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Seila, das ungefähr viertausend Einwohner zählt, besteht aus vielleicht einem Dutzend großer, steinerner Häuser, die weiß getüncht sind, und einigen hundert Hütten, die man aus dem einfachsten Material errichtet hat. Die Stadtmauern sind nur aus Korallenstücken und Schlamm gebaut, haben weder Schießscharten noch Kanonen und sind außerdem an vielen Stellen eingefallen. Es macht von der See aus, besonders da es auf einer niedrigen Sandbank liegt, keineswegs einen sehr imponierenden Eindruck.
Dennoch beherrscht es die Hafenplätze der Umgegend nebst der ganzen Küste und ist der Sammel- oder Zielpunkt zahlreicher Karawanen, die aus dem Innern kommen oder von hier aus in das Binnenland gehen, um ihre Waren dort abzusetzen.
Vom Verdeck der Brigg aus bemerkte man zahlreiche Menschen, Kamele und Pferde, die in der Nähe der Stadt lagerten. Es waren jedenfalls Handelskarawanen angekommen, und so gab sich der Kapitän sogleich der angenehmen Hoffnung hin, hier ein gutes Geschäft zu machen.
Nachdem die Anker gefallen waren, kam ein Boot, aus dem ein Araber an Bord stieg, der sich einer würdevollen Haltung befleißigte. Es war der Hafenmeister. Er verlangte die Schiffspapiere zu sehen, um sie dem Gouverneur vorzulegen, da von diesem die Erlaubnis, hier zu ankern, abhängig war, und fragte, woher das Schiff komme, was es geladen habe und ob ihm ein Fahrzeug mit entflohenen Sklaven begegnet sei. Der Kapitän gab ihm Auskunft und überreichte ihm die begehrten Papiere, vermied aber, ihm zu sagen, daß er Gefangene an Bord habe. Der Hafenmeister schien befriedigt und entfernte sich.
Erst nach einigen Stunden kehrte er zurück und meldete, daß der Gouverneur seine Erlaubnis, zu verweilen und Handel zu treiben, gegeben habe, dagegen aber die Entrichtung der hier gebräuchlichen Abgabe und eines guten Geschenkes für ihn erwarte.
»Der Gouverneur«, fuhr er fort, »wird euch einige Soldaten senden, um euch vor allen Gefahren zu schützen. Diese Soldaten habt ihr zu bezahlen und zu beköstigen.« – »Wir bedürfen dieser Soldaten nicht«, entgegnete der Kapitän, »wenn wir uns in Gefahr befänden, wären sie doch nicht imstande, uns zu schützen.« – »Oh, sie sind sehr tapfer«, meinte der Hafenmeister. – »Das glaube ich nicht, denn ich habe das Gegenteil gesehen. Sie sind anmaßend, leichtsinnig und würden uns mehr Schaden als Schutz bringen.« – »Wie willst du sie kennen, du hast mir ja gesagt, daß du noch nie hier gewesen bist!« – »Du wirst bald erfahren, woher ich sie kenne. Ich werde den Gouverneur benachrichtigen und ihm beweisen, daß ich mich selbst zu schützen verstehe.«
Der Hafenmeister wurde dann bewirtet, erhielt ein Geschenk, das seine ganze Zufriedenheit zu erregen schien, und kehrte nach der Stadt zurück.
Jetzt befahl der Kapitän, einen der Gefangenen zu sich zu bringen.
»Wir sind vor Seila angekommen«, ließ er ihm mit Hilfe des Dolmetschers sagen, »ich gebe dir die Freiheit zurück, doch nur unter der Bedingung, daß du zum Gouverneur gehst und ihm meldest, was geschehen ist. Er mag selbst an Bord kommen und mit mir über das Schicksal deiner Gefährten verhandeln. Sage ihm, daß ich ein friedlicher Mann sei und bereit mich in Güte mit ihm zu verständigen, er muß aber selbst kommen, denn mit Unterhändlern werde ich nicht sprechen. Mein Rang ist wenigstens ebenso hoch wie der seinige. Einigen wir uns nicht so werde ich die Gefangenen mitnehmen und auf das strengste bestrafen lassen!«
Der Mann gab kein Wort zur Antwort, aber an seinen Blicken war zu erkennen, daß sein Bericht feindselig lauten werde. Er stieg über Bord und glitt an einem Tau in das noch dahängende Boot hinab, auf dem gestern die drei Araber das Schlepptau an Deck gebracht hatten.
Als er langsam nach der Stadt ruderte, sagte der Dolmetscher zu dem Kapitän:
»Dein Spiel ist ein gefährliches. Der Gouverneur ist mächtig, er wird dich infolge deiner Botschaft sicherlich als Feind betrachten und behandeln.« – »Er mag es versuchen!«
Diese kurzen Worte zeigten, daß der Deutsche seiner Sache sicher sei, und er traf auch sofort die Maßregeln, die er für geeignet hielt, seinen Willen durchzusetzen. Er gebot seinen Leuten, sich zu bewaffnen, und ließ die Enternetze rings um das Schiff befestigen. Es sind dies Drahtnetze, die es sehr schwer, wo nicht unmöglich machen, daß der Feind an Bord gelangt
Die Brigg war nicht mit einem Wall-, sondern nur mit einem Seeanker befestigt, den man im Notfall sofort aufnehmen konnte. Alle Boote befanden sich an Bord, und die Mannschaft hielt sich bereit, die Segel zu ziehen, um gegebenenfalls das Schiff schnell manövrierfähig zu machen.
Das Haus, in dem der Gouverneur wohnte, war deutlich zu sehen, der Kapitän ließ es sich von dem Dolmetscher, der bereits einmal in Seila gewesen war, zeigen und beschloß, es bei einer ausbrechenden Feindseligkeit als erstes Ziel zu benutzen.
Ob sich in Seila mehrere Kanonen befanden, wußte er nicht, eine aber war jedenfalls vorhanden, sie stand am Strand, und man hatte mit ihr die Begrüßungsschüsse der Brigg beantwortet. Fremde Schiffe gab es nicht, es waren kaum zehn Fahrzeuge vorhanden, die nicht zu fürchten waren, denn sie waren klein und ähnlich gebaut wie das Wachtschiff, das gestern so wenig Effekt gemacht hatte.
Es verging unter aufmerksamem Warten eine längere Zeit, bis man aus dem Nordtor der Stadt, das zum Meer führt, eine Schar Bewaffneter kommen sah, die sich auf einzelne Boote verteilten und nach der Reede gerudert kamen. Es konnte kein Zweifel sein, daß ihr Besuch der Brigg galt.
Die Schar mochte dreißig Mann stark sein. Sie war mit Luntenflinten, Spießen und Yatagans bewaffnet. Im vordersten Boot schien der Anführer zu sitzen, denn die anderen hielten sich in respektvoller Entfernung hinter ihm.
Als dieses erste Boot in solche Nähe gekommen war, daß man sich verstehen konnte, erhob sich der Anführer und rief:
»Bist du der Mann, der unsere Gefährten gefangenhält?« – »Ja«, antwortete der Kapitän mit Hilfe des Dolmetschers. – »Gib sie heraus!« – »Wer bist du?« lautete die rasche Gegenfrage. – »Ich bin der General der hiesigen Truppen.« – »So habe ich mit dir nicht zu unterhandeln. Ich werde mit dem Gouverneur sprechen, ich habe das bereits sagen lassen.« – »Steige in unser Boot, ich werde dich zu ihm bringen.« – »Er mag zu mir kommen, wenn er seine Leute wiederhaben will.« – »Wenn du nicht mit uns kommst oder sie herausgibst, werden wir zu dir an Bord kommen und sie uns holen, dann bist du unser Gefangener, und dein Fahrzeug ist unser Eigentum. So hat der Gouverneur befohlen.« – »Ich habe dir bereits gesagt, daß ich nur mit ihm verhandle. Gegen einen Angriff werde ich mich zu verteidigen wissen.«
Der Mann ließ noch mehrere Fragen und Drohungen hören, als er aber keine Antwort erhielt, winkte er die anderen Boote zu sich heran und besprach sich mit den Insassen derselben. Er hatte jedenfalls Furcht vor der Brigg, ebenso bange war es ihm aber auch vor dem Gouverneur, dessen Befehle er erfüllen sollte.
Endlich gab er ein Zeichen, er kam mit seinen Booten näher und rief:
»Gibst du die Gefangenen heraus?«
Es erfolgte keine Antwort
»Nun, so holen wir sie uns. Schießt sie tot die Ungläubigen.«
Die Araber richteten ihre Gewehre auf das Deck, und die Salve erfolgte. Die Kugeln schlugen in das Takelwerk und in die Masten, trafen aber niemanden. Auch einige Wurfspeere kamen geflogen, blieben jedoch in den Enternetzen hängen, ohne jemanden zu verletzen. Die Feindseligkeit hatte also begonnen.
»Sollen wir antworten?« fragte der Steuermann. – »Ja«, nickte der Kapitän. »Aber schießt noch nicht auf die Kerle; sie wären ja verloren. Gib dem Gebäude des Gouverneurs einige Kugeln; er hat das Ding angestiftet und mag nun auch die ersten Folgen tragen.«
Da trat der Steuermann zu einem der Geschütze, richtete es sorgfältig, zielte lange Zeit um sicher zu sein, und gab dann Feuer. Fast in demselben Augenblick, als der Schuß krachte, flogen die Steinsplitter von der Mauer des Hauses, auf das er gezielt hatte. Der Schuß war ein Kernschuß gewesen.
Die Araber in den Kähnen erhoben ein Wutgeschrei und schossen abermals nach dem Schiff.
»So war es gut!« rief der Kapitän dem Steuermann zu. »Fahre so fort!«
Der Angeredete gab noch mehrere Schüsse ab, von denen kein einziger fehlging. Das Mauerwerk wich den Kugeln, es flog in Stücke, und beim vierten Schuß war ein großes Loch zu bemerken. In der Stadt erhob sich ein lautes Wehgeschrei, und die Karawanenleute, die vor dem Ort gehalten hatten, zogen sich mit ihren Tieren ängstlich in eine sichere Entfernung zurück.
Da öffnete sich das Tor; ein Mann trat heraus und winkte. Auf dieses Zeichen ruderten die Kähne schleunigst nach der Stadt zurück.
»Soll ich eine Kugel unter sie schicken?« fragte der Steuermann.
Er war stolz auf seine artilleristischen Erfolge; die Aufregung des Kampfes hatte ihn ergriffen, und er wollte noch weitere Proben seiner Geschicklichkeit geben.
»Nein, wir wollen sie noch schonen«, antwortete der Kapitän.
»Aber siehst du dort rechts das Gebäude? Es ist sicher eine Moschee. Wenn wir uns an das Heiligtum dieser Muselmänner machen, werden sie doppelt erschrecken und schneller einlenken. – Siehe, ob du sie treffen kannst.« – »Soll schon geschehen; sie steht ja groß und breit genug da!«
Indem der Steuermann unter einem selbstgefälligen Schmunzeln diese Worte sprach, lud er sehr sorgfältig. Er machte seine Worte wahr, der erste Schuß traf, der zweite noch besser, und bei dem dritten brach das Dach des Gebäudes ein. Ein lautes Wehgeschrei drang nun hinter den Stadtmauern heraus, und in kurzem öffnete sich das Tor abermals. Zunächst war ein Mann zu sehen, der als Friedenszeichen einen weißen Burnus schwenkte, und darauf erschien eine Sänfte, die nach dem Ufer getragen wurde. Aus ihr stieg ein Mann, der in den Kahn des Anführers, der sich dorthin zurückgezogen hatte, stieg, eine kleine Weile mit ihm sprach und, begleitet von den anderen Kähnen, herbeiruderte.
Er ließ in Sprechweite von dem Schiff, das jetzt das Feuer eingestellt hatte, halten, erhob sich, so daß seine ganze Gestalt zu sehen war, und rief:
»Warum schießt ihr auf Allahs Haus und auf das meinige?« – »Warum schießt ihr auf mein Schiff?« entgegnete der Kapitän. – »Weil ihr ungläubige Empörer und Verräter seid und mir nicht gehorchen wollt.« – »Wer bist du, daß du es wagst, Gehorsam von uns zu fordern?« – »Ich bin der Beherrscher dieser Stadt, dem alle gehorchen müssen, die sich hier befinden.« – »Bist du der Gouverneur, so komm herauf zu mir, damit ich mit dir sprechen kann!« – »Komm herab zu mir, ich bin mehr als du.« – »Wenn du nicht kommst, so werden dir meine Kugeln zeigen, wer von uns beiden der höhere ist, ich oder du!«
Der Gouverneur beriet sich nun mit den Seinigen und antwortete:
»Du handelst als unser Feind, ich darf mich dir nicht anvertrauen.« – »Ich gebe dir mein Wort, daß dir nichts Böses geschehen soll.« – »Und daß ich dein Schiff wieder verlassen kann, sobald es mir gefällt?« – »Ja.« – »Schwöre es mir.« – »Ich schwöre es.« – »So werde ich mir überlegen, ob ich kommen werde.« – »Überlege es dir. Ich gebe dir zwei Minuten Zeit; ist diese Frist verflossen, so beginnt bei mir das Schießen wieder.«
Der Gouverneur beriet von neuem; der Steuermann aber hielt den Lauf eines der Geschütze nach dem Haus dieses Mannes gerichtet, und als zwei Minuten verstrichen waren und der Araber sich noch immer unschlüssig zeigte, befahl der Kapitän: »Feuer!«
Nun krachte ein Schuß, und abermals flog das von der Kugel zerrissene Mauerwerk nach allen Seiten auseinander. Das entschied; der Gouverneur merkte nun doch, daß mit diesen Fremden nicht zu scherzen sei, und rief eiligst:
»Halt, ich komme! Aber ich bringe meine Leute mit, um mich zu schützen.« – »Mein Schwur ist dein Schutz«, antwortete der Kapitän. »Du wirst allein das Schiff besteigen, auf jeden anderen werde ich schießen lassen.«
Er hatte sich vorgenommen, seinen Willen ohne alle Nachsicht durchzusetzen. Hatten andere Nationalitäten aus Handelsrücksichten es vorgezogen, sich von diesen Mohammedanern alles gefallen zu lassen, so wollte er dem deutschen Namen Ehre machen und den Leuten zeigen, daß sie nicht die Kerle seien, vor denen man sich zu fürchten hatte.
Der Gouverneur sah sich endlich gezwungen, nachzugeben, und kam an Bord, als man ein Feld des Enternetzes entfernte und die Falltreppe niederließ.
Mit finsteren Blicken musterte er die anwesende Bemannung, und als er alles in allem nur vierzehn Männer zählte, fragte er, ohne vorher zu grüßen:
»Sind dies alle deine Leute?« – »Ja.« – »Und mit diesen wenigen wagst du es, mir zu widerstehen?« – »Du hast gesehen und erfahren, daß ich es wagen kann. Wir sind Deutsche, und ein einziger Deutscher nimmt es mit zwanzig deiner Leute auf.«
Diese stolzen Worte waren zwar im Superlativ gesprochen, aber sie verfehlten dennoch ihre Wirkung nicht Der Gouverneur ließ sich nach dem Hinterdeck führen, wo er auf einem Teppich Platz nahm. Ihm gegenüber setzte sich der Kapitän; rechts stand der Steuermann und links der Dolmetscher. Die Hälfte der Mannschaft stand in der Nähe, während die anderen die feindlichen Boote zu beobachten hatten.
Der Kapitän hatte es unterlassen, den bei jeder Besprechung in diesen Ländern sonst üblichen Kaffee nebst obligaten Tabakspfeifen reichen zu lassen. Man stand sich ja noch als Feind gegenüber, so daß die geringste gastliche Erweisung ein Fehler gewesen wäre.
Die beiden Unterhandelnden betrachteten zunächst einander forschend. Das wettergebräunte Gesicht des Kapitäns stach mit seinen ehrlichen, biederen Zügen höchst vorteilhaft gegen die schlaue Miene des Gouverneurs ab. Dieser war bereits bei Jahren, aber trotz des Anfluges von Ehrwürdigkeit, der ihm nicht abzuleugnen war, tat ihm doch der Zug jener bigotten Pfiffigkeit Eintrag, der den Arabern der Küste eigentümlich zu sein pflegt. Erst nach einer Weile begann er das Gespräch:
»Ich bin gekommen, dich zur Rechenschaft zu ziehen. Du sitzt als Sünder und Verbrecher vor mir und wirst deine Strafe erleiden.« – »Du irrst«, antwortete der Deutsche. »Ich bin es, der dich hat kommen lassen, um dich zur Rechenschaft zu ziehen. Du hast meinen Willen befolgt und bist gekommen; dies ist der beste Beweis, daß nicht ich der Sünder und Verbrecher bin. Von einer Strafe könnte übrigens nie die Rede sein, denn du bist der Mann nicht, den ich als Richter über mich anerkennen würde. Um dir aber zu zeigen, daß ich gerecht bin, werde ich geneigt sein, anzuhören, welche Ursachen zu Beschwerden du zu haben meinst.« – »Du sollst sie hören; es sind ihrer viele. Du hast dich geweigert, dein Schiff durchsuchen zu lassen, du hast meine Leute gefangengenommen, du bist schuld, daß mir ein Fahrzeug verlorengegangen ist. Und anstatt Abbitte und Ersatz zu leisten, hast du die Moschee und mein Haus eingeschossen. Deine Strafe wird eine sehr große sein.«
Das war eine ganze Reihe von Anschuldigungen, von deren Berechtigung der Gouverneur vielleicht selbst überzeugt war, denn er besaß keine Kenntnis des herkömmlichen und verbrieften Völkerrechts. Er glaubte, den Deutschen mit seiner Anklage niedergeschmettert zu haben; dieser aber antwortete ruhig und überlegen:
»Du irrst abermals. Das Recht, ein anderes Schiff zu untersuchen, hat nur das Kriegsschiff einer anerkannten Nation. Wer hat dein Fahrzeug anerkannt? Welcher gute Seemann wäre so dumm, es für ein Kriegsschiff zu halten? Es hat ja nicht einmal eine Flagge geführt, und du wirst wenigstens so viel wissen, daß man ein Schiff nur dann respektiert, wenn es seine Flagge zeigt.« – »Der Anführer hat dir aber gesagt, daß das Fahrzeug mir gehört und daß er in meinem Namen handelte.« – »Das geht mich nichts an, da ich nicht dein Untertan bin. Sodann habe ich drei deiner Leute festgenommen, weil sie mich einen Hund nannten. Ich würde auch dich niedergeschlagen haben, wenn du dies gewagt hättest. Ich habe euch gezeigt, daß ich euer Meister bin, und werde keine Beschimpfung dulden. Ich habe trotzdem deinem Befehlshaber gestattet, mein Schiff ins Schlepptau zu nehmen, obgleich ich wußte, daß dies die größte Albernheit war. Er selbst ist schuld, daß es niedergefahren worden ist Ich hätte ihn ertrinken lassen sollen mit allen seinen Leuten, und doch habe ich ihn und sie gerettet. Anstatt mir dafür zu danken, hat er mich beleidigt indem er mich einen Schurken nannte. Darum habe ich ihn festgenommen, um ihn dir zur Bestrafung zu übergeben. Ich hielt dich für weise und für klug genug, nicht mit einem Mann anzubinden, der dir überlegen ist Du aber hast auf mein Schiff schießen lassen. Nun hatte ich das Recht mich zu verteidigen. Noch ist kein Menschenblut geflossen, aber ich sage dir, daß ich nicht eher von hier gehen werde, bis ich Genugtuung erlangt haben werde.«
Der Gouverneur sah die Sache jetzt ganz anders dargestellt als vorhin. Er wollte das Wort ergreifen, aber der kluge Deutsche fiel schnell ein:
»Ich habe weder Lust noch Zeit, meine Worte zu verschwenden. Höre, was ich dir sage. Du bestrafst deine Leute, die mich beleidigt haben. Du erlaubst den Einwohnern von Seila und allen, die sich in und bei der Stadt befinden, mein Schiff zu besuchen und Handel mit mir zu treiben, und du gibst mir eine schriftliche Abbitte der Beleidigungen, die mir durch die Zungen und Waffen deiner Leute zugefügt worden sind. Ich ziehe mich jetzt zurück und lasse dir meinen Steuermann hier, mit dem du verhandeln kannst, aber ich gehe von meinen Bedingungen nicht um ein Wort ab. Hast du sie in Zeit von einer Viertelstunde noch nicht zugestanden, so setze ich das Bombardement auf Seila fort und schieße alles in Grund und Boden. Du hast gesehen, daß keine unserer Kugeln fehlgeht. Außerdem richte ich meine Geschütze auf deine Schiffe und demoliere sie. Und endlich nehme ich meine Gefangenen mit fort und lasse sie bestrafen, oder ich hänge sie an die Rahe auf, und einen jeden dazu, der mir und meinem Schiff mit der Waffe in der Hand auf Schußweite nahe kommt Du dünkst dich ein großer Herr zu sein, in meinem Vaterland ist der geringste Schreiber besser unterrichtet als du. Bei uns wird jeder Fremde mit Ehrerbietung behandelt, selbst wenn er tiefer steht als wir, denn wir wünschen, daß man uns als höfliche und gastfreundliche Leute kennenlernt. Ihr aber empfangt uns mit Waffen in der Hand und mit Schimpfworten. Es muß einmal einen geben, der sich nicht einen Hund schimpfen läßt, und dieser Mann bin ich! Du weißt jetzt was ich verlange, und ich hoffe, daß du tust, was ich von dir fordere. Ich scherze nicht mit euch.«
Als der Kapitän ausgesprochen hatte, erhob er sich und ging nach seiner Kajüte. Vorher jedoch gab er den leisen Befehl, den Gouverneur durch Herbeischaffung von Kugeln, aller Art von Munition und Waffen einzuschüchtern.
Bereits nach kurzer Zeit sandte der Gouverneur einen der Matrosen zu ihm, um ihn zu milderen Forderungen zu bewegen, er gab jedoch die Antwort, daß er vor der angegebenen Zeit von einer Viertelstunde nicht zu sprechen sei, dann aber nur durch seine Geschütze reden werde.
Die Zeit verging, und als er auf das Deck trat und von dem Steuermann erfuhr, daß der Gouverneur zu allem bereit sei, nur nicht zur schriftlichen Abbitte, befahl er: »Gib seinem Haus sofort eine Kugel!« und nahm, während der Steuermann sich erhob, um diesem Befehl Folge zu leisten, wie früher Platz. Der Araber ließ ihm jetzt durch seinen Dolmetscher seine Meinung zu erkennen geben, hatte aber noch nicht ausgesprochen, so fiel er ihm in bestimmtem Ton in die Rede: »Ich habe dir meine Forderungen gesagt; die Frist, die ich dir gegeben habe, ist verflossen. Deiner Person soll zwar nichts Böses geschehen, du darfst unangefochten das Schiff verlassen, aber da, blicke hin!«
Der Gouverneur sah sich um, und zwar gerade noch zur rechten Zeit, um den Schuß des Steuermanns aufblitzen zu sehen. Beim Krachen desselben sprang er erschrocken auf, und als er die Verwüstung bemerkte, welche die Kugel anrichtete, rief er:
»Halt ein! Ich werde tun, was du verlangst!« – »Gut!« sagte der Kapitän. »Hast du die Papiere bei dir, die dir der Hafenmeister von mir gebracht hat?« – »Ja.« – »Gib sie heraus!«
Das geschah, und nun fuhr der Kapitän fort:
»Den Hafenzoll werde ich bezahlen, aber weiter nichts. Geschenke erhältst du nicht, denn du hast sie verscherzt. Ich werde dir sofort Papier holen lassen, damit du die Entschuldigung schreiben kannst.« – »Ich werde sie in meiner Wohnung schreiben«, warf der Mann listig ein. – »Nein, du wirst sie hier schreiben und sogar dazufügen, daß du mir nichts Hinderliches oder gar Schädliches in den Weg legen willst. Erweist du dich unehrlich, so wird ein jeder erfahren, was mit dir geschehen ist. Meine Gefangenen aber liefere ich dir erst kurz vor meiner Abreise aus; sie bleiben als Geiseln bei mir, und ich werde dann bei ihrer Bestrafung zugegen sein.«
Der Gouverneur sah, daß der Steuermann wartend bei der bereits wieder geladenen Kanone stand. Er mußte einwilligen und sagte:
»Ich werde tun, was du verlangst, aber hättest du dein Schiff durchsuchen lassen, obgleich ich nicht dein Herr bin, so wäre dies alles nicht geschehen.« – »Ich hätte dich dadurch als meinen Herrn anerkannt. Weißt du nicht, daß es für eine Schande gilt, sein Schiff von einem Fremden durchsuchen lassen zu müssen?« – »Man hat nur sehen wollen, ob du die entflohenen Sklaven bei dir hast.« – »Waren deine Sklaven so wertvoll, daß du dich ihretwegen einer solchen Gefahr aussetztest?« – »Sie gehören nicht mir.« – »Ah! Wem sonst? Der Mann, dem sie gehörten, muß dir sehr wert sein!« – »Sie gehörten dem Sultan von Harrar!« – »Pah! So sind es doch nur wertlose Kerle gewesen!« meinte der Kapitän wegwerfend. – »Nein. Es waren zwei weiße Christen und eine junge, schöne Christin, die herrlich sein soll wie die Bergspitze in der Morgenröte.«