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Kanton Luzern

Zwei Gräber.

Es war – irrt etwa nicht die Sage –
Vor dreimal hundert Jahren schier:
An einem und demselben Tage
Grub man zwei Gräber, dort und hier,
Für Katholik und Protestant,
Die ja in Gott selband' verwandt.

Links fängt der Küster an zu läuten,
Als einer von den Pfarrerherrn
Des andren Kirch anfüllt mit Leuten,
– Wer war's zuerst? Wir wüßten's gern! –
Und reißt dem Küster aus der Hand,
Reißt ihm entzwei das Glockenband.

Als das der andre Herr vernommen,
Ist er – entbrannt von heilger Glut –
Flugs als ein Rächer angekommen
Beim Kirchlein rechts, das läuten tut,
Und jagt den Küster schiffentlang,
Reißt ihm entzwei den Glockenstrang.

Die Seelen in den Gräbern hören
Statt Friedensklang und Segensspruch,
Wie die Verwandten sich empören,
Die frommen Herren Schrift und Buch
Anrufen, ob mehr Protestant,
Mehr Katholik Herr sei im Land?

Deß bangen sehr die beiden Seelen
Und raunen leis einander zu:
»Liegt ihnen mehr am Schelten, Schmälen,
Als unsrer ewgen Himmelsruh?
Am End, wir gäben uns die Hand,
Hielt uns ihr Streit nicht festgebannt!«

Doch kaum ihr Seufzen aufgestiegen,
Geht selbst der Herr ans Himmelstor
Und ruft: »Sankt Petrus, sollst mir fliegen!
Führ mir zwei arme Seelen vor;
Dort irren sie am Gräberrand!
Leg an Freund Satans Festgewand.« –

Als Petrus tut wie ihm befohlen,
Und sieht am Grab die Zänker stehn,
Und ruft: zwei Seelen komm ich holen!
Den Bösen meinen sie zu sehn,
Und fliehn – als wie schon angebrannt –
So Katholik als Protestant.

Gleich schaudernd ziehn an seiner Seite,
Die armen Seelen links und rechts,
Und fluchen jedem Glaubensstreite,
Dem Wurmstich blühenden Geschlechts,
Bis Petrus abwirft sein Gewand,
Sie gibt in Gottes eigne Hand;

Allwo von Einem Licht umflossen,
Sie staunend vor einander stehn,
Die blöden Augen aufgeschlossen,
Gleich Brüdern, die sich nie gesehn:
Vergessend, daß sie sich gekannt
Als Katholik und Protestant.

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