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Achtzehntes Kapitel

Obgleich ich so viel zu sagen habe, daß ich eigentlich wohl die Schilderung der Mehrzahl meiner Begleiter übergehen sollte, so erscheint es mir doch passend, ein einziges Kapitel einer nähern Beschreibung Derjenigen zu weihen, mit welchen ich an Bord der Kalliope hauptsächlich in Berührung kam.

Von dem ehrenwerthen Kapitän Delmar ist schon viel die Rede gewesen; doch muß ich ihn noch ein wenig ausführlicher schildern. In seiner Jugend mußte er ein sehr schöner Mann gewesen sein, denn er hatte sogar jetzt noch, in einem Alter von beinahe fünfzig Jahren, und obgleich sein Haar und Backenbart etwas mit Grau gemischt war, eine hübsche Figur, eine blühende Gesichtsfarbe, große blaue Augen, eine schön geformte Nase und einen vollkommenen Mund. Er maß volle sechs Fuß und ging so aufrecht, daß er sogar noch größer aussah.

In allen seinen Bewegungen lag eine gewisse Abgemessenheit und Würde. Wenn er sich an Jemanden wandte, geschah es langsam und bedächtig – nichts Hastiges und Uebereiltes in seinem Wesen. Bei dem unbedeutendsten Anlaß verschanzte er sich mit der ganzen Konsequenz eines spanischen Hydalgo hinter die Etikette, wie er denn auch fast in jeder Handlung, fast in jedem Worte zeigte, daß er keinen Augenblick seine hohe Geburt vergaß.

Wohl Niemand, als ich, würde je daran gedacht haben, sich eine Freiheit gegen ihn zu erlauben; denn wenn auch viel Pomphaftes an ihm war, so war es doch der Pomp eines Gentlemans von hoher Stellung, der sich selbst achtete und daher verlangte, daß auch Andere ihn achteten.

Daß seine außerordentliche Abgemessenheit bisweilen eine possierliche Seite zeigte, ist allerdings wahr: indeß lachte man nur ganz in der Stille, denn Niemand getraute sich, seiner Heiterkeit laut Raum zu geben. Hinsichtlich seiner Eigenschaften als Offizier und Seemann kann ich nur sagen, daß man dieselben in hohem Grade respektirte. Lange Gewohnheit hatte ihn die Obliegenheit eines Kommandirenden aus dem Grunde kennen gelehrt, und was die nautische Technik betrifft, so lag es in seinem Charakter, sich weder gegen Matrosen noch Offiziere so weit herabzulassen, daß diese hätten erfahren können, ob er Etwas von derselben verstand oder nicht.

Sein moralischer Charakter war schwer zu ergründen. Allerdings konnte man mit Zuversicht annehmen, daß er nie Etwas that, was dem Rufe eines Mannes von Stande nur im Mindesten hätte zu nahe treten können; indeß war er so sehr in seine Ausschließlichkeit eingehüllt, daß es fast unmöglich wurde, etwas von seinem Herzen kennen zu lernen. Hin und wieder, aber freilich nur sehr selten, konnte sich ein Zug desselben äußern; aber dann war es auch nur für einen Augenblick, und alsbald folgte wieder die frühere Zurückhaltung.

Daß er selbstsüchtig war, läßt sich nicht in Abrede ziehen; aber wer wäre es nicht? Und Leute von hoher Stellung sind es noch mehr, als Andere, nicht so fast, weil es in ihrem Wesen liegt, sondern weil ihr Ich von ihrer Umgebung so gar ermuthigt wird. Sein Stolz war leicht gekränkt, aber über grobe Schmeicheleien war er erhaben. In der That glaube ich auch, daß er von allen Personen im Schiff vor dem unterwürfigen Culpepper die allerwenigste Achtung hatte. So viel über den ehrenwerthen Kapitän Delmar.

Mr. Hippesley, der erste Lieutenant, war ein breitschultriger, unmanierlich aussehender Mann, der eher einem Unteroffizier, als einem ersten Lieutenant glich. Indeß war er ein vortrefflicher Seemann und, so weit er dieß in seiner Stellung sein durfte, ein sehr gutmüthiger und wohlwollender Mann. Er verlangte weiter nichts, als daß man seinen vorübergehenden Zorn ungehemmt durch das Sicherheitsventil seines Mundes entweichen ließ; versah man's hingegen, so war eine Explosion das unausbleibliche Resultat.

Er war, wie man zur See zu sagen pflegt, seinem Schiffe angetraut – das heißt, er setzte selten einen Fuß an's Land, und wenn es einmal geschah, so beeilte er sich, was er konnte, um wieder an Bord zu kommen. Er stand auf einem guten, aber nicht vertraulichen Fuße mit seinen Tischgenossen, und benahm sich sehr achtungsvoll gegen den Kapitän. Wohl kein anderer Offizier im Dienst würde so gut zu Kapitän Delmar gepaßt haben, als Mr. Hippesley, der wohl hin und wieder über Zurücksetzung brummte, aber doch im Ganzen die Sache ganz gleichgültig zu nehmen schien.

Die Matrosen waren ihm sehr zugethan, wie dieß überhaupt immer der Fall ist, wo ein Mann, was auch seine übrigen Eigenschaften sein mögen, Konsequenz beobachtet und stets auf seinem Posten ist. Nichts ist der Mannschaft unangenehmer, als unter Jemanden zu segeln, von dem man, wie's auf Schiffen heißt, nie weiß, wo man ihn suchen muß.

Der zweite und dritte Lieutenant, Mr. Percival und Mr. Weymß, waren junge Männer von guter Familie, gegen die sich Kapitän Delmar mit einem Anfluge von Vertraulichkeit benahm; sie waren sehr gesittet in ihrem Benehmen, gute Seeleute und freundlich gegen ihre Untergebenen.

Mr. Culpepper, der Proviantmeister, war mir ein Gräuel – ein garstiger, ohrwieselnder, schmeichelnder, kratzfußender, alter Spitzbube. Der Schiffer, Mr. Smith, war ein sehr ruhiger Mann, einfach und anspruchslos, aber seinem Dienste, in dem er unablässig beschäftigt war, in hohem Grade gewachsen.

Der Offizier der Seesoldaten, Mr. Tusk, war ein Nichts in eine rothe Jacke gesteckt. Der Wundarzt war ein großer und in seinem Anzug eitler Mann, aber gebildet, freundlichen Charakters und erfahren in seiner Kunst.

Meine Tischgenossen waren meistens junge Leute von guter Geburt, Tommy Dott und Mr. Green ausgenommen, von denen der erstere der Sohn eines Schiffsunteroffiziers, letzterer der Sohn eines Schuhmachers in London war. Ich will indeß die Zeit meines Lesers nicht länger unnütz in Anspruch nehmen, da die betreffenden Personen gehörigen Orts auftreten werden. Also fort in meiner Geschichte.

Es ist Midshipmans Brauch, sich an Mundvorrath und Branntwein mehr als die regelmäßig bestimmten Rationen reichen zu lassen, und dafür dem Proviantmeister eine Extrasumme zu bezahlen; darauf mochte aber Mr. Culpepper nicht eingehen, wie er denn überhaupt der widerlichste alte Filz war, mit dem ich je dienstlich zu thun hatte. Wir bekamen nie genug zu essen, sehr wenig Grog, und sogar nicht einmal so viele Lichter, als wir brauchten.

Wir beschwerten uns bei dem ersten Lieutenant, der übrigens nicht geneigt war, uns beizustehen, da wir, wie er sagte, unsere Rationen erhielten und weiter nichts verlangen könnten; zuviel Grog sei uns schädlich, und die Lichter veranlaßten uns nur, lange aufzubleiben, wenn wir in den Betten sein sollten; auch hielt er außerdem sehr strenge darauf, daß die Lichter zur gehörigen Zeit gelöscht wurden. Aber eben dieß gab Anlaß zum beharrlichen Krieg zwischen den Midshipmen und Mr. Culpepper.

Doch da half Alles nichts. Er traute kaum seinen eigenen Aufseher oder dem Mate des Hauptdecks, denn so oft er konnte, war er bei Verabreichung des Mundvorraths und beim Mischen des Grogs zugegen; kein Wunder also, daß er für einen reichen Mann galt. Auch benahm er sich gegen Niemand höflich, als gegen den ersten Lieutenant und den Kapitän, in deren Macht es gegeben war, ihm Ungelegenheiten zu bereiten und seinen Gewinn zu schmälern.

Gegen den Kapitän war er ganz Unterwürfigkeit. Alles, was dieser wünschte, wurde bereitwillig und unter tiefen Bücklingen in Vollzug gesetzt, und durch diese scheinbare Liberalität gewann der Proviantmeister einen bedeutenden Stein im Brett, da ihm der Kapitän gerne Alles nachsah, wenn nur seine eigene Bequemlichkeit nicht nothlitt. Mr. Culpepper verdankte daher seinen demüthigen Bitten und unterwürfigen Bücklingen manches gute Geschäft.

Wir waren ungefähr eine Woche zur See gewesen und steuerten auf die Insel Madeira zu, welche wir am nächsten Morgen zu erreichen hofften. Unsere Bestimmung war ein Geheimniß, da der Kapitän mit versiegelten Ordres segelte, die erst in der Höhe dieser Insel geöffnet werden sollten.

Das Wetter war warm, sehr schön, und der Wind hatte sich gelegt, als mit Sonnenuntergang vom Mastkorbe aus Hochland angekündigt wurde, das etwa vierzig Meilen abliegen mochte. Ich war, wie auf dem früheren Kreuzzuge, Signalmidshipman und hatte Tagdienst – das heißt, meine Verrichtungen waren mit Sonnenuntergang zu Ende.

Ich war mit mir zu Rathe gegangen, wie allenfalls Mr. Culpepper ein Possen zu spielen sei. Die Midshipmen hatten zwar oft den Vorschlag gemacht, wir sollten etwas der Art mit ihm anfangen, aber wenn Etwas geschehen sollte, so war ich fest entschlossen, Niemand in Mitwissenschaft zu ziehen. Tommy Dott gerieth oft auf einen guten Gedanken, den ich jedoch stets zurückwies, da ein Geheimniß bloß dann ein solches genannt werden kann, wenn es nur einer einzigen Person bekannt ist. Ich berieth mich daher niemals mit Bob Croß, weil ich wußte, daß er mir die Sache ausgeredet hätte; wann aber ein Schwank einmal glücklich ausgeführt war, pflegte ich mich ihm anzuvertrauen.

Ich habe schon oben bemerkt, daß Mr. Culpepper eine Flachsperücke trug, und aus seinem Geize folgerte ich, daß er wahrscheinlich nicht mehr als die einzige an Bord hatte. Seine Perücke sollte daher der Gegenstand meiner Rache sein, und ich beschloß, in der ersten Nacht, nachdem wir an Madeira gelandet, meinen Plan in Ausführung zu bringen.

Der Bequemlichkeit wegen hatte der erste Lieutenant eine kleine Leiter, welche durch die Lichtöffnung der Konstabelkammer hinunterging, so daß man direkt hinabsteigen konnte und nicht nöthig hatte, sich der hintern Lucke zu bedienen, und von dort aus durch die Thüre der Konstabelkammer, wo die Schildwache aufgestellt war, einzutreten.

Ich ging nach meiner Hängematte und schlief, bis die mittlere Wache gerufen wurde; dann stand ich auf und kleidete mich, ohne bemerkt zu werden, an.

Sobald der Matrose, welcher sein Licht angezündet, den Lieutenant der mittleren Wache aufgerufen und ihm die Kerze gelassen hatte, damit er sich ankleiden möge, kam ich mittelst der hintern Leiter herauf und ersah die Gelegenheit, bis die Schildwache an der Kapitäns-Kajüte vorwärts gegangen war; dann schlich ich sachte durch die Leiter an der Lichtöffnung in die Konstabelkammer hinunter. Das Licht in der Kajüte des Lieutenants, welcher sich ankleidete, war ganz hinreichend, und die Hitze so groß, daß alle Offiziere, der Lüftung wegen, bei offenen Thüren schliefen. Es wurde mir daher nicht schwer, des Proviantmeisters Perücke an mich zu bringen, mit welcher ich unbemerkt entwischte und alsbald nach meiner Hängematte zurückkehrte, um zu erwägen, was ich weiter mit meinem Raube anfangen sollte.

Sollte ich sie über Bord werfen, in die Pumpe hinunterstopfen, oder in den Schiffskessel fallen lassen, damit sie zum Vorschein komme, wenn die Erbsensuppe zum Mittagessen ausgeschöpft wurde – oder sollte ich sie vorn in den Koben praktiziren, wo die Schweine waren?

Während ich mir die Sache also überlegte, kam der Midshipman von der ersten Wache herunter und legte sich zu Bette. Dann wurde Alles wieder ruhig, mit Ausnahme der gelegentlichen Nasenmelodien einiger schwerer Schläfer.

Endlich guckte ich unschlüssig durch die Maschen meiner Hängematte, um zu sehen, was die Schildwache vor der Konstabelkammer machte; sie hatte sich auf eine Truhe gesetzt und war fest eingeschlafen. Dieser Mann war jetzt in meiner Macht, weßhalb ich ihn nicht zu fürchten brauchte, und nun kam mir der Gedanke zu Sinn, die Perücke des Proviantmeisters anzubrennen. Ich ging leise auf das Licht der Schildwache zu, nahm es von dem Haken herunter und begab mich damit nach dem Krankenverschlag hinunter, da dieser Platz am besten für meine Operationen paßte. Die Perücke war sehr schmierig, und jede Locke, die ich an's Licht hielt, flammte hell auf, recht hübsch bis auf einen Viertelszoll an die Haubenunterlage abbrennend.

Dieß war bald geschehen. Ich stellte das Licht der Schildwache wieder an seinen Ort, und als ich fand, daß die Thüre der Konstabelkammer offen stand, schlich ich sachte hinein, legte die Perücke hin, wo ich sie weggenommen, ging an der noch immer schlafenden Schildwache vorbei und gelangte wieder in meine Hängematte, in welcher ich mich auszukleiden gedachte. Eins hatte ich jedoch vergessen, woran ich indeß bald erinnert wurde – ich hörte die Stimme des wachhabenden Offiziers der Schildwache an der Kajütenthüre zurufen –

»Schildwache, was ist das für ein Brandgeruch?«

»Ich weiß nicht, Sir,« versetzte die Schildwache. »Ich dachte eben, nach dem Schiffs-Korporal zu gehen.«

Der Geruch, der allmählig von dem Krankenverschlag heraufgestiegen war, verbreitete sich jetzt von Deck zu Deck und wurde stärker und stärker. Die Schildwache vor der Konstabelkammer sprang bei dem Rufe des Lieutenants auf und verkündete, daß es sehr stark im Krankenverschlag rieche. Der Lieutenant und der Mate der Wache kamen herunter, und man glaubte augenblicklich, die Branntweinstube habe Feuer gefangen, denn es roch wirklich ungemein stark.

Der erste Lieutenant, welcher durch die Stimmen geweckt worden, war in einer Minute auf den Beinen; er beschnüffelte den Krankenverschlag, befahl dem Offizier der Wache, den Tambour zu rufen, damit er die Leute an ihre Posten trommle, und eilte hinauf, um dem Kapitän Meldung zu machen.

Der Trommler war im Augenblick aus seinem Neste, ergriff seine Trommel, die am großen Mast hing, und schlug im Hemde Alarm.

Die ganze Schiffsmannschaft stand bei diesem Tone auf, denn sie wußte, daß dieses Signal nur etwas sehr Wichtiges betreffen konnte; auch folgten dem Wirbeln der Trommel die schrillen Pfeifentöne der Hochbootsmannsmaten an jeder Luke.

In diesem Augenblicke rief ein erschrockener Matrose, der zu der Wache gehörte, daß es im Schiff brenne, und die unteren Decken waren im Nu ein Schauplatz des Tumults und der Verwirrung.

Es gibt wohl nichts Schrecklicheres, als einen Feuerlärm zur See, denn man hat da die Ueberzeugung, daß kein Entkommen möglich ist: die einzige Wahl besteht darin, ob man durch Wasser oder Feuer umkommen will. Wenn ein solcher Ruf aber schon bei Tag schrecklich ist, um wie viel mehr muß er es nicht bei Nacht sein, wenn Alles sich einem vermeintlichen sichern Schlafe hingegeben hat.

Der Kapitän hatte sich hurtig angekleidet und stand jetzt auf dem Halbdecke. Er war augenscheinlich ruhig und gefaßt; aber wie gewöhnlich versah der erste Lieutenant den Dienst und benahm sich mannhaft darin.

»Wo ist der Geschützmeister? Mr. Hutt, bringen Sie mir die Schlüssel aus meiner Kajüte, und halten Sie Alles bereit, daß erforderlichen Falls die Pulvermagazine geräumt werden könnten. Löschmannschaft an die Eimer! Zimmerleute, die Pumpen hergerichtet! Stille da, vorn und hinten!«

Aber die Verwirrung war schon zu groß geworden, und allenthalben herrschte ein panischer Schrecken. Der Kapitän legte sich dann in's Mittel, und rief dem Hochbootsmann und seinen Matrosen zu, daß sie die ganze Mannschaft hinten auf das Halbdeck schicken sollten.

Dem Befehl wurde Folge geleistet. Die Mannschaft drängte sich athemlos und in buntem Durcheinander wie eine Schafheerde heran.

»Stille da, ihr Leute,« rief Kapitän Delmar – »stille, sage ich. Ist das auch ein Betragen von der Mannschaft eines Kriegsschiffes? Jeder setze sich auf dem Decke nieder – ich befehle, daß sich Jeder setze.«

Der Ordre wurde mechanisch Folge geleistet, und sobald sich die Schiffsmannschaft gesetzt hatte, fuhr der Kapitän fort:

»Ich kann Euch nicht bergen, ihr Jungen, daß ich mich Eurer schäme. Ruhe und Besonnenheit, Schweigen und Ordre pariren ist der einzige Weg, der das Löschen eines Feuers möglich macht. Faßt Euch daher, ihr alle mit einander, denn ihr sollt mir hier sitzen bleiben, bis ihr alle ruhig und kaltblütig seid.«

Nach einer Pause von etlichen Sekunden sagte er:

»Nun, ihr Männer, kann man sich jetzt auf Euch verlassen? Erinnert Euch, daß es der Besonnenheit und der Stille bedarf. Zimmerleute, sind die Pumpen hergerichtet?«

»Ja, Sir,« lautete die Antwort.

»Die Löschmannschaft soll jetzt ihre Eimer holen; Niemand anders rühre sich. Stille – kein Wort! Drei Fockmastkanoniere des Hauptdecks an ihre Posten. Stille und ruhig, sage ich! Habt Ihr Euch jetzt alle gesammelt? Wohlan denn, auf Eure Posten, ihr Männer, und wartet auf Befehl!«

Es war erstaunlich, wie imponirend dieses umsichtige Benehmen des Kapitäns, der jetzt zu kommandiren fortfuhr, auf die Schiffmannschaft wirkte. Nachdem die Leute ihren Posten eingenommen, beauftragte er die zwei jüngeren Lieutenants, nachzusehen, wo das Feuer sei, und namentlich die Luken nicht zu öffnen, wenn sie entdeckten, daß es sich in dem Branntweinstübchen befinde.

Ich befand mich schon eine Weile auf dem Halbdeck und war natürlich durchaus nicht beunruhigt, da ich gleich merkte, wo das Ganze herrührte. Auch hatte ich mir viele Mühe gegeben, die Matrosen ruhig zu erhalten, indem ich diejenigen, welche nicht sitzen wollten, niederdrückte und sogar sehr rauh behandelte. Kurz, ich zeigte mehr Kaltblütigkeit, als alle übrigen Offiziere, was natürlich nicht zu verwundern war.

Mr. Culpepper, der in den höchsten Todesängsten schwebte, war auf das Deck heraufgekommen, und stand zitternd neben dem Kapitän und dem ersten Lieutenant. Er hatte seine Perücke aufgesetzt, ohne zu entdecken, daß sie angebrannt war, und als ich an ihm vorbeiging, bemerkte ich einen in der That sehr starken Brandgeruch. Gleicher Ansicht waren auch der Kapitän und der erste Lieutenant, welche die Rückkehr der Offiziere erwarteten.

»Ich rieche eben jetzt das Feuer sehr stark,« sagte der Kapitän zum ersten Lieutenant.

»Ja, Sir, hin und wieder verbreitet sich ein sehr nachdrücklicher Geruch,« versetzte der erste Lieutenant.

Die Perücke des Proviantmeisters befand sich zwischen beiden, weßhalb es kein Wunder war, daß sie dieselbe rochen. Nach zwei oder drei Minuten kamen die Offiziere herauf und meldeten, daß sie kein Feuer entdecken könnten; auch lasse sich unten nur sehr wenig Brandgeruch verspüren.

»Und doch bemerke ich ihn jetzt,« sagte Kapitän Delmar.

»Ich gleichfalls, Sir,« versetzte der zweite Lieutenant; »übrigens finde ich, daß es oben auf dem Verdecke weit stärker riecht, als d'runten!«

»Das ist doch sehr sonderbar. Setzen wir die Nachforschungen fort!«

Man spähte weiter. Der erste Lieutenant ging nun selbst hinunter, und kam nach einer Weile mit der Meldung zurück, daß der Geruch in des Proviantmeisters Kajüte am stärksten sei.

»Mr. Culpepper, der Geruch soll von Ihrer Kajüte herrühren,« sagte Kapitän Delmar. »Gehen Sie mit hinunter, daß man Ihre Schubladen öffnen kann.«

Mr. Culpepper, der noch wie ein Espenlaub zitterte, stieg die Leiter hinunter, und ich hintendrein. Auf der zweiten Leiter glitt jedoch sein Fuß aus, und er fiel durch die Luke auf das Unterdeck hinab.

Ich eilte ihm nach, und da er ganz betäubt war, so hielt ich dieß für eine gute Gelegenheit, ihm seine Perücke abzureißen. Dieß wurde denn auch geschickt in's Werk gesetzt und das corpus delicti versteckt. Man schaffte den Proviantmeister nach der Konstabelkammer und rief dem Wundarzt, während ich nach dem Decke hinaufging und die Perücke an dem Gange ruhig über Bord fallen ließ.

Der Grund, warum ich dieses that, war folgender: Es war mir nämlich nicht entfernt eingefallen, daß mein Schwank eine solche Verwirrung veranlassen und Offiziere und Mannschaft dermaßen in Allarm bringen könnte. Ich dachte nun, die Perücke des Proviantmeisters würde am andern Morgen den Brandgeruch erklären und eine Untersuchung herbeiführen, die, wenn auch nicht gerade Entdeckung, so doch Verdacht zu Folge haben konnte. Jetzt aber amüsirte sich die Perücke auf den Wogen des Meeres, und mit ihr war auch Alles weg, was Zeugniß hätte ablegen können.

Da man nach fast halbstündigem Suchen nichts entdeckt hatte, so erhielt der Tambour Befehl, Retraite zu schlagen, und Alles war wieder ruhig.

Sehr zufrieden mit den Ereignissen der Nacht ging ich zu Bette, und schlief den Schlaf der Unschuld – wenigstens war der meinige eben so gut.

Diese geheimnißvolle Angelegenheit blieb stets ein Geheimniß. Der einzige Verlust dabei war die Perücke des Proviantmeisters, was jedoch nicht viel besagen wollte, da Herr Culpepper zugab, er habe nicht gewußt, wo ihm der Kopf stehe, weßhalb es leicht möglich sei, daß er sie in der Verwirrung über Bord geworfen habe.

Mein Benehmen bei dieser Gelegenheit erwarb mir damals großen Kredit. Sowohl der Kapitän, als die Offiziere, waren Zeuge davon gewesen, und ich stieg in ihrer Achtung. Freilich ist es eine andere Frage, ob ich mich ebenso benommen hätte, wenn ich wirklich des Glaubens gewesen wäre, daß das Schiff in Brand stehe. Ich vermuthe, daß ich mich dann doch etwas gefürchtet haben würde. Indeß gedachte ich, unter so bewandten Umständen die Ehre mir immerhin zuzueignen, weßhalb es auch eine sehr lange Zeit anstand, bis ich sogar gegen Bob Croß einen Wink über das Geheimniß fallen ließ.

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