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Istar, die Göttin der Liebe, hatte ihr Herz dem Gotte Dumuzi geschenkt, dessen Antlitz wie die Sonne leuchtete, und dessen Mut der Schrecken aller Götter war, in deren Rate er saß.
Dumuzi aber, der Große, starb, und Istar blieb als strahlende Witwe allein zurück in der blühenden Ebene zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris, wo die Erde nicht schnell genug zu zeugen vermag unter dem Drange ihrer Fruchtbarkeit.
Istar, fürwahr, war das schönste Weib unter den Strahlen der babylonischen Sonne. Die Farbe ihres Haares war wie die jener kleinen roten Körner, welche die Sklaven aus den Bergen Zagros gruben. Ihre Augen brannten purpurn wie die Sterne nächtlich im Schaume der Euphratwellen. Ihr Leib blühte wie die Samenfäden in den Kelchen der syrischen Lotos, und auf ihrer Stirn leuchtete der Schmelz ewiger Jugend.
Da zog ein fremder König, der von dem Reichtum ihres Landes und der Schönheit ihres Leibes Kunde erhalten hatte, gen Babylonien. Dieser König hieß Zumbaba und war der Herr der Elamiter, welche nahe dem großen Meer wohnten.
In ihrer Not sandte Istar Boten an den Held Gischdubarra, dem gewaltigsten Recken der Erde, der mit bloßer Faust die stärksten Löwen erlegte und die mutigsten Helden an Kühnheit übertraf.
Und Gischdubarra drang in das Lager der Elamiter und schlug die Fremdlinge in die Flucht, den König Zumbaba aber tötete er mit eigener Hand ...
Als Gischdubarra, der langlockige Sieger, in Babylon einzog, da jauchzte das Volk, und Istar stieg erglühend die Stufen ihres goldenen Thrones herab, zu dem Jüngling sprechend: »Sei gegrüßt durch Wort und Berührung, gewaltiger Recke! Ich will dich zum Gemahl nehmen, und du sollst herrschen über die Liebe und ihr endloses Reich.«
Und siehe, der Held maß die Zaubergöttin mit höhnischen Blicken und entgegnete also:
»Nimmermehr, o Königin! Deine Krone leuchtete in Falschheit, dein Auge sprüht Verrat, und dein Reich ist wertlos durch deinen Wankelmut!
Deine Liebkosungen haben Dumuzi getötet. Soll ich dir in Erinnerung rufen, wie verhängnisvoll deine Liebe wurde für alle, die sich mit dir vereinten?
Du hattest einen Adler lieb, der so stark war, daß er gegen die Stürme fliegen konnte. Deine Hand, die seine Liebkosungen gewohnt war, schlug ihn und brach seine Schwingen.
Du liebtest einen prächtigen Löwen, wie nie ein mächtigerer die Wüste beherrschte. Du raubtest ihm seine Klauen, weil dir seine Schwäche Vergnügen bereitete.
Du besaßest ein Lieblingsroß, das die Stunden im Laufe überholte. Du hast die Quelle, daraus es trank, vergiftet! (Anmerkung des Verfassers: Man beachte die ungeheure Kraft, die um das Wesen des Weibes gelegt ist!)
Und nun steht Gischdubarra vor dir, der Zumbaba getötet und deine Feinde vertrieben hat. – Du willst ihn deine Liebe kosten lassen und ihn dann verderben.
Denn solcher Art sind deine Werke ...
Ich aber verachte dich und trotze dir und verweise dich des Landes, auf daß Babylon sich ewigen Friedens erfreue ...«
Und unter dem Jubel des Volkes bestieg Gischdubarra den Thron Babylons, während Istar von dannen eilte.
Auf der Höhe der Stadtmauer hob sich ihr goldleuchtender Leib von den weißen Wolken des Himmels ab. Drohend stand sie und hob die Arme und sprach einen Fluch über den, der stärker sein wollte als die Liebe. –
Auf Erden merkte man gar bald, daß Istar die Welt verlassen hatte.
Die Blumen verloren Duft und Farbe. Der Gesang der Vögel verwandelte sich in ein unangenehmes Krächzen. Die Menschen wurden träge und feige. Die Tiere schlichen unmutig und müde durch die Wälder.
Denn mit der Liebe war alle Lust erloschen.
Nirgends auf Erden ertönte mehr das Klirren der Waffen, kein junges Weib beugte sich mehr dem Geliebten, kein Schwert trank mehr das Blut dessen, den die Liebe bevorzugt hatte, keinen ersterbenden Seufzer trugen die Winde aus fernen Landen mehr in die Gefilde Babylons, keine Wettspiele lockten mehr die Jünglinge zur Entfaltung ihrer Kräfte. Nirgends mehr war Freude, nirgends war Stolz.
Gischdubarra aber ging bleich die Marmortreppen des Tempels empor und betete zu den Göttern, ihm Istar wieder zu schenken. Denn Krankheit wühlte in seinem Leibe. Er hatte eingesehen, daß der stärkste Held nicht ohne die Grausamkeit der Liebe zu leben vermag.
Die Götter fürchteten für die Menschen und führten Istar aus dem Hause der ewigen Finsternis zurück auf die Erde.
Istar aber fuhr siegestrunken über den ihr hörigen König hinweg unter dem Jubel des Volkes. Sie stieg die weißen Stufen ihres Palastes empor. Als sie von der höchsten Zinne aus die Arme über die Erde breitete, daß ihre Brüste zwei glühenden Sonnen glichen, da begannen die Vögel zu zwitschern und die Quellen zu rauschen, wilde Musik erfüllte die Herzen der Menschen, heißes Blut färbte den weißen Schaum der Wellen des Euphrat.
Denn die Tiere waren wieder lebendig geworden zur Wildheit, spitze Dolche tranken das Blut des Hasses, und in den Landen starben die Männer für den Namen ihrer Königin.
Auf der Stadtmauer zu Babylon aber stand Istar, die ewige Siegerin, die Herrin, das Licht des Lebens, und lächelte ...