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Es war am 25ten Mai, 17––, abends um 8 Uhr, als ein Wanderer zu Fuße in die Stube einer Dorfschenke hereintrat. Der Wirth hieß ihn schön willkommen, und reichte ihm die Hand in aller Freundlichkeit. Der Fremde sezte sich, murmelte einiges vor sich hin, foderte einen Krug Bier, und in einigen Zügen war er ausgetrunken. Er stand auf, schritt in der Stube herum, seufzte, fluchte, sezte sich wieder, foderte noch einen Krug, und nach einigen Ansätzen stellte er ihn mit einem Pa! leer ins Fenster. Der Wirth, das neugierigste Geschöpf, lauschte immer neugieriger, wer wohl der Gast seyn mögte, dessen Figur und Benehmen ihm so außerordentlich auffiel. Unter einem grauen Moltumsflausch, mit großem rothen Kragen, trug er eine gelbe Tuchweste und lederne Hosen von gleicher Farbe. Mächtige Steifstiefeln mit reutermäßigklirrenden dreypfündigen Spornen versteiften Gang und Kniee. Seinen Kopf deckte ein weitragender Huth mit auf beyde Schultern herabhängenden Ecken. Das Seitenhaar flatterte wildstrüppig zur Brust herab, und ein dicker, tiefherab gebundener Zopf hing wie zersauset auf dem Rücken. An der Seite trug er einen fürchterlichen Hieber, und in der Hand eine Hetzpeitsche mit Faustdicken Knoten. Gesicht und Hände waren nicht am reinsten, und die Nägel an den Fingern hätten schicklich kleiner seyn können.
So eine Figur war dem Wirthe noch nicht vorgekommen, ob er gleich schon dreißig Jahre die Wirthschaft verwaltet hatte. Fragen war sonst immer seine Sache, aber diese Gestalt sah so grisgrämig aus, daß er jezt sich es scheute, besonders da er, von Zeit zu Zeit, ein kurländisches Donnerwetter über das andere und eine schwere Noth nach der andern aus des Gastes Munde ertönen hörte.
Der Wirth warf sich in seinen Großvaterstuhl, schwieg, lauschte immer neugieriger mit aufgesperrten Augen und offen-staunendem Munde.
Während er so dahin saß, trat ein Mann ein in braunem Rocke, nebst schwarzen Hosen und Strümpfen. Der Braunrock zog seinen Huth, und der Wirth seine Pelzmütze, stand dann auf und bot dem Herrn seine Hand mit einem sehr freundlichen: »Ei, schönen guten Abend, Herr Pastor! was steht zu Diensten?« Der Pastor bath sich eine Kanne Bier aus; und als er sie hatte, stopfte er seine Pfeife und fing an zu qualmen und zu trinken.
Pastor: Er hat Gäste, Herr Wirth, wie ich sehe.
Wirth: Zu dienen, Herr Pastor!
Pastor: Wer ist denn der da, in der Ecke?
Wirth: Das weiß ich noch selbst nicht. –
Pastor: Hm, das ist doch kuriös! Hat Er sich denn noch nicht darum bekümmert?
Der Fremde hatte indessen seinen dritten Krug Bier geleert, warf ein Achtgroschenstück auf den Tisch, und nahm seine Hetzpeitsche. Der Wirth gab ihm heraus, und der Gast griff nach der Thüre.
Um Vergebung, mein Herr, fing der Pastor an, wollen Sie noch weiter?
Relegirter: Natur! Ist in der Studentensprache ein bejahendes Versicherungswort, soviel als: ja, freilich, allerdings.
Pastor: Es ist aber schon späte: es wird ja schon Nacht!
Releg.: Macht nichts!
Pastor: Der Weg ist oft unsicher.
Releg.: Cantabit vacuus coram latrone viator! Wer nichts hat, scheuet keine Räuber.
Pastor: Wie ich merke, sind der Herr ein Litteratus.
Releg.: Wollte, daß alle Litteratur beym Satan wäre!
Pastor: Bleiben Sie wenigstens heute Nacht noch hier! –
Releg.: Geht nicht: denn die paar Dreyer da – sind meine Moneten alle.
Pastor: Was thut das: seyen Sie mein Gast für diesen Abend!
Releg.: Eh bien! –
Der Fremde warf seine Hetzpeitsche hin, schnallte seinen Hieber ab, und nahm Plaz neben dem Pastor, von dessen Tabak er sich sofort eine Pfeife stopfte.
Nun, lieber Freund, sagte der Pastor, sagen Sie mir: wo kommen Sie eigentlich her?
Releg.: Gerade von Marburg.
Pastor: Also doch ein Student?
Releg.: Ja, ein zum neunten Mal relegirter!
Pastor: Zum neunten Mal? Das heiße ich Fata! Nun, Sie müssen ein ganzer Held seyn!
Releg.: Das sollte ich meynen! Aber was hilft's, wenn man noch so 'n ganzer Held ist, und endlich unglücklich wird! Ich bin vollkommen auf dem Mist. Heißt studentisch-gesprochen, so viel als: unglücklich.
Pastor: Nil desperandum! Frisch gewagt, halb gewonnen!
Releg.: Ja, was nun anfangen? Ich sehe nichts vor mir, als die Uniform, die ich auch morgendes Tages zu Colchis anziehen will.
Pastor: Wer wird denn sogleich zur Extremität schreiten? Omnia prius tentanda. Lassen Sie uns erst essen; und dann erzählen Sie mir Ihre Geschichte: vielleicht finden wir Rath.
Releg.: Erzählen kann und will ich Ihnen wohl: aber mit dem Rathfinden wird sich's halten lassen. Meine Affären stehen zu schief.
Der Wirth erhielt den Auftrag, ein Abendessen anzurichten: denn der Pastor hatte seine Frau nicht zu Hause, und dann pflegte er in der Schenke zu essen. Er war ein Freund von Gesellschaft, und dieß von der Universität her, aber darum von einer lärmenden, und sollte sie auch nur aus Bauern oder Fuhrleuten bestanden haben.
Das Essen war angerichtet, man sezte sich, aß und trank, und als beyde Herren ziemlich zur Genüge hatten, erinnerte der Pastor seinen Gast an die versprochene Erzählung; und dieser fing an, wie im folgenden Kapitel zu lesen.