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Philipp Stosser, der Senior, war ein herrlicher Politikus: sein Orden sollte einmal durchaus das Prä zu Schilda spielen, und wenigstens eine von den existirenden Gesellschaften nieder stürzen. Dazu mußten aber pfiffige Mittel angewendet werden.
Erst, sagte Herr Stosser, müssen wir Stützen auf der Universität zu erhalten suchen. Zu dem Ende rieth er seinen Brüdern, die Lehrstunden gewisser angesehner Professoren zu besuchen, ihnen das Honorar jedesmal richtig voraus zu bezahlen, und sich zu Werbern um Zuhörer für solche Herren aufzuwerfen. So elend also der Direktor Kata seine Lehrstunden hielt, und so unsinnigen Kohl er auch über alle Theile der Juristerey ausgoß, so hatte er doch alle juristischen Ordensbrüder zu Zuhörern.
Eben dieß geschah bey einem Professor der Theologie, welcher nach Herrn Star Prorektor geworden war.
Dieser Mensch war eben so rechtgläubig als unwissend, eben so grob als scheinheilig. Beyher liebte er das Geld und hübsche Mädchen, und war sehr froh, daß ihm die Ordensbrüder Zuhörer verschafften. Obgleich kaum die Hälfte der Ordensbrüder Theologie studierte, so hörten doch alle bey dem Prorektor Distelkopf; wenigstens bezahlten sie ihm das Honorarium.
Noch einen Professor hatte sich Herr Stosser zum Patron ausersehen, und das war Meister Ziegenbart, Professor der Geschichte, der größte Scharlatan und Windbeutel, den man sich nur denken konnte. In seinen Lehrstunden sprach er wie ein selbstsüchtiges Orakel; und da er einige Skarteken über die alte Historie der Stadt Schilda geschrieben, und deren Ursprung, einigen Mährchen zufolge, in die Zeiten des Thurmbaues zu Babel hinaufgesezt hatte: so glaubte er, der größte Historiker in der ganzen Welt zu seyn. Livius und Hume und de Thon, und Muratori und Müller und Hegewisch und Schlötzer und Pütter und Häberlin waren gegen ihn nur Stümper. Er war der erste, welcher in der Geschichte seine Nase erst recht zu brauchen wußte, und hatte es im Deduciren mit dem besten Diplomatiker aus der französischen Diplomfabrik aufgenommen.
Aber troz der Scharlatanerie dieses Menschen, troz seinem imposanten Ton, wollte ihn doch niemanden hören, und sein Auditorium war immer leer. Darüber ärgerte sich der Ehrenmann freilich bas, und er schob in seinen Vorlesungen beständig dem Verfall der Wissenschaften zu, was eigentlich blos ihm gebührte. Der ehrliche Mann bedachte nicht, daß die Lehrer vorzüglich Schuld sind, wenn ihre Hörsäle nicht besucht werden. Hat man jemals das Auditorium eines Schlötzers, Spittlers und des verstorbenen Walchs leer gefunden? Doch hievon will der Autor noch ein Wort deutsch in dem Verfolg dieser Geschichte zu sagen übrig behalten.
Wie froh war daher Meister Ziegenbart, als alle Amicisten seine historischen Vorlesungen besuchten, und gleich baar pränumerirten. Er war auch, troz seinem sonstigen massiven Wesen, so höflich-dankbar dafür, daß er sie hoffnungsvolle junge Männer nannte; geschmackvolle Jünglinge, würdig, die innern Heiligthümer der Geschichte zu durchschauen u. s. w. Die Amicisten lachten allerdings darüber: denn sie wollten sich blos an dem Menschenkind einen Gönner erwerben.
Der Grund, warum sie dieß wollten, war, weil er bey dem Kanzler hoch angeschrieben stand. Er brachte nämlich diesem alle Stadtmährchen, welche seine Frau Base sammelte, tagtäglich zu Ohren, und erhielt, außer dessen hoher Protection, obendrein jedesmal eine Butellje Wein dafür. Der kann uns dienen, sagte Senior Stosser; also in einen säuern Apfel gebissen, und dem Narren hofirt! Ist er aber nicht gewonnen, oder gar unser Feind: so haut er uns ein. –
Als auf diese Art ein gutes Fundament zur Befestigung und Vergrößerung des Ordens gelegt war: so schlug der politische Senior vor, daß ein Theil von ihnen sich unter die Kränzianer, und einer unter die Societäter mischen sollte. Sie sollten sogar, freilich ihrer nur wenige, und die sich vorzüglich dazu schickten, in jene Gesellschaften aufnehmen lassen. Es ist nöthig, sagte er, daß wir da Anhang haben, wo wir stürzen wollen. Bekanntschaft in des Feindes Land ist allemal nützlich, und der beste General ohne Spione ist ein Nichts.
Diesem zufolge traten einige pfiffige Köpfe zu dem Kränzchen der Fidelität, andere zu dem der Fünfkäser. Diese nun versäumten um alles keine Zusammenkunft, und rapportirten fleißig, was sie sahen, und was sie hörten. Sie gaben immer auf die Gesinnungen der Mitglieder Acht, und fanden sie, daß der eine oder der andere habile Kopf misvergnügt über die elende Einrichtung seines Kränzchens war: so machten sie ihn noch misvergnügter! und endlich ward er nolens volens ein Amicist. Doch war es verboten, daß ein solcher Ueberläufer gleich Knall und Fall seine vorige Verbindung verlassen sollte, um nämlich alles Aufsehen zu vermeiden.
Indem dieses so vorging, hielt ein gewisses Frauenzimmer bürgerlichen Standes in Schilda Hochzeit. Dieses Mädchen heirathete einen Fünfkäser, welcher durch den Vorschub der fürstlichen Mätresse eine Stelle an der Accise zu Colchis erhalten hatte. Weil nun der Bräutigam ein Fünfkäser gewesen war: so war es ganz natürlich, daß er zu dem großen Ball, der gegeben werden sollte, mehrere aus der polirenden Societät einlud. Aber zum Glück traf es sich, daß die Jungfer Braut einige sehr specielle Bekannte unter den Fidelitätsbrüdern gehabt hatte, und daß auch diese eingeladen werden mußten. Inzwischen dachte niemand an etwas arges, da diese und jene, um die Klubbisten zu unterdrücken, schon lange in gutem Vernehmen gestanden waren.
Aber man hatte auch einige Amicisten, welche pro forma zu den Fünfkäsern gehörten, mitgebeten; und diesen ertheilte der Herr Senior, Philipp Stosser, ihre Verhaltungsbefehle sehr glimpflich.
Als der Ball eröffnet wurde, fanden sich sechs Bierhengste, vierzehn Fünfkäser und fünfzig Philister und Gnoten darauf ein. Jeder war nach seiner Art gekleidet, jeder betrug sich nach seiner Weise. Der Philister und Gnote war leicht zu erkennen; der Fünfkäser spielte den Petimäter, und der Bierhengst bemühte sich, auch hier den Renommisten zu machen. Anfangs ging alles recht gut: man trank, tanzte und scherzte in bona pice et pace: aber als die Amicisten ihre Zeit ersehen hatten, da streuten sie den Samen der Zwietracht aus. Man bemerke noch, daß kein einziger Amicist-Bierhengst, sondern blos Amicisten-Fünfkäser da waren.
Die Bierhengste betrugen sich nach ihrer Sitte grob und impertinent, trappelten mit ihren großen Stiefeln auf dem Saal herum, und trieben allerhand Possen, so daß die Bürger und Handwerksbursche, und selbst die Fünfkäser sich theils darüber ärgerten, theils lachten. Als es aber einer von jenen gar zu arg machte, und mit einem Mädchen zu handgreiflich zu spaßen anfing, da trat ein Amicist, welcher zu den Fünfkäsern gezählt wurde, zu einem Gnoten, einem derben Zimmergesellen von Profession, und sonst einem ungeschliffenen Flegel.
»Hören Sie, sagte er ganz höflich zu ihm, dort der Mensch da führt sich ja gar sehr unanständig auf: wenn ich hier was zu sagen hätte, ich gäbe ihm eine tüchtige Lektion!«
Handwerksbursche: Ja, es ist auch, hohl's der Teufel, wahr! Die Kränzianer führen sich heute auf, wie die Sauschwänze!
Amicist: Sagen Sie es ihnen doch! Es ist ja eine Schande, in so einer honetten Gesellschaft! Wir Societäter stehen Ihnen gewiß bey, wenns zu Debatten kommen sollte.
Handwerksbursche: Topp, Herr, Sie stehn mir bey, und die andern Bürger und Handwerksbursche auch. Die Handvoll Kerls soll ja der Henker holen!
Der Geselle hielt Wort, und trat ganz trotzig zu dem Kränzianer, welcher eben dem Mädchen unters Halstuch fahren wollte.
Pfui Teufel, sagte er protzig, Herr sind Sie denn gar des Teufels, daß Sie sich so hunzföttisch betragen? Sie sollten sich was schämen!
Kränzianer: Was? Wer ist Er?
Handwerksbursche: Ein ehrlicher Mensch bin ich, und Er, Herr, Er ist ein Esel!
Kränzianer: Ein lausiger Gnote ist er, den das Donnerwetter frikassiren soll!
Der Kränzianer hohlte bey diesen Worten wirklich aus, und gab dem Gnoten eine Maulschelle. Fluchs waren alle Handwerksbursche und Bürger auf den Beinen, und schlugen drein, wo und wie sie konnten. Die übrigen Bierhengste sprangen zwar zu Hülfe, da sie aber an der Zahl zu schwach waren: so wurden sie samt und sonders zum Saal hinausgeworfen, und der Tumult war für den Augenblick gestillt.
Die Fünfkäser freuten sich sehr über die Niederlage der Kränzianer, erklärten sich für Freunde der Bürger und Handwerksburschen, besonders der Schönen, und erhielten das allgemeine Lob artiger, feiner Herren, welchen in Zukunft der Zutritt zu allen ihren Gesellschaften und in alle Bürgerlichen Gelage offen stehen sollte.