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Zueignung

Was suchst du noch, mein Freund, auf dieser Erde,
auf der du nun so lange schon geweilt
von Stund an, als ein unsichtbares »Werde!«
dir eines Lebens Schicksal zugeteilt?
Was suchst du noch inmitten jener Herde,
die nur ein Ziel mit Sicherheit ereilt:
es ist der Tod! Die Arbeit aller Hände
dient seiner Majestät am letzten Ende.

Was ist nicht alles in den Staub gesunken,
was neben dir auf gleicher Straße schritt!
durstlos verstummt, was Sonnenlicht getrunken
und, wie du selber, sprach, genoß und litt!
Oh, wie erschrakst du, als des Lebens Funken
– unsterblich schien er! – dem und dem entglitt,
der einer Seele Reichtum um sich streute
und sich mit dir am ewigen Dasein freute!

Der Stunden schlugen viele, die der Seiger
des Schicksals schaurig lärmte, pflichtgetreu.
Und immer blickte einer auf den Zeiger,
erschreckt im Mark, das Auge voller Scheu:
er wollte reden, und er ward zum Schweiger,
dem großen Schweiger gleich, der immer neu
wirbt für das ewige Kloster der Trappisten,
die in den allerengsten Zellen nisten.

Wer bin ich, so Gewaltiges zu sagen,
das, recht erschlossen, Menschheit nicht erträgt?
Anmaßung würde sein, auch nur zu klagen
hier, wo das ewige Wunder uns umregt.
Was sind hier Worte, und was sind hier Fragen,
wo Undurchdringliches sich auf uns legt,
wie Last und doch nicht Last, das klein und große
Geheimnis, wie es ruht im Mutterschoße!

Genug davon: es tritt in die Kapelle
ein freundlich holder Gott. Ein Schmetterling
lieh ihm der bunten Flügel Strahlenhelle,
der ewige Gärtner ihm den Rosenring,
das schwere Gold für seines Haares Welle
der Erdgeist, der's ihm um die Schläfe hing.
Und dieser edel-schöne, heitre Knabe
hielt mit zwei Fingern eine Honigwabe.

»Ich kenne dich!« so klang es durch den Duft
des Marmortempels, den der Gott beglückte:
»Ich rief dich auf in diese selige Luft,
mit der ich dich ein Leben lang verzückte –
nicht immer freilich, doch aus deiner Gruft
dich oftmals lockend, drin dein Geist sich bückte,
verurteilt, Nachtgewölbe zu durchkriechen,
die widerhallen von Dämonenflüchen.«

Wie süß, wie liebreich strömt die Wahrheit mir,
so furchtbar sie auch sei, von deiner Lippe,
vergoldend und verholdend alles mir,
den Totentanz der gräßlichsten Gerippe!
O dieser Nächte häßliches Getier:
geschwänzt und zähnefletschend ist die Sippe,
in allem töricht, schmutzig und unflätig,
grimassenselig und aus Bosheit tätig.

Hinab, hinab, ihr scheußlichen Gebilde,
vor diesem einzigen, was des Lebens lohnt,
zum Dienst der Schönheit aufruft und der Milde
und überall in reinen Lüften thront!
Unzählige Früchte duftender Gefilde,
das Ein und Alles, das des Lebens lohnt,
es ist dem hohen Knaben anvertrauet,
der Edles weckt, wohin er immer schauet.

Ihr Hingegangnen, seinem Dienst verschworen
wie ich! Geliebte! kommt in treuem Zug,
vom Geist der heitren Liebe neu geboren:
willkommen mir als Wahrheit, nicht als Trug!
Ihr seid am stillen Feste nicht verloren
und schlürft den Wein mit mir aus gleichem Krug!
Ich drücke euch die Hand in lieber Reihe,
mit euch verbunden in der gleichen Weihe.

Lugano, 13. November 1934.


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