Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Das Schiff hatte in kurzer Zeit die See wiedergewonnen, und die Küste verschwand nach und nach den Augen. Der Kiel war gegen Osten, nach Indien gerichtet, da der Kapitän ja wußte, daß seine neuen Passagiere nach Kalkutta wollten. Es wurde wenig gesprochen, denn ein jeder hatte mit seinen eigenen Gedanken zu tun.
Im Laufe des Nachmittags begegnete man einem englischen Kauffahrer, der aus Ceylon kam und nach Aden wollte. Er nahm den Dolmetscher, der nun nicht mehr gebraucht wurde, mit an Bord, nachdem derselbe von dem Grafen sehr reichlich beschenkt und für etwaigen Verlust also entschädigt worden war.
Da in jenen Breiten die Hitze eine fast unausstehlich drückende ist, so wurde der Tag entweder verschlafen oder verträumt, denn die Führung des Schiffes erforderte bei dem günstigen Wind keinerlei besondere Arbeit. Als aber der Abend nach der kurzen Dämmerung hereingebrochen war, versammelten sich auf dem Hinterdeck die Passagiere um den Kapitän, um sich mit ihm über das weitere zu besprechen.
Er war natürlich begierig, etwas über die Schicksale der Leute zu vernehmen, zu deren Rettung er so viel beigetragen hatte. Er war ein biederer, gutherziger Deutscher, der gern einem anderen seine Hilfe angedeihen ließ, zumal jetzt, wo das prächtige Geschäft, das er in Seila gemacht, seine gute Stimmung und auch die Bereitwilligkeit erhöht hatte, zum Wohl seiner Nebenmenschen das möglichste beizutragen. Er ahnte, daß hier ganz außerordentliche Verhältnisse vorliegen müßten, und lenkte infolgedessen die Unterhaltung, die zuerst ganz gewöhnliche Dinge zum Gegenstand hatte, auf Näherliegendes.
Der Graf seinerseits, der sehr wohl erkannte, daß er dem Kapitän seine Rettung zu verdanken habe, den er als einen ebenso tatkräftigen, wie aufopferungswilligen Mann kennengelernt hatte, und der sich ferner sagte, daß ihm die weitere Mithilfe des Kapitäns von sehr großem Nutzen sein könne, beschloß aufrichtig gegen ihn zu sein und ihn zum Mitwisser seiner Schicksale zu machen. Aus diesem Grund antwortete er auf die unverblümte Anfrage des Seemanns:
»Sie haben bewiesen, daß ich Sie als Freund betrachten darf; denn ich bin nicht in der Lage, Ihre Bereitwilligkeit, uns Hilfe zu leisten, zurückzuweisen, und muß Ihnen einige Geheimnisse aus meiner Familie mitteilen, damit Sie selbst beurteilen können, wie es Ihnen möglich ist, uns auch fernerhin nützlich zu sein.«
Jetzt sah sich der Kapitän in das richtige Fahrwasser gebracht. Er stieß ein höchst zufriedenes Brummen aus, streckte die Beine behaglich von sich, schob ein neues Stück Kautabak in den Mund und sagte:
»Señor, ich gebe Ihnen mein Wort, daß Sie sich auf mich verlassen können. Was Sie mir erzählten werden, soll kein Mensch weiter erfahren, wenigstens ohne Ihre Erlaubnis nicht, und was ich als ein einfacher Mann für Sie tun kann, das soll ganz sicher geschehen. Der gute Wille dazu ist vollständig vorhanden.« – »Nun wohl, mein lieber Señor Wagner! So sagen Sie mir zunächst, ob Sie vielleicht ein Schiff kennen, das den Namen La Pendola führt?«
Der Kapitän sann einen Augenblick nach und erwiderte:
»La Pendola? Ein spanisches Schiff? Ja. Ich habe es im Hafen von Portsmouth gesehen und bin ihm auch auf hoher See begegnet. Ich war damals noch zweiter Steuermann. Die Pendola war als einer der besten Segler bekannt.« – »Kannten Sie auch den Kapitän dieses Schiffes?« – »Einen gewissen Landola? Ja. Oh, die Seeleute kennen einander alle. Er sollte ein Spanier sein, schien mir aber mehr das Aussehen eines Yankees zu haben.« – »Wie hat Ihnen der Mann gefallen?« – »Hm! Ich habe ihn in Portsmouth in einer Hafentaberne gesehen. Mir hat er keineswegs gefallen. Der Mann hat etwas Abstoßendes an sich. Wir Wasserratten kümmern uns zwar nicht viel um das Gesicht anderer Leute, aber die Augen dieses Mannes sind mir doch aufgefallen, zu seinem Vorteil jedoch nicht.« – »Nun, dann frage ich Sie ferner, ob Sie nicht vielleicht ein anderes Schiff kennen, das Le Lion, ›Der Löwe‹ genannt wurde?« – »Le Lion? Donnerwetter! Meinen Sie vielleicht den berüchtigten Seeräuber?« – »Ja. Kapitän Grandeprise, nicht wahr?« – »Allerdings. Und da fragen Sie, ob ich den nicht kenne? Den kenne ich ebensogut wie jeden anderen Seemann, und vielleicht noch ein wenig besser.«
Im Schein der Schiffslaterne zeigte es sich, daß Wagners Brauen sich finster zusammenzogen und seine Augen zornig leuchteten. Erst nach einer Weile fuhr er fort
»Warum fragen Sie mich nach diesem Halunken?« – »Weil er in meiner Erzählung, überhaupt in meinem Leben, eine große Rolle spielt« – »In dem meinigen auch, Señor. Zwar war diese Rolle nicht sehr groß, denn ich bin gar bald wieder von ihm fortgekommen, aber ...« – »Fortgekommen?« unterbrach der Graf den Kapitän schnell. »Sind Sie denn bei ihm gewesen?« – »Ja, freilich!« – »Als Seeräuber?« – »Ja«, nickte der Kapitän. »Als was anderes denn?«
Damit erhob er sich, um seinen Kautabak grimmig über Bord zu spucken, und fuhr fort
»Das wundert Sie? Nicht wahr, nun ist Ihr ganzes Vertrauen zu mir weg? Nun können Sie mich nicht mehr für einen ehrlichen Menschen halten?« – »Pah! Ich kenne einen, der ebenso wie Sie bei Kapitän Grandeprise in Diensten stand und doch ein sehr ehrlicher Mann ist« – »Ah, den möchte ich sehen!« – »Hier sitzt er.«
Bei diesen Worten zeigte der Graf auf den Gärtner, der bei ihnen saß. Der Kapitän blickte diesen betroffen an.
»Sie? Sie sind auf dem Lion gewesen?« fragte er. – »Ja«, antwortete der Gärtner. – »Freiwillig?« – »Gott und die heilige Jungfrau sollen mich bewahren! Ich wurde gepreßt.« – »Gerade wie ich! Aber wie entkamen Sie?« – »Auf eine sehr schlimme Weise. Ich gehorchte nicht und wurde deshalb als Sklave verkauft. So kam ich nach Harrar, von wo ich mit dem Herrn Grafen entflohen bin.« – »Alle Teufel, so sind Sie also doch ein braver Kerl! Na, mit mir war es ganz dasselbe. Auch ich wurde gepreßt und ließ mich nicht dazu bringen, an den Schandtaten dieser Kerle teilzunehmen.« – »Und wie entkamen Sie?« – »Hm! Eigentümlich! Auf eine Art, die ein Beweis dafür war, daß es selbst unter Piraten noch Leute gibt die ein gutes Herz besitzen. Kennen Sie Barcelona?« – »Ei natürlich«, antwortete der Graf. »Rodriganda, mein Stammschloß, liegt ja ganz in der Nähe.« – »Nun gut. Dort war ich also mit einer Stralsunder Barke vor Anker gegangen, das Schiff gehörte dem alten Walter Sömbaum, und sollte Öl und Südfrüchte laden. Kam es glücklich nach Hause, so wollte mir der Alte seine Tochter geben. Wir hatten uns lieb, und ich freute mich bereits wie ein Junge auf die Hochzeit. Aber da in diesem unglücklichen Nest – ah, ich entsinne mich, daß da auch die Pendola lag, Kapitän Landola, und neben ihr eine französische Brigg, ein nettes, schmuckes Ding, das ich mir gern einmal genauer angesehen hätte. Ich bat den Alten, an Land gehen zu dürfen, und erhielt die Erlaubnis dazu. In einer Kneipe traf ich einige Leute von der Brigg, machte mich mit ihnen bekannt, und sie erlaubten mir, ihr Schiff anzusehen und nahmen mich mit. Aber kaum war ich an Bord, so wurde ich in den Kielraum geführt und dort mit Tauen angefesselt. Des Nachts ging die Brigg in See, und am anderen Tag erfuhr ich, daß sie ein Seeräuber sei, erst kürzlich von Grandeprise gekapert worden wäre und unter dem Kommando seines ersten Steuermannes stände. Den Kapitän selbst habe ich niemals gesehen, denn er hatte, wie ich hörte, mit seinem Hauptschiff in Westindien zu tun.« – »Und wohin gingen Sie?« fragte der Graf. – »Erst nach dem mittelländischen Meer und dann, da hier nichts zu machen war, nach Südamerika. Wir umschifften Kap Hoorn, ohne eine Prise machen zu können, und fuhren an Amerika hinauf, bis es mir an der Küste von Peru gelang, mit Hilfe eines braven Kerls, der Erbarmen mit mir hatte, während einer stockdunklen Nacht das kleine Boot in See zu lassen und nach der Küste zu entkommen. Er selbst wollte nicht mit, dennoch werde ich ihn nie vergessen. Er hieß Garbilot.« – »Garbilot? Jacques Garbilot?« fragte da Emma rasch. – »Ja«, antwortete der Kapitän erstaunt. »Kennen Sie ihn etwa?« – »Allerdings.« – »Das ist ja ganz unmöglich, denn es sind viele Jahre – ach, ich Dummkopf! Er kann ja noch leben! Wo haben Sie ihn denn kennengelernt, Señorita?«
Die Mexikanerin antwortete:
»Ich meinte nicht, daß ich ihn persönlich kennengelernt habe. Es wurde mir nur von ihm erzählt. Er lebt nicht mehr. Er ist im Gefängnis zu Barcelona gestorben, und ein Freund von mir, namens Sternau, hat seine Beichte gehört.« Und sich zu dem Grafen wendend, fuhr sie fort: »Dieser Jacques Garbilot ist nämlich der Seemann, der dem Doktor Sternau erzählte, daß er mit dem Seeräuber im Hafen von Verakruz gewesen sei. Dadurch kam Sternau zuerst auf die Vermutung, daß Sie noch leben möchten und an irgendeinen sicheren und geheimen Ort gebracht worden seien.« – »Gottes Wege sind wunderbar«, entgegnete der Graf. »Er zieht seine geheimnisvollen Fäden so, daß man erstaunt, wenn man sie bemerkt. Aber erzählen Sie, wie es Ihnen weiter erging, Kapitän!« – »Wie es mir erging?« fragte dieser mit finsterer Miene. »Schlecht genug! Ich fand kein Schiff, das mich aufnehmen wollte. Ich mußte hungern und warten, bis sich endlich nach drei viertel Jahren ein Holländer meiner erbarmte. So kam ich nach Amsterdam und von da nach Hause. Inzwischen waren zwei Jahre vergangen. Der alte Walter Sömbaum hatte mich für einen Ausreißer gehalten und seine Tochter beredet, einen anderen zu nehmen. Als ich ihr erzählte, wie es mir ergangen war, weinte sie sich fast die Augen aus. Das schlimmste aber ist, daß ich mir dann, freilich erst nach längeren Jahren, eine Niete gezogen habe, eine ganz gewaltige Niete. Und wer ist daran schuld? Der Grandeprise! Alles wollte ich ihm vergeben, aber daß ich die Anna Sömbaum nicht bekommen und an ihrer Stelle einen Schnabeldrachen geheiratet habe, das vergesse ich ihm nie. Hätte ich ihn nur einmal so recht hübsch zwischen meinen Fäusten! Ich wollte ihn kalfatern, daß ihm die Seele aus dem Leib führe wie die Nudeln aus der Kartoffelquetsche!«
Seine Worte klangen komisch, aber sein Zorn war nichtsdestoweniger ein durchaus ernsthafter. Man sah es ihm an, daß er ein tüchtiges Maß von Rachegefühl in seinem Herzen barg. Darum fragte ihn der Graf.
»Wann haben Sie den Kapitän Landola in Portsmouth gesehen? Bevor oder nachdem Sie zum Piraten gepreßt worden waren?« – »Eine Zeit nach meiner Rückkehr. Es war auf meiner ersten Wiederfahrt.« – »Wie schade, wie jammerschade, daß Sie ihn nicht vorher gesehen hatten!« – »Weshalb?« – »Nun, weil Landola und Grandeprise eine und dieselbe Person sind.«
Der Kapitän sprang erstaunt auf und rief:
»Unmöglich!« – »Nicht unmöglich, sondern wirklich!« – »Ah, da geht mir ein gewaltiges Licht auf! Aber da schlage doch sogleich das Wetter drein! Da hätte ich ihn ja packen können! Na, zum zweiten Male soll mir es nicht passieren, daß ich ihn entkommen lasse!« – »Als Piraten werden Sie ihn wohl nicht fangen können. Seit jener Zeit sind lange Jahre vergangen, und die Gegenwart ist diesem gefährlichen Handwerk nicht mehr günstig. Vielleicht hat er sein letztes Stück und zugleich sein Meisterstück an unseren Freunden gespielt, die er auf die Insel aussetzte.« – »Auf welche Insel?« fragte der Kapitän erstaunt. – »Das ist es ja eben, was ich Ihnen erzählen muß, Señor Wagner. Hören Sie also!«
Der Graf berichtete nunmehr dem deutschen Seemann alles, was er für nötig hielt. Kapitän Wagner hörte schweigend zu, ohne ihn zu unterbrechen. Nur das öftere, wechselseitige Überschlagen seiner Beine und sein häufiges, zorniges Ausspucken des Kautabaks verrieten, welchen Eindruck das Gehörte auf ihn machte. Aber als der Graf geendet hatte, stand er auf, schritt zur Beruhigung seines Inneren ein paarmal quer über das Verdeck und sagte endlich:
»Unerhört! Abscheulich! Entsetzlich! Und das alles ist wahr, ist wirklich wahr?« – »Alles«, antwortete Don Ferdinando einfach. – »So soll ihn der Teufel holen! Nein, nicht nur einer, sondern tausend Teufel sollen ihn holen! Was ist da das, was er mir getan hat, dagegen! Was ist da meine Anne Sömbaum dagegen! Schreit da nicht Ihr ganzes Herz nach Rache?« – »Das versteht sich! Sicherlich werden wir uns rächen, wenn er noch lebt.« – »Noch lebt? Solche Halunken sterben schwer, Don Ferdinando. Ich möchte wetten, daß er noch nicht in der Hölle brät. Aber sagen Sie mir um Gottes willen, wie es Ihnen gewesen ist, als Sie scheintot dalagen!« – »Fürchterlich, ich darf kaum daran denken!« – »Ich glaube es Ihnen. Sie hörten alles?« – »Jedes Wort.« – »Und sahen auch alles?« – »Alles. Man hatte vergessen, mir das eine Auge zuzudrücken. Ich vermochte die wahre Trauer von der falschen wohl zu unterscheiden. Dieser Schurke Alfonzo, der sich jetzt für den echten Grafen von Rodriganda ausgibt, konnte seine teuflische Freude nicht verbergen, mich auf dem Paradebett liegen zu sehen. Es gab nur eine einzige Seele, die mich herzhaft beweinte: das war die gute Marie Hermoyes.« – »Und wir? Ich und mein Vater, Don Ferdinando?« fragte Emma vorwurfsvoll. – »Ich spreche ja nur von Personen, die anwesend waren«, antwortete der Graf. »Ihr befandet euch damals auf eurer Hazienda. Ich hatte mein Testament gemacht und mußte zusehen, daß es dieser Cortejo entwendete. Dann wurde ich unter großem Gepränge begraben, nachdem der Arzt konstatiert hatte, daß ich wirklich tot sei. Oh, ich will selbst meinem ärgsten Feind nicht wünschen, das zu leiden, was ich in jenen Augenblicken gelitten und gefühlt habe, nur diesem Cortejo und diesem Landola möchte ich ein Gleiches gönnen.« – »Es muß wirklich entsetzlich gewesen sein«, rief Emma, indem sie sich vor Grauen schüttelte. – »So entsetzlich, daß es nicht zu beschreiben ist«, antwortete der Graf. »Alles sehen, alles hören und doch kein Glied rühren, kein Lebenszeichen geben können! Ich fühlte, daß meine Pulse stockten und mein Atem versagte. Das Blut lag mir wie kaltes Blei in den Adern, und der Luftstrom kroch langsam und eisig wie ein Salamander aus meiner Brust. Das Leben zog sich bis in das Herz zurück, und doch waren alle meine Nerven in angestrengtester Tätigkeit Ich hätte meine Seligkeit für einen einzigen Laut für die Bewegung eines einzigen Fingers bieten mögen und lag doch da, ohne Rettung und ohne Hoffnung, das Opfer eines fürchterlichen Betruges, einer teuflisch raffinierten Gaunerbande!«
Don Ferdinando schüttelte sich. Es war, als ob das damalige Todesgrauen sich selbst in der Erinnerung noch seiner bemächtigen wolle. Doch über ihm glänzten die Sterne des Südens, und unter ihm plätscherten die hellschaumigen Wogen der klaren, durchsichtigen See. Die Kühle des Abends umkoste seine Wangen, und teilnahmsvoll blickten alle auf ihn, und er fühlte die warme Hand Emmas auf seiner Schulter, die von einer Bewegung ihres Herzens nach dieser Stelle getrieben wurde.
»Und dann im Grab?« fragte der Kapitän. – »Fragen Sie Dante, den Dichter der Hölle, er wird Ihnen nicht sagen können, was ich fühlte. Es reicht ja keine Sprache und keine Zunge hin, dies zu beschreiben. Man grub mich aus und transportierte mich auf ein Schiff. Man stellte den Korb aufrecht in die Koje und erwartete mein Erwachen. Es kam langsam. Erst vermochte ich die Zunge zu bewegen, doch ohne sprechen zu können. Von diesem Augenblick an verging fast ein Tag, ehe ich des Gebrauches meiner Glieder mächtig wurde. Inzwischen hatte man mich in den Raum geschafft Landola sagte mir aufrichtig, daß ich nur leben solle, um nötigenfalls als Zwangsmittel zu dienen. So wurde ich in Berbera verkauft und nach Harrar gebracht wo ich erst nach so langen Jahren Rettung fand.«
Don Ferdinando schwieg. Er hatte alles erzählt was nötig war, auch das, was er während seiner Flucht nach der Küste von Emma über die Schicksale der jetzigen Bewohner der Insel gehört hatte. Der Kapitän war der erste, der das Wort ergriff.
»Was gedenken Sie nun zu tun, Don Ferdinando?« fragte er. – »Daß wir nach Kalkutta wollen, wissen Sie ...« – »Um ein Schiff zu mieten?« fiel Wagner ein. – »Oder zu kaufen«, antwortete der Graf. – »Alle Wetter, das kostet Geld!« – »Ich bin damit versehen.« – »War der Schatz des Sultans denn so groß?« – »Er reicht zu«, lächelte der Graf. – »Aber Sie möchten jedenfalls kein billiges Fahrzeug nehmen, kein Segelschiff, das vielleicht gar nicht mehr seetüchtig ist.« – »Nein. Die Fahrt der Segelschiffe währt mir zu lange, es gilt den armen Freunden so schnell als möglich Rettung zu bringen.« – »Aber ein Dampfer ist teuer, Señor.« – »Ich bezahle jede Summe.« – Es könnte jedoch der Fall vorhanden sein, daß keiner zu verkaufen ist.« – »Auch nicht, wenn ich Millionen biete?« fragte Don Ferdinando. – »Alle Teufel, dann jedenfalls!« rief der Kapitän. »Ein entflohener Sklave, der mit Millionen nur so um sich wirft, ist jedenfalls eine Merkwürdigkeit!« – »Nun gut. Verstehen Sie sich auf die Führung eines Dampfers?« – »Ich sollte es meinen. Die Hauptsache ist ein tüchtiger Maschinist, denn mit der Maschine hat der Kapitän wenig oder gar nichts zu tun.« – »Ich bin Ihnen bereits zu großem Dank verpflichtet, und darum mag ich Sie kaum fragen, ob Sie den Großen Ozean kennen.« – »Kennen?« lachte Wagner. »Ob ich ihn kenne! Wie meine Tasche! Ich habe als Schiffsjunge und später fast jeden Längen- und Breitengrad durchsegelt. Ich kenne alle Wasser und Wässerchen, nur in der hiesigen See, die wir jetzt vor uns sehen, bin ich noch nicht gewesen. Aber warum fragen Sie?« – »Weil ich Vertrauen zu Ihnen habe. Ich möchte wünschen, daß Sie es wären, der uns nach der Insel bringt.« – »Ich? Holla! Ist das Ihr Ernst?« – »Mein vollständiger.« – »Von Herzen gern«, rief da der Kapitän. »Don Ferdinando, Sie sprechen mir aus der Seele. Ihre Schicksale sind so außerordentlich, daß Ihnen meine vollste Teilnahme gehört. Wollen Sie es wirklich mit mir altem Seehund versuchen, so hoffe ich, daß Sie mit Gottes Hilfe mit mir zufrieden sein werden.« – »Aber dieses Schiff hier?« – »Keine Sorge. Wir haben ganz unvergleichliche Geschäfte gemacht. Ich brauche nur in Kalkutta eine Ladung zu nehmen, so bin ich fertig. Mein Steuermann bringt sie glücklich heim. Er ist zuverlässig und wird mich bei meinem Reeder entschuldigen.« – »Prächtig! So sind wir also einig.« – »Einig«, nickte der Kapitän. – »Topp?« – »Topp!«
Die Hände der beiden schlugen kräftig zusammen, und so war das Engagement getroffen, das sich in der Folge als so günstig erweisen sollte.