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Kanton Appenzell

Die Landsgemeinde.

Von 1377 bis zum heutigen Tag.

Horch! Schüsse und Jauchzer erwachender Lust!
Rings brechen die Herzen wie Sträucher in Blust.

Gleich Bächen strömt's von allen Seiten
Dem Meer der Volksversammlung zu,
Wie's Brauch seit Ururväterzeiten,
Um Jahressatzung, Streit und Ruh.

An jeglichem Herd wacht ein blinkendes Schwert,
Damit sich der wählende Bürger bewehrt.

Auf weiten Grund sind sie geladen,
Frei unters offne Himmelszelt;
Der Säntis ragt mit Schnee beladen
Aus ihrer engen Menschenwelt.

Ein seltsames Schauen, halb schwarz und halb weiß,
Die Pfeifer und Trommler umschreiben den Kreis.

Still! Elf der Schläge schwingt vom Tale
Die Glocke grüßend voll empor;
Der Landrat naht vom Sitzungssaale,
Die Richter nahn umrauscht vom Chor.

Gemessenen Schrittes die Weibel, voran
Mit Szepter und Landschwert, betreten den Plan.

Der Volksring weitet seine Tore,
Barhäuptig Rat- und Wahlbeginn;
Zuletzt, vernehmbar jedem Ohre,
Der Eidverwarnung dunkler Sinn.

Hier helle dir jeglichen Zweifels Gefahr
Die wandernde Sage von dem, was schon war:

Einst nahm ein Landammann entgegen
Das Szepter und das heilge Schwert,
Schwor drauf den Eid, und schwor verwegen
Zugleich dem Erbfeind, goldversehrt.

Dem Pfeifer da sprang, der ihm pfeifen gemußt,
Sein Wahlschild von Silber wie Blech von der Brust. –

Einst schwor das Volk den Eid der Treue
Der Obrigkeit um Schirm und Schutz,
Und brach den Eid ohn Scham und Scheue,
Voll Uebermut, in blindem Trutz.

Der Trommler, der wollte wohl trommeln dem Eid,
Die Hand doch versagte, blieb lahm von der Zeit. –

Und einmal schwor, als gält's zu scherzen,
Der Richter laut und sich verging,
Und sprach und brach den Eid im Herzen,
Tot schlug's ihn rücklings in den Ring! –

Doch still! Nun heb du die drei Finger, du weißt:
Gottvater, dem Sohn und dem heiligen Geist! –

Zehntausend Mann, sie schwören, schwören
Wie eine Kehle, eine Hand,
Es braust wie Sturm durch Bergesföhren,
Lawinenfall vom Felsenrand.

Die Berge entlang rollt's mit Donnergewalt;
Fernhin an den Himmeln das Schwören verhallt.

 

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