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Der Papierne spricht:
Ich bin Papier, du bist Papier.
Papier ist zwischen dir und mir,
Papier der Himmel über dir,
die Erde unter dir Papier.
Willst du zu mir und ich zu dir:
hoch ist die Mauer von Papier!
Doch endlich bist du dann bei mir,
drückst dein Papier an mein Papier:
so ruhen Herz an Herzen wir!
Denn auch die Liebe ist Papier –
und unser Haß ist auch Papier.
Und zweimal zwei ist nicht mehr vier:
ich schwöre dir, es ist Papier.
23. Februar 1908.
Sie treiben alberne Tändeleien
und lassen sie als Kunst ausschreien;
so wie Wahrheit im dicken Dunst,
steht vergessen im Nebel die Kunst,
steht verborgen, nein, liegt begraben.
Wär' sie sterblich, fräßen sie Hunde und Raben.
Mein lieber Freund, wo steuerst du hin?
Dort wirst du schwerlich Neuland entdecken.
Das Meer ist kein Waschbecken,
so wahr ich ein echter Seemann bin.
Sängerkrieg und Sauferei,
da bleib' ich friedlich ferne.
Singen hör' ich gerne,
aber nicht Geschrei,
und ich denke,
Parnassos sei keine Bauernschänke.
Durchsäge, daß du schwitzest,
in deinem wachen Traum
den Ast, auf dem du sitzest,
doch möglichst dicht am Baum.
Es kommt mir vor, zuallermeist
erweist sich feindlich Geist dem Geist.
Wir preisen die »Gemeinde«
und sind die besten Feinde.
Er findet an mir alles schief und schlecht,
dieweil an ihm keine Faser gerecht.
Mein lieber Pate, was soll ich dichten?
Wollt' mich gern nach deinen Geboten richten.
»Dichte hübsche Kalendergeschichten.«
O mein Pate, das mitnichten!
»
Mein Patenkind ist leidlich geraten!«
Doch wie gerieten meine Paten? –
Ich weiß nicht, was mein Pate hat,
er macht sonst einen bessern Salat.
Willst ins Herbar legen deinen Witz?
Gibt es einen getrockneten Blitz?
Wenn Straßendirnen Tugend predigen,
wer soll dann die andern Dinge erledigen?
Er reibt die Hesperidenfrucht
und Dreck in seinem Tiegel:
Duft wird Gestank, Wein Wassersucht.
Verfluchter Schweine-Igel!
Wir deckten ihm den Tisch,
Gastgeber ward er frisch.
Wir buken gut Gebäcke,
ihm zahlte man die Wecke.
Wir kelterten die Weine,
ihm trocknete man die Beine.
Der Bürger, der die Weine trank,
ihm sagt' er freundlich schönen Dank.
Von einem schwächlichen Teufel besessen,
an fremden Mahlzeiten überfressen,
immer kauend und wiederkauend
und doch in aller Welt nichts verdauend!
Sich wöchentlich, wütend, einmal erhebend
und Unverdautes von sich gebend!
Oh, wenn er nur nicht so krampfhaft wäre,
voller Künste, Dünste, Schwüle und Schwere!
Voller Flüche, die wir, wie lange, nicht fluchten!
Voller Ängste, die uns nicht mehr ängsten,
immer auf der Jagd nach dem Allerbängsten,
dem Blutrünstigen und Verruchten!
Oh, wenn er nur nicht! Denn stark im Kleinen,
ist er im Großen leider schwächlich:
im Einzelnen tief, im Ganzen nur oberflächlich.
Und will er auch noch so blutig scheinen,
so ist er doch leider blutlos ganz.
Und noch so reicher Firlefanz
ist immer noch kein Blutestanz.
Die Reblaus, die am Weinstock heckt,
hat nie einen Tropfen Wein geschmeckt.
Es liegt ihr gar nichts an Traube und Wein!
Würde sie sonst eine Reblaus sein?
»
Ich putze meine gelben Zähne!«
spricht die gescheiterte Hyäne.
Ein kleiner Schmutzfink von seinem Mist
in mein reinliches Zimmer geflogen ist.
Zwei Augenblicke ungestört:
schon ist ein Schmützlein mir beschert!
Ein kleiner, elender Lump
hat seine drei Groschen auf Pump.
Da kämpft ein Held gegen Leuen,
während die Flöhe im Hemd sich freuen.
Ruh aus! Insektenpulver! Und flott:
knick knack, knick knack in den Pißpott.
Die kleine Laus ist populär;
bleibt sie bescheiden, ich achte sie sehr.
Glaubt sie, sie wäre keine Laus –
alles ist aus!
Eine großgedachte Geste
macht ein Kerl mit schmutz'ger Weste.
Warum drängt sich der Kerl so vor?
Er ist inferior!
Warum tut sich der Kerl so breit?
Aus Ängstlichkeit!
Warum ziert sich der Kerl so sehr?
Er ist ordinär,
expliziert sich auch derb und gesund
wie ein Hund.
Der Mann, dessen Beruf ist zuzuschlagen,
sollte nicht bei jedem empfangenen Schlage Gott anklagen.
Das baculum iudicii
beherrscht die deutsche Phantasie.
Schulter an Schulter mit was, mit wem?
Ich suche mir selbst meine Kameraden,
lasse mir keinen aufladen,
wäre mir allzu unbequem.
Zieh selbst den Wagen aus der Klemm',
und dann ruf an den Herculem!
Da sitzen sie mit versteckten Messern
um den armen Kranken.
Sie gleichen Erpressern
mit Mördergedanken.
Sie lächeln und heucheln:
du wirst nicht sterben!
indes sie ihn meucheln
und beerben.
Und wenn es mit mir zu Ende geht,
meint ihr, daß ihr am Anfang steht?
O ihr freundlichen Mörder und Strolche:
heut seid ihr diese! – dann bleibt ihr solche.
Wie brav ist doch mein Kamerad!
Er tritt mit mir denselben Pfad.
Mit einemmal, o Schauer!
fletscht er Werwolfshauer:
doch grade, wenn du es ertappt,
schon hat das Luder zugeschnappt.
In ihren papierenen Schüsseln
wühlen sie herum mit gierigen Rüsseln,
und ihre Köche brauchen nichts kochen
als Wassersuppen aus alten Knochen.
O diese Köche ohne Zungen,
mit großen Gallen und großen Lungen!
1896.
Jeder brät seine kleine Boulette
sozusagen an heiliger Stätte.
Vom Altar weht, nach Tempelbrauch,
ein bißchen kalter Tabaksrauch.
Dann wird das kleine Mahl verschluckt
und nachher dreimal ausgespuckt:
das erste Mal vor Apollos Strahl,
vor Lunas Strahl das zweite Mal.
Das dritte Mal? – O frag mich nicht!
Was hab' ich mitten im Gesicht?
Ich brau' mein Süppchen so und so,
ein bißchen Maggi, Margarine,
ein Endchen Wurst in die Terrine.
Zum Kochen dient ein Büschel Stroh.
Das ist der alte gute Brauch,
er sei der Jugend warm empfohlen.
Ein jeder kann's, sie kann es auch.
Wer kotzt, den mag der Teufel holen!
Schwarzgallig sein heißt Melancholei:
an dieser leiden wir alle.
Wir verstummen an einem Schrei
und stehen aufrecht im Falle.
Wenn es wenigstens Weihrauch wäre,
was sie schlucken – uff!
Aber sie füllen ihre Leere
mit kaltem Muff.
Auch dem Menschen meist natürlich:
er tut das Üble unwillkürlich.
So vieles Gute und Reine
beschämt nicht das Gemeine.
Pansatanismus, armer Hund,
du nimmst nur ein bißchen voll den Mund.
Sonst bist du höchstens ein übler Neidhammel
mit etwas Gerissenheit.
Die beste religiöse Belehrung
bringt doch nur selten wahre Bekehrung.
Ein Scheiterhaufen, ein scharfes Schwert,
stets haben sie sicher und schnell bekehrt.
Wo die Herzen unbezwinglich,
ihre Panzer undurchdringlich,
gnadenlos des Hasses Waffen,
dort sind Pfaffen.
Gesetzlos selbst, gibst du Gesetze.
Ganz nur Lehrling, willst du lehren.
Alles, was ich bin und schätze,
suchst du, Besen, auszukehren.
O du niegewesner Meister,
im erschlichenen Talare,
schwingst den Pinsel und den Kleister
und verhökerst Dünkel wäre.
Arme Schüler, treubeflissen,
wählt euch diesen nicht zum Muster!
Was er treibt, ist stur und duster,
seine Weste ist be...
... sonders an den Ecken etwas ausgefranst.
Warum nimmst du auf Schritt und Tritt
einen Hund und eine Katze mit?
und zwar in deinen zwei Busentaschen,
wo sie sich immerwährend beißen,
dir den Rock und das Herz zerreißen,
während sich Fink und Drossel haschen,
die Erde sprießt und die Sonne lacht'. –
Hast du darüber schon nachgedacht?
Dein Geißler ist die Eitelkeit,
seine Peitsche der blasse Neid.
So übst du tagtäglich Selbsttortur:
der Satan hat dich in seiner Kur.
Horch, ein neuer Prophet will Sprechen.
Schon hat er den Mund weit aufgemacht,
als tränke er göttlichen Geist! Wer lacht?
Da kommt ihm ein Schluck in die falsche Kehle:
er sprudelt ... Behüte Gott seine Seele! –
Propheten sollen nicht radebrechen!
Der Ochs, der den Löwen des Domitian
im Colosseo abgetan,
war hernach in seiner Box
noch immer kein Löwe, noch immer ein Ochs!
Sorgfältig hast du balanciert
und so dich leidlich aufgeführt.
Doch ewig hält dein Gleichgewicht
dich schiefgewachsnen Burschen nicht
zwischen Bergbach und Jauchengrube!
So dacht' ich, als ich ihn verließ.
Wohin er sich aber fallen ließ,
wir merkten's, als er betrat die Stube.
Ein alter hellenischer Tintenfisch
spie seine eigenen Gräten
mir auf den Tisch.
Wenn alle Fische das täten!?
Du bist ein Arzt, der Kranke schafft,
verrätst so deine Wissenschaft:
deine Seele geht mit deinem Beruf
wie ein Gaul mit seinem Huf.
Freu dich deiner fünfzig Jahr;
was du bist und besitzest, bleibt dir wahr.
Laß sie bellen und beißen,
du kannst darauf – niesen.
1912.
Das ist ein zäh Kapitel:
der Zweck verdirbt die Mittel.
Brüderlichkeit : halt's Maul, du Luder,
du weißt, ich bin der ältre Bruder!
Ich bin Derundder, und nicht Derundder.
Ist Derundder mehr, das freut mich sehr!
Wer sich in die Kirche verkroch,
ist zu Haus wie der Teufel im Ofenloch.
Warum sich über das betrüben,
was alle unermüdlich üben?
Auf sich recken
wie die Stecken,
und, steckengeblieben,
im Drecke verrecken.
Gespenster wollen dich narren,
laß sie nicht ein:
mögen miauen und scharren,
sprich dein Nein!
Sehen sie dich aufs Lager gestreckt
und dringen ins Haus:
vom ersten Gemecker aufgeweckt,
wirf sie hinaus!