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Das Ende der Hetäre

Diese Nacht lag der thessalische Knabe in den Armen der gefeierten Kurtisane. Der Mond schien hell und tauchte ihr Lager in flüssiges Silber. Dem Aristipp hatte sie kurzweg den Abschied gegeben. Er tröstete sich diese Nacht mit Philosophie.

»Höre mich an,« sagte Laïs zu dem Jüngling, dessen Muskeln rote Flächen auf ihren Armen zurückgelassen hatten, »ich fühle, daß du der erste bist, den ich wahrhaft liebe. Ich müßte sterben, wenn du von mir gingest.«

Sie preßte ihr heißes Haupt an seine Brust.

Der Thessalier lachte. Sein Mund war grausam.

»Man erzählte mir einmal, daß alle Männer vor dir im Staube liegen?«

»Alle,« sagte Laïs.

»Es gab noch keinen, den du nicht besiegtest?«

»Keinen,« antwortete Laïs.

Hippolochos sprach nichts mehr. Die Nacht verging unter den Freuden der Liebe.

Textillustration
(Aus »Strandmagazin«, London)

Am Morgen hing sich die Kurtisane an den Hals des Jünglings.

»Ich will den fünften Tag nicht mehr hierbleiben, seit ich weiß, daß du nicht mehr an den Wettspielen teilnimmst.«

»So gehst du zurück nach Korinth?«

Physiologisches Erotikon: Wie man die Nationalitäten der Frauen erkennen kann

»Ich kehre nach dem Isthmus zurück, aber nur mit dir.«

»Mit mir?« Der Thessalier lachte.

»Ich habe eine Geliebte in meiner Heimat, die noch kein Mann besessen hat. Selbst ich nicht. Die erwartet mich.«

Die Züge der Hetäre verzerrten sich.

»Lasse sie!«

»Nein.«

»Ich biete dir ein grenzenloses Glück. Ich lehre dich alle Arten der Liebe. Keine Hetäre versteht die phönizische Wollust wie ich. Ich bin reicher als ein König und mein Palast ist dein. Ich werde nur dir angehören bis an das Ende ...«

»Sagtest du nicht, es sei dir kein Mann noch widerstanden?«

»So sagte ich.«

»Dann bin ich der erste,« lachte der Thessalier. » Ich verachte dich.«

Als sich der Vorhang hinter dem thessalischen Knaben geschlossen hatte, lag die Hetäre stumm auf dem Teppich. Kein Laut entrang sich ihrem Munde. Kein Seufzer erleichterte ihr Herz. Ihre Augen starrten tränenlos und brennend auf das Muster des Teppichs.

Wie sich ein phantasiebegabter französischer Illustrator in der Mitte des vorigen Jahrhunderts den »Frauenhandel« vorstellte

»Ich Törin,« schrie sie, »warum mußte ich lügen! Aus Eitelkeit verschmäht er mich. Er will der Erste sein

»Ich verstehe dich nicht,« sagte Chrysis, Sklavin und Freundin.

» Der erste, der mich verschmäht,« schrie Laïs.

»Ich dachte, der erste, der dem Weibe die Liebe lehrt,« meinte Chrysis absichtslos.

Laïs starrte die Freundin an. Ein großes Erkennen stieg in ihrer Seele auf, etwas, das die Kurtisane noch nicht erfühlt hatte, das ihre Kehle wie mit eisernen Klammern umschnürte, daß sie nicht einmal weinen konnte.

»Es gibt solche Männer?« fragte sie zweifelnd.

»Ja,« antwortete Chrysis.

»So werde ich ihn töten,« sagte Laïs ruhig, »denn er muß mich lieben. Wir treten eine Reise an, Chrysis! Halte alles bereit.«

Als Chrysis den Schmuck ihrer Herrin zusammenlas, weinte sie bitterlich, denn die Stunde war gekommen, die sie seit Jahren gefürchtet.

Wenn Laïs liebte, mußte sie untergehen!

Die Thessalierinnen feierten das Fest der Venus. Niemand hatte Zutritt in den Tempel. Hundert junge Priesterinnen in weißen Gewändern, die das Gelübde der Keuschheit abgelegt hatten, brachten der ewigen Göttin das Opfer, und jede der Frauen legte ein Geschenk an dem Altare der Göttin nieder.

Von den Dreifüßen züngelten die Flammen empor, dicker Rauch lag über dem Tempel. Eben wollte der Chor die Stufen zu dem heiligen Hain niedersteigen, als sie ein Weib bemerkten, das, unbeweglich an eine Cypresse gelehnt, ihre Opferhandlungen beobachtete. Sie war keine Thessalierin, das bewies ihre Kleidung. Sie hatte kein Recht, diesen Tempel zu betreten! Sie hatte ihr Leben verwirkt!

Witwenverbrennung in Indien

Eine Priesterin trat auf sie zu, während sich ein lebender Kreis um die Fremde bildete, damit sie nicht mehr entkommen konnte.

»Was suchst du hier?« fragte die Priesterin.

»Ich wollte Charysis sehen, die Braut des Hippolochos.«

Ein Mädchen von zarter Schönheit, in dem weißen Kleide der Opfernden, trat vor.

»Was wünschest du von mir?«

»Du liebst Hippolochos, den Wagenlenker?«

»Ich liebe ihn.«

»Du wirst von ihm geliebt?«

»Er schwor es mir.«

»So löse mir ein Rätsel!«

»Sprich!«

»Was ist der Inhalt des Lebens?«

»Die Liebe.«

»Und der Inbegriff der Liebe?«

»Die Keuschheit. Die Keuschheit ist die wahre Schönheit.«

Laïs verstummte. Ihr irrer Blick flog über die große, ernste Versammlung.

Ihr ganzer Körper zitterte.

»Du lügst!« schrie sie plötzlich. »Du lügst genau so, wie deine Göttin lügt!«

»Es gibt keine Keuschheit in der Liebe! Nur Grausamkeit. Grausamkeit!« Sie lachte wild auf.

»Er floh! Floh vor mir wie der Hund vor der Peitsche.

Weil er meine Kraft fürchtet, die die Erdscheibe umspannt. Die Kraft, die nie stirbt, die allein das Leben regiert. Weil er zu feige und zu roh war, sich vor der Kunst zu beugen, die die Wollust geschaffen hat.«

Vanity Fair

»Sie lästert,« rief eine Priesterin.

»Die Barbarin,« eine andere.

»Steinigt sie,« eine dritte.

»Ja, steinigt die Gotteslästerin!«

Ein Stein flog gegen die Brüste der Kurtisane.

Sie ließ mit einem lauten Aufschrei den Mantel fallen und stand nackt, die Arme ausgebreitet.

»Ja, tötet mich!« rief sie mit irrem Lächeln. »Tötet mich! – Ich verachte euch!«

Ein Sturm der Entrüstung erhob sich. Wieder flog ein Stein, diesmal an die Stirne der Hetäre. Sie blutete heftig.

Bruchstück des Reliefs einer Kulttänzerin mit sehr zarter Modellierung
Frühes Mittelalter (10. Jahrhundert), Nokhas in Nordindien

»Haltet ein! Wer bist du, Unglückselige?« rief jetzt Charysis, zu der Verwundeten tretend.

»Ich bin Laïs, die Hetäre!« schrie die Dirne, das Mädchen von sich stoßend. »Grüßt mir Hippolochos, meinen Geliebten! Und nun steinigt mich!«

Eine Stunde später war alles vorüber. Die Frauen Thessaliens verließen den Tempel. Das Fest der keuschen Venus war zu Ende, das Opfer dargebracht. An der Stelle, wo sich der Altar der Göttin erhob, lag Laïs regungslos in einer Lache von Blut, das ihren weißen Leib wie ein Scharlachmantel umsäumte.

Sie war in den Tod gegangen, weil sie sich hörig wußte.

Amor fugit
Auguste Rodin

Eines der interessantesten Hörigkeitsdramen ist das Verhältnis der ägyptischen Königin Kleopatra zu Antonius, dem römischen Feldherrn. Kleopatra hat sicher auch Cäsar, den späteren allmächtigen Herrn von Rom, in jungen Jahren beherrscht. Die Liebesnächte auf dem Nil waren Triumphe der jugendlichen Königin. Aber Julius Cäsar, der spätere Napoleon der antiken Welt, war doch aus ganz anderem Holz geschnitzt als Antonius. Er mußte an der Herrlichkeit dieser Frau zugrunde gehen. Es war, möchte man sagen, ein Naturgesetz, daß er politisch und militärisch scheiterte, unter den Augen dieser Frau, die einen unbeschreiblichen Einfluß auf ihn ausübte.

Die Herrin
Hans Baldung (Grien)

Vielleicht war aber die militärische Entfaltung des Antonius überhaupt nur eine Folge dieser grenzenlosen Leidenschaft zu Kleopatra. Wir finden so oft bei Hörigen, daß die Frau, die sie verehren, anbeten, alle ihre seelischen und geistigen Kräfte mobilisiert. Es ist wie ein ewiger Regen der Fruchtbarkeit, der sich über ihr Leben ergießt, bis ihre Kräfte, künstlich aufgestachelt, verbraucht sind. Jeder Hörige trägt das Kainsmal auf der Stirn, die Tragik seines Endes steht für jeden, der zu lesen versteht, in seinem Blick.

Die New-Yorker Schauspielerin und Dramatikerin Mae West

Man könnte meinen, die Frau, die Herrin, dieses über alle Begriffe erotische und selbstsichere Wesen, sei Vollstreckerin eines geheimnisvollen Naturwillens. Alles, was Brutalität des Mannes in Kriegen und Revolutionen an der Frau gesündigt hat, alle Verbrechen, die von dem stärkeren Mann an der Frau begangen wurden, rächt das schwache Weib durch die Ausstrahlung seines unwiderstehlichen sexus.

Darum ist es Unrecht, Julius Cäsar als den starken Mann Kleopatra gegenüber hinzustellen. Der Fünfzigjährige war klüger und weniger abhängig von seinen Leidenschaften wie Antonius. Dieser schwärmerische und fraglos im Sinne des Ethos wertvollere Mensch mußte der Dämonie Kleopatras in der Schlacht bei Actium folgerichtig erliegen.

Es gibt ungezählte Tragödien der Weltgeschichte, bei denen wir fälschlicherweise von der Unfähigkeit von Feldherren oder Königen sprechen, statt zu gestehen, was man nicht verschweigen kann: Daß Schlachten und Throne oft genug verloren wurden, weil der Mann geschlechtshungrig war und der unheilvolle Einfluß des Weibes sich auswirkte, das als tragische Schicksalsgewalt dieses Ende herbeiführen mußte.

Niemand wird im Ernst behaupten, daß Goethe der Charlotte von Stein hörig gewesen sei. Aber welchen Einfluß hat diese Frau trotzdem auf den Dichter ausgeübt, hat ihn ausgeübt, obgleich, nein, weil Goethe sich oft mit dem Gedanken trug, sich von der launischen und unberechenbaren Frau zu trennen. Charlotte von Stein ist letzten Endes die Frau, die die Ehe des alternden Goethe mit der Vulpius zustande gebracht hat.

Vielleicht hätte dieses Resultat ihrer Leidenschaft sie selbst in Erstaunen gesetzt, wäre sie sich über die kausalen Zusammenhänge klar gewesen!

Romulus und Remus, die sagenhaften Stammväter der ewigen Stadt, verdankten ihr Leben keineswegs einer vierbeinigen Wölfin, wie die Geschichte behauptet, sondern der Geliebten des Hirten Faustinius, der »Wölfin« (Dirne) Acca Laurentia, wie Valerius, die Quelle des Macrobius, versichert.

Und das spätere Rom verleugnete seine Vergangenheit nicht. Feste wie die Luperkalien, Floralien, der Venus-, Priapus- und späterhin Isiskult tun zur Genüge die Stärke und religiöse Bedeutung der Prostitution in Rom dar. Die Floralien waren das Vermächtnis einer Dirne Namens Flora, und wurden im April oder Mai eines jeden Jahres gefeiert. Sechs Tage lang bekränzte das Volk die Statuen und Altäre der Götter mit Blumen und streute junges Laub auf alle Straßen. Am siebenten Tage zogen die Hetären in feierlichem Umzug durch die Stadt. Ihre nackten Leiber, beladen mit Perlen und Edelsteinen, waren durch ein zartes Gewebe durchsichtiger Schleier mehr enthüllt als verdeckt, und ein Musikchor, der den Umzug eröffnete, verlieh dieser seltsamen Prozession den Charakter eines Volksfestes. Im Zirkus angekommen, warfen die Dirnen ihre Schleier ab, und nun begann eine Vorstellung, die sich wohl in nicht allzuviel Variationen mehr finden lassen dürfte.

Sie liefen, tanzten und sprangen, ihre wohlgewachsenen Leiber in die vorteilhaftesten Stellungen rückend, stellten lebende Bilder und karrikierten alle Momente der Wollust. Mit einem Male öffnete sich eine Pforte und nackte Athleten sprangen jauchzend in die Arena, um ihre Kräfte mit denen der Weiber zu messen.

Und nun folgten unter dem Schmettern der Trompeten Szenen, die zu beschreiben mir das Strafgesetzbuch verbietet. Ähnlich war der Verlauf der Venusfeste, die zu Ehren der Venus armata gefeiert wurden und meistenteils im April stattfanden. Die Teilnehmer an diesen Festen waren nackt und führten pantomimenmäßige Tänze auf, daß Venus selbst, wie uns Macrobius lächelnd versichert, bei diesem Anblick errötete. Eine große Rolle spielte auch Gott Priapus bei den Römern und gewisse Gebräuche lassen uns schließen, daß schon die düstere Republik diesen Gott gut gekannt hatte.

Die politische Größe der Siebenhügelstadt bedingte natürlich ein sittliches Fundament, und so wurde die Ehe in der Zeit der Republik durch alle Machtmittel, über die weitsehende Gesetzgeber verfügten, geheiligt und geschützt. Die römischen Matronen genossen die höchste Achtung in der Gesellschaft. Doch dürfte ihr Leben darum kaum ein beneidenswerteres gewesen sein, als das der Griechinnen.

Eheliche Untreue seitens der Matronen zog auch in Rom den Verlust aller bürgerlichen Rechte und den Tod nach sich, während – und dieser Passus ist kennzeichnend für die untergeordnete Stellung der Frauen – sie kein Recht hatte, die Scheidung von ihrem Gatten zu verlangen, selbst wenn dessen wiederholter Ehebruch erwiesen war.

Mit dem Untergang der Republik änderte sich die soziale Stellung der Frauen, die nun die jahrhundertelang geübte Tugend in dem Rausche der Cäsarenzeit vergessen zu machen bestrebt waren. Die unzähligen Priapustempel, deren sich in späterer Zeit fast an jedem Platze der Tiberstadt einer befand, legen von dem ausgedehnten Kultus des syrischen Adonis ein beredteres Zeugnis ab, als es selbst Arnobis zu tun vermöchte.

Zu jener Zeit, als sich bei der Unterwerfung Griechenlands durch die römischen Legionen die sonnige gräkische Liebeskultur mit dem starren italienischen Tugendsinn vermählte, begann jenes wilde Bacchanal, das jahrhundertelang die Menschheit im Rausche gefangen hielt und mit der Unterwerfung des Orients seinen Höhepunkt erreicht hatte, um in dem eisigen Hauche der kreuzgeschmückten Katakomben zu verfliegen. Rom hatte Griechenland unterworfen, und die Griechen wurden die Besieger der Römer.

»Seht,« sagte Juvenal, »da kommen sie aus Sykiren, von Amydos, Andros, Samos, überrumpeln unsern Quirinal und werfen sich auf unsere großen Häuser! Haben sie nicht den durchdringendsten Geist, den kühnsten Mut, die verführerischste Rede, hinreißender als die des Isäus? Wißt ihr denn, was ein Grieche ist? Für welche Profession haltet ihr ihn denn am meisten befähigt? Er ist Sprachlehrer, Redner, Geometer, Maler, Bader, Augur, Akrobat, Arzt, Magier, er ist ein Universalmensch.«

Immer das gleiche Vergnügen
Doré

Es scheint, daß diese Männer Flüchtlinge gewesen sind, die in der Weltstadt Schutz und Unterhalt suchten und als Lehrer und Redner in Bälde ganz Rom mit griechischem Geist durchtränkten. Welcher Unterschied zwischen den einstigen Matronen, die hinter verschlossenen Vorhängen einer dunklen Sänfte die Straßen Roms durcheilten, und den Aristokratinnen auf der Via sacra, die in losen, durchsichtigen Gewändern, umgeben von syrischen Sklaven und dienstwilligen Kavalieren nachlässig zurückgelehnt in die Polster der offenen Sänfte, ihre Blicke suchend unter die Gladiatoren oder Soldaten gleiten lassen. (Wer denkt nicht an die Tauentzienstraße? An die Lieblinge des Films? An die launischen Günstlinge einer Zeit, die ihre Könige verjagte, um Kulissenkönige anzubeten?)

»Bei Arm und Reich,« sagt Plautus, »dieselbe Verderbtheit ... Ozulnia ist arm, aber um in den Zirkus gehen zu können, mietet sie kostbare Kleider, Dienerinnen, eine Sänfte, Polster, ja, sie mietet sich Freundinnen und eine Amme, auch ein junges, blondes Mädchen, dem sie Befehle erteilt. Ist ihr noch etwas aus dem väterlichen Silbernachlaß geblieben? Alles, bis auf die letzte Vase wird sie an die jungen Athleten des Zirkus verschenken.«

In jener Zeit des Glanzes und Ruhmes lebten alle jene Kulte von neuem auf, deren Tradition bis in die Entstehungszeit Roms zurückreichte, die unter der Republik zum Teil vernachlässigt, zum Teil unterdrückt worden waren. In einem verschwiegenen Parke walteten die Priester der Göttin ihres Amtes. Mädchen und Frauen besuchten in später Abendstunde die Gärten der Göttin, denn kein Ehemann und kein Liebhaber durfte es wagen, in die heiligen Räume dieses Tempels zu dringen, dessen Priester eifersüchtig über ihre Privilegien wachten.

Auch der Bacchuskult kam wieder zu Ehren, und wehe dem Manne oder Weibe, das unversehens einer Bande Bacchanten in die Hände fiel, um seine Unschuld war es geschehen. »Die Genossen des Gottes,« schreibt Catull, »von heiliger Verzückung trunken, rennen, ›Evoë!‹ ›Evoë!‹ rufend, nach allen Seiten, schütteln die Häupter. Die einen schwingen mit Weinlaub geschmückte Thyrsusstäbe, andere reißen einem noch lebenden Kalbe die zuckenden Glieder aus. Andere winden Schlangen um ihre Leiber, wieder andere tragen die mystischen Körbe und feiern Orgien, deren Anblick verpönt ist. Da ertönt das Tambourin unter der Hand, die es emporwarf und darauf schlägt, dort läßt das schimmernde Erz der Zymbeln seinen hellen und durchdringenden Schall vernehmen. Dazu füget das rauhe Getöse der Hörner und die schrillen Klänge der phrygischen Trompete ...«

Die Kurtisanen erlangten in Rom allerdings nie die Freiheiten wie in Griechenland. Selbst unter den Kaisern, als unklare Sittenfreiheit sich zum Schergen nichtswürdiger Despotie erniedrigen mußte, konnte sich das Hetärentum niemals so entfalten wie in Korinth, um so weniger, als die Matronen selbst in Konkurrenz mit den erlesenen Priesterinnen der Venus getreten waren.

Überflüssig, sich mit Nero, Tiberius, Caligula zu befassen. Flüchtet euch in die Campagna unter den ewig blauen Himmel der Tiberstadt, unter dieselbe Sonne, die damals nicht heißer geleuchtet als heute, und lest die reizenden Geschichten, die Horaz mit Neara, Chloë, Glycera, Tyndaris und Lydia und all den andern Mädchen und Frauen in jenem Landstrich erlebte, von denen er an Tyndaris schrieb:

»Komm, o komme! Das Tal ist tief und schützt dich vor den Gluten des Hochsommers. Hier wirst du auf der Leier Anakreons – deines und meines Meisters – die Beständigkeit Penelopes und den Zauber der Magierin Circe besingen. Im Schatten meiner Lauben wirst du unsere ländlichen Becher mit den feinsten Weinen aus Lesbos füllen. Hier ist Bacchus ein gnädiger Gott ...«

Der Politiker.
»Wenn ich mit diesem Streik Glück habe, bekommst Du zur nächsten Soirée beim Minister eine neue Robe für sechstausend Francs«
»Le Rire« Zeichnung von Guydo


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