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Es stieg ein Morgen herauf zu mir

Es stieg ein Morgen herauf zu mir
in der großen Stadt Paris,
ein Morgen, trüb wie der trübe Gram,
und der neblichte Ostwind blies:

der brachte ein Blatt, ein kleines Blatt
von einem jungen Reis,
hereingeschaukelt auf meinen Tisch
aus des Ostens Winter und Eis.

Wo kommst du her, du grünes Blatt,
so zart und unversehrt?
Von welchem Bäumchen nahm dich der Wind?
Wer hat dich mir beschert?

»Kennst du denn nicht den jungen Baum,
der mich gesendet hierher?
Stolz trägt er die Krone, sein Stämmchen ist
so grad wie des Jägers Speer.«

Ich kannte das Bäumchen, ich kannt' es wohl,
seiner Blätter und Blüten Duft.
Es stieg aus dem einen verwehten Blatt
der Frühling und füllte die Luft.

Ein Licht wie Gold, ein Hauch wie Gras
und grüner Maienschein
brach in mein ödes, fremdes Gemach
mit Klingen und Läuten herein.

Da flog ein Rabe herein zu mir,
schwarzflüglig, ins goldene Licht,
der brachte ein Blatt, ein rotes Blatt,
wie der sterbende Herbst sie bricht.

Wo bringst du her das rote Blatt,
du schwarzer Bote du?
Mir schlug das Herz so bang und weh,
und der Rabe krächzte mir zu:

»Kennst du denn nicht den edlen Baum,
der dir gegrünet hat?
der alle seine Früchte dir gab?
Es ist ein letztes Blatt!«

Ein leiser Schrei wie ein Todesruf
durchdrang die Frühlingsglut:
da weinte das Blatt, das rote Blatt,
einen roten Tropfen Blut.

Der Tropfen hing, und der Rabe flog
hin über das grüne Reis.
Der Tropfen fiel, und das grüne Blatt,
es ward wie Schnee so weiß.

1894.


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