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31. Moses

Benachbart diesen Spekulationen, die aus Freuds einmal gegebenen Dogmen folgen, liegen Gedanken über Moses, die zum Teil historisch kontrollierbar sind. Am Ende seines Lebens unternahm es der achtzigjährige Freud, den Juden ihren Stammvater zu nehmen und Moses als Ägypter vorzustellen, zugleich den Monotheismus als ägyptische Erfindung.

Auch hier liegt eine Analyse, ein Vaterkomplex, es liegt das sexuelle Problem zugrunde. Da ich mich in dieser schwierigen Frage nicht sicher fühlte, habe ich einen Kenner gefragt, und zwar den größten. Professor A. S. Yahuda, der seit seinem Werk »The Accuracy of the Bible« für den ersten Kenner und einen der wenigen gilt, die das Ägyptische und das Hebräische zusammen beherrschen, hat Freuds Werk über Moses in einem Essay widerlegt, das fast so lang ist wie Freuds Schrift. Für meinen Zweck hat er mir das Folgende geschrieben:

»Zunächst kann Freuds Schrift schon deshalb nicht für wissenschaftlich gelten, weil er sich selbst für nicht kompetent erklärt und auf andere Autoritäten stützen zu müssen glaubt. Da ihm die nötigen Kenntnisse der Frage fehlen, widerspricht er sich beständig, behauptet aber, seine Schlüsse wären richtig. Das Schlimmste ist, er folgt seinen Quellen nur so weit, als sie seine Theorien stützen, verläßt sie aber, wo sie ihnen widersprechen. Seine Hauptquelle, daß Monotheismus nicht von Moses geschaffen wurde, sondern von Akhenaton, ist James Breastead, dessen Behauptungen grade durch die Inschriften des Akhenaton als Fälschungen erwiesen sind. In Wahrheit anerkannte dieser König nicht bloß viele andere Götter, er vergöttlichte auch sich selbst und opferte seinem eigenen Bildnisse: so sehr war er Monotheist.

»Das Komischste aber ist, daß Freud zwei Moses entdeckte, einen echten, der ein Ägypter war, und einen falschen hebräischen: daß der Ägypter von den undankbaren Hebräern ermordet und dann der falsche hebräische mit den fremden Ideen ausgestattet wurde. Die Geschichte dieser Ermordung hat Professor Sellin vor fünfundzwanzig Jahren auf die falsche Auslegung einer Bibelsteile begründet, die er nicht verstand. Zehn Jahre später erklärte Sellin, er habe sich geirrt.

»Als ich Freud im Jahre 38 in London riet, er solle widerrufen wie Sellin, denn es sei alles falsch, was sich auf die falsche Mördergeschichte stützte«, erwiderte er ganz ruhig:

»Und doch könnte es wahr sein, denn es paßt so gut in den Rahmen meiner These.«


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