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Brief einer Schauspielerin

»Sie fragen mich, gerade mich, wie es kommt, daß alle Männer, solche, die mich kennen, und solche, die nichts von mir wissen, in der gleichen Weise von mir sprechen. Nun, mein Freund, Sie sagten selbst oft: der Klang eines Namens, der Gedanke an eine Frau erwecke in jedem Mann eine andere Vorstellung. Aber an mich, meinen Sie, knüpfe sich immer die gleiche vermessene Behauptung der Sinne – an mich, ob ich nun Nana, oder Zaza heiße oder wie immer – es sei stets das gleiche – so meinten Sie es doch, nicht wahr?

Aber das kommt daher, mein Freund, weil mich – und Nana und Zaza und die vielen Andern – die Männer nur so sehen wollen. Vielleicht, wenn ich ein wenig weiter gehen wollte, würde ich sagen: Ich bin gar nicht »Ich«. Ich bin nur das Spektrum des Mannes. Oder besser: der Männer. Das will besagen, daß jeder Mann imstande wäre, mich so zu sehen, wie er mich zu sehen wünschte, und daß ich mich jeder Vorstellung unterzuordnen vermöchte, denn in uns Frauen bleibt immer und ewig die Rippe des Adam, aus der wir – wir wissen nichts Gescheiteres – »erschaffen« wurden.

Natürlich ist der Einfluß des ersten Mannes auf unser Leben bestimmend. Denn die Stunde, in der ein Weib zum erstenmal die Liebe fühlt, umschließt den einzig großen Vorgang, der seinem Triebleben ein für allemal die Richtung gibt. Die Seele ist bereit, mit ausgespannten Flügeln in die neue Welt der Verheißung zu flattern, die der Frau zu Anbeginn aller Zeiten als Ersatz für das verlorene Paradies versprochen wurde – und immer wieder versprochen wird. Sie erkennt das Leben in der Liebe und ergibt sich der Liebe, um sich dem wahrhaftigen Leben zu überantworten ...

Sie ergibt sich in ihrer ersten Liebe frei und ohne Sünde, dem Trieb des Unbewußten folgend, ihrer Bestimmung, Geliebte und Mutter zu sein. Von da an ist jede Frau, ob gut, ob schlecht, das Produkt der männlichen Vorstellungskraft. Womit ich nicht behaupten will, daß es keine Frauen gäbe, die nur dem Dienst der Liebe geboren werden. Aber in jeder Lukrezia der guten Gesellschaft steckt auch eine Messalina, und eine anständige Frau ist ebensosehr das Produkt der mangelnden Gelegenheit, wie eine galante Frau die Dienerin des Augenblicks.

Am schlimmsten für die Frau ist es, wenn ihre erste Neigung fragmentisch geblieben ist. Ich für meine Person war einmal Weib und blieb Fragment.

Ich teile das Schicksal ungezählter Frauen. Die Männer, die das Werk der Entwicklung an mir beenden sollten, schufen aus mir immer nur das, was sie selber waren – und so war und bin ich stets der Mann, der mich liebt, und den ich deshalb grausam hasse, den ich demütige, den ich vernichten möchte, weil er nicht begriffen hat, daß ich einst nur ein Weib sein wollte. Verstehen Sie?

Immer, wenn das Fragment eines Mannes auf das Fragment einer Frau stößt, wird die Frau die Rolle des Mannes übernehmen und die stärkere bleiben. Da der Mann den Trieb der Naturkraft weder auf den Reiz der Treue in der Gemeinschaft der Interessen, noch auf das hohe Mysterium der Mütterlichkeit ablenken kann, so wird er ein vollendetes Weibchen unter dem negativen Mannestrieb seiner Geliebten. Hier werden Sie vielleicht einen kleinen Widerspruch meiner aufgestellten Behauptung herausklügeln, aber ich glaube, auch dieser ließe sich mit Hilfe der Naturgeschichte in meine Theorie einreihen. Vielleicht wissen Sie jetzt, warum mir die Männer ›hörig‹ sind, wie sie sich auszudrücken beliebten ...«

Traum und Leben
Edouard Bernard, »Parisiana«


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