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Von früher Kindheit her ist der Name Cosima Wagner meinem Ohr vertraut und, seit ich kurz nach bestandenem Abitur die Bayreuther Festspiele besuchen durfte, auch Gestalt und Antlitz der bewunderungswürdigen Frau meinem Herzen. In unserem Elternhause ward viel von ihr gesprochen, stets nur voll unbeirrbarer Verehrung. Noch bis zur ersten Parzival-Aufführung (1882) war ihre Persönlichkeit heftig umstritten. Meine Mutter, immer schon glühende Anhängerin von Franz Liszt, den sie persönlich kennengelernt, von Wagner und seiner »Zukunftsmusik«, hatte als junges Mädchen in Leipzig um Cosimas willen manch heftigen Strauß mit ihrem Vater zu bestehen. Großvater nämlich gehörte dem Vorstand der Gewandhauskonzerte an, bei denen er sich in seiner angestammten Loge stolz als Vertreter der klassischen Musik fühlte und keine Parteinahme für Wagners Sache duldete. Richard Wagner war sein jüngerer Mitschüler gewesen, schon deshalb galt er ihm nie ganz für voll; für Cosimas kämpferische Natur und ihre »Skandale« fehlte seinen würdigen Patriziergrundsätzen jeder Sinn. Meine Mutter aber verstand die um zehn Jahre ältere Frau aus ihrer tief weiblichen wie aus ihrer künstlerischen Natur heraus. Sie erzog mich zu mitfühlendem Verständnis für Cosimas innere Konflikte und ihre sieghaften Verdienste um die deutsche Musik.
Dreierlei lehrte sie mich an Liszts Tochter bewundern: den Triumph ihres deutschen Blutes über das französische der d'Agoultschen Ahnen, die sittlich-stolze Haltung, mit der sie den Widerstreit der Treuepflicht bestand, und ihre opferbereite Tatkraft für Wagner als den Mann, der ohne sie zugrunde gegangen wäre.
Auf diesen drei Grundlagen habe ich meinen Roman aufgebaut, woraus schon hervorgeht, daß es eben ein Roman und keine Lebensbeschreibung ist, woraus sich weiter erklärt, daß ich nur von der jungen Cosima erzähle, dem Mädchen, der Gattin Hans von Bülows, der Helferin des ringenden Wagner. Nachdem sein Werk vollendet, er selbst dahingegangen und Cosima alleinige Herrin von Bayreuth geworden war, hat sie sich als Hüterin des Grals bewährt, aber nur noch in stiller, stetiger Arbeit – die Zeit der Kämpfe und Leiden war für sie vorüber. Heldin blieb sie zeitlebens, Romanheldin aber nur bis zu ihrem Einzug in Wahnfried, wo auch ihr Wähnen Friede fand.
Wenn ich darstelle, wie sie ihr Schicksal auf sich nahm, ihre oft qualvollen Entschlüsse und Handlungen zu deuten, die Entscheidungen ihrer großen Seele bildhaft zu machen suche, so geschieht es nicht, um die Romanliteratur mit den Liebesabenteuern irgendeiner interessanten Dame zu vervollständigen, sondern in dem Bestreben, dem deutschen Volke eine seiner edelsten Frauengestalten näherzubringen. Beispielhaft soll Cosima wirken, vor allem die jugendliche, mit Begeisterung und Tatendrang geladene, wenn möglich volkstümlich werden durch ihr jungfräulich reines und später mütterlich besorgtes Herz, ihre fast männliche Willensstärke und ihre ewig denkwürdige Leistung als Kameradin und Retterin des Meisters, im Dienste der deutschen Kunst.