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Im Nibelungenlied findet sich die Stelle:
Man soll so Frauen ziehen, spricht Siegfried der Degen,
Daß sie üppegliche Sprüche lassen unterwegen.
Derselbe Siegfried hat seine Krimhilde arg gezüchtigt, als sie ihn durch loses Reden in Unannehmlichkeiten brachte. Krimhilde sann deshalb nicht, wie die edlen Frauen von heute tun würden, auf Ehescheidung. Im Gegenteil. Ihre Ränke an König Etzold haben nach Siegfrieds Tod bewiesen, wie sehr sie, die Rachelüsterne, den Gatten geliebt hat. Sie hat Züchtigungen demnach nicht für entehrend angesehen.
Aber es war eben eine Zeit, in der zwischen Frauen und Männern noch Unterschiede waren, und gingen sie gemeinsam auf die Straße, blieben keine Zweifel (wie sie heute entstehen), wer der Mann und wer die Frau war.
Krimhilde empfand Reue, daß sie den Helden in Zorn gebracht.
»Das hat mich seitdem gereuet, sprach das edle Weib,
Auch hat er so zerbleuet drum meinen Leib.«
Heute würde der Richter bemüht, und hundert Federn würden sich ereifern über den »ungeschlachten« Ehemann. Statt dessen »leidet« heute der Ehemann lieber, als daß er ungalant oder »unmännlich« sich zur Wehr setzt gegen ein tückisches und zänkisches Weib.
Und alle Weiber diesseits und jenseits des Ozeans lächeln listig ...
Den hörigen Männern aber, die sich nicht zu helfen wissen gegen ihre stärkeren Gegnerinnen im Geschlecht, möge Zeus als Vorbild dienen, der die ungehorsame Hera, seine Gattin, mit Ketten fesselte, mit den Haaren an das Firmament hing und an ihr Füße ein paar Ambosse schmiedete.
In Laßbergs Liederseel findet sich ein Gedicht, in dem eine deutsche Frau der »Gevatterin« erzählt, ihr Mann habe sie derb geprügelt. Aber das tue nichts, es sei ein Zeichen seiner Treue.
»Weiberregiment nimmt selten ein gutes Ende,« sagt ein altes Sprichwort. Und:
»Ein Nuß, ein Esel und ein Weib sind so beschaffen:
Sie nützen alle drei nicht, und wer dazu nicht schlägt,
Daß Späne fallen ab, die man kann häufig raffen,
Als Unlust, die sich mit den dreien stolz erregt.«
Im Mittelalter war jedenfalls ein höriger Mann tief verachtet. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts betrachtete man die Züchtigung eines Mannes durch seine Frau als solchen Schimpf, daß die Verwandten des Mannes kamen, ihm das Dach des Hauses abhoben, falls dergleichen bekannt wurde. In Hessen setzte man solch ein schlagfertiges Weib verkehrt auf einen Esel und führte sie so durch die Stadt.
Heute sind wir kultivierter, »fortgeschrittener«. Mit diesen Beispielen soll nicht etwa sadistischen Gelüsten der Männer das Wort geredet werden, wohl aber soll gezeigt werden, wie unnatürlich die Hörigkeit des Mannes zu allen Zeiten angesehen wurde.
»Die vortrefflichen und ausgezeichneten Hausfrauen sind um so häufiger, je einfacher die Sitten sind,« sagt Dr. Gustav Klemm (»Die Frauen«).
Aber so sehr im Mittelalter die Frau vor dem Manne zurückstehen mußte, in der Praxis waren die Ehekriege an der Tagesordnung wie heute. In einem Flugblatt Anfang des 18. Jahrhunderts heißt es:
»Der Mann muß stetiglich gegen das Weib und das Weib gegen den Mann in Abwehr und Schlachtordnung stehen, dieser mit Fäusten, Prügel, Karbatzsche oder Stiefeln, jene mit dem Bund Schlüssel, Rocken, Besen oder Ofengabel. Der Mann hat zur Losung tace mulier, Weib schweig, das Weib cedo nulli, ich weiche keinen Tritt. Spricht der Mann Huy, so sagt sie Pfuy. Tut der Mann sein Maul auf, so erhebt sie ihren Pelz, da geht das Donnergeschütze aufeinander los: Tarantato, ragrahump, bide-pump. Da fliehen die Zungenpfeile und dringen sehrer durch's Herz, als die türkischen Pfitzsche-Pfeile, da summen die groben Criminal-Kugeln, da rücket die Haus-Armee näher aneinander und kommen a verbis ad verbera, a criminibus ad crines, von Scheltworten zum Schlagen und einander in die Haare. Als dann heißet es: tenete eum et eam, au weh, mein Bart, au weh, meine Haare, haltet ihn, haltet sie, da gehet es bunt über, da ist die Nase im Wege, da muß der Kragen herunter, oder die Halsbinde ist die Handhabe, das andere desto fester zu halten. Und so wenig Hund und Katze in beharrlichem Frieden leben können, so wenig kann auf diese Weise der Hauskönig mit seiner intronisierten Spindelkönigin sich wegen solcher Herrschaft vertragen.«
Ein besonderes Zeitalter war das der Minnesänger. Die Hörigkeit des Mannes nahm ungeahnte Formen an, wenn auch die Frauen der Ritter nicht eben durch große Freiheiten ausgezeichnet waren (manche legten, ehe sie einen längeren Kriegszug antraten, der Frau einen eisernen Keuschheitsgürtel um, der an der Quelle amoris mit einem derben Schloß gesichert wurde).
Aber in Frankreich herrschte schon sehr lange ein loses Sittenregiment, das sich alsbald auch über Deutschland ausbreitete. Klemm berichtet darüber:
»In Südfrankreich war dieser Minnedienst durch die Troubadours zu einer förmlichen Liebesgesetzgebung ausgebildet worden, welcher das Lehnrecht zugrunde lag. Der Liebhaber hatte vier Zustände zu durchschreiten.
Zunächst nahte er sich der auserkorenen Dame, er weidete sich an ihrem Anblick, er suchte ihre Blicke auf sich zu lenken, allein er wagte noch nicht das Geständnis. Er wurde dann feignaire genannt. Ermutigte ihn die Angebetete durch Zeichen der Huld, so trat er in den zweiten, indem er ihr offen seine Liebe gestand. Er ward ein Bittender, pregraire.
Darauf ward er zum Minnedienst angenommen und hieß ein Erhörter, entendeire. Endlich aber wurde ihm die höchste Gunst gewährt, und er stieg sodann zum Liebhaber, drutz. Der Zeitraum vom ersten Schmachten bis zur vollständigen Annahme war von sehr verschiedener Dauer, je nach dem Charakter der Dame und den Verdiensten des Ritters. Das alles war mit Zeremonien verknüpft, die teils denen des Lehnwesens, teils denen der Kirche nachgebildet waren.
Der Ritter kniete vor seiner Dame, indem er ihr Treue schwor, sie hielt seine Hände zwischen den ihren, sie gab ihm einen Ring und besiegelte den Bund mit einem Kuß. Ja, zuweilen sogar ward der Bund durch kirchliche Einweihung bekräftigt. Zuweilen ließen sich die Bewerber einer Dame die Haare abschneiden, wie denn um die vielgefeierte Gräfin Guida von Rodes sich mehr als hundert Ritter die Köpfe scheren ließen. Der deutsche Ritter Ulrich von Lichtenstein hackte sich sogar einen Finger ab und sandte denselben seiner Dame zum Zeichen seiner unbegrenzten Verehrung.
Von da an trug der Ritter die Farben seiner Dame und das Kleinod, das sie ihm zum Zeichen ihrer Liebe gegeben, einen Ring, einen Schleier, ein Haarband, einen Gürtel, einen Ärmel, den sie getragen. Am Hofe Heinrichs III. trugen, wie Brantomê erzählt, die Ritter die Strümpfe ihrer Damen. Dieses Zeichen nahm der Ritter mit in den Kampf, und war es von den Schwerthieben zerschnitten, so gab er es ihr gegen ein neues zurück. Sie trug dann das alte als den schönsten Schmuck.
Ganz gewöhnlich war unter den französischen Liebespaaren der Tausch der Hemden, wie die Romane vom Castellan von Coucy, von Gamuret und anderen beweisen. Gamuret hat nach und nach achtzehn durchhauene und durchstochene Hemden seiner Herzeloide zurückgegeben, die sie mit Wonne wiederum angelegt hat.
Oft verlangten aber auch die Damen noch ganz besondere Taten zum Zeichen wahrer Liebe und aufopfernder Treue, deren Erfüllung nun die Lebensaufgabe des Ritters wurde. Dabei forderten die Damen im Bewußtsein ihrer Allmacht über das Herz des Geliebten oft das Unmögliche und quälten ihre Liebhaber mit den unsinnigsten Zumutungen.
Die Liebhaber ihrerseits boten jede Kraft dafür auf und gaben außerdem die offenbarsten Beweise ihres Liebeswahnsinns.
Ulrich von Lichtenstein ist nicht der einzige Ritter, der das Wasser trank, worin sich seine Dame gewaschen. Der Troubadour Wilhelm von Balaun ließ sich auf Verlangen seiner Dame einen Nagel vom Finger ablösen, weil sie dies als ein Liebeszeichen gefordert hatte. Peter Vidal, der Kürschnersohn aus Toulouse, den die Damen oft weidlich neckten, weil er in alle verliebt war, verliebte sich in Loba von Carcasses. Ihrem Namen, Wölflin, zu Ehren kroch er in ein Wolfsfell und rannte in der Nähe ihrer Burg heulend und auf allen Vieren umher, bis ihn die Hunde und die Hirten einfingen, ihm das Fell zerzausten und ihn derb abprügelten, so daß er fortgetragen werden mußte.
Es ist hier nicht der Ort, weiter auszuführen, wie weit die Belohnung der treuen Liebhaber ging. Die französischen wie deutschen Gedichtsammlungen enthalten zahlreiche Denkmale ritterlicher Liebe in den Tageliedern oder Alben, Scheideliedern am Morgen. Die Treue der Wächterinnen oder Wächter, die Bosheit der Aufpasser, der Neider, der Verräter und des Zufalls werden darin mannigfach angedeutet.
Diese Liebessitten führten mannigfache Verwicklungen und Abenteuer herbei, zumal, wenn der Gemahl einer schönen, vielbegehrten Frau den Qualen der Eifersucht verfiel, wie der Ritter von Fayel, der seiner Frau das Herz ihres Anbeters, des Castellans von Coucy, gebraten vorsetzte, das ihr dieser sterbend vermacht hatte. Noch tragischer ist die Geschichte des Wilhelm von Cabestaing und der Gräfin Margerida von Roussillon, welche die Zeitgenossen in Liedern fortpflanzten.
Die vielfach gegliederten Liebesverhältnisse der ritterlichen Dichter und der Frauen, die gerichtsförmlich gestaltete Liebessitte, die Zwiste der Liebenden untereinander, dann die dem Zeitalter eigentümliche Freude an der Lösung spitzfindiger Fragen, führten nicht allein poetische Auflösungen und Streitverhandlungen herbei (Terzonen), sondern hatten den Zusammentritt vollständiger eigentümlicher Gerichtshöfe zur Folge. Drei Troubadours stritten über die Frage, welchen von ihnen die Dame, die alle drei zu gleicher Zeit verehrten, am meisten ausgezeichnet habe, als sie alle drei beisammensaßen.
Den einen hatte sie freundlich angesehen, dem anderen die Hand gedrückt und dem dritten seufzend und verstohlen auf den Fuß getreten. Eine Dame wurde zur Schiedsrichterin erwählt.
Förmliche, aus Damen und Rittern zusammengesetzte Liebeshöfe oder Minnegerichte waren vornehmlich in Frankreich schon im 12. Jahrhundert im Gebrauch. Der Fürst der Liebe, oft ein Prinz, führte den Vorsitz, Damen wie Herren bekleideten die richterlichen Ämter, und die richterlichen Aussprüche wurden mit großem Ernst bekannt gemacht. In Avignon, Lille, Tournay, Paris waren solche Minnehöfe zusammengetreten, und gegen das Ende des 13. Jahrhunderts lassen sich auf deutschem Boden ähnliche Gerichte nachweisen.
Die Ritterlichkeit der Männer artete schließlich in ein Hörigkeitsverhältnis aus, wie es schlimmer kaum gedacht werden kann. Jener Ritter von Lichtenstein rechnete es sich zur Ehre an, daß seine »liebste Fraue« ihn durch Rivalen windelweich prügeln ließ. Oder daß sie ihn zur halben Höhe ihrer Kemenate in einem Korbe hochzog, den Strick durchschnitt und den liebestollen Seladon aus beträchtlicher Höhe zu Boden stürzen ließ.
Man wundert sich dann nicht, wenn der Jurist Hieronymus von Kaevallos aus Tolosa über die Frauen u. a. schrieb:
»Mulier est dux malorum, artifex scelerum, propter cuius incontinentiam tot adulteria et stupra nefantissima in civitatibus committuntur. Illa est quae vocatur iter mali et mortis, illa est serpentis discipula, consiliaria diaboli, fons deceptionis et propter eam omnium rerum calamitas inducitur. Est enim origo peccati, mater delicti, arma diaboli, expulsio paradisi, inducit homines ad confusionem et vocatur impedimentum viri, vas adulterii, animal pessimum, pondus gravissimum, aspis insanabilis, janua diaboli, cauda scorpionis, vulnus insanabile, bestia insatiabilis, solicitudo continua, naufragium incontinentis viri, foetor continuus. Praeterea est superbia incomparabilis, carens lege, modo et ratione. Habet mel in ore et in corde venenum, et deceptionem. Animam corrumpit, bursas evacuat, est impedimentum doctrinae, perturbatio hominum, mater culpae, radix viciorum et principium et finis cujuslibet mali.«