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Von diesem Tage an war ich auf meinen Karljohannpromenaden zur Musikzeit beständig der Gegenstand der ganz besonderen Aufmerksamkeit des Publikums. Ich merkte, daß der Abgrund zwischen mir und diesem Publikum unüberbrückbar war. Das Christianiaer Publikum ist zu klein, als daß es vergessen könnte.
Und die kleinen vierzehnjährigen Mädchen besserten sich nicht.
Und Gerda war und blieb verschwunden. Ab und zu sah ich sie zwar; sobald sie mich aber gewahrte, ging sie entweder schleunigst auf die andere Seite der Straße, oder sie bog in die erste beste Seitenstraße ein.
Und Lily wurde von ihrem Vater verboten, weiter mit mir umzugehen; ich könnte sie ja geistig verderben, sagte er.
Ich hatte also nichts weiter zu tun, als meine Referentenarbeit im Storthing. War ich damit fertig, ging ich direkt nach Hause, zog Schlafrock und Pantoffeln an, setzte die Zigarre in Brand, legte mich aufs Sofa und blieb dort den ganzen Nachmittag und Abend liegen, ohne Licht anzuzünden – ich wollte nicht, daß mich jemand besuchte – schlaff und apathisch rauchend und gedankenlos zur Decke starrend, nur müde und aller Welt überdrüssig. So vergingen einige Tage. Ich wurde von der Ruhe ganz krank und dachte zuweilen daran, auszugehen und mich etwas zu zerstreuen; konnte aber nicht einmal dazu die nötige Energie finden.
Da kam eines Tages Björnson in die Stadt, und ich beschloß, den letzten Versuch zu machen, um die Situation zu retten; ich wollte ihn besuchen und bitten, in einer Zeitung ein paar Worte über meine Rede zu schreiben. Nur eine kurze Erklärung: ich, Björnstjerne Björnson, sage Euch, das ist keine Schweinerei, sondern einer von den vielen modernen Gedanken, die man diskutieren muß, um darüber ins Reine zu kommen, was das richtige ist.
Eines Tages machte ich mich um die Mittagszeit mit Jarmann auf den Weg. Jarmann war unterwegs strahlender Laune: Jetzt müßte alles ins Geleise kommen .... Björnson wäre der Mann, um die Sache in Ordnung zu bringen, das sei ja klar ... er würde es zweifellos können und wollen! ... Welches Glück für ein Land, einen Mann wie Björnson zu haben ... O, er hatte Björnson schon immer geliebt und bewundert, aber nie wie an diesem Tage! ... Und er ging neben mir mit hochgezogenen Schultern, den Kopf schräg vornüber gebeugt, und starrte voll jugendlicher Begeisterung vor sich hin, erfüllt von Liebe und Bewunderung für diesen einzigen Mann, der alles das mitlebte, was wir samt und sonders empfanden.
Ich hatte zwar meine Zweifel, wagte sie aber nicht zu äußern – er würde sie wie Sabbatschändung empfunden haben. –
Björnson wohnte in der Olafsstraße bei seinem Bruder, dem Bureauchef Björnson. Jarmann wartete auf der Straße, während ich den Besuch machte. Ich kam in eine gewöhnliche Familienwohnstube, Als ich mein Anliegen vorgebracht hatte, nahmen wir auf dem Sofa Platz. Björson in der einen Ecke, wobei sein Arm auf der Sofalehne auflag, ich in der anderen. Und dann fragte er: »Was haben Sie gesagt?«
Ich referierte den ersten Teil meines letzten Prostitutionsvortrages, der von der Geistlichkeit handelte. »Aber das ist ja richtig!« sagte Björnson.
»Freilich ist das richtig. Aber das war es eigentlich auch nicht, was mich zugrunde gerichtet hat; das kam später.« Und dann referierte ich weiter, das von der Bleichsucht.
Aber ich wurde sofort unterbrochen: »Ah, nun weiß ich alles, was Sie gesagt haben,« meinte Björnson. »Ich kenne das alles; denn ich habe alles gelesen, was über diese Dinge geschrieben ist. Aber das mit der Bleichsucht verhält sich nicht so. Als ich in Amerika war ...«
»Aber das war noch nicht das Schlimmste, was ich sagte,« schob ich ein, mit irritiertem Ton, um fortfahren zu können. Und das durfte ich denn auch, aber es gefiel ihm augenscheinlich nicht.
Dann erzählte ich von meinem Appell an die Familienväter wegen der Bleichsucht.
»Nein, aber Gott bewahre mich! So etwas einem norwegischen Publikum zu bieten! So etwas ist mir denn doch noch nicht ... wie alt sind Sie?«
»Siebenundzwanzig Jahre. Aber das wäre doch nicht gefährlich gewesen, wenn ich nur nicht fortgefahren wäre.«
Er sah mich an. Mein Gesicht zeigte deutlich, daß ich fest entschlossen war, zu Ende zu reden.
»Na ja, was sagten Sie also weiter?« sagte er dann.
Ich erzählte ihm nun, daß ich erklärt hatte: wenn man ein Supplement zur Ehe haben wollte, so wäre es moralischer, das offen einzugestehen, als, wie vorgeschlagen, öffentlich zu lügen.
Björnson schüttelte langsam den Kopf.
»Nein, nein,« sagte er. »Das mit der Bleichsucht ist nicht richtig. Als ich in Amerika war, da disputierten wir darüber – meine Teilnahme an der Diskussion beschränkte sich freilich im wesentlichen aufs Zuhören – aber wir kamen zu dem Resultat, daß es mit der Bleichsucht nicht so viel auf sich hat. Und ich habe alles gelesen – was darüber geschrieben ist – es ist nicht so ... Und dann müssen wir die Dinge nicht nach der Richtung ändern, wie Sie wollen; nein, wir müssen diese Brunst los werden.«
Ich lächelte.
»Die Brunst muß weg!« wiederholte er mit der Kraft der Überzeugung.
»Sie ist natürlich,« sagte ich, »und naturalia non sunt turpia ... Außerdem haben wir nicht so viele Genüsse, daß wir leichthin einen wegwerfen könnten. – Was übrigens bei meiner Rede den Ausschlag gab, das war der Schluß.« Und ich referierte meinen Ausspruch von der Unmöglichkeit, in ein völlig intimes Verhältnis zu einem Weibe zu treten, ohne mit ihm geschlechtlichen Verkehr zu haben, und von dem daraus resultierenden Verlust von neunzehn Zwanzigsteln des sozialen Lebensinhaltes.
Er sah ein paar Sekunden vor sich hin. Dann sagte er: »Sie sind ein großer Esel gewesen. Daß muß ich Ihnen sagen. Sie müssen die Strafe tragen.« Und er stand auf, trat ans Fenster und blieb dort stehen, die Hände auf dem Rücken.
Ich stand auch auf und blieb hinter ihm stehen, seinen breiten soliden Rücken betrachtend. Da kehrte er sich plötzlich um.
»Wo haben Sie das gelesen?« fragte er.
Ich sah ihn an. Dieselbe Frage hatte am Abend vorher mein dicker Freund Otto Petersen an mich gerichtet; daß aber auch Björnson sie stellen würde ... Aber er wartete wirklich auf Antwort; es war kein Spaß.
»Gelesen? ... gelesen? ... Das weiß ich wirklich nicht, ich glaube, das liegt in der Luft.
»Nichts liegt in der Luft,« sagte er in abweisendem Ton. »Wo haben Sie das gelesen?«
»Wenn ich's durchaus irgendwo gelesen haben soll, so kann es höchstens in Brandes' »Hauptströmungen« gewesen sein; da steht gewiß etwas Ähnliches ... etwas in der Richtung.«
»Nein.«
»Dann weiß ich in der Tat nicht, wo es gewesen sein soll; ich habe wirklich sehr wenig gelesen, und das wenige, was ich gelesen habe, ist meist abstrakte Philosophie gewesen ... Aber Sie sagten, ich müßte die Strafe auf mich nehmen. Damit bin ich sozial zugrunde gerichtet, und dann kann ich nichts mehr von dem tun, wozu ich Lust habe.«
»Wollen Sie das zu Ihrer Lebenssache machen?«
»Es wäre Ansinn von mir, das zu meiner »Lebenssache« zu machen, wenn ich in Zukunft vom sozialen Leben ausgeschlossen sein soll. Mein Mangel an Umgang mit Menschen ist schuld daran, daß ich so ungeschickt habe auftreten können. Soll ich nun diese eine Dummheit mit Einsamkeit büßen, dann ist es mit mir vorbei – und ein paar Worte von Ihnen würden mich wahrscheinlich retten können.«
»Ich kann das den Leuten nicht auseinandersetzen!« – er setzte sich, wie müde, in den Lehnstuhl, den Rücken gegen das Fenster, das Gesicht mir zugekehrt.
»Ich glaube auch nicht, daß das nötig ist; eine einfache Erklärung von Ihnen wird genügen.«
»Ich kann keine solche Erklärung geben.«
Ich sah ihn an.
»Wir ist es lediglich darum zu tun, von dieser Beschuldigung der Schweinerei, der Bestialität gereinigt zu werden. Das macht mich ja sozial unmöglich. Und Sie müssen doch einräumen, daß in dem, was ich gesagt habe, nichts Schweinisches liegt.«
Er lehnte sich langsam in dem Stuhle zurück, starrte eine Zeitlang tiefsinnig ins Blaue und sagte dann mit echt Björnsonscher Aussprache –: »Doch! – Doch! – Es iist schweinisch. Es iist schweinisch, daß man nur durch den Penis in ein völlig intimes Verhältnis zu einer Frau treten kann.«
Ich sah ihn eine Weile an, legte dann beide Handflächen auf meinen Kopf und fuhr mit ihnen abwechselnd über das Haar nach der Stirn zu – was in aller Welt sollte ich auch antworten? Er betrachtete mich genau, er glaubte (was er auch an demselben Tage einem Freunde gegenüber aussprach), ich wäre verrückt. Endlich sagte ich: »Aber Sie müssen doch einsehen können: wenn ich glaube, es verhält sich so, so kann doch das, daß es sich so verhält, so schweinisch sein wie nur möglich – die Schweinerei fällt doch dann auf alle Fälle nicht auf mich zurück.«
Er überlegte eine Weile. Dann sagte er: »Nein, nein. So wie Sie es jetzt sagen, verstehe ich es wohl. Aber es iist nicht so, es iist verkehrt. Als ich in Amerika war, unterhielt ich mich mit einer Dame, und sie zeichnete mir auf ein Stück Papier den Vaginalgang mit der Klitoris und den Eierstöcken hin, und was sonst noch da ist, und erklärte mir, was drinnen während des Aktus vor sich geht ...«
»Aber sagen Sie mir – was war sie denn? – Studierte sie Medizin?«
»Ja, sie war Professor der Anatomie.«
Ich lachte.
»Ja, aber erstens gibt es doch sehr wenige Frauenzimmer, die Professoren der Anatomie sind. Und dann – wenn sie Ihnen auch das alles aufzeichnete, so ist doch damit noch lange nicht gesagt, daß sie vor Ihnen ihr ganzes Innere hätte öffnen wollen, solange Sie nicht in einem Liebesverhältnis zu ihr standen. Und sicher ist jedenfalls, daß man die meisten, die allermeisten Frauen, ohne das nicht dazu bringt, sich einem ganz anzuvertrauen, sich einem ganz zu eröffnen. Das ist nun wenigstens meine Erfahrung – wenn sie auch nicht gerade groß ist.«
»Nein, Erfahrung fehlt uns allen.«
In demselben Augenblicke ging die Tür zum Nebenzimmer auf, und Frau Björnson steckte den Kopf herein. »Du! Henrik will dir einige Bilder zeigen!« sagte sie.
Ich ahnte, daß das ein verabredetes Zeichen dafür war, daß die Audienz zu Ende sein sollte, und da ich ihn mit seiner Frau einen schnellen Blick wechseln sah, warf ich ihm einen einigermaßen höhnischen Blick zu und stand auf.
»Sie wollen mir also nicht durch ein paar Worte helfen?« fragte ich.
»Nein, ich kann nicht.«
»Dann bitte ich, die Bemühung entschuldigen zu wollen.«
»Das muß ich wohl,« sagte er und stand auf. »Adieu!«
– – – Die nächsten Tage predigte Björnson dem Teil der guten Gesellschaft, der zur liberalen Partei hält: »Wir müssen die vorgeschobene Minorität beschützen,« »wir müssen die Vorposten beschützen«, »es ist ein Verbrechen, daß man die Leute nicht ihre Meinung aussprechen läßt« usw. Einige Tage früher hatte er in »Verdensgang« einen Artikel veröffentlicht, der den Titel trug: »Verschiedene Gewissen«
Während der Unterredung wartete Jarmann draußen auf der Straße.
Er ging vor dem Hause auf und ab, auf und ab und wieder auf und ab. Er ging schneller und schneller. Nicht vor Ungeduld, sondern vor Begeisterung. Es kam ihm so vor, als ob es lange dauerte; je länger es aber dauerte, umso begeisterter wurde er ... umso intimer gestaltete sich ja offenbar die Unterhaltung. – Wie freute er sich darauf, den Verlauf der Unterredung zu erfahren ... Ja, Björnson war der Mann; er würde alles ganz begreifen ... und er hatte Begeisterung – und Macht ... Macht! ... Er würde mehr tun, als worum Hermann Eck bat ... denn er würde begeisterter davon werden, als wir anderen alle ... Er war zwar nur auf der Durchreise in der Stadt.– Wer konnte aber wissen, ob er nun nicht Lust bekäme, sich hier niederzulassen und die jungen Leute kennen zu lernen ... und mit ihnen zu leben? Dann sollte Leben in die Bude kommen ...
Alles in allem genommen, war Björnson ihm mehr als selbst Sverdrup ... Sverdrup war freilich größer; seine Stellung schloß ihn aber von einem Zusammenleben mit der jungen Generation aus ... Sverdrup führte die Armee ... der selbstverständliche Vorpostenführer war aber Björnson ... und wir waren die Vorposten ... daher kam es, daß wir ihn mehr liebten ... Ja, er war davon überzeugt, daß Björnson sich in Christiania niederlassen würde ... jetzt würde er ja sehen, daß sein Platz hier wäre ...
Und wieder nähert sich Jarmann dem Hause, die Schultern in die Höhe gezogen, die steifen Arme mit geballten Fäusten etwas von sich weghaltend, den Kopf schräg vorgebeugt, begeistert vor sich hinstarrend.
Da komme ich plötzlich aus der Haustüre heraus.
Er ist fünf, sechs Schritt von mir entfernt.
Wie er mein Gesicht gewahrt, bleibt er auf einmal leichenblaß stehen, drückt die linke Hand krampfhaft in die Seite und sieht mich an.
»Der verdammte Kerl!« sage ich.
Jarmann steht wie versteinert da, und ich muß ihn am Arm fassen und ihn mit fortziehen.
Und dann erzähle ich ihm die Geschichte. –
Jarmann ging eine Zeitlang neben mir her und sah zu Boden, ohne ein Wort zu sprechen. Und von all den feinen Fäden, die sein Herz mit diesem Manne verbunden hatten, wurde einer nach dem anderen zerrissen. Wie weh das tat! Ich konnte es ihm von dem Gesicht ablesen, wie er zusammengesunken, schlaff weiter schritt: die Lippen und Nasenflügel bebten, und die Augen wurden feucht.
Dann war es aber vorbei, und in seinem Herzen war ein Platz frei geworden. Und hinein schlich sich Haß und Verachtung, und die beiden zusammen füllten nach und nach den Raum aus; das bleiche Gesicht färbte sich purpurrot.
»Der Esel!« stieß er endlich hervor. Und in der Stimme lag Haß und Verachtung.
Ich lächelte. »Der Mann ist alt,« sagte ich ruhig. »Das ist alles.«
»Zum Teufel,« rief er wieder, »das war ja aber gerade das herrlich Große an ihm, daß er jünger war, als wir alle zusammen!«
Jarmann antwortete nicht, starrte nur in dumpfem Brüten vor sich hin. Keiner von uns sprach ein Wort, bis wir zum Grand Hotel kamen. Einmal unterbrach nur Jarmann das Schweigen, indem er mit der geballten Faust ins Leere drohte und rief: »O, dieser Mensch!«
Wenige Tage später kam Jarmann eines Abends – ich lag nicht mehr abends im Dunkeln da – wie gewöhnlich zu mir. Er sagte Guten Abend, legte ab, setzte sich in den Schaukelstuhl und zündete eine Zigarre an, wie in alten Tagen. Ich lag im Schlafrock und Pantoffeln auf dem Sofa und rauchte ebenfalls.
Eine Zeitlang wurde kein Wort gewechselt.
Dann sagte er: »Hast du etwas ausfindig gemacht?«
»Nein.«
Es entstand eine lange Pause von einer ganzen Viertelstunde, während der wir beide ins Leere starrten und dem Rauche unserer Zigarren nachblickten.
»Glaubst du nicht, daß es möglich ist, etwas ausfindig zu machen?«
»Nein.«
Wieder eine lange Pause von wohl einer Viertelstunde; wieder wurde ins Leere gestarrt und dem Rauche nachgeblickt.
Dann war seine Zigarre zu Ende geraucht, und er zündete eine neue an.
»Komm,« sagte er, »gehen wir aus und suchen wir uns ein paar Weiber.«
»Hab' keine Lust.« sagte ich matt.
Wieder eine Pause, abermals dasselbe Starren.
Dann sagte er: »Wir gehen aus und trinken ein Glas Toddy. Wie?«
»Ich habe zu nichts Lust,« antwortete ich und hüllte mich, zusammenschauernd, dichter in den Schlafrock.
Er blieb eine Weile still sitzen und betrachtete mich tieftraurig, als empfinde er, daß jetzt alles vorbei war, daß uns jetzt kein Band mehr zusammenhielt.
Dann stand er auf und zog sich an.
»Gute Nacht!« sagte er.
»Gute Nacht!«
Er ging zu Gravesen, setzte sich an einen der kleinen Fenstertische und verlangte einen Toddy mit Whisky und eine Zigarre. Der Kellner brachte das Verlangte. Und Jarmann blieb dort sitzen, nippte am Glase, blies den Rauch in die Luft, sah nichts, dachte nichts – bis das Glas geleert war. Dann bezahlte er und ging auf die Straße hinaus.
Das Wetter war erträglich, es war mäßig kalt und der Toddy hatte innerlich gewärmt. Jarmann blieb unter der Gaslaterne an der Ecke stehen und musterte die vorüberkommenden Karljohannsdamen ...
»Na, nun stecken wir also wieder in dem alten Sumpfe,« murmelte er halblaut vor sich hin.
Nach einiger Zeit kam ein Weib, das gefiel ihm. Er sprach es an und ging mit ihr nach Hause.
Von dem Tage an geschah an jedem Abend, so oft ich auf meiner Bude war, Folgendes:
Um zehn, elf, zwölf, je nachdem es sich traf, wurde ich aus meinem dumpfen Brüten dadurch aufgeweckt, daß ein Schneeball gegen das Fenster prallte. Ich wußte, daß das Jarmann war, stand vom Sofa auf, öffnete das Fenster und lehnte mich mit gekreuzten Armen hinaus.
Unten stand er.
»Guten Abend!« sagte er.
»Guten Abend!«
»Nein. Und du?«
»Nein!«
Dann blieb er eine Weile stehen und sah zu mir hinauf, ohne ein Wort zu sprechen. Und ich blieb oben, mich aus dem offenen Fenster lehnend, liegen, sah zu ihm ins Dunkel hinab und sprach auch kein Wort.
»Gute Nacht!« sagte er dann nach einer Weile.
»Gute Nacht!«
Dann ging er langsam mit schlaffen Schritten weiter. Und ich blieb oben im Fenster liegen und sah seiner traurigen Gestalt nach, bis er um die nächste Straßenecke verschwand.
Und dann zog ich den Kopf zurück, schloß das Fenster, hüllte mich gut in meinen Schlafrock ein, legte mich wieder aufs Sofa, starrte ins Leere und sah dem Rauch meiner Zigarre nach.