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Am 19. November war die Nachricht nach München gedrungen von der Proklamation des Herzogs von Augustenburg, dem Einmarsch Preußens und Österreichs in die Herzogtümer und Preußens Protest gegen den neuen Dänenkönig.
Schon aus süddeutscher Abneigung gegen die norddeutsche Großmacht hatte man in München leidenschaftlich Partei ergriffen für den »angestammten« Fürsten gegen die beiden Vormächte, die trotz des Bundesbeschlusses den Krieg gegen Dänemark auf ihre Rechnung zu führen gedachten und es den Schleswig-Holsteinern wehren wollten, über ihr Schicksal selbst zu bestimmen. So überwiegend großdeutsch man sonst in München gesinnt war, – bei diesem Anlaß richtete sich der Groll der Bevölkerung nicht minder gegen Graf Rechberg als gegen Herrn von Bismarck. Volksversammlungen fanden statt, ein Hilfskomitee wurde gebildet, in welches neben den Einheimischen Julius Knorr, Steub, v. Schauß, gleich zu Anfang Bodenstedt, von Schack und ich selbst eintraten und späterhin neben einer Reihe der angesehensten liberalen Bürger auch so konservative Altmünchener wie der ehrwürdige Ringseis nicht fehlten.
Zu dieser sehr heftigen und zähen Agitation trug ich das Meinige redlich bei durch meine Tätigkeit in der literarischen Sektion des Hilfsvereins, wo ich nicht nur die Aufrufe an die Mitbürger und aufklärende Artikel für die »Neuesten Nachrichten« verfaßte, sondern auch die Adresse an den König, die in einer von über viertausend Menschen besuchten Volksversammlung vorgelesen und einmütig ohne jede Debatte beschlossen wurde. König Max hatte, sobald die ersten Wetterzeichen am politischen Horizont aufstiegen, seinen römischen Winteraufenthalt abgebrochen und war am 15. Dezember nach München zurückgekehrt. Er war gleich seinem Volk gut augustenburgisch gesinnt und hatte bekanntlich Herrn von der Pfordten, seinen Gesandten beim Bundestag, in diesem Sinne instruiert. Doch ob auch die Bewegung, die durch alle Kreise seiner Hauptstadt ging, seiner eigenen Stimmung entsprach, – daß sich die guten Bürger herausnahmen, sich in seine Regierungsgeschäfte zu mischen, ihn zu Entschlüssen drängen zu wollen, die er sich selbst vorbehielt, vermerkte er sehr ungnädig. Vollends begriff er nicht, daß einer aus seinem Poetenkreise sich dazu hergeben konnte, den Wünschen des Volks als Dolmetscher an seinem Thron zu dienen. Schack und Bodenstedt traten bei der Agitation wenigstens nicht selbsttätig hervor. Daß ich aber die Adresse entworfen hatte, die er selbst anzunehmen sich nicht herabließ, sondern nur durch den Minister zur Kenntnis nahm, verdachte er mir schwer, was ich deutlich empfand, als ich bei dem Symposion am 3. März meinem sonst so gütigen erlauchten Gönner gegenübertrat.
Es war das erste nach der Rückkehr aus Rom, das letzte, an dem wir das Antlitz des verehrten Fürsten erblicken sollten. Ein gespannter, trübsinniger Zug lag darauf. Die Augen waren müder und verschleierter als sonst an diesen Abenden, mit sichtlicher Anstrengung folgte der König Wilhelm Jordans Vorlesung aus seiner »Nibelunge«, die wir alle zu lang fanden, während der gütige Herr in seiner schonenden Art es nicht über sich gewinnen konnte, die Rezitation zu unterbrechen. Als endlich ein Abschnitt erreicht worden war, zog er sich früher als sonst zurück, indem er wie entschuldigend sagte, daß er leider die Herren verlassen müsse, da er sich unwohl fühle.
Wir ahnten nicht, daß wir seine Stimme zum letztenmal gehört haben sollten. Sechs Tage später, als ich am Abend des 9. März in eine Sitzung des Schleswig-Holstein-Komitees kam, wurde ich mit der Nachricht empfangen, der König liege auf den Tod. Ich eilte nach dem Schlosse, eine unabsehliche Menschenmenge drängte sich in lautloser Erschütterung nach dem Schloßhof, Schneeregen rieselte auf die Häupter herab, alle waren fühllos gegen den rauhen Nachtsturm, immer nur den einen Gedanken wälzend, der unfaßbar war, da man noch vor kurzem an keinerlei Gefahr gedacht hatte. Von einem Freunde, der aus dem Schlosse kam, erfuhr ich, daß gleichwohl keine Hoffnung sei. Am andern Tage gegen Mittag hatte der edle Fürst ausgeatmet.