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In Finsterburg bedauerte man Martins Prüfungsergebnis allgemein. Der Oberst hatte natürlich den vorschriftsmäßigen Bericht von dem Ausfall der Prüfung empfangen. Bei ihm lag die Entscheidung, ob er den Sohn seines Kameraden noch länger als Avantageur seines Regimentes behalten wolle.
In voller Paradeuniform begab sich Major Weitbrecht am ersten Sonntag nach seiner Rückkehr von Berlin zu seinem Kommandeur, um ihm bei der Zurückmeldung für den gewährten Urlaub zu danken, zumeist aber wohl auch, um hier für seinen Sohn ein gutes Wort einzulegen. Schwer genug wurde ihm der Weg.
Der Oberst war selbst Familienvater und hatte aus eigener Erfahrung volles Verständnis für solche Vatersorgen.
Einer seiner Söhne stand als Leutnant in Major Weitbrechts Bataillon und war dienstlich von diesem stets nach Gebühr gefördert worden.
So benutzte der Vorgesetzte die Gelegenheit, seinem Stabsoffizier eine besondere Anerkennung zum Ausdruck zu bringen. Er schüttelte dem Major teilnehmend die Hand und erübrigte dem Vater jede Berührung der leidigen Angelegenheit, indem er ihn nach einer überaus herzlichen Begrüßung dahin beruhigte:
»Der Fahnenjunker Weitbrecht ist zum Eintritt für den 15. Januar nächsten Jahres in der dritten Kompagnie unter Voraussetzung der bis dahin mit Erfolg abzulegenden Fähnrichsprüfung vorgemerkt.«
Karl Weitbrechts fester Händedruck sagte dem Oberst stummen Dank.
Nun war auch das erledigt, und beruhigt verließ der Major die Wohnung seines Kommandeurs, der ihn noch gern bis zur Hauptwache geleiten wollte, wo Sonntag während der Mittagsstunden stets ein Militärkonzert stattfand.
Ganz Finsterburg traf sich auf der Promenade unter den Klängen der Musik zum Spazierkorso, dem einzigen kostenfreien Vergnügen, das die Städter den in ihren Mauern liegenden vier Regimentern verdankten.
Auch Eduard war ein wenig an die frische Luft gegangen, und unwillkürlich hatte er seine Schritte nach dem Bummelplatze des Sonntags gelenkt.
Die Ereignisse der letzten Tage wirkten noch immer schwer auf ihn ein!! Und gerade eben wurde sein seelisches Gleichgewicht wieder in beträchtliche Schwankungen versetzt.
Mit der Frühpost, die der Vater wegen eines in den ersten Morgenstunden stattgehabten Appells heute erst Mittags zu Gesicht bekam, waren mehrere Briefe mit Firmenaufdruck aus Berlin gekommen.
Eduard sagte sich ganz richtig, daß sie wohl nur Martin betreffende Mitteilungen enthalten dürften, und ahnte schon kommende neue Aufregungen vor!
Da sah er den Vater eben an der Seite des Obersten die Promenade heraufkommen und ging beiden Herren, den Hut in der Hand, entgegen.
»Aha, der zweite Stammhalter,« meinte der Oberst, ihm jovial die Hand auf die Schulter legend. »Nun, junger Freund, dürfen wir Sie auch bald beim Kommiß erwarten?«
»Nein, Herr Oberst, ich möchte das höhere Baufach studieren,« war Eduards bescheidene Antwort, an die der Major lachend anknüpfte:
»Zwei Jungens im königlichen Dienst sind ein zu kostspieliger Luxus, den ich mir leider nicht gestatten kann.«
Der Oberst lachte seinen Begleiter gründlich aus.
»Sie alter Drückeberger wollen mir wohl was erzählen? Haben ohne dies Geld wie Heu und legen all' die Jahre noch einen ganzen Batzen auf die hohe Kante! Nee, lieber Major, das müssen Sie mir nicht weismachen wollen.«
Unter herzhaftem Lachen verabschiedete sich der Oberst jetzt vom Vater und Sohne.
Schweigsam traten beide den Heimweg an.
Zu Hause wurde dem Major die Post vom Burschen überreicht.
Eduard wartete, den Vater ängstlich beobachtend, auf die unvermeidliche Wirkung.
Kaum hatte der Major die ersten zwei Briefe geöffnet, es waren natürlich die anfangs Oktober ausgefertigten Rechnungen über die Martin beim Schneider und Meister Maaß eröffneten Schuldkonten, als sich eine Wolke des Unmuts über seine Stirn legte.
Dann erst kam der dritte Brief an die Reihe, der die Rechnung einer bekannten Versandbuchhandlung »über drei Konversationslexika komplett je sechzehn Bände á zehn Mark, in Summa vierhundertachtzig Mark« enthielt.
Voller Verachtung warf der Vater die Rechnungen auf den gedeckten Tisch, an dem Eduard stand.
»Hier ist wieder ein redender Beweis für die vornehme Gesinnung Deines Bruders!«
Eduard nahm erschreckt die Rechnungen zur Hand.
So gern er seinen Bruder verteidigen wollte, er konnte nur schweigen.
»Sein Ehrgefühl ist verwest!«
Mit diesen Worten verließ Major Weitbrecht das Zimmer.
Eduard wartete an diesem Sonntag vergeblich auf seine Rückkehr zu Tisch.