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Die »Biskra« nähert sich den Ufern Französisch-Guayanas. Sie biegt in den Fluß Maroni ein, wir fahren durch Urwald. Mangroven, die aus dem Wasser in die Höhe wachsen, stehen wie Wächter vor dem wilden Durcheinander der Schlinggewächse, der einsam in die Höhe ragenden Palmen, Zedern und Mahagonibäume.
Indianerhütten tauchen auf, und sittsam angezogene Indianer sehen dem Schiff neugierig nach. Die Indianer haben nicht die geringste Ähnlichkeit mit den Häuptlingen, die als Letzte ihres Stammes Europa besuchen. Sie sind mit banalstem und häßlichstem Kattun bekleidet. Die Missionare haben es auf sie sehr abgesehen, sie haben die Indianer über die Sünde der Nacktheit aufgeklärt, außerdem aber gibt es besondere Gesetze, die ihnen ihre Kleidung vorschreiben, wenn sie in auch von weißen Menschen bewohnten Gegenden sich aufhalten.
Die Missionare und die Gesetze sind weniger erfolgreich bei den Buschnegern, die Nachkommen aufständischer und entkommener Sklaven sind. Sie haben ihre Freiheit nicht geschenkt bekommen, sie mußten sie schwer erringen. Ihre Herren, die sie beherrschten und quälten, mußten daran glauben. Sie haben manchen holländischen Mijnher und französischen Grandseigneur aufgeknüpft, bevor sie in den Urwald flohen und wieder zu ihren afrikanischen Gewohnheiten zurückkehrten.
Sie paddeln jetzt in ihren leichten Correals, die sie aus einem Baumstamm selbst verfertigen, laut schreiend an unserem Schiff vorbei. Die meisten Männer, Frauen und Kinder sind mit nichts weiter bekleidet als mit ihren überaus kunstvollen Tätowierungen. Das ist eine besondere Kunst des Urwalds, auf der Haut durch Pflanzenpräparate perlenförmige Anschwellungen hervorzubringen. So erscheint ihre Gottheit, die heilige Schlange, um den Nabel, stilisierte Pflanzen auf den Wangen, Symbole ihrer bösen und guten Geister auf der Stirn. Auf den Rücken eines der Buschneger, der in seinem Correal aufgestanden ist und jetzt mit wenig freundlichen Gebärden der »Biskra« seinen Unwillen über das Eindringen in seine Welt kundtut, ist ein Makatonki tätowiert, der heilige Baum der Buschneger.
Große und vielfarbige Schmetterlinge und ihr leises und hohes Kwi-Kwi rufende Kolibris begannen unser Schiff zu umschwirren.
43 Vom nahen Ufer hörten wir deutlich das Kreischen der Papageien, und hie und da tauchten auf einen kurzen Augenblick erschrockene Affen im Blättergewirr auf. Je urwäldlicher es um uns wurde, um so mehr veränderten sich auch die Passagiere der ersten Klasse. Sie wurden aber im Gegensatz zur Natur immer kultivierter und förmlicher. Die verdrossenen Kleinbürger, die mit Schaudern an die zukünftigen Jahre ihres Exils dachten und die noch zum Frühstück in Pantoffeln und zerdrückten Morgenröcken Monsieur Blanc, den großen Kenner Französisch-Guayanas auf der »Biskra«, um Informationen bestürmten, staken jetzt in den tadellosesten, blendend weißen Tropenanzügen, geschmückt mit Bändchen, Auszeichnungen. und Epauletten. Schneeweiße Tropenhelme beschatteten die in Brillantine erstrahlenden Schnurrbärte, und um das Bild martialischer Erscheinung zu vervollständigen, hatten sie ihre im allgemeinen wenig schlanken Taillen mit Revolvern umgürtet. Einer der zukünftigen Kerkermeister von Cayenne zog sogar weiße Handschuhe an. Die Gesellschaft sah wirklich tadellos aus, wie Soldaten aus einem Warenhaus, frisch geliefert für den Geburtstagstisch eines braven Knaben.
Wie aber werden sie den Gefangenen gefallen?
Die Passagiere der ersten Klasse dachten jetzt weniger an die Sträflinge, sie sahen besorgt nach den Kolibris und den nackten Buschnegern.
»Mein Gott«, sagten sie besorgt, »das ist ja wirklich die richtige Wildnis, so schlimm haben wir es uns doch nicht vorgestellt.«
»Cayenne ist besser«, beruhigte sie Monsieur Blanc, der Kenner, »das hier ist das schlimmste Nest, dieses verfluchte Saint-Laurent-du-Maroni.«
»Und ich muß hierbleiben«, seufzte Monsieur Vautier, der aus der Stille eines Provinzgefängnisses in Südfrankreich aus unbekannten Gründen hierher versetzt wurde. »Ich habe gehört, daß hier unzählige Gefängniswärter von den Verbrechern ermordet wurden.«
»Das mag schon stimmen«, sagte Monsieur Blanc trocken und grausam, er fuhr nach Cayenne. 44