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Achtes Kapitel.
Reise nach Schilda


Nachdem zwischen dem Kanzler von Ekolsbach und dem Präsidenten alles verabredet war, was wegen der Reformation der Universität zu Schilda vorgenommen werden sollte, und nachdem der Herr Sekretär Schneller alles dieses zu Papier gebracht hatte, reisete dieser mit dem Hn. Kanzler nach dem Orte ihrer Bestimmung.

Sie reiseten beyde auf fürstliche Unkosten, und lebten unterwegs, wie es Herren zukömmt, welche mit so wichtigen Dignitäten bekleidet sind.

Endlich näherten sie sich der Stadt Schilda, und indem sie das lezte Dorf durchpassirten, zog ihnen ein massiver Kerl den Schlagbaum vor der Nase herunter, trat dann mit herabgenommenem Huthe ganz demüthig an den Wagen, und fragte: ob etwan seine Excellenz der Herr Kanzler der Universität Schilda im Wagen sey?

Na freilich! macht nur den Schlagbaum in die Höhe, schrieen Seine Excellenz, daß wir fort können.

O um Gottes Willen nicht! brummte der massive Kerl, und entfernte sich.

Der Sekretär stieg aus, um zu erfahren, warum man sie nicht passiren lasse, und erfuhr dann: daß die sämmtliche Universität sich entschlossen habe, Seine Excellenz von diesem Dorfe aus mit einer Solennität einzuholen, die ihrer Erfindung Ehre machen sollte.

Aha, das ist was anders, sagten Seine Excellenz: dann muß man den Leuten den Spaß schon gönnen. Lassen Sie uns derweile aussteigen, und in der Schenke warten; denn hier draußen ists mordialisch kalt.

Es dauerte nun auch nicht lange, da sprang auf einmal der massive Kerl, welcher den Schlagbaum herunter gezogen hatte, in die Stube, und schrie: Geschwinde heraus, sie kommen! und sofort nahm er den Kanzler beym Arm, und zog ihn, nebst dem Sekretär, auf die Straße, wo das allerschönste Schauspiel von Aufzug auf sie wartete.

Die Professoren zu Schilda, zwey ausgenommen, nämlich Müller und Schmid, hatten sich maskirt, und waren bey dem gebahnten Schneewege dem Kanzler auf Schlitten entgegen gefahren, um ihn einzuholen. Die Dekane der vier Fakultäten, welche auf besondern Schlitten saßen, nahmen den Kanzler in ihre Mitte. Der Prorektor, ein perfekter Kutscher, saß als Kutscher gekleidet auf dem Bock; und hinten auf stand der Universitäts-Direktor maskirt als Hanswurst.

Der theologische Dekan stellte einen Schäfer vor mit einem gewaltigen Hund. Auf der Schulter trug er ein ausgestopftes Schaf, und auf der Stirn hatte er einen Zettel, mit den Worten: Ich bin ein guter Hirt. Hinter ihm stand der Teufel, mit Ketten gebunden, welcher unaufhörlich brüllte, rasselte und in die Ketten biß.

Der Dekan der Juristen-Fakultät war wie ein Frauenzimmer gekleidet, mit einer Binde vor den Augen, und hielt in der Rechten Rolands Schwerdt, und in der Linken eine Waage. Vorne auf dem Schlitten stand ein Galgen, woran Puppen hingen, und drey Räder, worauf Puppen lagen. Hinter dem Herrn war der Henker zu sehen mit Schwerdt, Ketten, Beil und Ruthen. Die Dame schien schwanger zu seyn, ohne Zweifel von der Ungerechtigkeit.

Der Dekan der medicinischen Innung stellte einen Todtengräber vor, ausstaffirt mit Skelets, Schneide-Messern und Zangen.

Der Dekan der Philosophen war gar ein Affe, mit der Inschrift auf dem Hintern: Philosophari est ipsam imitari sapientiam. Diog. Laërt. in Platone. Wenn der Spruch wahr ist, muß Jungfer Sophia ein pudelnärrisches Ding seyn!

Die übrigen Professoren waren so maskirt, wie es jeder für seine Profession angemessen fand. Der Eine stellte einen kritischen Schornsteinfeger, der Andre einen historisirenden Marktschreier, der Dritte einen Systems-süchtigen Leinweber, und der Vierte einen recensirenden Trompeter vor. Ihre Insignien entsprachen der Maske ihres Gewerbes.

Nach den Professoren folgten die Studenten. Diese führten die seltsamsten Karrikaturen auf, ganz nach studentischem Geschmack, so daß der Pöbel, der wer weiß, wie weit her gekommen war, um das schöne Schauspiel mit anzusehen, sich nicht satt gaffen und wundern konnte.

Der Schlitten, worauf der Kanzler und der Sekretär fahren sollten, war so eingerichtet, daß er die Figur einer Kanzel und eines Schreibtisches hatte. Dem Kanzler wurde seine Stelle auf der Kanzel, und dem Sekretär – am Schreibtische angewiesen.

Und so – zog der neue Kanzler in Begleitung mehrerer hundert Masken, unter lautem Jubel des Jan Hagels aus der ganzen Gegend, bey Schellen-Geklingel, und Pauken- und Trompeten-Schall, von Querpfeifen überpfiffen, nur Schritt vor Schritt, so arg es auch fror, – in Schilda ein. Nachher wurde auf dem Universitätshause en masque gespeiset, und Abends war Maskenball und Illumination.

Von den bey dieser Illumination erschienenen Devisen will ich folgende aus der Schildaischen Monatsschrift ausheben.

Der Pedell Krabsch hatte einen Esel malen lassen mit der Inschrift:

Obgleich der Esel Disteln frißt,
Er klüger als sein Herr oft ist.

An der Wohnung einiger Freuden-Mädchen las man folgende Reime:

Hier ist ein Häuslein Freudenvoll,
Wo jeder Musensohn gibt Zoll.

Der Prorektor hatte zur Devise:

Ich bin der Herr Magnifikus;
Mir jederman gehorchen muß.
Doch wenn vergangen ist das Jahr,
So bin ich wieder, was ich war.
Drum liebes Schäfchen laß dich scher'n,
Bald kriegst du einen andern Herrn.

Ueber diesen Knittelversen sah man einen Otaheitischen Schäfer, der einem Schafe die Wolle nahm.

Der Pferdephilister Tagemit hockte auf einem Schimmel, mit folgenden Zeilen drunter:

Hilf Gott dem Kanzler in den Himmel,
Und mir auch mit meinem Schimmel!

Das Emblem der Studenten war eine Fenster-Kanonade mit der Inschrift:

Vivat die akademische Freyheit!

An dem Soldaten-Esel vor der Hauptwache hing auch ein Bild, – was aber ein Häscher bald herabreißen mußte, – worauf eine hochbusige Wasch-Nymphe einen Mohren in der Waschwanne mit einer Bürste einseifte, der sich mächtig sträubte, und ihr durchaus mit der einen Hand ins Haar, mit der andern in den Busen wollte. Unten auf der einen Seite lag ein Renommisten-Hut, eine Hetzpeitsche und ein Hieber; auf der andern – auf der Bibel und den symbolischen Büchern ein Priester-Kragen; und im Vordergrunde ein Doctorhut auf den akademischen Gesetzen; woran Ratten und Mäuse emsiglich nagten. Die Ueberschrift war:

Vergebens bleicht man einen Mohren,
Vergebens straft man einen Thoren:
Der Mohr bleibt schwarz, der Thor bleibt dumm:
Das ist ihr Privilegium!
Sie bessern, ist nicht meine Sache:
Ich laß die Narren seyn und lache:
Das ist mein Privilegium!

Der Kanzler freute sich unendlich über die schnackischen Einfälle, dankte ganz gehorsamst für die ihm erwiesenen honneurs, und versicherte, daß Alles gar allerliebst gewesen wäre, und daß er auf Ehre ein recht guter Kanzler seyn und bleiben wolle. Um dieß gleich zu zeigen, ließ er nachher alles, was die ganze Solennität gekostet hatte, aus der Universitätskasse bezahlen, und wollte schlechterdings nicht zugeben, daß die Professoren Müller und Schmid, die die Köpfe gewaltig darüber schüttelten, einige Items in der Rechnung streichen sollten. Die bestrittenen Items waren folgende:

Item, für die Häscher, welche die betrunkenen Herren
Professoren zu Hause führen mußten
12 Thlr. 16 Gr.
Item, für einen neuen Talar, welchen Seine Magnifizenz
bey Hochdero Fall in die Gosse ganz und gar verdorben
hatten
70 Thlr. 20 Gr.
Item, für den Beutler, Seiner Excellenz, des Herrn Kanzlers,
hirschlederne Hosen von innen und außen zu reinigen
2 Thlr. 12 Gr.
Item, den großen akademischen Hörsal auszufegen und zu räuchern 3 Thlr. 8 Gr.
Item, den Abtritt und die Treppen zu säubern 4 Thlr. 6 Gr.
  ___________
Facit: 93 Thlr. 14 Gr.

Die Professoren Müller und Schmid glaubten, solche Posten wären der Würde der Universität unanständig; aber der Kanzler belehrte sie eines Bessern. Er bewies ihnen, daß die Professoren mit dem Kanzler und dem Prorektor die Universität eigentlich ausmachten; daß folglich alles, was diese thäten und beschlössen, auch mit der Würde der Universität schlechterdings übereinkommen müßte, zumal bey Gelegenheit eines so honorigen Spaßes.

Alle Professoren, Müller und Schmid ausgenommen, wunderten sich über den Scharfsinn ihres Kanzlers, und konnten es lange nicht begreifen, wie sie so kurzsichtig gewesen wären, und solche handgreifliche Wahrheit nicht gleich selbst eingesehen hätten.


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