Robert Kraft
Die Vestalinnen, Band 2
Robert Kraft

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6.

Die Vernichtung der Buschrähndscher

Eine halbe Stunde später, als die englischen Herren, kam auch Miß Nikkerson auf die Vermutung, daß der Zug aus irgend einem Grunde im offenen Walde halten müsse, er fuhr immer langsamer und blieb schließlich ganz stehen.

Alle anderen Mädchen hatten sich auf den Schlafbänken des Wagens niedergelegt, nur sie, im Bewußtsein ihrer verantwortlichen Stellung, war diesem Beispiele nicht gefolgt, sondern hatte an einem der Fenster Platz genommen und blickte träumerisch in die vom Mond beschienene Landschaft, wahrend an ihrem geistigen Auge bald düstere, bald heitere Bilder vorbeischwebten. Sie bemerkte nicht, daß oben durch das Glasfensterchen, über welchem eine Oellampe brannte, ein paar funkelnde Augen das Innere des Wagens musterten.

Da plötzlich schrak sie zusammen, die Räder drehten sich langsamer, der Zug hielt.

Miß Nikkerson öffnete das Fenster, um sich über den Grund dieser Verzögerung zu orientieren. Ehe sie aber ihre Absicht ausführen konnte, wurden schon auf der anderen Seite die Türen aufgerissen, und im Nu war der Wagen mit wilden, in Leinwand gekleideten Gestalten gefüllt, die sich mit Hohnlachen auf die erschrockenen, völlig fassungslosen Mädchen warfen und sie im Nu überwältigt hatten.

Auch Miß Nikkerson war diesem Schicksal nicht entgangen. Mit Schrecken erkannte sie an der Kleidung dieser Menschen, daß sie jedenfalls ausgebrochene Sträflinge waren, die Stempel auf der Leinwand verrieten es.

»Ein kapitaler Fang,« lachte ein gelbhäutiger Geselle mit widrigem Gesicht. »Euch wollen wir uns nicht aus den Zähnen rücken lassen.«

Die Mädchen wurden gewaltsam aus dem Wagen transportiert und ins Gebüsch geschleppt, wo sie einstweilen liegen bleiben mußten, während die Männer, es mochten wohl vierzig sein, die Schienen von den Schwellen rissen und in weiter Entfernung hin verstreuten, um, wie Miß Nikkerson schloß, sich möglichst vor Verfolgung zu sichern.

Dann wurden sie genötigt, aufzustehen und mit ihren Entführern etwa eine Stunde lang durch den Busch zu marschieren, bis sie eine Lichtung erreichten, wo die Strolche wahrscheinlich schon vorher gelagert hatten, denn der Platz war mit noch glimmenden Holzfeuern bedeckt.

Keines der Mädchen war sich noch unklar darüber, daß sie von irgend jemandem planmäßig und unablässig verfolgt wurden, der erste Ueberfall in Konstantinopel, die Verhaftung Ellens in Kairo, und dann die Entführung Miß Stauntons hatten ihnen dies zur Genüge gesagt, und oft hatten sie sich darüber unterhalten, wer wohl der Urheber aller dieser Gewalttaten sein möge, und was er dabei bezwecke. Einige glaubten, der Mädchenhändler Demetri wolle die ihm Entrissenen wiederhaben oder derjenige, dem die Sklavinnen gehörten, und sich außerdem an den Befreierinnen rächen; andere aber suchten den Grund tiefer, und einige behaupteten sogar, wenn sie es auch nicht öffentlich aussprachen, daß Miß Petersen davon mehr wisse, als sie zugeben wollte.

Jedenfalls ging dieser abermalige Ueberfall von derselben Person aus, die ihnen schon so viele Schwierigkeiten in den Weg gelegt hatte.

Sofort beim Aussteigen hatten die Gefangenen bemerkt, daß die Lokomotive mit dem ganzen übrigen Zuge fort war, und ihr Schrecken steigerte sich, als sie fanden, daß auch der hinter ihnen herfahrende Wagen mit den Lords verschwunden war. So konnten sie vorläufig auf keine Hilfe rechnen, und hofften nur, daß es den Buschrähndschern nicht ebenso leicht geworden sei, die englischen Herren zu überwältigen.

Aber an eine Selbstbefreiung war vorläufig nicht zu denken; die Räuber hatten ihnen sofort die Taschen nach Waffen untersucht und ihnen dieselben abgenommen. Ja, wenn Ellen bei ihnen gewesen wäre! Dies kühne Mädchen würde nur darauf gesonnen haben, wie sie sich durch eine List in den Besitz von Waffen bringen könnte, ebenso Johanna und vielleicht auch die beiden anderen Damen, welche jetzt auf Blackskin waren und die Ankunft der übrigen dort vergeblich erwarteten, so dachte Miß Nikkerson, aber sie allein, obgleich selbst tatkräftig und unerschrocken, glaubte sich nicht befähigt, die ihrem Schutz anempfohlenen Mädchen zu einer heroischen Tat entflammen zu können, wenigstens jetzt noch nicht – die ängstlichen Mienen derselben verrieten es ihr.

Die Buschrähndscher schienen sich vollkommen sicher zu fühlen. Sie hatten die Feuer wieder entfacht und hießen die Gefangenen, sich um dieselben zu lagern, während sie selbst sich um einen Mann geschart hatten und dessen Reden lauschten. Leider hatten sie sich dabei so weit von den Mädchen entfernt, daß diese nichts von dem leise geführten Gespräch vernehmen konnten.

Aber Hope Staunton hatte schon in diesen Männern einen von denen erkannt, die sie damals in Sydney im Boot zu entführen gesucht hatten, und die dann von den englischen Herren an die Polizei ausgeliefert worden waren, sie erinnerte sich mit Schrecken dieses gelben Spitzbubengesichtes, und bald fand sie die ganze Bootsbesatzung hier versammelt.

Sie teilte ihre Wahrnehmung den Freundinnen mit, und dies vermehrte nur die Angst der Mädchen, welche sich bisher noch nie in einer solchen Lage, gefangen und getrennt von der ›Vesta‹ und fern von aller Hilfe befunden hatten.

»Verlieren Sie den Mut nicht, meine Freundinnen,« bat Miß Nikkerson flüsternd. »Noch haben wir Hoffnung, Unterstützung durch die englischen Herren zu bekommen, denn ich glaube nicht, daß sich diese, mit Büchsen wohlbewaffnet, so leicht überrumpeln lassen, und dann verlassen Sie sich auch darauf, daß die vorausgereisten Herren und Damen alles aufbieten werden, uns zu befreien. Wenn der Zug in Hughenden ankommt, wird das Fehlen der beiden letzten Wagen sofort gemerkt, und es wäre seltsam, wenn diese Nachricht nicht in kürzester Zeit nach Blackskin käme. Zwischen Hughenden, der größten Eisenbahnstation hier und den einzelnen Farmen herrscht jedenfalls fortwährende Verbindung, und so können wir also sicher auf Hilfe rechnen.«

»Kameraden,« sagte an der anderen Seite des Platzes der Gelbe – es war Manzo – triumphierend zu seinen Genossen, »der Handstreich ist uns gelungen. Der Seewolf, mein früherer Kapitän, wird verwunderte Augen machen, wenn er uns in dem Besitz der Mädchen sieht, hahaha. Aber laßt ihn schimpfen und fluchen, soviel er will, wir geben sie ihm nicht heraus. Hier im Busch sind wir vor ihm und allen Verfolgungen seines Herrn, in dessen Auftrag er handelt, sicher. Jedenfalls aber muß er für jedes der englischen Herrchen, die er mit den fünfunddreißig von uns geliehenen Männern tötet, hundert Dollar bezahlen, so ist es ausgemacht, und wir lassen uns davon nichts abhandeln, sonst nehmen wir es uns mit Gewalt von ihm. Geld ist immer eine schöne Sache, selbst im Busch kann man es unter Umständen sehr gut gebrauchen.«

»Aber was sollen wir denn mit den Frauenzimmern anfangen?« fragte einer der Buschrähndscher. »Sollen wir sie mit uns herumschleppen und ihnen unsere Vorräte zu tragen geben? Das würde nur ein großes Hemmnis für uns sein!«

»Du bist ein Narr,« lachte Manzo. »Nein, wir ziehen uns tief ins Innere zurück. Ich bin in Australien nicht unbekannt, ich kenne eine Gegend, die noch nie eines Menschen Fuß betreten hat, eine Quelle, die auch im heißesten Sommer nicht austrocknet. Dort bauen wir uns ein hübsches Nest. Jagdbare Tiere gibt es da in Hülle und Fülle, auch können wir manchmal Abstecher nach entfernten Farmen machen, und kommen wir ermüdet und verwundet zurück, so werden wir von hübschen Mädchen geliebkost und gepflegt.«

»Bravo!« brüllten die Räuber und schwangen jauchzend die Büchsen um die Köpfe.

»Wir sind wieder freie Männer,« fuhr Manzo fort, »und der Teufel soll uns holen, wenn wir unsere Freiheit nicht ebenso genießen, wie sich's die Herren in den Städten erlauben. Laßt nur erst unsere Genossen zurück sein, sie bringen noch die Büchsen der Engländer mit, und dann ziehen wir uns nach dem Versteck zurück, das schon von einigen Mann gegen ein ganzes Regiment Soldaten verteidigt werden kann, und führen dort ein Dasein wie die Fürsten. Jeder ist sein eigener Herr, niemand hat zu befehlen, niemand zu gehorchen, einer für alle, alle für einen, was mein, ist dein, Eigentum gibt es nicht, wie niemand eine Frau für sich allein besitzt. Das ist es, was ich mir schon längst erträumt habe, und nun endlich ist die Zeit gekommen, da sich mein Traum verwirklicht. Dort steigt die Sonne blutrot am Horizont auf, sie verkündet uns die Freiheit, ein neues, schönes Leben, nur durch den Tod wollen wir es uns wieder rauben lassen. Hurrah, Kameraden, Tod oder Freiheit, das soll von jetzt an unsere Losung sein!«

Laut jubelten die Räuber dem Redner zu, der ihnen von Freiheit und Gleichheit sprach und sich dabei doch schon zum Anführer dieser Bande aufgeworfen hatte, der einen Ungehorsamen mit der Kugel bestrafte. Sie waren über die geträumten Zukunftspläne so aufgeregt, daß sie ganz die Flintenschüsse überhörten, welche dicht in der Nähe knallten, und erst als ihre lüsternen Blicke auf die am Boden sitzenden Mädchen fielen, merkten sie aus der Spannung, mit welcher diese ihre Aufmerksamkeit nach einer Richtung lenkten, daß irgend etwas nicht in Ordnung sei.

Sie lauschten, und jetzt hörten auch sie die Schüsse.

»Seht nach den Pferden!« rief Manzo. »Und haltet euch bereit, daß die Mädchen zuerst in Sicherheit gebracht werden! Hoffentlich verfolgen unsere Kameraden nur einige der Engländer, die dem Gemetzel entgangen sind, und die dann gerade in unsere Hände laufen. Sind es aber andere, dann nehmen wir einen Kampf nicht eher auf, als bis die Frauenzimmer geborgen sind – den Schatz wollen wir uns nicht entgehen lassen.«

Einige der Räuber gingen in den Busch, wo die Pferde standen, welche sie auf einer Farm erbeutet hatten, und die übrigen berieten, ob sie auskundschaften sollten, was die Schüsse bedeuteten, oder ob sie hier warten sollten, als plötzlich sich die Büsche teilten und der Seewolf auf die Blöße gestürzt kam.

»Hölle und Teufel!« schrie er mit heiserer Stimme und stürzte atemlos zusammen.

»Was gibt's? Was ist geschehen?« riefen die Räuber durcheinander.

»Der Teufel ist los!« stieß der am Boden Liegende hervor. »Die verdammten Engländer haben uns fast aufgerieben, unsere Pferde sind in ihren Händen – die Schufte sind dicht hinter uns her!«

»Was?« schrie Mauzo außer sich nur Wut. »Du und die fünfunddreißig Mann haben nicht einmal die lumpigen zwanzig Engländer überwältigen können? So leben sie noch?«

»Alle sind tot oder verwundet im Busch,« heulte der Seewolf.

»Wer? Die Engländer?«

»Zum Teufel mit Euch!« brüllte der Pirat und sprang auf. »So hört doch! Die Engländer sind hinter uns her; wessen Kopf sie nur sehen, dem sitzt auch schon ein Stück Blei im Gehirn. Rechts und links neben mir fielen die Genossen, wie die Eicheln im Herbste, da gab es kein Aufhalten, kein Schießen mehr, wer sich nur umdrehte, sank ins Gras und stand nicht wieder auf; ich bin nur wie durch ein Wunder ihren Kugeln entgangen – die Kerle schießen wie die Satans.«

Sprachlos hatte Manzo dem Bericht zugehört.

»Seid Ihr denn wahnsinnig, solches Zeug zu schwatzen?« schrie er. »Ihr fünfunddreißig Mann habt euch überlisten lassen von den Engländern, die doch wie Mäuse in einer Falle saßen? Ihr brauchtet sie doch nur wegzuschießen, einen nach dem anderen, als sie den Wagen verließen.«

»Der Teufel hole Euch und Eure Sippschaft! Die Arme und Beine der Kerle sind so lahm von der Arbeit im Steinbruche, daß sie wie Schnecken schleichen und wie die Blinden schießen. Entweder sind sie auseinandergesprengt, oder ich bin der einzige, der mit dem Leben davongekommen ist.«

Jetzt erst fiel der Blick des Seewolfs auf die Mädchen. Mit einem Wutschrei sprang er auf Manzo ein.

»Was ist das?« schrie er. »Wie kommt Ihr zu den Mädchen?«

»Das ist meine Sache,« entgegnete der Räuber lachend. »So wie Ihr den Wagen der Engländer losgekuppelt habt, ließ ich es mit dem vorhergehenden machen. Kümmert Euch nicht darum! Die Mädchen sind uns und bleiben uns.«

»Wahrt Euch vor dem Meister!« zischte der Seewolf. »Meine Sache ist es allerdings nicht, aber Ihr kennt ihn und wißt, daß seine Hand überallhin reicht.«

»Papperlapap, leeres Geschwätz! Ich werde es zu verantworten haben. Also die Engländer haben eure Pferde?«

Mit fliegenden Worten erzählte der Seewolf, wie die Engländer sich hinter dem Wagen verbarrikadiert, den Räubern zu Leibe gerückt und auf diese ein furchtbares Feuer aus ihren repetierenden Gewehren eröffnet hätten.

»Die Leute kamen gar nicht zur Besinnung, die Engländer hatten Henrybüchsen; ohne zu laden, feuerten sie Salve auf Salve; meine Männer stürzten nach ihren Pferden, aber keiner erreichte sie; dagegen waren im Nu die verdammten Engländer dort, saßen auf und wüteten unter uns. Ehe ich bis drei zählen konnte, waren wir alle auseinander; ich selbst habe einen Fußtritt von einem Pferde erhalten, der mich halb besinnungslos zwischen die Bäume schleuderte, und nur so bin ich dem Tode entgangen. Als ich wieder zu mir kam, eilte ich direkt hierher, und da noch kein anderer eingetroffen ist, so ist anzunehmen, daß ich der einzige bin, der dies Gemetzel überlebt hat.«

Mit einem fürchterlichen Fluche auf die Engländer schloß der Seewolf seine Erzählung.

»Auf See mögt Ihr taugen, an Land aber seid Ihr wie ein kleines Kind,« stieß Manzo wütend hervor.

»Auf die Pferde, Kameraden! Zuerst aber die Mädchen darauf, und dann fort nach unserem Versteck! Seewolf, komm mit uns, und du bist ein freier Mann! Laß den Meister und die Engländer zum Teufel gehen, diesen Schlag hältst du doch nicht mehr aus.«

»Aber in Hughenden sind schon Vorbereitungen vom Meister getroffen, um die Mädchen zu empfangen,« warf der Seewolf zagend ein. »Bringt sie unbemerkt dorthin, und ihr werdet eine reiche Belohnung erhalten.«

»Ach was, Belohnung! Frauen sind in der Wildnis nicht mit Gold aufzuwiegen. Komm mit uns, alter Junge! Sollst auch noch ein Weibchen bekommen!«

Die Mädchen hatten sich anfangs gesträubt, als sie auf die ledigen Pferde, deren die Räuber viele mit sich führten, gehoben und dann von je zwei Reitern in die Mitte genommen wurden, denn sie hatten jetzt erfahren, daß die Engländer wirklich aus dem Kampfe als Sieger hervorgegangen waren, und nun, sogar beritten, auf der Fährte der Räuber waren. Da die Herren aber in der Verfolgung einer Spur unbewandert waren, so wäre es den Damen das liebste gewesen, wenn die Räuber hier lagern geblieben wären.

Aber durch finstere Drohungen und von rohen Händen gezwungen, mußten sie sich widerstandslos fügen, doch ihre Herzen wurden wenigstens wieder von einem Hoffnungsstrahl erleuchtet.

Manzo und der Seewolf, wie auch einige andere Sträflinge hatten genug von den Engländern gehört oder schon selbst zu ihrem Schaden deren Bekanntschaft gemacht, als daß sie wünschten, noch einmal mit diesen Männern in Berührung zu kommen, und so brachen sie alle unverzüglich in der Richtung auf, wo nach Angabe des Manzo das Versteck liegen sollte.

»Dort,« sagte dieser, »mögen die Engländer nur kommen; wir wollen ihnen schon einen gesalzenen Empfang bereiten. Mögen sich alle Farmer Australiens vereinigen, um uns zu fangen, aus dem Fuchsbau können sie uns nicht räuchern, da wir ja genug Lebensmittel bei uns haben.«

Zwei Stunden später war es, die Sonne hatte sich hoch erhoben und küßte erwärmend die Lichtung, welche, jetzt still daliegend, eben noch der Schauplatz einer wilden Szene gewesen war, sie trocknete die Tautropfen, welche an den Halmen wie Tränen hingen, geweint von verzweifelnden, jungen Mädchen.

Ein schwarzer Kopf hatte sich durch einen Busch gedrängt und ließ die funkelnden Augen über die Lichtung schweifen. Gleich darauf huschte der in eine graue Uniform gekleidete Körper eines Negers hervor, kroch, das Gesicht dicht auf den Boden geneigt, hin und her, als mustere er angelegentlich die Fußabdrücke, und verschwand bald darauf wieder im Gehölz.

Aber nicht lange dauerte es, so kehrte er wieder zurück, diesmal in Begleitung von drei anderen Negern, welche ebenso, wie er, gekleidet waren, auf den Rücken Karabiner und an den Seiten lange Pallasche in Lederscheiden trugen, den sie in einer Hand hielten und der sie nicht im mindesten in ihren lautlosen, schlangenähnlichen Bewegungen störte.

Tiefe, grunzend klingende Gaumenlaute wurden hier und da gewechselt; bald deutete einer der Männer nach der Richtung, wo sie den Wagen und die zerstörten Schienen gefunden hatten, bald dahin, wohin die Räuber verschwunden waren.

Dann legte einer der Schwarzen die Hände trichterförmig vor den Mund und stieß erst dreimal kurz hintereinander das kläffende Gebell des Dingo, dann einmal den mißtönenden Schrei des Geiers aus; sofort teilte sich das Gebüsch, und Leutnant Atkins trat heraus.

»Sind fort, Massa,« sagte einer der Schwarzen. »Wir kommen zu spät. Aber hier,« er deutete auf eine Stelle in der Lichtung, »was ist das? Viele Frauen sind hier gewesen, haben fast zweimal zwanzig Füße gezählt.«

»Die kommen aus dem Eisenbahnwagen, den die Rähndscher losgekuppelt haben. Wann mögen sie die Weiber hierher geschleppt haben?«

»Mag Mitternacht gewesen sein,« entgegnete der Schwarze auf die Frage seines Leutnants, das niedergetretene Gras musternd.

»Und wann sind die Strolche von hier weggeritten?«

»Vor ein bis zwei Stunden; der Tau war noch nicht getrocknet. Das nasse Gras, welches ihr Fuß niedergetreten, hat sich noch nicht aufgerichtet. Alles andere Gras ist fast trocken, das hier aber noch nicht.«

»Waren alle zu Pferde?«

»Alle,« sagte ein anderer Schwarzer, der bereits die Umgebung der Lichtung untersucht hatte, »auch die Frauen reiten allein, und es sind noch mehr Pferde ohne Reiter dabei. Aber viel weniger als achtzig Mann, vielleicht bloß die Hälfte.«

»Schön. Erst wollen wir diese auf's Korn nehmen. Reite zu Graves zurück,« sagte Atkins zu einem der Schwarzen, »und führe die Farmer so, daß wir mit ihnen zusammentreffen können. Ich nehme mit den fünf anderen sofort die Richtung auf und zwar im schnellen Galopp, sorge dafür, daß jene hinter uns bleiben. Dreimaliges Bellen des Dingo bedeutet: sie sollen halten, zweimal: sie sollen sich noch mehr beeilen, weil wir auf sie warten.«

Ein Schwarzer hatte bereits die Pferde herbeigeführt; kaum hatte Atkins seine Instruktionen gegeben, so saß er schon im Sattel und jagte in den Busch, gefolgt von fünf seiner Leute, während der sechste auf der anderen Seite der Lichtung verschwand, um zu den nach Rache dürstenden Farmern zurückzukehren und sie hinter Atkins herzuführen, der mit seinen Leuten den Vortrab bildete und jede Gefahr nach hinten meldete, überhaupt das ganze Verhalten der Farmer leitete.

»Gottes Tod,« schrie der alte Farmer, als er den Bericht des Negers empfangen hatte, »so sind die Vögel also schon ausgeflogen! Und Frauen haben sie auch noch geraubt! Drauf und dran, Burschen, jetzt zeigt einmal, daß ihr reiten könnt! Wir wollen den Kerls die Liebesgedanken austreiben.«

Wie der Sturm sauste die wilde Reiterschar ihrem Anführer nach, der wiederum dem weit vorausreitenden, führenden Schwarzen folgte. Ein solch großer Trupp konnte sich nicht lautlos bewegen; man brauchte auch nicht darauf bedacht zu sein, sich den Räubern unhörbar zu nähern, denn sie hatten nach Aussage des schwarzen Soldaten eine, höchstens zwei Stunden Vorsprung, und die Farmer, im Reiten durch den Busch und Wald geübt, mußten die Buschrähndscher bald erreicht haben; einige Stunden würden natürlich noch vergehen.

Es war gegen Mittag, als der voranreitende Schwarze sich umwandte und die Hand winkend erhob, zum Zeichen, daß die Farmer halten sollten; er hatte dreimal das Gekläff des Dingo gehört, gefolgt von dem schrillen Schrei des Geiers.

»Was gibt es?« fragte Graves, heransprengend.

»Weiß nicht, Massa,« war die Antwort. »Leutnant Atkins wird Buschrähndscher gesehen haben und vielleicht selbst herkommen, um mit Euch zu beraten.«

»Oder sollte er vielleicht die Spur verloren haben?«

Der Bursche schüttelte energisch den Kopf.

»Schwarze Polizei nie, niemals Spur verlieren,« grinste er.

Eine halbe Stunde verging noch, und die kampfeslustigen Farmer wurden schon ungeduldig, daß sie fast der Aufforderung ihres Anführers, zu warten, nicht Folge leisten wollten, als Leutnant Atkins erschien.

»Die Buschrähndscher werden von Schwarzen verfolgt,« sagte er, »obgleich wir noch keine Fährten von ihnen gefunden haben. Wir haben einen der Räuber mit eingeschlagenem Kopf und seiner Waffen beraubt, aufgefunden. Der Mann ist wegen irgend etwas zurückgeblieben und von den Negern ermordet worden.«

»Aber das ist doch kein Grund, hier so lange unnütz zu zögern,« rief der alte Farmer unwillig.

»Gemach,« sagte Atkins, »ferner haben wir gefunden, daß die Räuber einen Bogen gemacht, haben die fernere Richtung, die sie einschlagen, beobachtet und können nun mit Bestimmtheit sagen, wohin sie sich wenden. Sie glauben, daß wir dieses Versteck nicht kennen, aber darin irren sie sich natürlich gewaltig. Wenn wir uns beeilen, können wir ihnen sogar noch zuvorkommen, denn wir haben jetzt ebensoweit zu diesem Orte, wie sie, in zwei Stunden können wir dort sein.«

»Aber wenn sie nun diesen Ort gar nicht aufsuchen wollen?« fragte Graves mißtrauisch.

»Es ist nicht anders möglich,« versicherte Atkins. »Einer meiner Leute hat sogar ihr Gespräch betreffs dieses Punktes belauscht, und außerdem bleibt ein Schwarzer auf ihrer Fährte und benachrichtigt uns, wenn sie wider Erwarten ihre Absicht ändern sollten. Aber ich versichere Sie, sie suchen dieses Versteck ohne allen Zweifel auf, weil sie es für vollkommen sicher halten. Es ist auch nur wenigen bekannt, und unter diesen bin ich und einer meiner schwarzen Soldaten.«

»Dann vorwärts, Leutnant!« rief der alte Farmer und gab seinem Rosse die Sporen. »In zwei Stunden will ich die Kerls sehen, oder –«

Er vollendete den Satz nicht, sondern stürmte dem voranreitenden Leutnant nach, und er und die übrigen Farmer mußten ihre ganze Kunstfertigkeit im Reiten aufbieten, um dem sattelfesten, jungen Manne, dessen Leben oft von dieser kunstreiterischen Geschicklichkeit abhing, folgen zu können.

Wirklich waren noch keine zwei Stunden vergangen, als Atkins plötzlich sein Pferd zügelte und die Nachfolgenden veranlaßte, dasselbe zu tun.

»Schüsse,« rief er.

Auch die anderen hörten jetzt, wie in der Ferne Schüsse fielen, langsam, in großen Zwischenpausen, als würde ein Gefecht geführt, wie solches nur in Gegenden möglich ist, wo sich der Gegner vor dem Feind durch Bäume oder Sträucher schützen kann.

Ein schwarzer Soldat flüsterte dem Leutnant etwas zu.

»Bei Gott, du hast recht,« rief dieser erstaunt, »diese Knalle kenne ich. Es sind die Karabiner meiner Leute, die ich mit Mister – mit meinem Freunde zurückgelassen habe. Nun, wir werden gleich sehen, auf welche Weise diese Burschen mit den Buschrähndschern handgemein geworden sind.«

Er sprang vom Pferde und ging nur noch einige Schritte, dann kam er, wie er wohl wußte, an eine mächtige Lichtung, durch welche ein Bach zwischen zwei Hügeln hervor aus einer sehr schmalen Oeffnung floß, und um diesen Eingang zu dem Hügeltal hatte sich ein heftiger Kampf entsponnen.

Kurz vor der Bodenerhebung, noch auf der Lichtung, befanden sich einige Gruppen von mächtigen Bäumen, wie solche auch die Hügel selbst bedeckten, und hinter diesen Stämmen hatten die von ihren Pferden gesprungenen Räuber eine gedeckte Stellung genommen und erwiderten das Feuer, welches aus dem Eingange des Tales gegen sie eröffnet wurde.

Die Mädchen selbst standen auf einem völlig unbeschützten Platze der Lichtung zerstreut, und nur diesem Umstande hatten es die Buschrähndscher zu danken, daß die das Tal besetzt Haltenden einen nur unvollkommenen Gebrauch von ihren Büchsen machen konnten. Trotzdem aber lagen schon mehrere der Räuber tot oder verwundet am Boden.

Als die Buschrähndscher in die Nähe des Tales gekommen waren, hatte sie eine Salve empfangen, und instinktmäßig waren sie hinter die Bäume gesprungen, um den noch unbekannten Feind erst einmal zu erkennen und dann unschädlich zu machen, denn aus der Anzahl der fallenden Schüsse konnten sie erraten, daß es höchstens fünf bis sieben waren.

Sie sahen teils hinter den Bäumen, die vor dem Eingange zum Tal, teils hinter denen, die auf den Hügeln standen, einige in graue Leinwand gekleidete Gestalten stehen, und erst, als ab und zu eine schwarze Hand, die eine Hälfte eines schwarzen Gesichtes beim Zielen zum Vorschein kam, merkten sie, daß sie Eingeborene vor sich hatten.

»Die schwarze Polizei,« rief Manzo, der schon an der linken Hand verletzt war. Er hatte den Schuß empfangen, als er beim Zielen die Hand etwas zu weit vorstreckte: er hatte gemerkt, daß derjenige, der diese Unvorsichtigkeit gesehen und bestraft hatte, ein Weißer war, wahrscheinlich der Anführer dieser Soldaten. Auch war es ihm nicht entgangen, daß dieser Mann mit einem Revolver gefeuert hatte, und weiter noch, daß er nie einen Schuß umsonst abgab.

Wo sich nur ein Stück von einem Bein, einem Arm, einer Hand oder einem Gesicht zeigte, da saß seine Revolverkugel, und die Buschrähndscher waren demgegenüber ganz machtlos, sie konnten fast zu keinem Schuß kommen oder begnügten sich einfach damit, auf die Bäume zu schießen, hoffend, daß sich einer der Soldaten einmal eine Blöße geben würde.

Aber das geschah nicht. Immer mehr der Buschrähndscher wurden verwundet, und noch hatte keiner ihrer Schüsse einen Gegner getroffen.

Dies alles hatte bis jetzt nur wenige Minuten gedauert, ebensolange, wie die Farmer gebrauchten, von der Lichtung ungesehen hinter den Burschen zusammenzukommen und über das Gefecht klare Kenntnis zu gewinnen.

Plötzlich sprangen die Buschrähndscher, als die Eingeborenen eben alle mit dem Laden der Büchsen beschäftigt waren, nicht, wie die Farmer zuerst glaubten, auf die hinter den Bäumen Stehenden, sondern auf die Mädchen zu und drängten sich hinter diese. So schnell war das Manöver ausgeführt worden, daß nur ein einziger, von der Revolverkugel des Europäers durch den Kopf geschossen, zu Boden gesunken war.

Im nächsten Augenblicke schoben die Räuber die Mädchen vorwärts auf die Bäume zu, sich so ein lebendiges Bollwerk schaffend, und wirklich wagte keiner der Schwarzen mehr zu schießen, nur der Anführer sandte Schuß auf Schuß ab, ohne sich um die Gefährdung der Mädchen zu kümmern, aber auch, ohne jemals sein Ziel zu verfehlen.

Trotzdem ließen sich die Räuber nicht irremachen, ihre einzige Hoffnung bestand jetzt nur noch darin, erst einmal das sichere Tal zu gewinnen, in dem sie sich wie in einer Festung verschanzen konnten. Immer weiter drangen sie, und jetzt gab auch der Führer seine Stellung auf und wandte sich, von seinen Soldaten gefolgt, rückwärts, immer hinter Bäumen Deckung suchend, und zwar so geschickt, daß keine der ihnen nachgesandten Kugeln traf.

Aber ihre Stellung war verloren, mit einem Jubelgeschrei stürzten die Rähndscher hinter den Mädchen hervor, auf den Eingang der Schlucht zu; schon wollten sie in diese eindringen, da hemmten sie plötzlich ihre Schritte. Vor ihnen standen eine Menge schwarzer Gestalten, die hinter den Felsen bis jetzt versteckt gewesen waren, zwischen ihnen auch einzelne Weiße, und ehe sich die Verbrecher noch von der Ueberraschung erholt hatten, streckten schon die von nerviger Hand geschleuderten Wurfspieße sie zu Boden und räumten die Revolver unter ihnen auf.

Die Buschrähndscher konnten nicht mehr Gebrauch von ihren Büchsen machen. Hinter ihnen erscholl ein wildes Jubelgeschrei, sie hörten nun auch das Galoppieren von zahllosen Roßhufen auf dem harten Boden, dann zerschmetterten schwere Büchsenkolben ihre Schädel, oder der Pallasch trennte sie mit mächtigem Hieb fast vom Rumpfe.

Wohl versuchte einer oder der andere noch eine Gegenwehr, aber sie mißlang, sie stürzten als Leichen zu Boden.

»Verfluchtes Weib!« schrie ein Räuber und sprang auf das Mädchen zu, das ihn eben mit den letzten Revolverkugeln in die Seite getroffen hatte.

Mit erhobenem Messer stürzte er gegen Jessy, schon wollte er es der Wehrlosen in die Brust stoßen, da flog ein dunkler Gegenstand an ihr vorbei und klammerte sich um den Hals des Räubers. Dieser zögerte nicht, mit voller Wucht stieß er das Messer dem Neger in die Brust, der Schwarze fiel, zog aber seinen Mörder mit sich zu Boden, ohne in seinem eisernen Griff nachzulassen. Die umstehenden Farmer suchten den Räuber aus den Händen des Eingeborenen zu befreien, um wenigstens einen von ihnen lebendig zu behalten, denn alle übrigen waren tot oder bis zum Tode verwundet. Als sie den Mann endlich losgerissen hatten, lag eine Leiche mehr im Grase; er war von dem verwundeten Schwarzen erwürgt worden.

Neben dem sterbenden Eingeborenen kniete Jessy und streichelte liebevoll das Gesicht, dem der nahe Tod schon seinen Stempel aufgedrückt hatte.

»Balkuriri,« sagte sie zärtlich. Mehr hätte er doch nicht verstanden, aber dieses eine Wort, die Liebkosungen schienen ihm mehr zu sagen, als alles andere. Mit seiner letzten Kraft drückte er die Hand des Mädchens, das er für seine Tochter hielt, und hauchte mit einem glücklichen Lächeln seine Seele aus, die so lange wandern mußte, bis für Balkuriri, den mächtigen Häuptling, ein anderer passender Körper gefunden war.

Der Boden war rings mit Leichen bedeckt, der sonst so klare Bach hatte mit einem Male eine rote Färbung angenommen, aber nur das Blut der Buschrähndscher war es, das ihm von allen Seiten zuströmte. Außer dem Häuptling war keiner der Verfolgenden gefallen, nur einige wiesen leichte Verwundungen auf, kaum bedeutend genug, um verbunden zu werden. Die Räuber waren so vollkommen überrascht worden, daß sie an Gegenwehr fast nicht gedacht hatten.

»Aber wo sind die übrigen?« rief Graves, als die erste Siegesfreude verrauscht war.

»Hier liegen fünfundvierzig Mann und etwa achtzig sollen es gewesen sein. Sollten sie sich in zwei Banden getrennt haben, sodaß wir die anderen auch noch aufsuchen müssen? Ich raste nicht eher, als bis kein einziger dieser Unholde mehr im Busche herumkriecht.«

Diese Frage sollte nicht lange ohne Antwort bleiben.

Um den Hügel herumgesprengt kam eine stattliche Reiterschar, es waren die englischen Herren auf den den Sträflingen abgejagten Rossen.

Nachdem sie ihrer Freude Ausdruck gegeben hatten, hier nicht nur die Mädchen, sondern auch die anderen, welche vorausgereist waren, zu treffen – deren Erstaunen natürlich ein noch viel größeres war – erzählten sie, wie sie alle jene Sträflinge getötet hatten, welche den letzten Wagen losgekuppelt, um sich der Insassen und deren Wertsachen zu bemächtigen.

Daß dies alles nur arrangiert war, um sie von den Mädchen zu trennen, das wollte niemand andeuten, aber als die Damen nun ihre Schicksale erzählten, da war eine Verhehlung des geplanten Verbrechens nicht mehr möglich, umsomehr, als Ellen von dem Auftrag des Mister Huxlay erfuhr, den sie gar nicht kannte.

»Mag es sein, wie es will,« rief Ellen, »jedenfalls müssen wir Gott danken, daß wir uns hier alle wohlbehalten wiedergefunden haben, im rechten Augenblick, um ein großes Unheil zu verhüten. Aber Leutnant Atkins,« wandte sie sich an den jungen Mann, »was für einen Führer haben Sie uns da mitgegeben? Das war ja ein seltsamer Mensch; erst badet er seine Schutzbefohlenen mehrere Male, dann läßt er sie bald braten, sieht ganz gemütlich mit zu, wie sie beinahe von Eingeborenen zu Tode gemartert werden, und gibt dann schließlich, als er wieder zu ihnen trifft, die gleichgültige Erklärung ab: das wäre alles nur Fügung des Schicksals gewesen.«

Das war in einem solchen Tone gesprochen, daß der Leutnant sofort merkte, Ellen sei über das Betragen seines Freundes nicht so empört, wie sie vorgab.

»Verzeihen Sie ihm sein Benehmen,« entgegnete er. »Mein Freund ist ein durchaus zuverlässiger Mann, kam er Ihnen in Ihrer Lage nicht zu Hilfe, so muß er wohl einen triftigen Grund dazu gehabt haben. Umsonst rührt der keinen Finger. Uebrigens haben Sie ihn ja später als einen hilfsbereiten Beschützer wiedergefunden, und, wie Sie uns vorhin selbst erzählt haben, sind Sie mit seiner späteren Aufführung und besonders mit seinem Plan, die Buschrähndscher auch ohne uns, bloß mit Hilfe der Eingeborenen, in eine Falle zu locken und unschädlich zu machen, zufrieden gewesen. Auch ohne unsere Dazwischenkunft wäre das alles gelungen.«

»Wo steckt er denn jetzt?« fragte Charles.

Mister Drake war nirgends zu sehen.

»Massa Drake hat alle Tote und Verwundete umgedreht und ihnen ins Gesicht geguckt,« sagte einer der schwarzen Soldaten, »dem dort hat er einen weißen Zettel aus der Tasche gezogen, und dann habe ich gesehen, wie er plötzlich in den Busch gerannt ist, als wäre er verrückt.«

»Laßt ihn laufen,« lachte der Leutnant. »Drake geht seinen eigenen Weg und kümmert sich um niemanden, ebensowenig kennt er Rücksichten. Er wird irgend etwas im Busche gesehen haben und das untersuchen wollen. Wir brauchen keine Angst um ihn zu haben; ein Hund findet seinen Weg nach Hause nicht besser, als er.«

»Und was nun?« fragte Ellen. »Wollen wir noch eine Jagd in Australien halten?«

»Nein!« riefen alle einstimmig. »Diese Jagd hinter den Buschrähndschern war aufregend genug.«

»Und ich,« sagte Jessy, »habe noch andere Pflichten. Als Tochter des Häuptlings habe ich für ein Leichenbegängnis zu sorgen, es soll ihm ein solches zu teil werden, wie ihm gebührt, und – er ist ja für mich gestorben. Dann will ich mit meinem Stamm, den ich schon nach zwei Tagen mit Niederlegung meiner Würde wieder verlassen werde, nach Hughenden, und dort sollen meine schwarzen Brüder alles und noch mehr bekommen, was ich ihnen an Geschenken versprochen habe.«

»So laßt uns erst nach Mister Graves Farm aufbrechen,« schlug Ellen vor, »um dort Abschied von den Damen zu nehmen, welche an unserem Schicksale teilnahmen, und dann wollen auch wir uns nach Hughenden begeben und von dort aus nach Townville. Bis dahin wird der zerstörte Schienenweg wohl wiederhergestellt sein.«


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