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Belsazer

Belsazer, König von Babylon,
Saß vor den Gästen auf goldenem Thron'.

Wohl tausend der Ersten und Größten im Reich'
Von ihm geladen zum Mahle zugleich.

Des Königs Weiber kredenzten den Wein,
Chaldäas blühende Töchterlein;

Und es wogte die Freude und glühte die Lust
Bis zum Übermut' in des Königs Brust,
Und trunken rief er die Worte:

»Heil unsern Göttern! – der Juden Gott
Ist ihnen worden ein Hohn und Spott!

Seine Stadt ist Asche, – zerfallen sein Thron,
Sein Volk geknechtet in Babylon!

Wo sind die Schalen, von Golde schwer,
Aus seinem Tempel? – Die besten her!

Reicht sie den Weibern! – es ziemt sich gut,
Daraus zu trinken der Rebe Blut
Auf das Wohl der chaldäischen Götter!«

Und sie bringen die Schalen, dereinst geweiht
Dem Herrn zum Dienste zu Salomons Zeit!

Wild schäumte darüber der funkelnde Wein,
Hei, wie sie schwelgten, die zechenden Reih'n!

Nun trink', Belsazer! – der Juden Gott
Ward deinen Göttern ein Hohn und Spott!

Und der Frauen eine, – die schönste im Saal',
Reicht hin dem König' die goldene Schal',
Auf daß er den Göttern sie leere.

Schon will er sie fassen, – da fährt er zurück,
Es schlottern die Knie, – es stiert sein Blick;

Es wird sein Antlitz so fahl und bleich,
Das ist die Farbe vom Totenreich'.

Und sieh, – genüber auf weißer Wand,
Was ist's? was ist's? – eine Geisterhand!

Sie schreibt mit Feuer. – es glüht und brennt!
Ist keiner hier, der die Worte kennt?
Mene mene thekel unpharsin!

Die kennet keiner im ganzen Reich'
Von allen Priestern und Weisen zugleich.

Doch gibt es einen, – den Daniel!
»Wo ist der Jude? – schafft ihn zur Stell!«

Der König ruft's, – und er wird gebracht,
Zu deuten die Schrift ihm in selbiger Nacht. –

Die Nacht ist hin. – verlassen das Mahl, –
Am stillen Morgen im öden Saal'
Liegt der König Belsazer erschlagen.


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