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Vierundzwanzigstes Kapitel.
Der Krieg


Man müßte die Studenten, besonders die Renommisten unter ihnen, wenig kennen, wenn man nun muthmaßen wollte, daß die Bierhengste bey dieser Beleidigung stille geblieben wären. Die wenigen, welche auf dem Ball gewesen waren, wußten, daß gerade an diesem Abend ein Commersch von ihren Leuten in einer nahen Kneipe gehalten wurde, und liefen dahin, um sie zur Rache für die erlittene Beschimpfung aufzufordern. Sie kamen eben an, als der Kommers zu Ende ging, und erklärten dem Cirkel das große Unrecht, das ihnen von den Philistern und Gnoten zugefügt seyn sollte.

Hab' ich's nicht oft gesagt, fing Senior Marefitz an, daß man mit Philistern und Gnoten nicht umgehen soll? So wollens unsre Gesetze und Statuten, aber wegen der einfältigen Philister-Menscher, wegen der dummen Fratzengesichter werden die Gesetze mit dem Hintern angesehn; und dann kommen solche Hunzföttereyen heraus! Dem sey aber, wie ihm wolle: Revansche müssen wir haben, oder der Teufel soll drein schlagen! Allons: jeder waffne sich mit Steinen und komme: Vivat sequens, pereat remanens!

Nicht weit von dem Kommershause wurde gebauet: es waren also Steine und Scherben in Menge gleich zu haben. Die Bierhengste füllten fluchs ihre Taschen und Schnupftücher, und taumelten so vor das Haus, wo der Ball gehalten wurde. Marefitz hatte befohlen, ganz still heranzuschleichen, und erst auf sein Kommando die Fenster einzudonnern. Als sie sich nachher alle in Schlachtordnung gestellt hatten, rief Marefitz: Feuer! Und nach sechs Salven waren die Fenster am ganzen Tanzsaal zertrümmert. Die Jungfer Braut bekam einen Stein auf die Nase; der Herr Bräutigam einen aufs Maul, und die andern Hochzeitgäste wurden auch beschädiget; nicht minder die Instrumente der Musikanten.

In dem Nebenzimmer, wo Erfrischungen, nebst Thee- und Kaffeegeschirre standen, war die Verwüstung ebenfalls groß. Die edlen Säfte liefen durch einander, wie bey einem Prälatenschmaus. Auch die Fünfkäser waren von den Steinwürfen übel zugerichtet: die wenigen Amicisten hatten sich ganz in der Stille zu rechter Zeit abgezogen: sie hatten so einen Ueberfall vermuthet.

Anfänglich waren die Bürger und Handwerksburschen so bestürzt, daß sie nicht wußten, was sie thun sollten. Alles lief und schrie durch- und gegen einander. Endlich besann man sich und beschloß, dem Ueberfall zu begegnen. Jeder nahm seinen Knüttel; und wer keinen hatte, brach ein Bein aus einem Stuhl, oder sammelte die hereingeworfnen Steine auf; und nun gings zum Tempel hinaus. Die Frauenzimmer blieben nur, und zitterten wie Espenlaub.

Als die Philister, Gnoten und Fünfkäser an die Thüre kamen, fanden sie selbige von außen besezt. Kam einer mit der Hand oder dem Kopf zu nahe: so bekam er eins drauf, und prallte zurück. So gings eine Zeitlang, und die Bierhengste schrieen ohne Unterlaß: pereant die Philister, pereant die Gnoten, pereant die Philister-Huren tief, tief, tief! Endlich wurden die Philister und Gnoten wütend, stürmten mit Gewalt die Thüre und drangen hinaus ins Freye. Da nun änderte sich die Scene: die Studenten bekamen der Schläge mehr, als sie austheilten, und ergriffen die Flucht. Die Philister und Gnoten wollten ihren Sieg nicht unbenuzt lassen, und verfolgten sie dahin, dorthin.

Zum Unglück der Nachsetzenden trieben gerade damals einige zwanzig Kappershäuser zu Schilda in einer dem Tanzsaal ganz nahen Kneipe ihr Wesen, und sahen dem Skandal so lange ruhig zu, bis sie merkten, daß die Philister die Studenten verfolgten. Da erst brachen sie in corpore auf, und zogen auf den Saal, wo die Frauenzimmer alle vor Furcht und Schrecken und voll Erwartung der Dinge, die da kommen mögten, zitterten und bebten. Retten Sie sich, meine Schönen, schrieen die Arglistigen: die Studenten haben gesiegt! Viele von den Bürgern sind todtgeschlagen, und jezt kommen die Feinde, und wollen den Tanzsaal auch bestürmen: Machen Sie, daß Sie fortkommen, oder sie sind verlohren!

Die armen Dingerchen wußten nicht, was sie in aller Angst thun sollten, und ließen sich von den Kappershäusern fortschleppen, die sie dann nach einem entlegenen Thore führten, welches sie sich für ein gutes Trinkgeld öffnen ließen. Darauf zogen sie nach einem benachbarten Garten, lagerten sich – es war im Monat Mai – unter die Bäume und in die Alleen, oder hinter die Hecken; trösteten und ermunterten die Verlaßnen, und vollendeten vor überschwenglich-erregter Gutmüthigkeit, wofür der Herr Bräutigam und mancher Andere eben nicht sehr danken konnte.

Die Kappershäuser vermutheten freilich, daß das Ding kein gut thun mögte, wenn sie bey den Schönen sich betreten ließen. Sie schlichen also früh, unter dem Vorwand des Rekognoscirens fort; und da sie alle zu Fuße nach Schilda gekommen waren: so gingen sie gerades Weges nach Kappershausen zurück, und lachten sich beynahe bucklicht über die komische Begebenheit mit den Schildaischen Ball-Nymphen.

Inzwischen hatten die Philister und Gnoten ihre Feinde glücklich in die Flucht geschlagen, hatten sie gar über ein eingefallenes Stück Stadtmauer hinausgeprescht, dann im Felde weit noch verfolgt, und zogen nun mit lautem Jubel nach dem großen Keller zurück, um den Ball von neuem anzufangen. Aber wie erschraken sie, als ihre bunten Vögel ausgeflogen waren, ich will sagen, als sie ihre Weiber und Töchter nicht mehr vorfanden. Der Bräutigam, die Väter, Brüder und Liebhaber rannten in aller Bestürzung fort, ihr verlohrnes Gut aufzusuchen. Es blieben nur die, welche nichts zu verlieren gehabt hatten; und da sie doch einmal zum Tanze da waren, und es an Tänzerinnen fehlte, gingen sie in ein benachbartes Bordel und holten die Nymphchen, mit denen sie sich durch Tanzen und sonstige Kurzweil bis an den hellen Tag verlustirten.

Der Bräutigam und die andern, die ihre Weiber, Töchter, und Mädchen vermißten, liefen zuerst nach ihren Häusern, und als sie die Verlornen da nicht fanden, liefen sie wie unsinnig in der Stadt herum, und schrieen durch alle Straßen: Röschen, wo bist du denn? Lisette, wo hat dich denn der Himmel? Hannchen, komm doch zum Vorschein! u. dgl. – Dieses Herumschreien hallte durch die ganze Stadt, half aber nichts, denn Röschen, Lisette und Hannchen waren nicht in der Stadt, wie wir wissen. Endlich erfuhren die Suchenden, daß ihre Schönen aus der Stadt gewandert waren, und sich in einem Garten aufhielten, der eben nicht im besten Rufe stand. Sie eilten sporenstreichs dahin, und hörten, daß sie sich hätten von einem Haufen fremder Herren, von denen sie auch nicht einen erkannt halten, in diesen Garten zur Sicherheit bringen lassen, daß aber diese Herren aufs Recognosciren längst ausgegangen, und noch nicht wiedergekommen wären.

Die guten Philister schüttelten bey dieser unnöthigen Dienstfertigkeit, die von den Schönen noch obendrein hochbelobt wurde, gewaltig die Köpfe, und der Herr Bräutigam machte ein verdammt finsteres Gesicht: er schloß nämlich nicht ohne Grund, daß ihm ein Etwas aufgesezt seyn mögte, was ihm unmöglich behagen konnte, obgleich seine Braut wegen des Wurfs mit dem Stein auf die Nase ein sehr unfreundliches Ansehen hatte. Aber bey Nacht, dachte er, sind alle Kühe schwarz! –

Den folgenden Tag war die Geschichte der Nacht, durch die Rapportirsucht der Perückenmacher, der Gegenstand aller Gespräche, und wurde dem Kanzler von seinem Mährchenträger, dem Hn. Professor Ziegenbart, brühheiß erzählt, als eben sein Freund und Quasi-Schwager, der Sekretär, bey ihm zugegen war.

Na, sagte der Kanzler, indem er den Bauch hielt vor lauter Lachen, es ist doch bey meiner Seele eine hübsche Sache, auf einer Universität zu leben! Man hört doch immer so was Schnurriges. Einen Luidor wollt' ich allemal für so'n Spaß geben, wie der heut Nacht war, besonders da mit'n Menschern im Garten. Ha, ha, ha!

Schneller: Ich glaube aber nicht, daß die Sache so dabey bleiben wird. Es wird wohl noch Händel genug setzen. Denn sehen Ihre Excellenz, die Kränzianer lassen es wahrlich nicht so dabey, und fangen zuverlässig wieder Skandal an. Ich hielte es für's Beste, man schlüge ein Verbot alles fernern Tumultes ans schwarze Brett, und finge schon heute die Untersuchung an.

Kanzler: Warum nicht gar? Lassen Sie immer noch was dazu kommen: dann wird auch die Untersuchung desto lustiger! Und wenn den Philistern die Fenster alle einkanoniert werden, so mögen sie sehen, wer sie ihnen wieder macht. Es ist doch man schnippsches Zeug, die Philister!

Dabey blieb es denn auch für heute. Die Philister klagten nicht, weil sie doch eigentlich der angreifende Theil gewesen waren, und weil in Schilda ein Philister niemals gewann, der sich mit einem Studenten klagte. Die Bierhengste schwiegen auch, weil sie sich vorgenommen hatten, sich selbst zu revanschiren. Also blieb es den Tag nach dem Ausbruch des Krieges in Schilda ruhig.

Den folgenden Abend versammelte Marefitz alle Kränzianer, und hielt folgende Anrede:

Es ist doch, lieben Brüder, Sünde und Schande, daß elende Philister und Gnoten uns die vergangene Nacht aus dem Feld geschlagen haben. Verwüsten und verderben sollte man alle die Hunde die! Und wenn Ihr nicht Hand anlegt, und das Kanalljenvolk zur Räson bringen helft: so will ich lieber Schweine hüten, als länger Euer Senior seyn. Das sage ich Euch, und Gott strafe mich, es ist wahr!

Aber nicht nur Gnoten und Philister, sondern auch Studenten haben uns tuschirt. Sollte man es glauben, daß die petimätrischen Fünfkäser mit Philistern gemeinschaftliche Sache machen und gegen Bursche streiten konnten? Das ist unerhört, seitdem die Welt steht, seitdem es Universitäten und Bursche und Philister gegeben hat! Pfuy der Schande!

Aber wir ruhen nicht eher, bis wir unsre Schande ausgelöscht haben, und sollt' auch alles darüber zu Grunde gehn. Also versammelt Euch diesen Abend ohne alles Geräusch hinten an der Stadtmauer beym Schnappsschenker, und verseht Euch wohl mit Hiebern, Knütteln und Steinen, und erwartet meine weitere Order! Wollt Ihr aber nicht, so sagt es, und ich skissire mich, so wahr ich Marefitz heiße.

Die Kränzianer riefen alle gleichsam aus einer Kehle, daß sie nichts sehnlicher wünschten, als den Philistern recht eins auszuwischen.

Abends um neun Uhr füllte sich die ganze Kneipe des Herrn Fusel-Majors mit Kränzianern. Alle waren mit Hiebern, Knütteln und Steinen bewaffnet, alle halbtrunken und voll Muth, den angethanen Schimpf zu rächen. Was einigen noch an Muth abging, suchten sie durch Schnapps zu ersetzen. Marefitz befahl Einigen, durch alle Straßen zu rennen, und Bursche 'raus, Bursche 'raus, zu rufen, indeß die Hauptarmee nach dem Hause der gewesenen Braut ziehen, und dasselbe stürmen sollte.

Was Marefitz ausführen wollte, geschah pünktlich, und ehe noch eine Stunde verging, war das Haus der Braut eingenommen, alles entzwey geschlagen, und Braut und Bräutigam selbst gefangen. Erstere wurde in ihrem eignen Hause nach gewaltigen Insulten auf einen Abtritt eingesperrt, lezterer aber in einen Schweinsstall geworfen, und beyde mußten in ihrem Behältniß bis an den hellen Tag kampiren, weil sich niemand unterstand, sie zu retten, aus Furcht vor den Studenten.

Nach dieser ersten Expedition verstärkte sich der Haufen ansehnlich, indem auf das fürchterliche Bursche 'raus, Bursche 'raus, alles zusammen lief, und selbst Amicisten und Fünfkäser sich dabey einfanden. Der wilde Haufen zog durch alle Straßen, schmiß hier und da die Fenster ein, perirte Philister und Gnoten, und machte ein heilloses Gelärme. Die auf den Bierkellern und Herbergen und Schnappskneipen versammelten Philister und Gnoten, noch stolz auf den vorhergegangenen Sieg der Ihrigen, und heroisch von Breyhan und Schnapps, geriethen in Harnisch, und traten zur Gegenwehr. Aber das Glück versagte ihnen dießmal, und sie wurden alle jämmerlich zugerichtet, und aufs Haupt geschlagen.

Vivat sequens, schrie Marefitz, der Anführer; und der ganze Zug folgte ihm nach dem Hause des Professors Fünfkäs, wo gleichfalls alle Fenster eingeworfen, und der ganzen polirenden Societät ein lautes Pereat gebracht wurde. Die Fünfkäser, welche bisher noch, als Versöhnte, mit herumgezogen waren, und die Fenster der Philister hatten einschlagen helfen, fanden dieses sehr unhöflich, und machten Gegenvorstellungen: dadurch wurden sie aber als Fünfkäser erkannt, und fürchterlich hergenommen.

Der Kanzler, welcher gerade den Abend bey Fünfkäs zu Gaste gewesen und noch nicht zu Hause gegangen war, glaubte durch seine Gegenwart und durch sein Machtwort den Tumult sofort stillen zu können, welches ihm jezt nothwendig schien, da die Steine der Kränzianer ihm das Glas aus der Hand geschmißen hatten, als er es eben zum Munde führen wollte. Er trat also vor die Thüre und fing an zu peroriren. Die Studenten, als sie ihn nur erblickten, stießen sich einander lachend an und waren einen Augenblick still.

»Na, sagte der Kanzler, was das ein dummer verfluchter Lärm ist! Glaub' gar, Ihr Herren seyd alle mit dem Teufel besessen, oder seyd närrisch! Das ist ja, bey meiner Seele, ein bübisches Betragen! So machens ja die Hirtenjungen nicht. Aber schon gut: wir werden uns sprechen. Jezt packt Euch nach Hause, alle wie Ihr da seyd, oder ich will Euch küranzen, daß Euch das Fell rauchen soll. Allons marsch, Ihr ungeschliffenes Grobzeug, oder ich lasse meinen Sultan kommen!

Pereat der Kanzler! schrie einer aus dem Haufen: dieses pereat war das Signal zum allgemeinen Lärmen. Was will der grobe Lümmel, der Botsknecht? schrieen alle zusammen: Fort mit dem Schlunks, mit dem unwissenden Esel! – Der Kanzler, auf den alle eindrangen, rettete sich ins Haus zurück, und entwich durch den Garten nach Hause.

Kommt Brüder, rief Marefitz, laßt uns dem Schlingel die Fenster einschlagen! Gesagt, gethan: der ganze helle Haufen zog nach des Kanzlers Wohnung, und warf ihm die Fenster rein entzwey.

Die ganze Nacht dauerte das Unwesen fort, bis jeder von den Helden sich erst gegen Tages-Anbruch zu Hause begab, und in die Federn warf.

Früh schickte der Kanzler zum Prorektor, und ließ ihm sagen: er mögte wenigstens den Senior der Kränzianer, den Marefitz, ins Carcer bringen lassen, und hernach inquiriren: So was könne er nicht verschmerzen, ob er gleich sonst kein Feind von Burschen-Auftritten sey. Der Prorektor gehorchte, und Marefitz wurde eingesperrt. Die Kränzianer verhielten sich indeß den Tag über ruhig.

Aber den Fünfkäsern wurmte es arg, daß die Bierhengste sie so öffentlich beschimpft und ihres Obervorstehers Haus gestürmt hatten. Sie hielten einen Rath, um sich auf ihrer Seite zu revanschiren, und wurden einig, daß sie des Professors Simon Haus gleichfalls stürmen, und die Bierhengste öffentlich periren wollten.

Hier wies sich es aus, daß auch Petimäter und Hasenfüße im Stande sind, renommistische Streiche auszuführen, wenn ihnen die Galle überläuft. Es muß also überhaupt an der Renommisterey nicht viel seyn, da sie sogar den elendesten Laffen zu Theil werden kann.

Den Vorschlag zu diesem Sturm hatten, wie man leicht denkt, die Amicisten, welche sich unter den Fünfkäsern befanden, wo nicht aufgebracht, doch unterstützt; und Simons Haus wurde ordentlich belagert und erobert. Simon, in der Angst, von den Feinden gefangen und ausgeschmiert zu werden, verkroch sich in das Bette der Hausmagd: diese war aber schon darin, und schrie erbärmlich, als der Herr Professor im Finstern bey ihr eindrang. Der Hausknecht, welcher neben ihr an schlief, kam auf das Geschrey herbeygelaufen, und da er sonst was vermuthete, gab er dem Herrn Professor mehr Püffe, als ihm die Fünfkäser nimmermehr gegeben haben würden, wenn sie ihn gleich auch gefangen hätten.

Den folgenden Tag war General-Concilium, und die Partheyen wurden vorgefodert. Der Prorektor und der Kanzler ließen nämlich der Bürgerschaft, den Kränzianern und den Societätern anzeigen, daß sie Deputirte zu schicken hätten, welche ihre Sache betreiben sollten. Es erschien daher von Seiten der Kränzianer Herr Professor Simon, Herr Professor Fünfkäs als Deputirter der Societät, und Meister Klemann als Deputirter der Bürger. Man hatte mit Fleiß einen Meister geschickt, damit er auch die Sache der Handwerksbursche vertheidigen könnte.

Die Bürger wurden kurz und gut abgewiesen. Es wäre, hieß es, den Studenten nicht zu verdenken, wenn sie sich gegen Philister vertheidigten. Studenten hätten doch immer eine bessere Erziehung gehabt, als Philister; und daher sey allemal zu supponiren, daß sie nicht zuerst anfiengen. Dießmal besonders sey es gewiß, daß die Studenten beleidigt worden seyen; und deswegen sollten die Philister sich nur immer zufrieden geben, daß man sie nicht noch extra derb bestrafte. Ihre Fenster u. s. w. mögten sie sich nur selbst wieder machen lassen; und das alles von Rechtswegen. – Meister Klemann ging sehr traurig mit dieser Sentenz zu denen, die ihn gesandt hatten, und diese beschlossen, zu Colchis darüber einzukommen.

Wäre Herr Schneller zu Schilda gewesen: so würden die Kränzianer gewiß gesiegt haben: denn diese hatte er einmal in Schutz genommen: aber er war zu ihrem großen Unglück zu Colchis, in Geschäften des Kanzlers. Da nun dieser seit dem Pereat über die Bierhengste sehr aufgebracht war, und von Professor Fünfkäs immer mehr gereizt wurde; da auch der Prorektor sie nicht leiden konnte: so siegten die Fünfkäser, und es wurde ein einhelliges Urtheil folgender Maßen abgefaßt:

Daß die Mitglieder des Kränzchens der Fidelität erstlich die in der Wohnung des Herrn Kanzlers und dann die in dem Hause des Herrn Professors Fünfkäs eingeworfenen Fenster auf ihre Kosten wieder in Stand sollten sezen lassen. Für dießmal wolle man zwar keine weitere Strafe über sie verhängen; der Senior Marefitz aber, als der Haupturheber des Tumultes, sollte in perpetuum relegirt werden.

Professor Simon war nicht sehr böse über dieses Urtheil: denn eben Marefitz hatte im Kränzchen alles zu sagen, er aber, ob er schon Oberaufseher war, gar nichts. Bey dieser Veränderung hoffte er aber mehr Ansehn zu erhalten, nahm daher das Urtheil ohne Widerspruch an, nur foderte er Satisfaction für die vom Hausknecht empfangenen Püffe. Na, sagte der Kanzler, das kann geschehen: es soll dem Hausknecht befohlen werden, daß er ihnen forthin allemal leuchten soll, wenn Sie wieder zur Magd ins Bette wollen. Die ganze Versammlung lachte über den Witz des Herrn Kanzlers, und das General-Concilium hatte ein Ende.

Zu Schilda war es Mode, daß man jede Kleinigkeit ans schwarze Brett schlug, und sogar jedesmal ankündigte, wenn einer aufs Carcer war gesperrt worden. So wurde denn auch dießmal das Urtheil des Conciliums gegen die Kränzianer und Bürger angeschlagen, und erregte Aufsehen in der ganzen Stadt. Die Bürger beschlossen, nach Colchis zu gehen und da sich Genugthuung auszumitteln. Die Kränzianer wollten die Sache burschikos betreiben und versammelten sich daher, um einen Entschluß zu fassen. Dieser lief dahin aus, daß man erstlich den Senior befreyen, und dann von ihm vernehmen wollte, was weiter zu thun sey.

Um jenes auszuführen, wurde Cordan, der Stockmeister, oder wie man in Schilda zu sagen pflegte, der Carcerknecht, zu einer Frau des Abends spät hingerufen, zu der er zu gehen pflegte. Ein Mädchen mußte ihm auf Anstiften eines Kränzianers sagen, Frau Liese schicke sie und lasse ihn bitten, daß er ihr doch das Haus wolle hüten helfen, indem ihr Mann verreiset sey. In diesem Fall pflegte er niemals wegzubleiben; und sobald er hin war, ließ Röschen, seine Tochter, allemal einen Studenten, welcher Schneider hieß, und ein Kränzianer war, auch zu sich herein. Dieser vertrieb ihr dann die Nacht über die Zeit.

Cordan folgte glücklich dem Rufe des Mädchens, wurde aber, als er eben mit einem nachgemachten Hausschlüssel die Thüre aufgeschlossen hatte, auf den Wink eines Kränzianers von dem Manne ertappt, tüchtig durchgeprügelt, und in den Keller eingesperrt, wo er bis an den Tag kampiren sollte. Schneider wachte indessen bey Röschen, und war so geschickt, den Carcerschlüssel wegzuputzen. So bald er ihn hatte, schlich er hinaus, und gab vor, er wolle eben einen Gang auf den Hof gehen; aber er ging zur Hausthüre, öffnete sie den auflauernden Kränzianern, gab ihnen den Schlüssel: und diese gingen unten leise durch, schlossen das Carcer auf und befreyten ihren Senior, den sie auch leise herausführten, aber nachher unter Absingung des Liedes: »Lustig sind wir lieben Brüder« nach einer Kneipe begleiteten, wo sofort ein solenner Kommers gehalten wurde.

Die durch den Breyhan und Schnapps beschenirten Bursche wollten abermals einen Skandal anfangen; aber Freund Marefitz widersetzte sich und sprach: Wartet nur, und seyd ruhig: es wird schon noch Zeit genug seyn, zu zeigen, wer wir sind.


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