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»Die Fülle des Busens gibt der ganzen Gestalt etwas Majestätisches. Hier sind die Brüste, zwei Hügel, mit Schnee und Rosen bedeckt, mit Knöpfen und prächtigen Rubinsteinen an der Spitze, den Mündungen der schönen Gefäße, die ... mit solchem Reiz verbunden sind, daß wir gezwungen sind, ob wir es wünschen oder nicht, mit größtem Vergnügen die Augen darauf zu richten.
Wir werden also sagen, der Busen sei schön, der, abgesehen von seiner Breite, die seine hauptsächliche Zierde bildet, eine solche Fülle aufweist, daß kein Knochen darunter zu sehen ist, der von dem äußeren Rande nur so allmählich zunimmt, daß das Auge es kaum wahrnimmt. Der ein glänzendes, in Rosa übergehendes Weiß zeigt. Bei dem die frischen, wogenden Brüste, als ob sie sich gegen die einengende Kleidung auflehnten ihren Kerker zu sprengen scheinen, ja sich so heftig erheben, daß sie die Augen anderer zwingen, sich auf sie zu richten ...
Angelo Firenzuola (16. Jahrhundert)
Wir sind nun auf dem Gipfel einer fast zweitausendjährigen Kultur angelangt und schauen, die Brust von Sehnsucht geschwellt, in die Niederungen einer alten, versunkenen Welt.
Längst sind die Feuer der Vesta erloschen. Verwüstet liegt der Hain Bellerophons, verrauscht sind Adonis' glänzende Feste zu Alexandria, und nicht mehr steigen die Gebete der Wollust würzigen Düften gleich in den Tempeln zu Babylon, Memphis und Paphos.
Wir aber lieben euch noch, ihr Männer aus Attika, lieben euch heißer, als der oberste der Götter die schöne Jo geliebt, derentwillen der Gerechteste falsch geschworen. Wir lieben euch noch!
Armer Publius Naso! Deine glühenden »amores« trägt der Steppenwind über den Pontus, und deine Julia welkt in der Einsamkeit der kaiserlichen Hofburg!
Sei gegrüßt, Anakreon, Vater des Weins und der Liebe, und du, Homeros, um dessen Ruhm sich sieben Städte streiten, künde uns von Odysseus, dem Vielverschlagenen, und den Geschenken der goldenen Aphrodite!
Dein Witz, kluger Horatius, deine Liebenswürdigkeit, schöner Vergilius, dein Pinsel, o Juvenal, mit dem du Ägypten nach Rom gezaubert – wer ahmte euch nach?
Wie glücklich war deine Zeit, witziger Chrysippus! Wohl dir, daß nur dein Name zwei Jahrtausende überlebte!
Wie oft noch ergötzen uns eure lieblichen Frechheiten, Petronius und Lucianus, reizender fast als die Geschichten des Athenäos, leidenschaftlicher als die Taïs Menanders! Die Sterne weinen um deine Lieder, herrliche Sappho, denn mit deinem Leibe haben sie ihren Duft verloren. Klagt nicht Erinna noch am Grabe um ihren Liebling?
Warum mußtest du Staub werden, Praxiteles, der du die lieblichste der Göttinnen in erhabenster Freiheit unsterblich machtest?
Wo blieb die Herrliche, deren Marmor noch lebt? Wo blieb die goldene Parthenos und die eherne Promachos, o Pheidias? Wo deine Bilder, Apollos?
War die Aphrodite von Melos stärker in Stein als in der Liebe?
Apollo ist tot, und nur sein Ruhm lebt in den Schöpfungen seiner Jünger. Wer kennt nicht den Phöbus von Tenea und Belvedere?
Unter uns schläft die Kultur der Liebe!
Die Nadeln der Kleopatra zu Persepolis flammen im Glanze des Morgens gen Himmel, und in den Pyramidengräbern zu Memphis stört ein mächtiges Volk den Schlaf von Weltenkönigen. An den üppigen Ufern des syrischen Nil thront Babylon, die Königin der Städte, und in Blüte stehen die Gärten der Semiramis.
Glücklicher Herodot, der du mit eigenen Augen die Wunder des Altertums schauen durftest, deren heiligstes zu Borsippa, der Tempel des Gottes Nebo, in die Wolken ragte!
Können uns die Ruinen Birs Nimrud die Erhabenheit einer gestorbenen Welt ersetzen?
Wohin versanken die goldenen Treppen zu Baalbeck?
Wann barst der Altar, den Kinyras der Schaumgeborenen weihte?
Auf den Trümmern der Akropolis weint Klio um ihre erhabenen Söhne.
Glückliches Hellas! Beneidenswertes Ägypten! Mächtiges Syrien! Stolzes Rom!
Eure Götter sind begraben!
Der Donnerer versank und mit ihm die Tritogeneia, Phöbos, Aphrodite, Poseidon und Demeter, Hades, Hera, Hestia, Hephaistos, Ares und Hermes.
Alle Helden schweigen von Troja bis Achaja!
Ennius ist vermodert und mit ihm die Zwölfgötter.
Nicht mehr segelt der Göttergott Ra auf goldener Barke durch die Fluten der Himmel, und Pthas Geliebte Sechmet floh samt ihrem Glanze aus Memphis.
Apis ist Stier geworden und kein Serapium weckt den Gestorbenen auf.
Libyens Neith und Pelusiens Bastet wachen nicht mehr über die Katzen zu Bubastis. Ammon erstarrte in der Glut seiner Wüste.
Geb und Nut haben Osiris dem Tode gezeugt, und Isis klagt längst nicht mehr auf dem Grab zu Abydos.
Osiris, sagen zwar die Zauberer, ist scheintot, und die Seelen der Gestorbenen wandern durch den Weltenraum von Körper zu Körper.
Baal allein lebt, sagen sie, denn Baal ist die Sonne, und die Sonne stirbt nicht.
Astarte aber liegt unter dem Schutt von Tyros, im Schlaf überrascht mit dem Sohn der Bacchis, dem mächtigen Priap.
Wie?
Wir hätten nichts verloren? Vieles gewonnen?
Wir haben Landstraßen, Kanäle, Eisenbahnen, Schiffe, Industrie und Künste?
Und besaßen die Babylonier nicht herrliche Segler, sandten die Phönikier ihre Schiffe nicht bis nach Afrika und zu den Kassiteriden?
Baute man nicht Tempel aus Gold?
Schnitzte man nicht Götter aus Elfenbein?
Gingen die Karawanen Borsippas nicht nach Indien?
Und schickte nicht Babylon seine kunstgestickten Teppiche nach Phönikien und Hellas?
Liefen nicht Straßen von der Hauptstadt Assyriens bis nach Baktrien und Medien, Persien und Indien, Armenien und Arabien?
Und wer hätte das Land zwischen dem Euphrat und Tigris in ein Paradies verwandelt, wenn nicht Nebukadnezar durch den großartigen Kanal der Könige?
Wie? Wir weben Leinwand und fertigen Glas?
Ist unser Webstoff je schöner gewesen als das Leinen Sidons?
Sind unsere Becher etwa glänzender als das grüne Glas Phönikiens?
Haben wir schimmernderen Purpur als ihn Tyros aus Kermers geschaffen?
Besitzen wir süßere Salben als die Athener?
Und war das Gewebe aus Byssos nicht das zarteste zu allen Zeiten?
Welche Schleier sind je durchsichtiger gewesen als die Gewande der babylonischen Königinnen?
Sind der Weihrauch und die Salben unseres Jahrhunderts mit der Myrrhe und der Narduswurzel zu vergleichen?
Duften unsere Veilchen schöner als die Krokus Assyriens?
Sind unsere Lilien weißer als die Rosen von Kypros?
Tragen unsere Frauen blitzendere Steine als der Demant von Paphos gewesen, schwerere Reifen als die Spiralen, die Ägyptens Töchter sich um die Schenkel wanden?
Wie? Wir fertigen Bücher mit schwarzen Lettern? Ist unsere schwarze, tote Schrift etwa schöner als die Inschriften auf den Gräbern der Achämeniden zu Persepolis und den Felsen von Behistun?
Sind die Hieroglyphen auf den Grabsteinen von Medun nicht Beweise einer erhabenen Kunst?
Und woher hätten die Griechen ihr Alphabet, wenn nicht von dem Davanagari, das die Phönikier erfanden, die Latiner annahmen und die Germanen und Kelten mit ihren Runen nachahmten?
Glücklicher Praxiteles, dem Aspasia zur Omphale sich schenkte, die Göttin der Hetären, um deren Liebe selbst Sokrates vergeblich werben mußte!
Wo ist die Zeit, als Phryne mit den Erträgnissen ihrer Schönheit Theben wieder aufbauen wollte?
Wo ist die Zeit der Künste, als Milet eine Akademie besaß, auf der man die Liebeskunst und die Wissenschaft der Wollust gelehrt?
Der brummige Aristoteles schmähte nicht umsonst die Kinder des Genusses! Ein Perikles weinte Tränen vor den Richtern um den Leib einer Buhlerin!
Apelles, Diogenes und Aristoppos liebten Laïs. Isokrates liebte Metanira, Hyperides und Praxiteles liebten die Kapernleserin, und die Nacktheit rettete Phryne vor dem Urteil der Heliäa.
Menander liebte Glycera, Lamia besaß einen Tempel zu Theben, und der glücklichen »Axt« ward Venus zugleich Libitina.
Ja, sie hatten die Liebe!
Es war ein goldenes Zeitalter!
Es war ein Fest, wenn Phryne sich nackt am Meere dem Volke zeigte, und unsere schönsten Statuen verdanken wir solchem Augenblick.
Alles, alles hatten sie schöner als wir.
Wohl hatten sie keine Eisenbahnen, keine Automobile, keine Elektrizität, keine Gouillotinen und keinen Tabak.
Aber sie hatten die Liebe.
Auf einem Throne der Wollust saß Astarte oder Belitis oder Aphrodite, wie ihr sie nennen wollt, und hielt ihren glänzenden Spiegel, verziert mit schwellenden Priapen, über die Menschheit, auf daß jede Sekunde ihres Lebens sich in tausend Spielarten in der weißen Mythe der Göttin spiegelte.
Zeus liebte Semele, Leda den Schwan, Venus den Adonis, Priapos die Nymphen.
Und die Helden von Troja waren Söhne der Götter.
Soll man Streitfragen aufrollen, ob Hörigkeit im Sexualleben normal, anormal ist? Sie ist anormal, wenn sie anormale Formen annimmt. Wenn sie der Ausdruck reiner Erotomanie ist.
Aber selbst hier: Wo sind die Grenzen?
Wo beginnt der Wahnsinn, wo hört die Liebe auf? Wo ist das Reich Eros zu Ende, wo nimmt die ewige Nacht ihren Anfang?