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(Zoomimischer Metatropismus)
In der Kunst aller Länder tritt der Mann, der die Frau mehr oder weniger bekleidet auf den Schultern trägt, als Masochist auf. Es gibt Dichter und Maler, die sich mit Vorliebe photographieren lassen, während die Frau auf ihren Schultern sitzt.
Nicht immer handelt es sich um ausgesprochenen Metatropismus. Derartige sexuelle Abnormitäten weisen hunderte von Nuancen auf und haben ungezählte Zwischenstufen. Aber allein schon die Vorstellung von der Frau als Reiterin spielt im Gefühls- und Sexualleben des Masochisten eine überragende Rolle. Man hat vergeblich nachgeforscht, in welchen hereditären Vorstellungen diese eigenartige Leidenschaft des hörigen Mannes wurzeln könnte. Es gibt nur eine Erklärung:
Der masochistische Hörige hat einen Charakterzug, respektive einen Trieb, der immer wieder bei allen Masochisten in klarer oder versteckter Form hervorbricht.
Ihm ist es Bedürfnis, gedemütigt und gezüchtigt zu werden. Es gibt keine Libido, die ohne Phantasie auskäme. Jedes Bild, das das Gehirn in dieser Hinsicht formt, bedeutet eine enorme Steigerung, Verfeinerung und Hochtreibung der erotischen Betätigung. Viele Masochisten bedürfen keines geschlechtlichen Verkehrs. Ihnen ist die Vorstellung alles – und je mehr sie von diesen ihren Vorstellungen, von den Bildern ihrer Phantasie sexuell abhängig sind, um so stärker müssen diese Phantasien sein, in denen sie schwelgen.
Was liegt näher, als dem nackten oder halbnackten Körper eines Weibes als Lasttier zu dienen? Die herrliche, begehrte Last auf dem Rücken zu tragen? Die Wollust des Weibes in der schaukelnden Bewegung des Körpers mitzuempfinden – und sich bewußt zu sein, daß auch in dem getragenen Weibe folgerichtig die Vorstellung aufkommt, auf einem richtigen Pferd zu sitzen, das man ungestraft mißhandeln darf, das man anfeuern muß, dem man die Sporen und die Peitsche gibt?
Schon bei Martial heißt es: »Hinter der Tür befriedigen selbst sich die phrygischen Sklaven, wenn auf hektorischem Roß ihre Gebieterin saß.«
Alle Masochisten schöpfen aus dieser Vorstellung ihre höchste Lust. Das hektorische Roß ist der Mann, auf dem das Weib reitet. Die Metatropisten sind erfinderisch. Es ist ihnen nicht genug, das Weib auf dem Rücken zu tragen. Es ist nicht genug, sich Sporen in die Weichen stoßen zu lassen oder eine Reitgerte schmerzhaft zu empfinden. Sie lassen sich, wie richtige Pferde, ein Zaumzeug umlegen, sie kriechen auf allen Vieren, um die Illusion vollkommen zu machen, sie feuern die Reiterin an, ja von ihren Instrumenten, die der Mißhandlung dienen, Gebrauch zu machen.
Vom Reittier zur gemarterten Kreatur ist nur ein Schritt. Gilt nicht dem Pferde unser besonderes Bedauern, diesem edelsten der Tiere, das der menschlichen Gewalt hilflos überliefert ist und in der Kandare gehen muß?
Aber gibt es nicht noch tiefere, gibt es nicht noch schlimmere Formen der Sklaverei und Knechtung, denen sich der Masochist hingeben könnte?
Ein Pferd ist immer noch einigermaßen frei. Es bewegt sich, die herrliche Last auf dem Rücken gewährt Entzücken.
Wie, wenn das Pferd ungebärdig wäre? Wenn es den Zorn und Unwillen der Herrin erregte?
Der Masochist findet dutzende solcher Möglichkeiten. Ist die Frau nur halb eingeweiht, betrachtet sie das ganze als ein erotisches Spiel, an dem sie, je nach ihrer eigenen Veranlagung, zweifelhaftes oder sehr großes Vergnügen empfindet, so ist es natürlich schwer, sie zu Weiterem zu bewegen.
Anders die Prostituierte, der nichts »Menschliches« mehr fremd ist, oder die Flagellantin, der männliche Frauentyp von gleicher Artung wie der Masochist. Sie wird das ungezogene Pferd in die Box führen. Sie wird es mit dem Maul festbinden, daß ihm jede Bewegung unmöglich ist, ihm mindestens große Schmerzen verursacht.
Dann wird sie die Peitsche nehmen und dieses Pferd züchtigen. Je maßloser die Züchtigung ausfällt, desto größer wird die Befriedigung des Gezüchtigten sein.
Aber ein Pferd züchtigt man nicht nur. Man stößt es mit den Stiefeln in die Weichen. Ein Frauenstiefel ist für fetischistische Masochisten ein Gegenstand ununterbrochener Anbetung. Ein Stiefel, über dem ein Frauenschenkel sich wölbt, ist der Inhalt seiner Träume.
Er läßt sich stoßen, treten. Kein Fußtritt ist ihm zu grausam. Denn nicht eben der Schmerz ist das, was den masochistischen Mann am stärksten erregt: die Demütigung seines Körpers und seines Geistes, die Herabwürdigung seines Ich ist es, was er verlangt. Er will sich auflösen unter der Verachtung des Weibes, das er anbetet. Er will weniger sein als ein Sklave. Noch weniger als ein Tier. Er will ein Nichts sein, und wenn die Möglichkeit sich bietet, so wird der entartete Masochist vor keiner Scheußlichkeit zurückschrecken, wird ihm keine ekelerregende Handlung häßlich genug erscheinen, um seine Laszivität bis aufs Äußerste zu reizen. Das ist der Mann als Reittier, der kranke Hörige, der Entartete.
Dr. Magnus Hirschfeld sagt in seinem Werk »Sexuelle Zwischenstufen« über den Drang des Metatropisten, gedemütigt zu werden, folgendes:
»Überschauen wir das große Material, welches uns direkt in mündlichen oder schriftlichen Äußerungen von Metatropisten entgegentritt, oder in der masochistischen und sadistischen Literatur, in dem Instrumentarium, mit dem auf diesem Gebiet tätige Gerwerblerinnen arbeiten, so sind es im wesentlichen fünf Arten der Erniedrigung, die wir unterscheiden können:
a) Erniedrigung im Stand (Servilismus): In dieser wohl umfangreichsten Metatropistengruppe liegt den Männern daran, sich als Diener, Sklaven, Pagen einer stolzen Herrin gänzlich zu unterwerfen. Die bereits früher bei anderer Gelegenheit zitierten Briefe von Sklaven an Herrinnen veranschaulichen uns am besten die seltsame Psyche der »in tiefster Ergebenheit vor der gnädigen Gebieterin untertänigst ersterbenden« Männer.
b) Erniedrigung im Alter (pueriler Metatropismus): Diese Personen möchten Schüler, Zöglinge einer strengen Gouvernante sein, wollen von einer »Mama« oder »Tante« als Knaben, »unreife Jungen« behandelt werden.
c) Erniedrigung im Geschlecht (transvestitischer Metatropismus): Dies ist vielleicht die klassischste Gruppe der Metatropisten. Der Mann wünscht sich selbst in die Rolle des Weibes und das Weib in die Rolle des Mannes. Auf die engen Beziehungen zwischen Transvestitismus und Masochismus habe ich schon kurz vorher hingewiesen, das eingehende Studium der Metatropisten zeigt, daß bei den meisten transvestitische Neigungen im stärkeren oder schwächeren Grade vorkommen, gleichwohl darf man aber nicht so weit gehen, beide Erscheinungen zu identifizieren. Wir finden Masochisten, die nicht Transvestiten sind, beispielsweise unter den Infantilen, und auch Transvestiten, besonders unter homosexuellen, die nicht metatropisch sind. Nicht selten stößt man auf Fälle, in denen sich diese Gruppe tranvestitischer Metatropisten mit einer der vorigen vergesellschaftet. Besteht eine Verbindung mit Servilismus, wünschen diese Personen dann Sklavinnen, Dienstmädchen, Kammerzofen zu sein. Liegt gleichzeitig Infantilismus vor, begehren sie statt männlicher weibliche Zöglinge oder Schulmädchen zu sein, und lassen sich gern mit dem entsprechenden Namen belegen.
d) Erniedrigung zum Tier (zoomimischer Metatropismus): Wenn wir es nicht aus den direkten Mitteilungen der Metatropisten wüßten, würden uns die Gebrauchsgegenstände ihrer Herrinnen belehren, daß sich die erotische Selbstentäußerung dieser Menschen bis zum Hineinversetzen in die Rolle eines Tieres steigern kann. Nicht nur, daß die Belegung mit Tiernamen, wie: »Du Schaf, du Hund, du Schwein, Ochse, Esel, Kamel« und zahlreiche ähnliche als Gegenteil einer Beleidigung empfunden werden, in den assortierten Folterkammern gewerblicher Gebieterinnen finden wir Sattel- und Zaumzeug, das nicht für Pferde, sondern für Menschen angefertigt ist, große Maulkörbe, die Männern angelegt werden, die wie Hunde auf Vieren gehen und bellen.
Daneben befinden sich Hundeleinen, Hundehalsbänder, Hundepeitschen und Hundehütten. Auch große Käfige kann man sehen, in welche sich Menschen einsperren lassen, um als Symbol »menschlicher Unterwürfigkeit« Tiere nachzuahmen.
Es gibt auch Fälle, in denen Männer um eine geliebte Herrin herumlaufen, indem sie wie Tauben girren oder wie Hähne krähen, ja, selbst wie Hühner gackern und dabei so tun, als ob sie Eierlegen wollen. In einem andern Falle benahm sich ein vornehmer Herr ganz wie »ein verliebter Kater«, nicht im übertragenen Sinn, sondern völlig das Liebesspiel dieses Tieres imitierend. Es gibt ein altes metatropisches Gedicht, vermutlich 1660 von Seyffart verfaßt, das in dieser Hinsicht lehrreich ist. Darin heißt es:
»Man muß sich wünschen, offt zum schwartzen Floch zu werden, zu hüpfen in das Bett, sonst oder an der Erden. Ja mancher wünschet offt: ach wäre ich die Sach, darauf das Jungfernvolk sich setzet im Gemach, ach war ich doch die Schürtz, das Hündgen und das Kätzgen usw.«
e) Erniedrigung zur Sache (impersoneller Metatropismus): In dem oben angeführten Gedicht tritt uns auch an der Stelle: »Ach wäre ich die Sach«, neben dem zoomimischen (Floh, Hündchen, Kätzchen) eine letzte Form des Metatropismus entgegen, die wir ebenfalls aus unserer Kasuistik mit zahlreichen Beispielen belegen können, der Wunsch, ein toter Gegenstand zu sein, dessen sich die Herrin bedient. Da wünscht jemand ein Schemel zu sein, auf dem die »Schühchen der Gestrengen« ruhen, oder ein Teppich oder Fell, auf den sie tritt. Eine Dame, die mich wegen ihres Gatten konsultierte, berichtete, daß dieser von Anfang ihrer Ehe an sich abends zu ihren Füßen vor das Sofa ausgestreckt hingelegt und sie aufgefordert hätte, während der Mahlzeiten ihn als Fußbank zu benutzen. Die Frau war anfangs ihrem Mann zuliebe auf die ihr lächerlich erscheinende Marotte eingegangen, als sie aber die Zähigkeit erkannte, mit welcher der Mann auf diese Szene beharrte, wurde sie stutzig, weigerte sich, bis eine Ehescheidung drohte, zu deren Verhütung sie meine Ansicht hören wollte. Andere gehen noch weiter, sie begehren gleich den Weibernarren, über die Philander von Sittewald berichtet, »das Brett auf dem geheimen Kabinett« zu sein, oder gar das Nachtgeschirr der Herrin, wieder andere begnügen sich leblose Figuren darzustellen, Puppen, Hampelmänner, Marionetten, mit denen die Domina ganz nach Belieben »spielen« soll.
Ein anderer Masochist, den Krafft-Ebing anführt, dokumentiert seine Gefühlsneigung, die vielleicht die hervortretendste, charakteristischste für Masochisten überhaupt ist. Der Masochist träumte, eine ihm sympathische Frauensperson lehne sich kräftig an ihn, oder er lag schlummernd im Grase und sie steige auf seinen Rücken.
Eine üppige Frau mit schönen Formen, namentlich hübschem Fuß, konnte ihn, sitzend, in höchste Erregung versetzen. Er empfand das Verlangen, sich ihr als Stuhl anzubieten, um so »viel Herrlichkeit tragen zu dürfen«. Ein Tritt, eine Ohrfeige von ihr, wäre ihm Seligkeit gewesen. Kein Gedanke an Weiteres. Nur das Verlangen, dem Weibe zu dienen. Die Vorstellung des Weibes als Reiterin taucht auf. Sie gehört zu den Lieblingsphantasien aller Masochisten und erklärt die Überlegenheit, die Männlichkeit vieler Reiterinnen. Der Masochist schwelgt in dem Gedanken, wie glücklich er sich fühlen, welches Vergnügen ihm diese Situation bereiten würde. Er sieht im Geiste den schönen Fuß mit den Sporen. Er fühlt an seinen Lenden die herrlichen Waden, die weichen vollen Schenkel. Jede schön gewachsene Frau, jeder hübsche Damenfuß entflammt seine Phantasie.
Immer wieder tritt also die fetischistische Neigung der Masochisten hervor. Manche Masochisten träumen sich derartig in die Rolle von Pferden ein, daß sie in unbewachten Momenten die Kopfhaltung von Pferden nachahmen.
Ein Masochist träumte, er sei ein edles, feuriges Pferd und werde von einer schönen Dame geritten. Er fühlte ihr Gewicht, den Zügel, dem er gehorchen mußte, den Schenkeldruck in der Flanke, er hörte ihre wohlklingende, fröhliche Stimme. Die Anstrengung trieb ihm im Schlafe den Schweiß aus, das Empfinden des Sporns tat das übrige und bewirkte manchmal sogar das Eintreten einer Pollution unter großem Wollustgefühl.
Selbstverständlich schreiten dann viele vom Traume zur Wirklichkeit. Es gelingt ihnen, Frauen zu finden, die sich ihrem Vergnügen anpassen. Sie nehmen mit Vorliebe die Frau auf ihren Rücken, ohne daß diesen Frauen immer klar wird, welcher Art Vergnügen sie dienen.
»Groß gewachsen und beide Hände auf einen Stuhl gestützt, brachte ich meinen Rücken in horizontale Lage, auf den die Frau sich dann rittlings, nach Männerart reitend, setzte. Ich machte dann so viel als möglich alle Bewegungen eines Pferdes und liebte es, wenn auch sie mich nur als Pferd behandelte, ganz ohne Rücksicht. Sie konnte mich schlagen, stechen, schelten, liebkosen, ganz nach Laune. Personen von 60 bis 80 Kilo konnte ich so eine halbe bis dreiviertel Stunde auf dem Rücken haben. Nach dieser Zeit bat ich gewöhnlich um eine Ruhepause. Während dieser Zeit war der Verkehr zwischen mir und meiner Herrin ein ganz harmloser, und von dem Vorhergegangenen nicht die Rede. Nach einer Viertelstunde war ich jeweils wieder vollkommen erholt und stellte mich der Herrin bereitwillig wieder zur Verfügung.
Ich machte dies, wenn es Zeit und Umstände erlaubten, 3- bis 4mal hintereinander. Es kam vor, daß ich Vor- und Nachmittags mich hingab. Ich fühlte nachträglich keine Ermüdung oder sonst ein unbehagliches Gefühl, nur hatte ich an solchen Tagen sehr wenig Eßlust. Wenn es anging, war es mir am liebsten, wenn ich den Oberkörper entblößen konnte, um die Reitgerte empfindlicher zu fühlen. Die Herrin mußte dezent sein (!). Am liebsten war sie mir mit schönen Schuhen, Strümpfen, kurzer, bis zu den Knien reichender geschlossener Hose, Oberkörper vollkommen bekleidet, mit Hut und Handschuhen.