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Kanton Zug

Der Erdschlipf.

1435 und 1887.

»Was träumst mir schon wieder am Wasser, Kind, Kind!
Wer fährt dir vorüber im segelnden Wind?« –

»Geschwind, hilf mir schauen! O Mutter, von fern,
Fern leuchtet's herauf ... bloß den See hab ich gern« ...

»Drum gehn dir auch alle Gedanken die Kraus!« –
»Gib Acht, ich erspäh noch ihr schimmerndes Haus!« ...

»Weß Haus?« – »Doch der Ahne!« ... »Der Ahne?« – »Ach was,
Du weißt was ich meine, heut ist er wie Glas« ...

»Wer denn?« – »Nun, der See! wie dereinst, als sie wie
Ins Traumland versanken, die Menschen« ... »Marie!

Den Puls her ... du fieberst! Bekreuze dich, Kind!« –
»Das Orgeln so lockend, das Orgeln so lind,

»Das Orgeln versunkener Kirchen, hör, hör« ...
»Hilf, hilf, Mutter Gottes, den Dämon beschwör!« –

»Und wiß nur, heut Nacht hat er um mich gefreit,
Und du, mein lieb Mütterlein, gibst mir Geleit« ...

»Wer er?« – »Still, mein Knabe mit Augen so blau« ...
»Dein Knabe? Du irrst dich, mein Schätzchen, ich trau:

Vom Wasserjungfräulein und Urvaters Sohn
Ja faseln's ... nur Sagen« – »Ich sehe sie schon,

Die lieben Verwandten« ... »Du träumst doch nicht nach,
Was sündige Liebe am Städtchen verbrach?« –

»So viel als da draußen blühn Blumen am Haus,
Mir bitt ich zur festlichen Hochzeit sie aus« ...

»Mariechen bloß bist du, du bist doch nicht er!
Wohl vierhundert Jahre und mehr ist's seither!« –

»Die Nachbarn, die Freunde, mein Kirchlein so traut,
Sie wollen hinunter zu Ehren der Braut;

Versunkene ihr, im kristallnen Gemach,
Eilt, schmückt euch, wir kommen, wir folgen euch nach!« ...

»Tot sind sie, lang tot! Red mir nicht so verrückt!
Die Sage, sie lügt ja! Gesteh, was dich drückt!« –

»Ei, schiltst du dies Leben nicht selber oft wüst?« ...
»Im Unmut bloß, Kindchen, nicht daß ich sonst wüßt.« –

»Sie blühen in Schönheit, in Wellen von Licht,
Durchsichtig wie Wellen ... wie's dunkelt, merkst nicht?« ...

»Mir schwin...delt Kind!« – »Mutter, ich führe ... er ruft,
Er winkt schon, da ist er!« ... »Marie...chen Luft, Luft!« –

Sie sinken mit Häusern und Gärten im Nu,
Umläutet, umblüht, in krystallene Ruh.

 

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