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Die besten Zeiten unseres Jahrhunderts, so hörte ich in meiner Knabenzeit oft die Bauern erzählen, waren die zwanziger Jahre. Da gedieh alles, was der Landmann pflanzte und säte, und Handel und Wandel und der Friede blühten; denn der große Kriegsdämon Napoleon war tot.
Ehe die Nachricht in die Berge des Schwarzwalds drang, der große Kaiser sei gestorben, glaubten die Bauern immer, er käme noch einmal und brächte die Welt in Revolution.
Aus der Volksseele schwinden große Männer, große Helden, blutige Tyrannen und königliche Henkersknechte ebensowenig wie große Spitzbuben und berühmte Räuber.
Wissen wir doch, daß schon das römische Volk glaubte und selbst wünschte, der Kaiser Nero, der schrecklichste Unmensch, den die Welt je gesehen, käme wieder. –
In den zwanziger Jahren also freuten sich die Menschen, welche in den ersten zwei Jahrzehnten des Jahrhunderts nur Krieg und Kriegsnot mitgemacht hatten, wieder ihres Lebens und ihrer Arbeit.
Die Bauern im oberen Kinzigtal gingen wieder ans Floßmachen, Der Krieg hatte den Holzhandel darniedergelegt und die Schifferschaften verhindert, mit ihren Riesenflößen den Rhein hinunter zu fahren. Drum waren die Tannen älter geworden als sonst, und die Waldburen »riesten« fast lauter »Holländer« von den Bergen herab. Und schwer mit Kronentalern gefüllt brachten sie ihre ledernen Geldgurten heim aus den Waldstädtchen im Tal drunten, aus Alpirsbach oder aus Wolfach, wo die Schifferherren residierten.
Der Vogt auf dem Franzenhof säumte auch nicht, in seinen Wäldern, die rechts und links die Berge bedeckten, Holz zu schlagen, und lustig klangen im Winter und bis ins Frühjahr hinein die Axthiebe der Knechte und Holzhauer des Waldfürsten ins Kaltbrunner Tal herab.
Auf dem Kaltbrunnerbach zog im Sommer und Herbst jeden Monat wenigstens ein Floß des Vogts der Kinzig zu. Und bei den Zechen, die er nach getaner Arbeit seinen Flößern in Schenkenzell im Ochsen oder in der Sonne gab, geizte der Floßherr nicht mit Essen und Trinken.
Er übernahm jeweils das Präsidium bei seinen Flözerzechen und vergaß dabei nie der Armen, die hungrig und durstig des Wegs daherkamen.
Die guten zwanziger Jahre und die alten Holländerstämme machten den Vogt von Kaltbrunn so geldreich, daß er seiner Gertrud auch eine Schiede voll Kronentaler unter die Himmelbettlade hätte stellen können. Er verwendete dieselben aber besser und praktischer, indem er seine Herrschaft vergrößerte.
In seiner unmittelbaren Nachbarschaft talabwärts wurden zwei große Bauernhöfe feil. Sie waren zusammen fast so groß als sein bisheriges Fürstentum. Es waren dies der Bühlhof und der Mühlehof.
Der Bühlbur, dem beide Höfe gehörten, war ein vernünftiger Mann. Er hatte zahlreiche Kinder und so wertvolle Höfe, daß, wenn er dieselben verkaufte, jedem Kinde so viel traf, um damit ein kleines Gut zu kaufen oder auf einen kleinen Hof heiraten zu können.
Hätte, wie üblich, ein oder das andere Kind die Höfe erhalten als »Kindskauf«, so wären die anderen Kinder viel zu kurz gekommen und der junge Bur hätte trotzdem eine »starke Uebernahme« gehabt.
Fürst Andreas I. aber dachte, wie alle großen Fürsten, auf Vergrößerung seines Reiches und ließ die zwei Höfe nicht in andere Hände kommen. Er kaufte sie. Aber seine vielen Kronentaler langten nicht ganz; er brauchte noch vierzigtausend Gulden. Doch lieh er diese nicht etwa von einem der reichen Schifferherren im benachbarten Alpirsbach, der ihn darum angesehen hätte; er holte sie in jener Stadt, die von jeher am meisten Geld hatte am Oberrhein, in Basel, und zahlte den Bühlbur aus.
Jetzt hatte Andreas I. vier Riesenhöfe vereinigt und war trotz der Schuld in Basel nach heutigen Begriffen ein Millionär; sicher neben Simon, dem anderen Erzbauer, den wir später kennen lernen, der erste und letzte Millionär seines Standes, so lange die Kinzig ihre Wasser dem Rhein schon zugeführt hat und noch zuführen wird.
Daß die heutigen und die zukünftigen Bauern keine Millionäre werden, dafür sorgen die liebe Kultur, die ihre geldfressenden Segnungen bald in jede Bauernhütte trägt, und die Industrie, welche ihre Fabrikschlote in jedem Dorf aufstellt und den Bur schädigt, indem sie ihm seine »Völker«, d. i. die Dienstboten wegnimmt und diese selbst physisch, sozial und moralisch zugrunde richtet. –
Mit dem Fürstentum im Kaltbrunn wuchs, wie immer und überall im Leben, wenn die Menschen aufwärts steigen und ihren Besitz oder ihre Titel und Aemter vermehren, das Ansehen des Vogts nach innen und nach außen, d. i. bei den Buren, wie bei den Herren.
Er aber blieb der gleiche, gefällige, allen zu Diensten stehende Mann. Nach wie vor rollte sein Wagen landab nach Rastatt, um Rat zu holen für bedrängte Leute im oberen Kinzigtal.
Ja es war ihm nicht zu viel, wenn nötig, bis nach Karlsruhe zu fahren, um die Anliegen anderer vorzutragen. Ueberall fand der stattliche Vogt in seiner schmucken Bauerntracht offene Türen und gute Audienz.
Fürstliche und vornehme Züge werden heute noch von ihm erzählt aus dieser Zeit seines angehenden Großfürstentums.
Fuhr er da einmal im Dienste der Gefälligkeit in der Nähe von Rastatt gegen die Vorschrift mit seinen feurigen Rossen zu schnell über eine Dorfbrücke und wurde deshalb vom Polizeidiener angehalten und vor den Ortsvogt, seinen Kollegen, geführt. Dieser legte ihm, ohne, wie es Vorschrift war, ein Protokoll aufzunehmen, als Strafe auf, dem Sicherheitswächter einen halben Gulden zu bezahlen.
Da langt der Fürst von Kaltbrunn in seine Tasche, legt einen Gulden auf den Gerichtstisch für den Polizeidiener, einen zweiten fürs Schreiben des nicht geschriebenen Protokolls und entfernt sich, ehe der Dorfschulze von seinem Staunen sich erholt hat.
Noch fürstlich vornehmer zeigte sich Andreas I. ein andermal. Wenn die Bauernschaft seiner Vogtei flößen wollte, so mußte sie die Stauweiher in den obersten Gründen des Tales füllen, und die aus ihnen losgelassenen Wasser trieben dann die Holzmassen durch den wasserarmen Kaltbrunnerbach der Kinzig zu.
»Auf der Lai« waren die Hauptstauweiher und der wichtigste »Spannplatz« zur Herstellung der Flöße. Der Weg dahin war aber in den zwanziger Jahren ein elender. Bergauf und bergab mußten die Bauern mit ihren Ochsenkarren fahren, wenn sie die Floßwieden zum Einbinden der Tannenbäume auf den Spannplatz bringen wollten. Noch schlimmer war's beim Anfahren des Holzes selbst.
Da rief der Vogt eines Tages seine Buren zusammen ins waldige Tälchen oberhalb seines Residenzhofes und zeigte ihnen, wie man am Laienbächle hin einen bequemen Weg machen könnte. Sie sollten, so meinte er, zusammenstehen und, der Vogt voran, denselben mit ihren Knechten ausführen. Alle waren damit einverstanden, nur der Bernhardsbur nicht. Der räsonierte noch, daß der Vogt immer was Neues wolle und den Buren Lasten auflege.
Der Weg wurde doch gemacht, ohne Hilfe des Bernhardsburen. Der erste aber, der ihn befuhr, war dieser selbst. Der Vogt sieht das von seiner Residenz aus, nimmt sein Gewehr, geht dem Bur nach, stellt sich im Wald auf, als ob er auf der Jagd wäre und wartet, bis der Bernhardsbur den gleichen Weg wieder zurückfährt.
»Ist ein bequemer Weg das, nit wahr, Bernhardsbur?« ruft's aus den Tannen. Der Angerufene schaut auf und sieht den Vogt. Er erschrickt, schämt sich und schweigt, und der Vogt – schweigt auch. Die Verlegenheit des Bernhardsburen gesehen zu haben, war dem Fürsten Andreas Rache genug. Er verschwindet im Wald, und der Beschämte fährt still heim. –
Aber nicht bloß in seiner Vogtei schuf er neues, auch auf seinem Riesenhof machte er allerlei Veränderungen und Ueberraschungen. Er baute eine Ziegelei, eine neue, große Mühle und als Rarität sein berühmtes »Hennen- und Geißenhaus«. Dieses, ein geräumiger, zweistöckiger Bau, beherbergte im unteren Stock 36 Rasse-Ziegen, welche die Milch lieferten zu einer Käserei. Denn Käse aus lauter Ziegenmilch, meinte der Vogt, sei eine Delikatesse, die im Kinzigtal noch niemand kenne.
Im zweiten Stockwerk logierten Hühner aller Art, auch Fasanen und Pfauen, so daß an Sonntagen die Jugend vom ganzen Tal heraufzog zum Franzenhof, um die »neumodischen Vögel« zu betrachten zur Freude des glücklichen Besitzers.
In seinen Ställen standen die schönsten Pferde und schwerwandelndes Rindvieh – Ochsen, Kühe und Kälber – in großer Menge. Mit zwölf Paar Ochsen am Wagen ließ der Vogtsbur oft seine Holländertannen zur Spannstatt führen, und als ihn einst ein Bauer fragte, ob er alle seine Ochsen am Wagen habe, fuhr er das nächstemal mit vierzehn Paaren; ein fürstlicher Ochsen-Zug, wie noch keiner durchs Tal von Kaltbrunn gewandelt war.
Seinem vielen »Geflügel« und seinem großen Viehstand entsprechend hatte Andreas I. auch viele Völker. Aber da der Herr oft fort war und die Gertrud trotz ihrer Energie nicht überall sein konnte, so waren Knechte und Mägde häufig sich selbst überlassen, und es ging viel zugrunde, vorab in den Viehställen. Doch einem reichen Mann tut's nit gleich was.
Trotzdem die Völker nicht die loyalsten Untertanen waren, verkehrte der Bauernfürst mit seinen Knechten und Holzmachern wie mit seinesgleichen. Ganz besonders machte er gerne an Winterabenden ein Spiel mit ihnen.
Wenn sie aus dem Walde heimkamen, wo sie den ganzen Tag über im Schnee Tannen gefällt hatten, legten sie ihre Brotsäcke ab und die Spielkarten ins Ofenröhrle, damit sie recht trocken wurden und so besser »liefen«.
Dann setzten sie sich zum Nachtessen und luden nachher ihren Meister, wenn er daheim war, ein, mit ihnen zu spielen. Der Fürst stimmte meist zu, erhob sich und holte eine Rolle Geld aus der Stubenkammer. Jetzt wurde »gezwickt«, und die Waldleute hörten nicht auf, bis sie ihrem Herrn die ganze Geldrolle abgewonnen hatten.
Es ging manchmal schon gegen Morgen, wenn sie aufhörten, und die Knechte füllten vom Spieltisch weg ihre Brotsäcke und zogen ungeschlafen dem Walde zu.
Sie waren gleichwohl kreuzfidel, weil die Rolle Geld in ihren Taschen war, und der Fürst gönnte sie ihnen; denn die Leute verarbeiteten ihm seine Tannen zu Flößen, und aus den Flößen nahm er schweres Geld ein, so schwer, daß er in den folgenden Jahrzehnten erst recht als Fürst auftrat.
Er schuf sich anfangs der vierziger Jahre unter dem Namen »Bürger-Militär« eine eigene Leibgarde. Auf seinen Fahrten ins Land hinab hatte er in den Städten und Städtchen die Bürger Soldätles spielen sehen und einen solchen Gefallen daran gefunden, daß er beschloß, im Kaltbrunn auch ein solches Spielzeug zu gründen.
Vorher existierte hier schon eine Miliz in Volkstracht. Ihr Kommandant war der alte Mühlebartle, ein Bur. Aber das genügte Andreas I. nicht; er wollte die Sache militärischer und fürstlicher haben.
Jenes Knechtlein Andres, das der Franzegidi bei der Hausweihe so malträtiert hatte, war später Soldat und ein schöner Soldat geworden. Er hatte, wie damals üblich, die Uniform mit heimbekommen und trug sie bisweilen an Sonntagen beim Kirchgang. So sah ihn der Fürst an einem Sonntag als Grenadier paradieren und engagierte ihn als den ersten seiner zukünftigen Leibgarde. Der Andres sollte die anderen, welche der Bauernfürst in kurzem in einer Zahl von achtzig Mann geworben hatte, einexerzieren, wobei er nur die wenigen reichen Buren, die mitmachen wollten, ihre Equipierung anschaffen ließ, die übrigen aber auf eigene Kosten mit Uniform und Waffen ausstattete!
Und was für eine Uniform! Die Gemeinen und Unteroffiziere trugen weiße Hosen, weiße Gamaschen, roten Frack mit Schwalbenschwänzen und blauen Aufschlägen und schwarzen Tschako mit weißen Fangschnüren.
Die Offiziere, zwei Leutnants und ein Hauptmann, hatten die gleiche, nur feinere Uniform mit Epauletten. Der Fürst aber trug mit dem Charakter eines Majors einen Schiffhut mit weißen Federn und war selbstverständlich beritten.
In edelmütiger Art ernannte er den armen Andres, der sonst in Knechtsgestalt einherging, zum Hauptmann. Diese Ernennung machte im Kaltbrunn solchen Eindruck, daß der Andres von Stund an bis zu seinem Tod, fünfundsechzig Jahre lang, ausschließlich genannt ward »der Hauptmann«. Ja selbst seine Söhne bekamen teil an diesem Ehrentitel und heißen heute noch »des Hauptmanns Frieder« und »des Hauptmanns Hans«.
Ehe er Hauptmann ward, der Andres, hieß er von seiner Geburtshütte im »Grausenloch«, nordwestlich von Wittichen, der Grausenlocher-Andres.
Als Hauptmann der Leibgarde Andreas I. gelang es ihm, ein Häuschen zu erwerben im »Zundelgraben« in der Nähe seiner Geburtsstätte. Er wurde dann, mitten im Walde wohnend, ein fleißiger und sparsamer Waldarbeiter, den seine Mitbürger, die Kaltbrunner, eingedenk seiner einstigen Hauptmannschaft, später zum Waisenrichter und Gemeinderat machten.
Und im Zundelgraben lebte er noch lange, der brave Mann, bei seinen Söhnen als Leibgedinger und erzählte an Winterabenden von Andreas I. und von der schönen Hauptmannszeit.
Oberleutnant in des Vogtsburen Garde war der Rußtoni, ein Burensohn, und Leutnant abermals ein Knecht des Dürrhofertoni; Feldwebel der Gebertsepple, ein Taglöhner »auf der Güte Gottes«.
Was ist das beste und schönste Militär ohne Musik! Ja, mir ist das liebste am ganzen Militarismus, diesem Moloch, der den Schweiß und das Blut der Völker verzehrt, die Militärmusik. Der zulieb laufe ich in Freiburg an Sonntagen oft »auf die Parade«, um ihr zu lauschen, so wenig auch ein alter Pfarrer unter die Parade-Menschen, die dabei auf- und abwimmeln, paßt. –
Soldaten ohne Musik, so dachte der Vogtsbur, sind Kuchen ohne Zucker, Suppen ohne Salz, und darum rief er auch eine Musik ins Leben. Selbstverständlich schaffte er, da Musikanten in der Regel arme Teufel sind, die Instrumente und die Uniformen ebenfalls aus seiner fürstlichen Handkasse an.
Kapellmeister ward der Lehrer Hirt von Schapbach, später im Kaltbrunn; den Schellenbaum schüttelte das kleine Schuhmächerle, welches, wie ich in den »Waldleuten« erzählt, oft mit dem Fürsten vom Teufelstein in Weiberkleidern ins Bierhaus ging und später im »Eselswehr« ertrank
Des Rußbure Dunise, ein Korbmacher, blies den Bombardon, der Schmidsepple schlug die große Trommel, und des Mühlemathisen Remigi bediente die Trompete.
Dann kamen die Klarinettisten, die Flötenbläser, die Trommler – alle Bauernsöhne, Knechte, Holzmacher und Taglöhner.
Fünfundzwanzig Mann stark war das Musikkorps, und es musizierte so, daß es in Berg und Tal widerhallte, wenn der Vogt ausrückte.
Ein Bataillonskommandant, der nicht reiten kann und kein dressiertes Reitpferd hat, macht sich lächerlich vor seinen Soldaten wie in den Augen der Zuschauer.
Das wußte Andreas I.; drum hielt er sich, so lange seine Garde existierte, d. i. bis zur Revolution von 1849, stets militärisch zugerittene Pferde, die er in Karlsruhe von Dragoneroffizieren kaufte.
Edelsinnig und freigebig, wie er war, wußte unser Bauernfürst aber auch, daß das Wort Soldat von Sold herkommt, und daß Soldaten ohne Sold noch weniger sind als ohne Musik. Drum bezahlte er seinen Leuten, die meist Waldarbeiter, Holzmacher und Taglöhner waren, so oft sie Dienst hatten, d. h. exerzieren mußten, eine Löhnung aus.
Machte er aber, und hierin war er zweifellos der nobelste Kriegsherr und Kommandant seit Cyrus, dem Perser, der seine Soldaten bekanntlich köstlich gastieren ließ – machte der Bauernmajor einen Ausflug, um in den Städtchen Schilte, Wolfe, Hasle oder drüben im Schapbachertal seine Garde zu zeigen und die bürgerlichen Friedenssoldaten von nah und fern zu besuchen – so aßen und tranken seine Unteroffiziere und Gemeinen samt den Musikanten auf seine Kosten.
Wie sehr er sich in seiner Rolle als Major gefiel, zeigt das Bild, welches er von einem Stuttgarter Hofmaler machen ließ. In Uniform auf einem Fuchsen sitzend, seine Residenz, den Franzenhof, und einige seiner Soldaten im Hintergrund, gleicht er zweifellos einem englischen General auf einer kriegerischen Expedition im Schwarzwald.
Jedem seiner Offiziere und Unteroffiziere schenkte er eine Kopie dieses Bildes zum Andenken. Es findet sich dasselbe heute noch in ein und dem andern Bauernhaus im Kaltbrunn; aber der Leute, welche dasselbe zu erklären wissen und jene Tage gesehen haben, sind nur wenige mehr in dem waldigen Tale, über das einst Andreas I. sein glänzendes Zepter geführt und in welchem er als Kommandant seinen Säbel geschwungen hat.
Daß die eigene, glänzende Leibgarde das Ansehen und den Respekt vor Andreas I. im Volke vermehrte und seine Krieger überall sein Lob sangen, wohin ihre Uebungsmärsche sie führten, ist erklärlich.
Wie viel aber der herablassende Bauernfürst ob seiner Freigebigkeit sich gefallen lassen mußte, das zeigen die Worte eines alten Weibleins aus den Tagen, da er seine Krieger so hochherzig behandelte.
Saß da Andreas I. einmal eines Tages in der Sonne zu Schenkenzell und speiste mit dem Obervogt von Wolfe und andern Beamten, die sich gerne von der Sonne des Bauernfürsten wärmen ließen.
Da kam eine arme Person des Dorfes in das Wirtshaus, um irgend einen Dienst zu verrichten. Ihre Jugend fiel in die Zeit, da die französischen Revolutionssoldaten im Tal lagen. Sie mochte wohl ein oder den andern der welschen Krieger gekannt haben und hieß drum das Franzosen-Wätschele.
Sie war sehr klein von Natur und ließ sich deshalb ein eigenes Stühlchen mit ihrem Namen in die Kirche von Schenkenzell machen, das heute noch in derselben steht, obwohl die Marianne schon 1838 gestorben ist.
Sie wallfahrtete viel für andere Leute zu Fuß nach Einsiedeln und hatte bei ihrem Tod den weiten Weg dahin neunundneunzigmal gemacht.
Oft schon hatte der Fürst dem armen Wibervolk eine Unterstützung zuteil werden lassen, und da er sie an jenem Tage wieder sah, sprach er zum Sonnenwirt, er solle dem Wätschele einen Schoppen Wein mit heimgeben, es könne ihn dann trinken, wie es wolle.
Das Wätschele bekommt seinen Wein, tritt vor zum »Herrentisch«, sagt dem Geber »vielmal Vergeltsgott« und fährt, zum Obervogt sich wendend, fort: »Der Kaltbrunner Vogt isch immer a guat Schoof g'sei!«
Allgemeine Heiterkeit folgte diesen kindlichen Worten, die Andreas I., edelmütig, wie er war, keineswegs übel nahm. Sie illustrieren aber das bekannte Sprichwort, daß allzugroße Herzensgüte oft als Dummheit angesehen wird. –
Vogt Andreas, Besitzer von vier großen Waldhöfen, besaß kaum seine Leibgarde, als ihm noch etwas zuteil wurde, was seiner Herrlichkeit erst das rechte Gepräge gab. Er wurde von echten Fürsten anerkannt und in ihre Gesellschaft und an ihre Höfe gezogen.
Damit beginnt die Glanzperiode des Vogts von Kaltbrunn.