ich Dich herberufen, wir wollen zusammen einen Gottesdienst halten in unserm Tempel!
Graf Orloff murmelte einige unzusammenhängende, verlegene Worte. Diese glühende, wehmuthsvolle Sprache der Kaiserin machte ihn befangen, er verstand sie nicht und vermochte ihr nicht darin zu antworten; er war immer nur der Mann der That, des Handelns und des Kämpfens gewesen, aber die Poesie des Herzens, die Gluth der Phantasie, hatte ihm immer gefehlt.
Orloff verstand also die Sprache Katharinens nicht, aber er verstand ihr Lächeln und ihre Blicke, und er eilte zu ihr hin, und ein Knie vor ihr beugend, küßte er zärtlich ihre dargereichte Hand.
Gregor, sagte die Kaiserin leise und zärtlich, ich habe Dich rufen lassen, weil ich mit Dir zu sprechen habe über die Zukunft Deines Sohnes!
Ew. Majestät sprechen von Basile Bobrinsky? fragte Orloff, noch immer vor Katharinen knieend und lächelnd zu ihr aufblickend.
Ja, von ihm, sagte Katharina, von Deinem Sohn oder, wenn Du lieber willst, von unserm Sohn!
Von unserm Sohn, Katharina! rief der Graf heftig. Eure Majestät bekennen sich zu ihm als seine Mutter, und Sie haben doch seinen Vater aus Ihrem Herzen verstoßen, Sie haben mich aufgeopfert um eines Mannes willen, den ich hasse, nicht weil er mein glücklicher Nebenbuhler ist, sondern weil er die Liebe der großen Katharina nicht verdient, weil er nichts ist als ein Ehrgeiziger, ein Verschwender, ein herzloser Schacherer, der in jeder Stunde bereit ist, nicht blos die Ehre Rußlands, sondern die Liebe seiner Kaiserin zu verkaufen, wenn man ihm nur einen genügenden Kaufpreis dafür zu bieten vermag. Oh, es macht mich rasend, zu denken, daß Gregor Orloff einem Potemkin hat weichen müssen!
Katharina legte lächelnd ihre weiße Hand auf Gregor's Lippen.
Still, sagte sie, schilt ihn mir nicht, mein Freund. Sagte ich Dir nicht, daß ich der Religion der Erinnerungen angehöre, und daß ich heute einen Gottesdienst halten will in ihrem Tempel? Und Dich, Gregor, habe ich herberufen lassen, um diesen Gottesdienst mit mir zu begehen, und ein förmliches und heiliges Opfer niederzulegen auf dem Altar unserer Gottheit. Ich will Friede haben, Gregor, Friede mit meiner Vergangenheit, Friede auch in der Gegenwart und Zukunft! Ich will nicht, daß die beiden Männer, die meinem Thron und meinem Herzen am nächsten sind, in wilder Feindschaft und unversöhnlichem Haß einander so nah sich gegenüber stehen! Die Liebe soll Euren Haß versöhnen und diese Feindschaft enden, und über den Häuptern eines glücklichen Liebespaars sollen sich Orloff und Potemkin, die beiden größten Männer meines Reiches, ihre Hände geben! Ich bitte Dich also, Gregor, und Du siehst wohl, ich spreche nicht zu Dir als Deine Kaiserin, sondern als die Katharina, welche Dich einst sehr geliebt hat, ich bitte Dich, Gregor, sage nicht Nein zu dem, was ich Dir jetzt vorschlagen will! Gieb Deine Einwilligung, daß unser Sohn Basile Bobrinsky die Gräfin Alexandra, Potemkins Nichte, heirathe!
Niemals, rief Orloff mit donnernder Stimme, indem er grimmig aufsprang, wie ein verwundeter Stier. Niemals, sage ich, werde ich einwilligen, daß mein Bastard die Dirne eines so verächtlichen Thoren als Potemkin heirathe! Orloffs eigene Worte. Siehe: Raumer, Beiträge etc. Th. V. S. 402.
Katharina richtete sich von ihrem Ruhelager empor, aber nicht im Zorn, sondern ruhig und sanft, und fast mit der Unterwürfigkeit eines liebenden Weibes.
Du willst mir diesen meinen Lieblingswunsch nicht gewähren, Gregor? fragte sie wehmüthig.
Ich kann nicht, Katharina, ich kann nicht, rief der Graf wild. All mein Blut empört sich schon bei dem Gedanken, daß mein Sohn der Verwandte Potemkins werden könnte. Nein, nein, kein Band der Liebe soll jemals meine Hand fesseln, daß sie, wenn sie es vermag, nicht wie ein Beil niederfällt auf den Nacken Potemkins und ihm das Haupt von seinem Rumpf trennt!
Katharina legte zum zweiten Mal ihre Hand auf Orloffs Mund. Still, Du wilder Riesengeist, sagte sie lächelnd, mußt Du nicht immer, wie Jupiter, Blitze schleudern und Titanen stürzen? Aber Du weißt wohl, daß Du mir so gefällst, und daß ich Dich am meisten liebte, wenn ich vor Dir zitterte. Ein Weib ist nur dann ganz glücklich, wenn sie sich in schaudernder Ehrfurcht beugt vor einem wahren Mann. Aber welch' ein Triumph alsdann, diesen Mann wieder in Liebe vor ihr sich beugen und ihn gehorsam zu sehen. Gönne mir heute diesen Triumph, Gregor! Ich will Dir meinen Lieblingswunsch opfern, und Bobrinsky soll nicht Potemkins Nichte Alexandra heirathen.
Seine Nichte, rief Orloff, sag' lieber seine Geliebte!
So ist es nicht, so falsch und treulos kann Potemkin nicht sein, rief Katharina heftig.
Sie ist es, Alexandra ist Potemkins Geliebte, der ganze Hof kennt und sieht diesen Scandal!
Wenn es so ist, und ich werde strenge untersuchen, wenn es so ist, so soll Potemkin meine Rache und meinen Zorn empfinden, und nichts vermag ihn alsdann noch vor dem Verderben zu schützen! rief Katharina mit flammenden Augen. Aber ich sage Dir, es ist nicht so, und wie sehr Potemkin auch fehlen mag, diesen Vorwurf verdient er nicht.
Ew. Majestät gestehen also doch ein, daß er Fehler hat, der große Potemkin? fragte Orloff mit einem wilden Lachen.
Ich gestehe es ein, sagte Katharina sanft, und gerade um Potemkins Fehler willen habe ich Dich herberufen!
Mich?
Dich, Gregor Orloff, den Treuesten der Treuen! Gregor, Du hast mir in Deinem Leben große Dienste erzeigt, und mich zu ewigem Dank verpflichtet, Dir verdanke ich meine Krone und Du bist einer der leuchtendsten Edelsteine in derselben. Aber dennoch erwarte ich jetzt noch einen Dienst von Dir, der fast noch größer ist als Alles, was Du bisher für mich gethan, und ich will Dich um etwas bitten, was für meine Ruhe von größerer Wichtigkeit ist, als Alles, was ich jemals von Dir verlangt habe!
Sprich, meine Kaiserin, sprich, und wenn es in meiner Macht steht, werde ich Deinen Befehl erfüllen, sagte Orloff, tief ergriffen von dem zugleich hoheitsvollen und feierlichen Wesen Katharinas.
Sie legte sanft ihre Hand auf Orloffs's Schulter und blickte bittend zu ihm auf. Werde ein Freund Potemkins, sagte sie mit ihrem süßesten Ton. Wirke durch Dein Beispiel auf diesen außerordentlichen Mann, daß er vorsichtiger sei in seinem Benehmen, aufmerksamer auf die Pflichten der größten Aemter, die er bekleidet, sorgsamer, sich Freunde zu erwerben, und nicht, zum Lohn für alle meine Achtung und Freundschaft, mein Leben in eine ununterbrochene Scene des Elends zu verwandeln. Um Gotteswillen, Orloff, suche Potemkins Bekanntschaft, vermehre meine Verpflichtung gegen Dich, indem Du jetzt noch einmal mein persönliches Glück sicherst und mich bewahrst vor den Stürmen, die täglich und stündlich mein armes Haupt umbrausen! Der Kaiserin eigene Worte. Willst Du das thun, Gregor, willst Du mich retten?
Sie lehnte ihr stolzes Haupt auf seine Schulter und schaute zärtlich flehend zu ihm auf.
Sie wissen es, Majestät, daß ich Ihr Sclave bin, rief Orloff glühend. Mein Leben steht in Ihrer Hand. Wenn Potemkin den Frieden Ihres Gemüthes stört, befehlen Sie, und er soll unverzüglich verschwinden, Sie sollen nie mehr von ihm hören! Aber, Madame, bei meinem Character und meinem Ruf, mich mit Hofränken einzulassen, die Freundschaft eines Menschen zu suchen, den ich als Mann verachten und zugleich als den Größten im Staat betrachten muß, verzeihen Ew. Majestät, wenn ich diesen Auftrag ablehne!
Gregor, Du willst also meinen Wunsch nicht erfüllen? rief Katharina, in Thränen ausbrechend. Grausamer Mann, so gehe denn, und laß mich allein mit meinen Schmerzen!
Ew. Majestät wollen es, ich gehe also, sagte Orloff, indem er sich tief verneigte und das Zimmer durchschritt.
Katharina stieß einen tiefen Seufzer aus und sank wie zerbrochen auf einen Fauteuil nieder.
Dieser Seufzer indeß schien beredter als alle Worte Orloff zurückzurufen. Schon an der Thür angelangt, wandte er sich um und kehrte zur Kaiserin zurück.
Weinen Sie um Potemkin, Madame? fragte er. Sie wissen ohne Zweifel, daß er keine wahre Anhänglichkeit an Sie hat, und überall nur sein eigenes Interesse zu Rathe zieht, daß er nur für die List ein überlegenes Talent besitzt, daß er sich bestrebt, Ew. Majestät allmälig von den Geschäften abzulenken und in einen Zustand trunkener Sicherheit einzulullen, um sich selbst mit der höchsten Gewalt zu bekleiden.
Orloff, schone mich, höre auf! bat Katharina, die Hände flehend zu dem Grafen erhebend.
Aber Orloff, ungerührt von ihren Thränen, fuhr lauter und heftiger fort: Potemkin hat Ihrer Flotte wesentlich geschadet, Ihr Heer zu Grunde gerichtet, und, was noch schlimmer ist, Ihren Ruf in den Augen der Welt erniedrigt und die Liebe Ihrer getreuen Unterthanen von Ihnen abgewandt. Wollen Sie sich eines so gefährlichen Mannes entledigen, so steht Ihnen mein Leben zu Diensten; ziehen Sie aber vor, zu zögern, mit ihm zu temporisiren, so kann ich bei der Ausführung von Maßregeln nicht nützlich sein, wo Schmeichelei, Heuchelei und Doppelzüngigkeit die nothwendigsten Eigenschaften sind.
Ich glaube Dir, oh leider, ich glaube Dir, rief die Kaiserin schmerzlich weinend. Potemkin verdient alle die Vorwürfe, die Du ihm machst, mein Verstand sieht es ein, aber mein Herz ist dennoch zu schwach, um ihn so zu strafen, wie er es verdient. Oh, die goldenen Tage meiner Energie sind von mir gewichen, Gregor, das Alter hat an meinem Character gerüttelt, und einsehend, was ich thun müßte, habe ich doch nicht die Kraft, es thun zu wollen.
Ein Wort von Ew. Majestät, ein Wink Ihres Auges, ich wiederhole es Ihnen, und Potemkin ist verschwunden, und Sie sollen nie wieder von ihm hören, und Rußland ist befreit von diesem Vampyr, der ihm seine Ehre, seine Schätze und seine Kraft aussaugt.
Nein, nein, Gregor, keine Gewaltmaßregeln! rief die Kaiserin angstvoll. Ich danke Dir für Deinen Vorschlag, Gregor, ich werde es Dir nie vergessen, daß Du freudig abermals bereit warst, für mich Dein Leben zu wagen, um mich von dem Feind zu befreien, der meine Ruhe bedroht, und mein Leben vergiftet. Aber ich kann Dir diesen Feind noch nicht opfern, mein Herz hat nicht den Muth zu sagen: »tödte den Riesen, der mit seinem Schatten meinen Thron verdunkelt.« Oh, mir scheint, ganz Rußland würde erbeben von dem Fall dieses Riesen, und wie von einem Erdbeben müßte dies Schloß hier über mir zusammenstürzen. Du siehst, Gregor, ich bin ein armes, schwaches Weib, ich habe selbst nicht mehr den Muth zu strafen!
Ich sehe, daß Ew. Majestät den Verderber meines Vaterlandes höher stellen als das Vaterland, sagte Orloff düster. Um Potemkin zu erhalten, opfern Sie ihm Rußland! Und da es so ist, Majestät, habe ich hier nichts mehr zu sagen und zu thun. Um Gerechtigkeit zu üben, hätte ich für Sie selbst das Amt eines Henkers übernommen, und mit dem Beil das Haupt des Schuldigen getroffen, aber die Schleichwege der Lüge und Intrigue, der unsichtbaren Bosheit, und lichtscheuen Feigheit, die mit Nadelstichen tödtet, diese Schleichwege sind nicht für mich! Die gleißnerischen Eidechsen, Eure Höflinge, mögen behende darauf hinglitschen, aber der Stier Orloff hat keinen Platz darauf. Leben Sie wohl, Katharina, und lassen Sie mich zurückkehren nach Gatschina, denn hier bin ich nichts nütze! Leben Sie wohl!
Er näherte sich der Kaiserin, und ihre Hand nehmend drückte er einen glühenden Kuß auf dieselbe, dann wandte er sich um, und das Gemach durchschreitend öffnete er die Thür, die in die lange Reihe der Empfangssäle führte. Langsam durchschritt er diese Gemächer, das Haupt gebeugt, sorgenvoll und traurig, – und sorgenvoll und traurig, mit unverwandten Blicken schaute die Kaiserin dieser hohen, stolzen Gestalt nach, auf die sie sich hatte lehnen wollen in ihren Aengsten, und die sie jetzt auch verließ. Eine unaussprechliche Angst überkam sie, ein Gefühl grenzenlosen Alleinseins, rettungslosen Verderbens.
Orloff, Orloff, rief sie laut, und mit beflügelten Schritten eilte sie vorwärts, flog sie durch die Zimmer ihm nach, welcher ihr Retter sein sollte aus der Gefahr.
Orloff, eben schon im Begriff, durch die Thür, welche zu einem der Seitencorridore führte, hinauszugehen, blieb stehen, und die Hand an die Portière gelehnt, wandte er sich um, und schaute der Kaiserin entgegen, welche eben mit hochgerötheten Wangen, mit fliegendem Athem, ihr Antlitz zuckend vor Bewegung, zu ihm eilte.
Orloff, sagte sie mit heiserer, leiser Stimme, verlasse heute noch nicht Petersburg, bleib noch drei Tage, und harre meiner Botschaft. Vielleicht gelingt es meinem Verstand doch noch, mein Herz zu bezwingen, vielleicht überwinde ich doch noch meine weibische Furcht, und finde den Muth ein Mann zu sein, und als Mann zu strafen! Vielleicht lasse ich Dich dann rufen, Gregor, und nehme den Dienst an, den Du mir vorgeschlagen! Bleibe also und warte, ich bedarf Deines Rathes und Beistandes, warte noch drei Tage!
Gut denn, ich warte, sagte Orloff sich leicht verneigend, drei Tage halte ich mein Schwert noch in Händen, und warte auf Ew. Majestät Wink, um es niederfallen zu lassen. Drei Tage! Alsdann aber verlasse ich Petersburg und kehre nicht wieder! Drei Tage also!
Er verbeugte sich leicht, trat durch die geöffnete Thür des Vorzimmers, und die Portière rauschte hinter ihm nieder. Dieses ganze Gespräch zwischen der Kaiserin und Orloff ist keine Erfindung, sondern der Wahrheit gemäß, und befindet sich wörtlich in den Gesandtschaftsberichten, die Friedrich von Raumer mittheilt in den »Beiträgen zur neuern Geschichte«. Bd. V. S. 394.
Drei Tage also! murmelte die Kaiserin leise vor sich hin, indem sie langsamen Schrittes die schweigenden Säle durchwandelte und wieder in ihr Cabinet zurückkehrte.
Traurig und mit gesenktem Haupte trat sie in dies Cabinet ein, und schritt vorwärts, gedankenvoll vor sich hinmurmelnd: Drei Tage also wird er warten, ob ich –
Auf einmal stieß sie einen gellenden Schrei aus, und rückwärts taumelnd, starrte sie mit weit aufgerissenen Augen, mit bebenden Lippen, erschauernd wie vor einer Gespenstererscheinung, nach dem Divan hin, zu dem sie eben hatte hinschreiten wollen, um sich zu ruhen nach so vielen Aufregungen.
Auf diesem Divan saß – Potemkin!