Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünfundzwanzigstes Kapitel

Man kann sich denken, daß meine Leute von der Anstrengung und Ermüdung des Tages völlig erschöpft waren. Croß sagte zu mir:

»Es läßt sich nicht absehen, wie dieß enden wird, Mr. Keene; aber jedenfalls sind wir vorderhand nicht am übelsten daran.«

»Nein, Bob,« versetzte ich. »Indeß wünschte ich doch, daß die Kräfte unserer Leute nicht so mitgenommen wären.«

»O, was das betrifft, Sir, so stehe ich dafür, sie machen noch vierundzwanzig Stunden fort, wenn Sie etwas mehr Grog hergeben, vorher aber an der Tonne Jedem einen halben Zwieback reichen lassen und eine kleine Rede halten.«

»Wenn dieß Wirkung thun wird, so soll es natürlich versucht werden,« entgegnete ich. »Womit soll ich den Anfang machen?«

»Mit dem Zwieback; dann lassen Sie den Grog folgen und warten schließlich die Rede zum Nachtisch auf.«

»Der Kerl dort hat in den letzten fünf Minuten nicht mehr gefeuert. Vielleicht möchte er bis morgen Früh aussetzen, aber da bin ich nicht seiner Ansicht. Lassen Sie den Grog hübsch stark anfertigen, und mittlerweile will ich selbst Etwas zu mir nehmen, da ich heute den ganzen Tag noch nichts genossen habe.«

Sobald das Schiffsvolk seine Labung versorgt hatte, berief ich es zusammen und begann folgendermaßen:

»Meine Jungen, ihr habt euch sehr gut benommen, weßhalb ich euch meinen besten Dank abstatte. Es war harte Arbeit, und ich kann mir denken, daß ihr gehörig ermüdet seid; doch will ich euch jetzt meine Meinung sagen. Ich glaube, wir haben jenen Franzosen tüchtig gepfeffert, wie ich auch überzeugt bin, daß ihr ihm eine hübsche Anzahl Kugeln zwischen Wind und Wasser beigebracht habt. Daß er sein Feuer aufgibt, läßt uns nicht zweifeln, wie er den Kampf bis morgen verschieben möchte, um in der Zwischenzeit seine Lecke zu verstopfen und seine Beschädigungen auszubessern. Aber aus demselben Grunde, der ihm einen Aufschub gelegen macht, wünschte ich fortzufahren, denn er ist weit schwerer bewaffnet, als wir, und segelt eben so gut; wenn wir ihm daher gestatten, bis morgen Früh Alles wieder in gehörige Ordnung zu bringen, so dürfte er sich wohl als ein recht störrischer Kunde ausweisen. Ich mache euch daher den Vorschlag, zuerst neue Segel aufzuziehen und anzuschlagen, dann aber in der Nacht das Gefecht zu erneuern. Es wird nicht nöthig sein, daß ihr Alle auf dem Decke thätig seid; die Kampfmannschaft kann sich bis zum Anbruch des Tages nach gewissen Fristen ablösen.«

»Das ist ganz meine Meinung, Mr. Keene,« sagte Bob Croß.

»Die meinige gleichfalls,« versetzte der Zimmermann.

»Auch die unsrige, auch die unsrige, Mr. Keene,« rief das Schiffsvolk wie mit einer Stimme.

»Wohlan, meine Jungen, so wollen wir rüstig an's Werk geben. Wenn dieser Bursche abgefertigt ist, werden wir hinreichend Zeit haben, zu schlafen.«

Die Schiffsmannschaft ging nun mit größtem Eifer an's Werk; es wurden neue Segel aufgezogen und die zerfetzten, nachdem sie abgenommen waren, durch andere ersetzt. Da völlige Windstille herrschte, wurde unser neues Tuch beschlagen, und nun begannen wir auf's Neue zu feuern, denn wir waren dem Feinde näher, als bei unsern letzten Begrüßungen, und konnten ihn ganz deutlich unterscheiden. Wir lösten unsere Drehbasse einmal, ehe die Brigg einen Schuß erwiederte, dann aber folgte ein starkes Lagenfeuer, dessen Kugeln uns jedoch keinen Schaden zufügten, weil der Umstand, daß unsere Segel beschlagen waren, sie hinderte, uns so deutlich zu unterscheiden, als wir ihre Umrisse zu erkennen vermochten. Nach einer Weile mußten wir mit dem kleinen Geschütze unserer Breitseite arbeiten, denn unsere Drehbasse war so heiß, daß wir sie verkühlen lassen mußten, ehe wir sie wieder laden konnten. Endlich schlug eine feindliche Kugel durch unsere Brüstung ein; die Splitter verwundeten mich und den Zimmermann, doch wurde ich nicht so verletzt, um das Deck verlassen zu müssen. Ich verband mein Bein mit meinem Taschentuche, der Zimmermann aber wurde hinuntergeschafft.

»Haben Sie bedeutend Schaden genommen, Sir?« fragte Bob Croß.

»O, nicht doch; 's ist freilich eine tüchtige Fleischwunde, geht aber nicht sehr tief.«

»Eben springt ein Bischen Wind auf, Sir, und zwar gerade aus dem rechten Quartier,« sagte Bob.

»Freut mich, dieß zu vernehmen, denn es wird bald tagen.«

In diesem Augenblicke traf wieder eine Kugel eine Hängematteregeling, und ein etwa zwei Fuß langes Stück derselben wurde mit großer Gewalt gegen Bob Croß's Kopf geworfen, so daß er augenblicklich sinnlos zu Boden stürzte. Dieß war sowohl für mich als den armen Bob ein schwerer Schlag. Ich forderte zwei von den Leuten, welche hinten beschäftigt waren, auf, ihn nach meiner Kajüte hinunterzuschaffen und Alles für ihn zu thun, was in ihren Kräften stand; auch befahl ich der Geschützmannschaft, die Karronaden der Breitseite zu verlassen und das Feuer mit dem langen Zweiunddreißigpfünder zu erneuern. Eine Viertelstunde später kam eine sehr starke Kühlte herunter, weßhalb ich mich entschloß, vorauszuschießen und mich weiter von meinem Gegner zu entfernen, da ich dann hoffen durfte, meine Drehbasse mit mehr Sicherheit benützen zu können. Die Segel wurden gelöst, und der Schooner schoß schnell durch das Wasser. Obschon die Brigg gleichfalls den Vortheil des Windes hatte, so blieb sie doch hinter uns zurück, und die Kugelgrüße hielten für eine Weile inne. Nach einiger Erwägung entschied ich mich für eine Zögerung bis zu Tagesanbruch, zu dem wir nur noch etwa eine halbe Stunde hatten; dann gedachte ich das Gefecht zu erneuern.

Nicht ohne Mühe gelang es mir, mit meinem Beine, welches so taub war, daß ich es kaum fühlte, in die Kajüte hinunter zu hinken, um nach Bob Croß zu sehen. Er gab zwar Lebenszeichen von sich, war aber ganz verwirrt und redete irre. Indeß hatte, soweit ich es zu beurteilen vermochte, seine Hirnschale keine Beschädigung erlitten, obgleich der Splitter einen großen Theil der Kopfhaut abgestreift hatte und unser Patient ganz mit Blut übergossen war. Vorderhand vermochte er mir also keinen Beistand zu leisten, und da auch ich ihm nichts nützen konnte, so begab ich mich wieder auf das Deck, wo ich mich niedersetzte, denn mein Bein fing an, mich dermaßen zu schmerzen, daß ich kaum ein paar Minuten zu stehen fähig war.

Endlich grauete der Tag, und ich vermochte die beiden feindlichen Fahrzeuge deutlich zu unterscheiden. Der Firefly war anderthalb Meilen von der Brigg entfernt, während letztere, seit dem Aufspringen des Windes, um etwa eine Meile dem Schooner vorausgetrieben hatte. Dieser war im Laufe der Nacht mit einem Stumpenmast zu Stande gekommen; da er sich aber nicht rühren konnte, ohne die Hintersegel zu kürzen, und er das große Segel dicht gereeft hatte, so konnte er keine sonderlich bedeutenden Fortschritte machen. Die Brigg hatte an Segel und Tauwerk bedeutend Noth gelitten, wie ich denn auch alsbald bemerkte, daß ich nunmehr den Vortheil des Segelns hatte. Ich halsete daher rundum und steuerte auf sie zu; die Brigg that ein Gleiches und näherte sich dem Schooner, um demselben Beistand zu leisten. Wir fingen sogleich an, unsere lange Kanone spielen zu lassen, und als wir dem Feinde auf eine Meile nahe gekommen waren, ließ ich beilegen. Brigg und Schooner machten sich jetzt breit und gaben uns ihre Lagen. Dieß war jedoch kaum geschehen, als der Midshipman auf dem Deck rief:

»Ein großes Segel kömmt vor dem Winde herunter, Mr. Keene.«

Ich griff nach meinem Fernglase. Es war eine Kriegsschaluppe, augenscheinlich nach englischer Weise aufgetakelt und besegelt.

»Es muß die Najas sein,« sagte ich. »Nun, freut mich immerhin, sie zu sehen. Wir verlieren zwar etwas Prisengeld, können aber jedenfalls ihren Wundarzt in Anspruch nehmen, was im Augenblick von größerer Wichtigkeit ist.«

Meine völlig erschöpfte Mannschaft war hoch erfreut über das Erscheinen eines befreundeten Fahrzeugs. Die Brigg hatte ihre Leesegel beigesteckt. Augenscheinlich war auch ihr das Schiff windwärts nicht entgangen, denn sie versuchte zu entwischen und der Schooner folgte ihr, so gut er konnte. Ich jagte dem letzteren augenblicklich nach, und als ich ihm wieder mit meinem Geschütze zusetzte, holte er seine Flagge herunter. Ich hielt mich nicht damit auf, ihn in Besitz zu nehmen, sondern verfolgte die Brigg, welche ebensogut vom Winde ab zu segeln schien, als wenn sie dicht beim Wind braßte. Ein paarmal drehte sie sich, um mein Feuer zu erwiedern; dann aber fuhr sie fort, vor dem Winde zu laufen, schaffte jedoch zwei ihrer Kanonen nach hinten, mit denen sie mein Takelwerk zu zerreißen versuchte. Inzwischen hatte das fremde Schiff im Luv die englischen Farben aufgehißt und kam unter einer stattlichen Kühlte herunter. Dieß war ein großes Glück, denn meine Fockstange war durch eine Kugel der Brigg abgeschossen worden, so daß ich jetzt zurückbleiben mußte.

Wir hatten kaum eine neue Fockstange angebracht und wieder Segel gesetzt, als die Najas, welche in gleicher Weise wie ich rechnete, an dem Schooner vorbei kam, ohne von ihm Besitz zu nehmen, und gar bald keine Meile von uns entfernt war. Eine halbe Stunde später kam sie an unsere Seite und rief mir zu, ich solle die Segel beim Winde holen und den Schooner besetzen, worauf sie fortfuhr, der Brigg nachzujagen. Ich gehorchte dem Befehle, und als ich meine Mannschaft an Bord des Schooners steigen ließ, hatte die Brigg beigelegt und ihre Flagge vor der Najas gestrichen.

Wir liefen nunmehr mit der Prise auf die befreundete Schaluppe zu, setzten ein Boot aus und erbaten uns unverzögerten chirurgischen Beistand. Die Najas sandte uns in einem ihrer Boote den Wundarzt nebst seinem Gehülfen und einem Lieutenant, der mir einen Bericht über die Einzelnheiten des Gefechtes abverlangte.

Der Lieutenant erzählte mir, sie hätten Morgens um ein Uhr das Feuern gehört und wären dem Schalle nachgesegelt; deßgleichen theilte er mir mit, die Brigg sei so zerschossen und leck, daß man sie wohl kaum in einen Hafen bringen werde.

Jetzt fühlte ich mich aber durch den Schmerz meiner Wunde und durch die Erschöpfung so angegriffen, daß ich beinahe ohnmächtig wurde. Man schaffte mich hinunter, um mir einen Verband anzulegen. Meine sämmtlichen Verwundeten waren bereits bedient, und ich hatte die Freude, zu hören, daß Bob's Wunde zwar sehr bedeutend, aber doch nicht lebensgefährlich sei. Der Gehülfe des Wundarzts erhielt den Auftrag, bei uns an Bord zu bleiben; auch schickte der Kapitän der Najas alle meine Leute zurück, besetzte die Prisen mit seiner eigenen Mannschaft und ertheilte mir den Befehl, mich zu ihm zu halten. Sobald meine Wunde verbunden war, wurde ich zu Bette gebracht. Ich fühlte mich jetzt bedeutend erleichtert, und bald umschwebte der Schlummer, ein willkommener Gast, mein Lager.

*

 


 << zurück weiter >>