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Der Ödipus-Komplex

Auch das sogenannte »Muttersöhnchen« ist sehr oft Masochist – ebenso oft wie das mutterlose Kind, das mit masochistischer Triebsehnsucht heranwächst. Der »Ödipuskomplex« ist eines der interessantesten Bezirke des Seelenlebens. Es ist seltsam, welchen Eindruck die Unzuchtsgedanken auf den Menschen machen, wie nachhaltig kindliche Unzuchtsträume im erwachsenen Menschen nachwirken. Ganz ähnliche Erscheinungen kann man bei jungen Mädchen beobachten.

Tomaro Costo erzählt in seinem »Fuggilozio« (übers. von A. Vemerau) einen solchen Unzuchtsroman:

»Es lebte einst ein schönes, aber einfältiges Mädchen im heiratsfähigen Alter, das, als es eines Tages mit seinen Gefährtinnen spazieren ging, auf eine Schar Jünglinge traf, die stehenblieben, um es zu betrachten. Einer darunter sagte, sie wäre die Schönste, wenn sie geschwängert würde.

Diese Worte blieben dem Mädchen im Gedächtnis, und als es heimkam, erklärte es dem Vater: »Es wurde mir gesagt, ich sei schön, aber ich würde noch schöner sein, wenn mich einer schwängerte. Bitte, lieber Vater, schwängert mich doch!«

Darüber geriet der Vater in Zorn, er bedachte nicht, daß das Mädchen so einfältig war, daß es noch nicht wußte, was seine Worte sagen wollten. Er führte es in eine Kammer und sagte: »Komm, nun werde ich dich schwängern, wie du begehrst!« Darauf nahm er einen Stock und gab ihr so viel Schläge, daß sie fast tot liegen blieb, und erklärte: »Das ist das Schwängern, das du begehrt hast. Behalte es gut im Gedächtnis!«

Viele Monate später heiratete sie, und der Mann nahm sie, nachdem er sie in sein Haus geführt hatte, bei der Hand, um sie in die Kammer zu führen und mit ihr das Liebesvergnügen zu genießen. Sie fragte: »«Was wollt Ihr tun?«

»Komm,« sagte der Mann, »ich brauche es dir nicht zu sagen. Du wirst schon sehen, was ich dir tun will.« Doch sie entgegnete: »Ich komme nicht eher, bis Ihr es mir sagt.« Darauf geriet der Mann halb in Zorn und rief: »Wenn ich es dir durchaus sagen soll, komm, ich will dich schwängern. Hast du verstanden?« Nun erklärte sie: »Das werdet Ihr mir nicht tun, denn einmal hat mich mein Vater geschwängert, und das hat mir für immer genügt.«

Bei diesen Worten war der Neuvermählte so bestürzt, daß er sie die ganze Nacht nicht berührte. Aber tausend Jahre schienen ihm bis zum Tagesanbruch zu vergehen, und kaum daß sich das Morgenrot zeigte, ging er zu seinem Schwiegervater und beklagte sich heftig mit verstörter Miene bei ihm, indem er ihm die Worte seiner Tochter wiederholte. Aber er beruhigte sich bald, als er hörte, wie die Sache gewesen war, und wunderte sich höchlichst darüber, zu sehen, daß bei allen menschlichen Handlungen der Teufel sich bemüht, den Menschen übel anlaufen zu lassen.«

Dirne in Männerkleidung
Félicien Rops

In der Renaissance war das Verbrechen der Agrippina nicht selten. In neuester Zeit hat solch ein Konflikt mit – Mord geendet.

Ein 25jähriger erstach seine 45 Jahre alte Mutter und stellte sich dann der Polizei.

Dieser Mord war die Tat eines Phantasten, eines Pathologen, der sich, von Jugend an entwurzelt, niemals in einem normalen Lebenslauf einfügen, niemals mit der Nüchternheit des Alltags abfinden konnte.

Obwohl der Knabe reiche Anlagen zeigte, konnte er sich in der Schule nur mühsam behaupten. Später wurde es ihm unmöglich, einen festen Beruf zu ergreifen. Er trieb indianische Sprachforschung, wollte später Journalist werden, schrieb Feuilletons und Artikel.

Dieser schlanke, fast schmächtige Mensch, mit dem dunklen, welligen Haar, der gebogenen Nase, dem zurückfliehenden, willenlosen Kinn und unruhigen Augen, hatte etwas Gehetztes.

In der Mordnacht war seine junge Frau mit dem Kinde bei ihren Eltern. Die Mutter hatte spät, gegen 11 Uhr, ein Bad genommen. Im ersten Verhör erklärte der Sohn, der besonders durch seine Kälte und Unbewegtheit auffiel, er habe sich, während die Mutter badete, zu ihr an die Wanne gesetzt und sich mit ihr unterhalten. Das erscheint schon reichlich sonderbar und würde die Zustände in der Familie in einem sehr eigenartigen Licht erscheinen lassen. Die Unterhaltung habe sich, so erzählt der Sohn weiter, um Geldangelegenheiten gedreht und sei sehr heftig geworden. Plötzlich habe die Mutter nach einem Revolver gegriffen, den sie hinter der Badewanne versteckt hielt, und habe auf ihn angeschlagen. Ihm sei nichts anderes übriggeblieben, als die Mutter mit seinem Dolch zu erstechen.

Gegen 1 Uhr nachts hörten Hausbewohner aus der Wohnung der T. zwei Schreie, denen sie aber weiter keine Bedeutung beimaßen. Am nächsten Morgen gegen 11 Uhr stellte sich der junge Mann auf dem Polizeipräsidium, gab die erwähnte Schilderung der Tat und lieferte Dolch und Revolver ab mit dem Bemerken, beide seien in das Wasser der Badewanne gefallen. Die Untersuchung ergab, daß der Revolver nicht im Wasser gelegen hatte! Die Beamten eilten nun zum Tatort und fanden Frau T. von 13 Dolchstichen zerfleischt in der Badewanne. Der Sohn hatte der Toten außerdem einen Strick um den Hals gelegt, die Leiche in eine Menge von Tüchern und Decken eingeschlagen und sie mit dem freien Ende der Beine zu einer Art Paket zusammengeschnürt.

Die Polizei zerbrach sich zuerst den Kopf über die Motive dieses Verbrechens, bis man auf die Möglichkeit eines Inzests kam. Die Wahrscheinlichkeit, daß der unglückliche junge Mensch von einer unüberwindlichen Neigung zu seiner Mutter besessen war (vielleicht auch umgekehrt), führte zu dem Drama, dessen direkte Motive nie ganz geklärt wurden.


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