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Sekretär Schneller empfing den Brief des Senats an den Fürsten, und freute sich schon im voraus über das Präsent, welches ihm die Reception der Relegirten einbringen müßte, als er eben eine geheime Gesandtschaft von Schilda erhielt.
Senior Philipp Stosser war nie thätiger gewesen, als zur Zeit der bürgerlichen Kriege in Schilda. Da dünkte es ihn, Zeit zu seyn, seinen Orden zum herrschenden zu erheben, und die beyden andern Gesellschaften zu Boden zu drücken. Er begab sich daher selbst nach Trippstädt, und stieg in der Schenke ab, wo Senior Marefitz logirte. Nach mehreren Klagen und Schimpfereyen über Gewalt und Bedrückung, fragte er ganz unbefangen:
Aber, Bruder, woher glaubst Du wohl, daß all der Skandal komme?
Marefitz: Je nun, weil uns die Fünfkäser Feind sind, und weil wir die Kerls auch nicht leiden können.
Stosser: Recht: Aber woher kommt diese Feindschaft?
Marefitz: Je nun, weil sie uns, und wir ihnen alle Tage in den Weg kommen.
Stosser: Aber warum kommt Ihr Euch in den Weg?
Marefitz: Wie Du auch fragen magst, lieber Bruder! weil wir es anders machen, als sie, weil wir ihrer Firlefanzerey entgegen streben, weil wir –
Stosser: ( einfallend) Ich will Dir's besser sagen, Bruder: Ihr hasset die Fünfkäser, und verfolget sie, weil Ihr befürchtet, sie mögten euch schaden, und euch vielleicht gar unterdrücken. Die nämliche Furcht treibt auch eure Feinde an, Euch zu hassen. Also Furcht und Besorgniß von beyden Seiten ist der Grund eures Hasses und eurer Fehden.
Marefitz: Du hast nicht Unrecht, Bruder. Aber so wird es seyn, so lange unsere Gesellschaften existiren.
Stosser: Meynst Du? Freilich, so wie sie jezt sind, hast Du recht.
Marefitz: Aber ändere Du es einmal, wenn Du kannst!
Stosser: Sieh, Bruder, laß uns kordat reden! Deine Gesellschaft oder Dein Kränzchen taugt ganz und gar nichts. Eine Verbindung, die aus lauter Leuten besteht, welche Saufen, Kommersiren und Herumlaufen zum Zweck haben, muß endlich sich selbst zerstören. Eben so abgeschmackt ist die Societät der Fünfkäser. Aber ein Bund, dessen Glieder im stillen wirken, ganz unbekannte Anstalten haben, und eben durch ihre Anstalten über die ganze Universität, Professoren, Bursche und Philister den Meister spielen: so eine Verbindung würde doch gewiß seinen Gliedern mehr Ehre machen, und sie vor Angriffen, Beleidigungen und Befehdungen allgemein sichern.
Marefitz: Freilich! Aber so eine Verbindung ist wohl unmöglich, besonders in Schilda.
Stosser: Und existirt schon lange selbst im närrischen Schilda. Nicht alle Leute im Tollhaus sind wirklich toll: das mußt Du nur bedenken!
Marefitz: ( betroffen) So was wäre schon in Schilda?
Stosser: Ja, Bruder, so was ist da. Ich will deutlich mit Dir reden, und hoffe, daß Du reinen Mund halten wirst. Hier existirt der Amicisten-Orden, und herrscht schon mächtig: er herrscht schon über die Kränzianer und über die Fünfkäser, und soll bald, wenn Du die Hand biethest, alles beherrschen.
Marefitz machte große Augen, aber Stosser erzählte ihm alles, was wir schon wissen; und das Ende vom Liede war, daß Marefitz als Subsenior der Amicisten aufgenommen, und daß alle rechtschaffene, d. h. handfeste und vermögende Kränzianer nach und nach in den Orden aufgezogen werden sollten.
Marefitz erstaunte noch mehr, als er hörte, daß ohne sein Wissen so mancher Amicist schon unter den Kränzianern seyn sollte, und konnte sich nun erst erklären, was ihm längst aufgefallen war, daß nämlich dieser und jener sich gewissermaßen sonderbar betragen hatte. Um so mehr gefiel ihm eine Verbindung, welche so mächtig und so fein zu wirken im Stande war.
Auf Stossers Anhalten reißte Marefitz selbst nach Colchis zum Sekretär Schneller, um seine Reception und die seiner Consorten durchzusetzen, noch mehr aber, um das Kränzchen und die Societät zernichten zu helfen. Er stellte dem Sekretär vor, daß so lange beyde Verbindungen fortdauern würden, Streit und Zank und andere Unannehmlichkeiten unvermeidlich wären; daß er also ein fürstliches Verbot dieser Gesellschaften bewirken mögte. Er und die Meisten, wenigstens die Besten im Kränzchen, wollten gern ihre Hand dazu anbieten, und so zur Herstellung der Ruhe und Eintracht auf der Universität das Ihrige mit beytragen.
Eben als Marefitz dieß mit dem Sekretär unterhandelte, erhielt dieser folgenden Brief aus Schilda vom Kanzler:
Lieber Herr Sekretarius Schneller,
Meinen Gruß zuvor! Machen Sie doch ja beym Curatorium, daß die relegirten Bierhengste wieder angenommen werden. Die Kerls haben mir ganz unsinnigen Spaß gemacht, straf mich Gott! Ich hab ihnen wohl noch nichts gesagt von dem Herrn von Nußdorf dem jetzigen Dorfjunker. Dieser Mensch ist von Adel, so gut wie ich, er dünkt sich aber besser, als ich, weil er, wie er sagt, aus Verdienst wäre geadelt worden, und ich nicht. Dann war er sonst bey unserm alten Fürsten Hauptmann, und bey der neuen Regierung hat er Regierungsrath werden können; aber das wollt' er nicht, und hat gesagt, wo so Leute, wie ich, angestellt wären in hohen Aemtern, da mögte er gar nicht dienen. Daneben hat er mich einen dummen Esel gescholten. O ich weiß mehr als er; sonst wär ich ja nicht Kanzler geworden, und bin auch so dumm eben nicht. Ich wills ihm aber schon einmal einbrocken. Sie können leicht denken, daß ich mich ganz gräßlich gefreut habe, als neulich die Bierhengste das hübsche Skandal beym Begräbniß der Tochter des von Nußdorf machten. Ich bin den Kerls recht gut deswegen; und haben sie mir auch die Fenster eingeworfen, und etwas disrespectirlich behandelt: je nun, so will ichs vergessen, und ihnen wieder helfen. Stellen Sie dem Curatorium die Sache man hübsch vor und schicken Sie mir bald Antwort. Fale et vave.
Schilda etc.
Herr von Ekolsbach,
Acad. Cancell.
Bravo, rief Schneller: alles ist richtig, lieber Marefitz! Morgen sollen Sie Ihre Reception haben, und alles soll besorgt werden. Den andern Tag schickte er auch wirklich folgendes Dekret nach Schilda.
Wir zum Oberkuratorium der Fürstl. Universitäten und Schul-Anstalten verordnete Präsident und Räthe, lassen auf allergnädigsten Specialbefehl Sr. Durchlaucht, unsers gnädigsten Fürsten, der Universität zu Schilda zu wissen thun, erstlich, daß selbige hiemit wegen übereilter Relegation einiger recht guter Studenten, ohne daß Wir darum gewußt haben, einen Verweis erhalte; zweytens, daß die relegirten Studenten, Marefitz, Brand und Kugel auf gnädigsten Befehl zurück gerufen und mit allen Ehren zu Schilda wieder auf- und angenommen werden sollen; drittens, daß, da die Unordnungen wegen der Verbindungen, die Kränzchen und Societät heißen, herkommen, dieselben hiemit gänzlich aufgehoben, und kassirt werden, bey Strafe der Relegation für den, der sich unterfängt, solche Konventikel heimlich oder öffentlich zu halten oder zu besuchen. Wegen der zur polirenden Societät bestimmten und angewiesenen Gelder behalten wir uns die fernere Verfügung vor, und bis dahin mag der Professor Fünfkäs dieses Geld immer noch ziehen. Wornach sich zu achten.
Geschehen Colchis etc.
Ex Mandato Srmi. specialiss.
Vt. Nicander.
Der Kanzler hatte nun seinen Zweck erreicht; und die Relegirten zogen mit ihrem ganzen Anhang zurück nach Schilda wie im Triumph, ohngefähr, wie die vor einigen Jahren ausgewanderten kindischen Jenenser. Sie kommersirten öffentlich auf dem Markte, und selbst die Fünfkäser nahmen Theil an dem Jubel: denn kurzsichtige Menschen hängen sich gern an solche, die, wie man sagt, sich etwas versucht haben, wenn ihnen schon das Versuchen wenig Ehre bringen mag. Das macht die Neugier, oder die Unbekanntschaft mit dem nil admirari, oder auch Sucht selbst nach scheinbarer Größe. So kennt der Verfasser einen gewissen Erbach, der ehemals, wer weiß warum, einige Jahre auf den Galeeren gesessen, und so nach Ost- und West-Indien gefahren war. Nach seiner Zurückkunft und Befreiung wurde er ordentlich fetirt, und hatte zu allen Gesellschaften Zutritt, weil er von Wilden, Schwarzen, Menschenfressern, Stürmen, Schiffbrüchen, Korallen-Inseln u. s. w. räsonniren und Lügen auftischen konnte. Ich glaube, wenn einer von den Todten zurück käme, ganz Europa liefe, ihn zu sehen.
So waren denn beyde Verbindungen vernichtet; doch blieben die Spuren derselben noch lange, das heißt, Viele puzten sich und spielten den Petimäter; Andere sangen ecce, quam bonum, rissen Zoten, kommersirten, und zeichneten sich aus durch Liederlichkeit und zügelloses Wesen.
Professor Fünfkäs und Simon erschraken nicht schlecht, als die Aufhebung des Kränzchens und der polirenden Societät bekannt wurde. Ihr Interesse litt gar sehr dabey. Vielen Mitgliedern war die Auflösung auch leid, allein die meisten sahen den Zusammenhang davon ein, und erwarteten in dem nun recht aufblühenden Amicisten-Orden eine bessere, dauerhaftere Verfassung.