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Daß jenseits der Grenze das deutsche Volk, jetzt ganz das ihre, im Kriege stand, ließ Cosima und Wagner ihr eigenes Schicksal klein und nebensächlich erscheinen. Der Plan von Bayreuth trat zurück, für ihre Eheschließung bestellten sie das Aufgebot, luden die Zeugen, Hans Richter und Malwida von Meysenbug, ein, besprachen die Form der Anzeige, aber ihre Gedanken und Gespräche schweiften beständig hinüber zu dem Aufmarsch des Heeres und zu den ersten blutigen Zusammenstößen mit den französischen Truppen. Zum erstenmal fühlten sie sich in ihrem geliebten Asyl wirklich wie aus dem Vaterland Verbannte und sehnten sich zurück auf deutschen Boden, unter Landsleute, mit denen sie gemeinsam bangen, hoffen und sich begeistern konnten.
Bald nach der Trauung, die in der kleinen protestantischen Kirche von Luzern, nur in Gegenwart ihrer Kinder und der beiden Zeugen, stattfand, sagten sich zu ihrer peinlichen Überraschung zwei ihrer Pariser Freunde an, die Romanschriftsteller Graf Villiers und Catulle Mendès, harmlos und heiter, als wäre der Krieg zwischen ihren Nationen eine unbeachtliche Angelegenheit. Wagner bat sie, unter den obwaltenden Umständen doch lieber nicht zu kommen, sie kehrten sich nicht daran; dergleichen dürfe zwischen Menschen aus geistigen Bezirken doch keine Rolle spielen. Strahlend fuhren sie vor, gratulierten mit witzigen Versen, überreichten Rosensträuße. Wohl oder übel muhte man sie aufnehmen. Bisher hatten Wagner und Cosima sie immer gern gesehen, jetzt konnte ihr bloßer Anblick das Blut in Wallung bringen. Die Franzosen merkten es nicht oder hatten sich verabredet, es nachsichtig zu ignorieren.
Es wurde viel musiziert, das war die beste Art, sie zum Schweigen zu bringen; denn sie plauderten unentwegt vom Pariser Leben, Catulle Mendès feinsinnig und geistreich, Villiers mit grotesken Seitensprüngen in mystische Gebiete. Auch konnten sie es sich nicht versagen. Proben ihrer Erzählerkunst zu Gehör zu bringen, was Wagner langweilte und Cosima erbitterte.
»Sie sind nicht in Stimmung. Madame?« lächelte Villiers, zu übermütig, um sich verletzt zu fühlen. »Oh, das bedauere ich. Der dummen Politik sollte doch nicht gestattet werden, Sie zu zerstreuen. Weisen Sie ihr die Tür, sperren Sie Ihre Hoheit ab gegen alles niedere Gezänk!«
»Aber verstehen Sie nicht, Graf«, erwiderte sie. vor Zorn errötend, »daß ich seit der Kriegserklärung alles, was französisch ist, hassen muß?«
»Warum denn nur? In einigen Monaten wird wieder Friede sein, dann müssen Sie uns aufs neue lieben. Die kurze Spanne Zeit lohnt nicht den Aufwand widerstreitender Gefühle.«
Nietzsche war bei Ausbruch des Krieges im deutschen Heer zum freiwilligen Sanitätsdienst eingerückt. Er hatte sich seine Sommerferien anders vorgestellt. Statt Cosimas Gesellschaft im friedlichen Triebschen nun die der Verwundeten an der Front! Das kam ihn hart an, er nahm es aber als Erfüllung einer selbstverständlichen Pflicht. Nach den siegreichen Schlachten von Wörth, Weißenburg und Gravelotte schrieb er ein paar kurze Feldpostbriefe, die gar nicht mehr rebellisch klangen, sondern still ergeben in den Dienst an der Sache seines Volkes.
Dann ließ sich Marie Mouchanow wieder einmal sehen und brachte wie immer ein Bündel Neuigkeiten aus aller Welt, als wichtigste, Einzelheiten über den Fall der Festung Sedan und die Gefangennahme Napoleons. Wagner feierte beides mit einer Flasche Champagner und brachte die Gesundheit des Generalstabschefs von Moltke aus, dessen Feldherrngenie alles zu danken war.
Die Gräfin Mouchanow kannte Moltke persönlich, nicht sehr nahe und doch so genau, daß ihr die zwei Begegnungen mit ihm, die sie gehabt, zum tiefsten Erlebnis geworden waren. Sie erzählte, daß er ihr vor dreißig Jahren bei einer Soiree ihres Onkels, des Grafen Nesselrode, in St. Petersburg vorgestellt worden war. Damals kannte noch niemand den unscheinbaren preußischen Hauptmann, der sich gerade auf der Heimfahrt von einem Feldzug der Türkei gegen Ägypten befand. Sie selbst, eine Waise ohne Vermögen, die sich zur Sängerin ausbilden wollte, hatte mit dem schweigsamen Kavalier nur wenige Worte gewechselt und sich doch stille Hoffnungen auf ihn gemacht, die zerstört wurden durch ihre auf Druck der Verwandtschaft erfolgte Ehe mit dem reichen griechischen Grundbesitzer von Kalergis. Geschieden und zum zweitenmal vermählt, mit dem russischen Grafen Mouchanow, traf sie Moltke im Gefolge des preußischen Kronprinzen auf der Pariser Weltausstellung. Er konnte sich ihrer kaum mehr entsinnen. »Ja, und was am schmerzlichsten war, ich hatte das Gefühl, ihm zu mißfallen. Nicht weil die Blüte der Jugend nun hinter mir lag. Für solche Äußerlichkeiten hat ein Mann wie Moltke kein Auge. Aber mein Lebensstil, mein Wesen, meine Ausdrucksweise sind so grundverschieden von den seinen. Der französische Kürassieroberst, der ihn begleitete, sagte ihm von mir: ›Eine unserer charmantesten Europäerinnen, Russin, Griechin, Pariserin und Deutsche – alles, was Sie wollen!‹ Schon das nahm ihn offenbar gegen mich ein. Ich erkundigte mich höflich nach seiner Gemahlin, die den gleichen Vornamen und die gleiche Liebe zur Musik hatte wie ich. Das berührte ihn peinlich, er kniff die schmalen Lippen zusammen und antwortete frostig: ›Sie ist eine einfache Frau aus dem Landadel und lebt in Zurückgezogenheit‹ – ihr versteht, eine Anspielung auf meine Stellung in der Welt und meine unglückselige Wurzellosigkeit. Nun, vom General von Moltke übersehen zu werden, ist noch lange keine Kränkung, hat aber zu meiner Selbsterkenntnis beigetragen.« –
All die Jahre in Triebschen waren sich Wagner und Cosima der Nähe des »Grünen Hügels« bewußt gewesen. Beide sprachen ungern von Wesendonks, er aus einem gewissen Schuldgefühl heraus, das er sich der einen wie der anderen Frau gegenüber offen eingestand und doch noch immer nicht loswerden konnte. Nun hatte ihnen das Ehepaar zur Hochzeit freundlich gratuliert und für Cosima einen Strauß Edelweiß gesandt. »Wir müssen sie besuchen«, meinte diese, »jeder Schatten von Groll ist gegenstandslos geworden und muß verschwinden.« Sie kam immer wieder darauf zurück, doch Wagner sträubte sich.
Da fuhr Cosima allein hinüber. Es wurde ein bedrückendes und deshalb nur kurzes Wiedersehen. Otto Wesendonk vermied es in seiner taktvoll zurückhaltenden Art, die Vergangenheit zu berühren; er konnte ja auch nur zufrieden sein, daß sich alles so gefügt. Mathilde vermochte das Gefühl, einer erfolgreichen Nebenbuhlerin gegenüberzustehen, nicht zu unterdrücken, so unbefangen herzlich ihr diese auch entgegenkam. Cosima hatte ihren Sieg nur durch Tapferkeit errungen und mit viel bitteren Leiden bezahlt, Mathilde in ihrer wohlbehüteten Stellung als anhängliche Gattin und untadelhafte Dame der Gesellschaft brauchte sie nicht zu beneiden. Vielleicht bildete sie sich ein, daß Cosima ihr mit diesem Besuch ihren Triumph vor Augen führen und Wagner, indem er sich davon ausschloß, Geringschätzung bezeigen wollte. Immerhin überwand sie sich so weit, daß sie für den verlorenen Freund Grüße bestellte und den Wunsch auf Wiederaufnahme des Verkehrs aussprach.
*
Während der Belagerung von Paris und weit mehr noch während der danach entfesselten wüsten Kommuneherrschaft gedachte Cosima in großer Sorge ihrer dort mit eingeschlossenen Mutter und der alten Frau Liszt. Beide hatten die Stadt im Herbst nicht mehr rechtzeitig verlassen können. Krank und außerstande abzureisen, waren sie der Lebensmittelnot und den Übergriffen des Straßenpöbels preisgegeben. Ungeduldiger als alle anderen Deutschen wartete Cosima deshalb auf die Niederwerfung des Aufstands. Wagner sprach ihr Trost zu, indem er auf die große Zahl der Pariser Freunde hinwies, die sich der hilflosen Damen gewiß annehmen würden.
Seine Verehrung für Moltke wurde seit der Krönung König Wilhelms im Schlosse zu Versailles von der für den Begründer des Deutschen Reichs, den Grafen Bismarck, noch überboten. Die Träume des jungen Dresdner Demokraten, die Deutschlands Einigung auf falschem Wege suchten, hatten durch das Genie des nur mit Wirklichkeiten rechnenden Staatsmanns feste, herrliche Gestalt gewonnen. Er spürte einen inneren Zusammenhang des gewaltigen, von deutschem Geist beseelten Werkes mit seinem eigenen und wollte Cosimas Meinung hören, ob es sich wohl rühmen dürfe, das künstlerische Antlitz des wiedererstandenen Nationalgefühls neben dem politischen, das Bismarcks Hand gemeißelt hatte, darzustellen.
»Eins ist des anderen gewiß nicht unwürdig«, gab sie zur Antwort, »und deines wird bestehen, solange unser Volk dem Geiste treu bleibt, in dem Bismarck es gesammelt hat. Ich denke mir oft, daß er wie für das Ansehen Deutschlands unter den Nationen so auch für deine Kunst freie Bahn geschaffen hat. Fehlte nicht unsrem großen Plane noch vor einem Jahre das rechte Fundament im Herzen des Volkes? Die Wartezeit war segensreich. Jetzt können wir den Bau mit größerer Zuversicht in Angriff nehmen, der Aufbau des Reiches hat uns das Recht dazu feierlich bestätigt.«
Sie schoben die Fahrt nach Bayreuth nun nicht länger auf. Es wurde aber nicht die unauffällige Erkundungsreise inkognito, die sie ursprünglich beabsichtigt hatten. Schon waren Gerüchte darüber hier und dort verbreitet. Wagner mußte sich beeilen, König Ludwig zu verständigen und um seine Zustimmung zu bitten. Auf Cosimas Rat trat er zugleich mit einer öffentlichen Denkschrift hervor, die allem verkehrten Geschwätz und allen Mißdeutungen die Spitze abbrechen sollte; denn schon war in den Zeitungen behauptet worden, er wolle die Hilfe des deutschen Kaisers in Anspruch nehmen. Auch die Beschaffung der Mittel für das Unternehmen durch persönliche Anteilscheine und sein voraussichtlicher Sitz in Bayreuth wurden in der Flugschrift angekündigt.
Der König verhielt sich anfangs ablehnend, sandte aber schließlich doch einen seiner Räte nach Augsburg, wo nun Wagner und Cosima Verhandlungen pflogen und mit günstigem Ergebnis abschlossen: der Name des Landesherrn konnte mit einem Beitrag von fünfundsiebzigtausend Mark an die Spitze der Subskribenten gestellt werden.
Nur mit Widerstreben hatte sich Cosima auf dieser Reise mit erweiterten Zielen ihrem Gatten angeschlossen. Es ging ja nicht mehr bloß nach Bayreuth, sondern hinaus in die breite Öffentlichkeit, eine Werbefahrt sollte es werden, für die Idee und ihre Verwirklichung, mit dem Beistand von Geldleuten und Gönnern. Vor kurzem noch verfemt und gemieden, plötzlich hinzutreten vor allerhand fremde Menschen, unsicher, wie sie aufgenommen würde – keine Kleinigkeit für Cosimas empfindlichen Stolz. Nur auf Wagners flehentliche Vorstellungen, daß er ohne sie ja völlig ratlos in die Irre tappen werde, hatte sie seufzend auch dieses Opfer gebracht.
Bayreuth war freilich eine Station, die sie sich gefallen ließ. Von seiner freundlichen Lage und seinem erlesenen Stil als alte Markgrafenresidenz waren sie beide gleich bezaubert. Die Einwohnerschaft, auf ihr Kommen vorbereitet, befand sich in freudiger Bewegung und nahm sie gastlich auf. Die Auszeichnung, die ihrer Stadt zugedacht war, wurde verständnisvoll gewürdigt: es war nicht schwer, ihren Aufschwung als Wallfahrtsort der mächtig angewachsenen Richard Wagner-Gemeinde vorauszusagen.
Die Besprechungen mit den Behörden ließen sich gut an. Der berühmte Meister, nun wieder in des Königs Gunst bestätigt, fand achtungsvolles Entgegenkommen, und Cosima hatte sich als seine angetraute Gemahlin nicht zu beklagen. Sie erfreuten sich am Besuch der Lustschlösser »Eremitage« und »Fantaisie«, in denen sie ein sachkundiger Stadtrat herumführte, besichtigten das große, launisch prunkvolle Rokoko-Opernhaus, das für Weihefestspiele allerdings nicht in Betracht kommen konnte, wanderten prüfenden Blickes über dieses und jenes unbebaute Areal.
In Leipzig, der Vaterstadt Richard Wagners, begann die eigentliche Werbefahrt. Hier war Cosima zum letztenmal vor neun Jahren in Begleitung von Hans gewesen, der im Gewandhaus Werke des Freundes zu dirigieren hatte ... damals ein fast gespenstisches Abenteuer, denn der große, vornehme Konzertsaal, Sammelpunkt der Patrizier und der anspruchvollsten Musikkenner, war fast leer geblieben, nur einige Freunde und Verwandte hatten sich eingefunden und einen Scheinerfolg erzwungen. Jetzt wurde der Meister im Triumph empfangen, im Rathaus mit Lorbeeren und Preisgesängen begrüßt, und die Königszimmer schienen gerade gut genug, ihn und seine Gattin aufzunehmen.
Ähnlich in Dresden, das ihn als Knaben hatte zur Schule gehen sehen und später seinem Hofkapellmeister die Teilnahme am Maiaufstand so lange nicht verzeihen konnte. Ihm zu Ehren änderte die Generalintendanz den Spielplan und setzte die »Meistersinger« an. Das Unheimliche und Unberechenbare im Wandel einer Volksstimmung drängte sich Cosima auf, wie sie heute ihr Halleluja und morgen schon ihr »Kreuziget ihn!« durch die Gassen schreit. Und immer noch konnte ein neidisches Geschick, ja nur irgendein verhängnisvoller Zwischenfall, den Triumphzug unterbrechen, das nahezu geglückte Unternehmen scheitern lassen.
»Tiefe Melancholie bemächtige sich meiner«, schrieb sie an diesem Abend in ihr Tagebuch, »und während die Freunde alle der Vorstellung beiwohnen, suchen wir in der Pause die Straßen auf. Wann endlich naht mir der Tod? Sind wir inmitten der Kinder, empfinden wir die Pflicht, zu leben. Kommen wir aber unter Menschen, so tritt uns die Todessehnsucht mit unbegreiflicher Macht entgegen. – Ich sehe den Laden, wo Richard als Kind Schillers Gedichte verkaufte, um sich einen Leckerbissen zu verdienen, und wo er einem Invaliden Geld gab, was sein Stiefvater vom Hause gegenüber verwundert bemerkte. Die grauenhaft stillen Winkel sah ich auch, in denen sich der einsame Junge träumerisch herumgedrückt, und Richard erzählte mir, wie die Terrasse, die Frauenkirche und das Brühlsche Palais auf seine empfindsame Phantasie eingewirkt hatten. Dies alles war ihm einmal nahe und bedeutsam, so wie mir heute die Güte und Ehrerbietung, mit der man uns überschüttet, die Seele wärmt und mich in süße Hoffnungen wiegt. Wie lange wird sie standhalten, wie werde ich als alte Frau darüber denken? – Wir nähern uns dem Theater. Ich will horchen, ob der dritte Akt begonnen hat. Von ferne klingt es uns entgegen, in der Nähe vernehmen wir nichts. Plötzlich klingt ein Lauf der Klarinette zu uns ... es sind die frohen ›Meistersinger‹ und könnte doch aus ›Tristan und Isolde‹ sein. Wir kehren zurück, es ist kalt draußen, und ich muß weinen.« –
Was in Leipzig und Dresden noch freundliche Unruhe gewesen war, wurde in der Reichshauptstadt zu jagender Hast und ohrenbetäubendem Lärm, nämlich mit einem Übermaß von öffentlichen und privaten Feiern, Einladungen zu Frühstücken, Mittagessen und Abendgesellschaften, Besuchen und Konferenzen. Nicht nur daß sich alte und neue Verehrer um den Meister drängten, Vertreter der Behörden und Zeitungen ihn um Auskünfte ersuchten, Sänger und Musiker ihre Dienste anboten, auch der frühere Bülowsche Kreis brachte sich bei Cosima dankbar und nicht immer uneigennützig in Erinnerung. Der nervenaufreibende Trubel hatte aber das eine Gute, daß sich die Patronatsliste mit Hunderten von Unterschriften bedeckte, und das war schließlich der Zweck der Werbefahrt.
Cosimas liebste, jetzt auch die wichtigste Freundin, Gräfin Marie von Schleinitz, Gattin des Hausministers, hatte den Boden sorgsam vorbereitet, bei Hof huldvolle Stimmung gemacht und die Kabalen des Opernhauses in Schach gehalten. Der Generalintendant Botho von Hülsen legte noch in letzter Stunde seine Minen, die Ehrungen Wagners in Demütigungen zu verwandeln. Ohne daß es Cosimas Dazwischentreten bedurft hätte, ließ sich Marie Schleinitz ihn kommen und wies den vor der allerhöchsten Ungnade Zitternden in seine Schranken zurück.
Eine andere Gelegenheit bot sich Cosima, für ihren Mann tätig zu sein. Sie kannte seinen Herzenswunsch, Bismarck die Hand drücken zu dürfen. Ihr alter Freund Lothar Bucher war jetzt als Legationsrat im Auswärtigen Amt des Fürsten ständiger Begleiter. An ihn wandte sie sich mit der Bitte, die Bekanntschaft zu vermitteln. Es wurde die freudigste Überraschung, als der Fürst freundlich und zwanglos Wagner zu sich lud. Die beiden Großen unterhielten sich, jeder von seinem Gipfel aus, über das einzige, was sie miteinander verband, über ihren Dienst am deutschen Volke. Wagner stand noch lange unter dem Eindruck dieser Begegnung. Eine gewaltige und doch ganz schlichte Natur hatte sich ihm dargestellt, menschlich und aufgeschlossen in ihrer gewinnenden Mitteilsamkeit.
Den äußeren Höhepunkt des Berliner Aufenthalts bildete das »Nibelungen«-Hofkonzert in der Oper, dem auch der Kaiser beiwohnte. Er ließ dem Komponisten sagen, daß er noch nie etwas so Vollendetes gehört habe, es sei sublim gewesen.
Dann ging es um der Sache willen weiter – nach Frankfurt, Darmstadt, Heidelberg. »Eine gräßliche Strapaze!« ächzte Wagner oft. Cosima, noch müder und angegriffener als er, spielte die Muntere und Unersättliche und rühmte ihm wie ein geschäftstüchtiger Bankier schmunzelnd die günstige Bilanz der Reise.