Friedrich Hackländer
Ein Winter in Spanien
Friedrich Hackländer

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Alonzo hatte bei dem wunderschönen Abend seine frühere Munterkeit wieder erlangt, rauchte Papiercigarren, plauderte und sang in Einem fort. Nachdem wir aber eine halbe Stunde hinter Baena waren, wurde er mit einem Male auffallend still und zeigte auf drei Reiter, die vor uns herzogen. »Den Kerlen traue ich nicht recht,« meinte er. »Wir müssen ihnen auf jeden Fall beweisen, daß wir gute Waffen führen und mit denselben umzugehen wissen.« – »Und wie das, Hombre valiente?« – »Wenn wir sie erreicht,« erwiderte er, »so muß Jeder sein Gewehr vom Sattelhaken nehmen und es langsam laden, das sollen sie nur sehen.« – »Aber die Gewehre sind ja geladen,« erwiderten wir. – »Thut nichts,« sagte er, »dann läßt man den Ladstock hineinfallen, daß es tüchtig klappert, und sieht, ob der Hahn recht gut spielt.« – Lachend thaten wir nach seinem Wunsche, nachdem wir die Vorreitenden erreicht. Das waren allerdings wild aussehende Bursche, ihre Pferde, das Sattelzeug mit der langen Flinte schienen sich in gutem Zustande zu befinden, die Kleidung der Reiter aber war ein Bischen abgerissen, die langen braunen Capa's verblichen und fadenscheinig, und unter den keck aufgestülpten Hüten schauten uns trotzige, sonnverbrannte Gesichter an. Wir wünschten ihnen guten Abend, was sie erwiderten. Dann zogen wir bei ihnen vorüber und da sie viel langsamer ritten, ließen wir sie bald weit hinter uns; dann erst athmete Alonzo sichtlich wieder auf und sein unerschöpfliches Mundwerk kam wieder frisch in Schwung. »Das waren schlimme Gesellen,« meinte er, scheu rückwärts blickend, »aber sie haben mich erkannt und wußten wohl, daß ich sie ebenfalls kenne.« – »Und haben sie sich vielleicht vor Euch, dem Hombre tigre, gefürchtet?« fragte ich lachend, worauf er den Hut fast ganz ins rechte Auge hinein drückte, eine martialische Haltung annahm, sich auf die Brust klopfte und ausrief: »Per Dios! Soy hombre valiente, soy hombre tigre, hombre di corazon!« und das wiederholte er unzählige Male, bald sprechend, bald singend, und hörte nicht eher auf, seinen eigenen Ruhm zu verkünden, bis es ihm einfiel, nach der Bota zu langen, sie hoch in die Höhe zu halten, worauf er dann einen Strahl des rothen Weins lange in den geöffneten Mund herabfließen ließ.

Unser Weg führte doch nicht anhaltend abwärts, obgleich es von der Höhe hinter uns so aussah. Nach einer Stunde erreichten wir ein kleines Thal, das von einem angenehmen Wasser durchflossen war, welches an beiden Seiten die frischesten Wiesen hervorgebracht hatte. Ein ziemlich breiter, weicher Weg schlängelt sich hindurch, und die Blumen, die aus dem tiefen Grün hervorsproßten, drängten sich fast unter die Hufe meines Pferdes; während bei uns daheim noch Schnee und Eis die Fluren bedeckte, war hier in diesen glücklichen Ländern schon Frühlingsanfang und eine warme, würzige Luft floß mir entgegen. Das frische, grüne Thal war ausgefüllt mit lachenden Sonnenstrahlen, die schräg vom Horizont herüberschossen, die umliegenden Höhen vergoldeten, dem Gras einen eigenthümlichen Schimmer gaben und so unaussprechlich schön auf den Wellen des dahinrieselnden Baches glänzten. Ich fühlte mich so angenehm und heiter erregt, auch mein Pferd schien seine Müdigkeit vergessen zu haben und sich der kühlen Abendluft und des weichen Weges zu freuen. Es war überhaupt ein gutes und kräftiges Thier; jetzt brauchte ich nur eines leichten Zungenschlags, um es in gestreckten Trab zu bringen, der mich bald den Andern weit voraus führte. O, es war so angenehm, dahin zu fliegen durch das frische Grün unter herabhängenden Mandelbaumzweigen, die voll rosiger Blüthen prangten, und nach dem heißen Tage einzuathmen die frische, kühle Abendluft. Doch blieben auch Horschelt und Leins nicht lange zurück, als sie mich davon eilen sahen, und erreichten mich nach ewiger Zeit aber erst als der Weg vermittelst einer Furt durch jenes Flüßchen ging, an dessen Ufer ich eine Zeitlang geritten war. Beim Übergang hielt mich eine Gesellschaft von Eseln auf, die dort mit ihren Reitern Einer nach dem Andern durch das Wasser wateten. Es waren ein Paar ausgediente und entlassene Soldaten darunter, mit denen wir nun unsern Weg gemeinschaftlich fortsetzten, da sie ebenfalls nach Castro del rio wollten.

Dieß, unser Nachtquartier, neckte uns aber ganz gewaltig; von jedem Hügel, den wir erstiegen, sahen wir es vor uns liegen, immer in den gleichen malerischen Umrissen, aber wir konnten ihm scheinbar um keinen Schritt näher kommen. Dazu trug auch wohl die Dämmerung, die nun eintrat, das Ihrige bei, indem sie uns den Anblick der kleinen Stadt mit jeder Minute undeutlicher machte. Endlich wurde es ganz dunkel; doch war glücklicherweise nicht nur Mondschein im Kalender angemerkt, sondern der treue Freund der Reisenden, der Liebenden und Spitzbuben tauchte bald am Horizont hervor und zwar mit voller, glänzender Kugel, unsern Weg sanft und angenehm erleuchtend. Endlich erblickten wir abermals Castro del rio, und zwar zu unserer Rechten liegend, während wir geradeaus geritten. Ein weites, sumpfiges Terrain am Fuße der Stadt hindert die direkte Annäherung, weßhalb wir einen großen Bogen beschrieben, ehe wir eine breite Straße erreichten, die mit doppelten Baumreihen bepflanzt war und eine Art Paseo bildete, der uns nun in gerader Linie zu der alterthümlichen hochgewölbten Brücke führte, hinter welcher die Hufe unserer Pferde nun zum erstenmal auf diesem städtischen Pflaster klapperten. Es ist dieß nach langem Ritt ein angenehmer Ton und Freiligrath hat Recht, wenn er sagt:

—   —   —   —   dann ist Poesie
Der erste Ton des Eisens auf den Steinen.

Wir ritten aufwärts durch eine enge Gasse, die mit recht armseligen Häusern besetzt war und wodurch unsere Erwartung auf eine gute Nachtherberge ziemlich herabgestimmt wurde. Vor einer recht schlechten Fonda hielten wir einen Augenblick an und nachdem unser Hombre valiente etwas mit dem Wirth gekauderwelscht hatte, von dem wir kein Wort verstanden, zogen wir weiter. Es schien in diesem Hôtel kein Platz für uns zu sein. Weiter oben im Orte, auf der Höhe der Stadt, kamen wir insofern besser an, als man uns die Thorflügel öffnete und einreiten ließ. Wir waren recht müde geworden, glitten sacht aus unsern Sätteln herab und da es auch bei eintretender Nacht etwas kühl geworden war, traten wir an das Herdfeuer, welches rechts im Thorwege loderte. Erst als wir eine Zeitlang gesessen, uns ein wenig erwärmt und die unentbehrliche Papiercigarre angezündet hatten, bemerkten wir, daß die Localität, in der wir uns befanden, über alle Beschreibung ärmlich war. Dieser Raum war nicht, wie der jener Ventas in der Mancha und der Sierra Morena – dort ein wenn gleich großer, doch behaglicher Raum, hier dagegen niedrig, schmal, so daß der Rauch nicht aufsteigen konnte und er einem in die Augen biß. Das Ganze sah aus, wie ein ehemaliger schlechter Stall für Kühe, wenn er nicht vielleicht einstens für eine noch viel unedlere Thiergattung gedient hatte. Es war Schade für das hübsche Gesicht und die glänzenden Augen der Wirthin, ihr gewiß sehr appetitlicher weißer körperlicher Kern steckte in einer gar zu schmierigen Schale. Sie erinnerte uns lebhaft an unsern redlichen Mistkäfer aus Almagro. Die Anwesenden rückten zusammen, um uns den besten Platz an dem lodernden Feuer zu überlassen und dann wurden die bekannten Anstalten getroffen, um für uns ein Abendessen zu bereiten. Ein eiserner Kessel, halb mit Wasser gefüllt, wurde in die Gluth geschoben, mit einem Huhne und Reis gefüllt, viel Zwiebel und spanischer Pfeffer kam hinein und dann ließ man die Brühe in dem Gefäß ohne Deckel schmoren. Daß grade heute der Kessel unbedeckt war, hatte für uns dadurch etwas besonders Unangenehmes, daß dicht bei unserer Abendmahlzeit ein alter Kerl hockte, mit sehr unappetitlichen kranken Händen. Diese wärmte er an dem Kohlenfeuer, rieb auch sanft an ihnen herum, bei welcher Beschäftigung er so nahe an und über unsern offenen Suppenkessel kam, daß ich, obgleich ziemlich abgehärtet, mich doch eines Ekels nicht erwehren konnte. Glücklicherweise kam Alonzo aus dem Stalle zurück, den ich auf die unangenehmen Zuthaten aufmerksam machte, die unsere gemeinschaftliche Suppe möglicherweise erhalten könnte, worauf er ohne viel Umstände und mit sehr kräftigen Worten den ungebildeten Gast in die Ecke zurückscheuchte. Trotzdem sich die Frau Wirthin viel Mühe mit ihrem Kessel gab, war der Inhalt desselben dennoch schlecht, und nur der unbändige Hunger, den wir Alle hatten, brachte uns dazu, die schmutzige Brühe und das alte Huhn zu verschlingen. Um aber mit Allem im Einklange zu bleiben, war auch unser Abendtrunk, die Chokolade, kraft- und saftlos und unsere Schlafzimmer die elendesten Löcher, die wir in ganz Spanien angetroffen haben. Eben so schlecht waren die Betten, doch Dank unserer großen Müdigkeit, schliefen wir vortrefflich und zwar so fest und anhaltend, daß uns Alonzo bei Tagesanbruch wecken mußte.

Beim Hinausreiten aus Castro del rio konnten wir einen Blick auf die Stadt werfen. Hiezu war es gestern Abend zu dunkel gewesen. Wenn wir auch von Gebäuden nicht viel Besonderes sahen, so kamen wir doch hie und da an einem Bauwesen vorbei, das durch maurische Form der Fenster und Thüren oder durch irgend einen Bogengang, der auf schlanken Säulchen ruhte, unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Die entlassenen Soldaten, die gestern Abend mit uns gezogen, begleiteten uns auch heute wieder. Hinter Castro del rio ritten wir eine öde Berghalde hinauf, von wo wir rückwärts blickend die Stadt malerisch um ihren Berg geschlungen ausgebreitet vor uns liegen sahen. Auch sahen wir, über sie hinwegblickend, unsern gestrigen Weg, ja Horschelt mit seinen scharfen Augen die Kirche von Baena. Es ist eigenthümlich, daß sich hier in Spanien so plötzlich und vollständig die Gegend ändert. Verschwunden waren jetzt wieder Wiesen und Wald und statt dessen ritten wir bergauf, bergab, anfänglich über trostlose, umgearbeitete Flächen, eigentlich auf gar keinem Wege, denn oft lange Strecken mußten die Pferde über den vom Pflug aufgelockerten Boden schreiten. Glücklicherweise, daß wir kein Regenwetter hatten, denn sonst muß es hier bodenlos sein. Von einer Gegend war gar keine Rede; wo wir die Fruchtfelder verließen, waren wir eigentlich noch schlimmer daran, denn dann ging es an Bergabhängen vorbei, auf so schmalen Pfaden, an steilen Abhängen hin, daß an vielen Stellen ein Fußgänger seine liebe Noth damit gehabt hätte. Obgleich unsere Pferde unermüdlich auf und ab kletterten, so fingen sie doch nach zweitägigem beschwerlichem Marsche an, müde zu werden, und der Hombre tigre brauchte seine ganze andalusische Beredtsamkeit, um sie durch recht freundliche Worte munter zu erhalten. Er hielt denn auch lange Reden an sie, worin er ihnen ihre Vergangenheit und Zukunft lebhaft vor Augen führte, sie auf den goldenen Hafer in Cordova verwies und anderntheils meinte, es wäre doch schmerzlich, wenn er nach Granada zurückkehrte und müsse dort ihren Kameraden erzählen, daß sie sich mit fremden und sehr angenehmen Reisenden, damit wollte er uns schmeicheln, so schlecht gehalten. Das Maulwerk stand heute diesem Kerl wieder nicht eine Sekunde lang still. Wenn er es nicht zum Rauchen brauchte, dann plauderte er, wenn er nicht plauderte, so stimmte er alle möglichen Lieder an, die er aber dann wieder jeden Augenblick mit Ermahnungen an die Pferde unterbrach – »Malaguena!« rief er dem Braunen des kleinen Baumeisters zu, »du hast die leichteste Last und bleibst immer hinten! Freilich bist du nur aus Malaga, aber doch lange genug in Granada gewesen, um ein rechter Kerl zu werden. Schau dir dafür den Tordo an, der muß den dicken Herrn tragen, – damit meinte er mich, – und ist immer weit vornen. Tordo wäre ein Pferd für einen Räuber geworden,« sagte er dann, »für einen ganz famosen Kerl, für einen Hombre pantera, wie ich einer bin.« Dann schlug er sich herausfordernd an die Brust, und rief lustig sein: Anda, Anda! Horschelts Pferd, ein Fuchs, hieß Alezana und betrug sich auch recht ordentlich. Überhaupt konnten wir über sämmtliche Thiere nicht klagen, und wenn je einer der freundlichen Leser dieser Zeilen nach Granada kommt, so soll er sich nur getrost zu einem ähnlichen Zwecke von dem vortrefflichen ben Saken beritten machen lassen.

Es kommt wirklich bei einer solch dreitägigen Tour sehr viel auf Pferd und Sattelzeug an, ob man sich mehr oder minder ermüdet, und ich muß gestehen, daß wir alle drei die Tour recht frisch und munter zurücklegten. Horschelt und ich waren's freilich schon gewohnt, doch selbst unser guter Baumeister – »Heinrich auf lichtbraunem Rößlein,« wie wir ihn nannten – benahm sich wie ein alter biderber Reitersmann.

Gegen Mittag sahen wir links in einem Thale zum ersten Male nach unserem Abmarsch aus Castro etwas wie menschliche Wohnungen, und, worüber wir sehr erstaunten, sogar Häuser mit hohen, dampfenden Schornsteinen und vernahmen das taktmäßige Klappern von Hämmern. Da unten befand sich ein Eisenwerk von einer Minencompagnie unter Oberleitung eines Engländers betrieben. Eine Stunde später erreichten wir ein einsames Bauernhaus, das aber tief unter unserem Wege lag, wo Alonzo zu rasten beschloß und wo wir unsere sehr mäßige Provision verzehrten. Castro del rio hatte uns nur Wein, altes Brod und ein Stück Schafkäse mitgeben können; doch fehlte uns die beste Würze, der Hunger, nicht, und nebenbei versicherte auch Alonzo, der ober uns mit kauenden Backen saß und die Bota zwischen seinen Füßen stehen hatte, nachher kämen wir in kurzer Zeit auf eine Höhe, wo wir dann bald Cordova sehen könnten. – Ja freilich sehen, aber zwischen sehen und erreichen ist besonders hier ein großer Unterschied.

Nach beendigtem Diner gingen wir, wie das unsere Gewohnheit war, erst eine gute Strecke zu Fuß, ehe wir wieder die Thiere bestiegen. Die Hochebene, die uns der Hombre valiente versprochen, wollte indessen lange nicht kommen, und ehe wir sie erreichten, hatten wir einen bodenlos schlechten und langweiligen Weg. Ein Berg erhob sich nach dem andern, den wir hinauf- und hinabklettern mußten, um dann auf einer Höhe angekommen, wieder eine andere vor uns zu sehen, mit derselben steinbedeckten Straße, die immer vor uns auf der Höhe in den Bergkamm eingerissen war und eine Art Hohlweg bildete. Endlich erreichten wir die lang erwartete Hochebene; ein ödes, wüstes Plateau von röthlich gelber Färbung wo wir nun freilich nicht so leicht Cordova sahen, aber etwas Anderes, gewiß Schöneres und Malerischeres, lang ausgestreckt vor uns, nämlich die prachtvolle Bergkette der Sierra Morena in wunderbarer, tief dunkler, fast schwarzer Färbung, an deren Fuße in einem weiten Thale Cordova liegt. Wir schwelgten im Anblick des prächtigen Gebirges und da wir ziemlich ebenen Boden hatten, so trabten wir rasch über die Ebene dahin, brauchten aber doch noch eine gute Stunde, ehe wir die Thürme des verheißenen Cordova sahen und eine zweite Stunde, bis wir an den Abhang kamen, der sich zum Guadalquivir hinabsenkt.

Von hier oben betrachtet nahm sich Cordova weitläufig, großartig, ja fast prächtig aus. Wenn die Stadt bis zu den einzelnen Bauwerken reichte, die weit vom Mittelpunkte, den die berühmte Moschee bezeichnet, zwischen Orangenbüschen, Olivenpflanzungen und unter langen Bäumen mit röthlicher warmer Steinfarbe hervorblinkten, so mußte Cordova, die alte, prächtige Residenz der Spanien beherrschenden Maurenkönige, heute noch sehr bedeutend sein. Aber dem war ja nicht so. Das ehemalige gewaltige Cordova ist zusammengeschrumpft zu einer kleinen öden Stadt, und was wir von Mauerwerk im weiten Umkreise zwischen dem dunkeln Grün hervorblinken sehen, sind nur die einsam zerstreut liegenden Überreste ehemaliger Pracht und Herrlichkeit. Das jetzige Cordova nährt sich Ackerbau treibend fast größtentheils von der fruchtbaren Ebene, in der es liegt, Kunst und Industrie sind hier verschwunden und sogar das Geheimniß der Bereitung seines berühmten Leders, Corduan genannt, ist mit den Mauren nach Marocco gezogen. – Die Hauptstadt des Königs Abderrhaman ben Moavia, die einstens mit Bagdad und Damaskus rivalisirte, die eine Million Einwohner besaß, in der sich, wie der Chronikenschreiber erzählt, dreihundert Moscheen erhoben, die neunhundert Bäder und sechshundert Gasthäuser enthielt, die aus eigenen Mitteln zwölfhundert prachtvoll bekleidete und bewaffnete Reiter zur Leibwache ihres Königs stellte, was ist aus ihr geworden? Eine kleine Landstadt mit stillen, öden Straßen, die vielleicht noch dreißigtausend Einwohner zählt, die still träumend da liegt, am Fuße der Berge, die einst ihren Glanz gesehen, und am Ufer des Flusses, der einst für die größten Schiffe fahrbar war, bis ins Meer hinaus, und der jetzt von hier bis Sevilla kaum einen elenden Fischerkahn zu tragen im Stande ist.

Ich war von meinem Pferd abgestiegen, und während ich den Abhang hinabschritt gegen den Guadalquivir, dachte ich so lebhaft an die gewaltige Geschichte, die sich hier in dieser Ebene abgerollt, an die wilden Kämpfe um Cordova zwischen Gothen und Mauren, und an die noch blutigeren, lange Jahre dauernden der Mauren gegen Mauren um die Oberherrschaft der Stadt und des Reiches. Jetzt lag Cordova so still und friedlich da; von leisem Winde getragen schwamm der Klang einer Glocke zu uns herüber und das rothe Licht der Abendsonne küßte mit gleicher Liebe die ewigen Berghäupter droben, die in gleicher Pracht und Majestät wie vor Jahrtausenden dastanden, so wie die arme, zurückgekommene Stadt und die Ruinen der ehemals so stolzen Königsburg.

Der Guadalquivir fließt hier in einem tiefen Bette, an dessen Ufern schattige Kastanien stehen, die ihre Zweige in das klare dunkelgrüne Wasser erstrecken. Die alte, prächtige Brücke, die Cordova besitzt, ist weiter unterhalb bei der großen Straße nach Sevilla. Hier, wo wir ankamen, versieht eine alte gebrechliche Fähre den Dienst, und der Fährmann, der vor seiner Hütte lungerte, machte trotz unseres lauten Rufens zuerst lange keine Anstalt uns hinüberzubringen. Der Grund war, daß sein scharfes, spekulatives Auge auf der Höhe einige Reiter zu Esel bemerkt hatte, die ebenfalls nach Cordova wollten, und auf die wir warten mußten. Endlich war alles eingeschifft, und wir setzten uns langsam in Bewegung. Drüben angekommen, befanden wir uns sogleich im ehemaligen Weichbilde der Stadt, in einem Garten voll südlich strotzenden Pflanzenwuchses, welcher Cordova auf drei Seiten mit einem breiten Gürtel einfaßt. Vom Guadalquivir bewässert sind diese Garten und Felder mit allen Wundern der üppigen Vegetation geziert, von Wegen mit Hecken blühender Cactus und Aloe durchschnitten, so groß und dicht, daß sich Roß und Reiter dahinter verbergen können, und diese gelben Streifen des sandigen Weges von dunkelm Grün eingefaßt, verlieren sich nach dem Gebirge hin allmälig in schattige Wälder von kräftigen Eichen und Kastanien. Nie werde ich den kurzen aber wunderbaren Ritt vom Ufer des Guadalquivir nach der alten Stadt Cordova vergessen. Der tiefe Ton der Glocken schwamm in der lauen Abendluft und klang so friedlich und beruhigend. Hinter uns hatten wir die wilden Steinwege der Sierra Elvira, und während wir auf weichem Sandboden ritten zwischen riesenhaften Aloenhecken, von denen oft die Dritte noch mit ihrem prachtvollen dreißig Fuß hohen Blüthenstengel geziert war, an eingestürzten malerischen Mauerresten vorbei, Reste jener uralten Mauern, hinter denen einst die Araber vergeblich dem heiligen Ferdinand zu trotzen vermeinten; zertrümmerten, jetzt einsam stehenden Thorbogen entlang, an deren Wölbung man noch deutlich die zierliche Hufeisenform erkannte, die von freundlichen Palmen überragt waren, sogen wir begierig den würzigen Duft der Orangenblüthen ein, der aus den benachbarten Gärten zu uns herüberdrang.

Am Stadtthor von Cordova verschwand freilich alle diese Poesie, wenigstens für den Augenblick, da wir uns einer genauen Visitation unserer Effecten unterwerfen mußten. Leider war unsere Reisekasse so zusammengeschmolzen, daß wir mit den paar Peseten sparten, durch welche wir die Zollbeamten hätten bestechen können. Schon früher bemerkte ich, daß in Spanien nicht räthlich ist, mit vielem baarem Geld zu reisen. Obgleich wir nun einen Kreditbrief auf Cordova hatten, so konnten wir, da es schon spät war, doch wahrscheinlich erst morgen Gelder erheben und hatten eben noch so viel übrig, um unsern getreuen Alonzo auszubezahlen.

Durch stille, öde menschenleere Gassen, wo wir deutlich an vielen Häusern sahen, daß sie dem Verfall nahe und nicht bewohnt seien, ritten wir längere Zeit aufwärts und gelangten endlich in die Fonda de las Diligencias, ein altes, äußerlich unscheinbares, Haus, in enger Gasse gelegen, aber mit einem reizenden Hofe, den ein Bogengang von korinthischen Säulen umgab, dessen Fußboden mit Marmor und bunten Fayenceplatten ausgelegt war, und wo uns ein freundlich murmelnder Springbrunnen willkommen hieß; da, wo die Einfahrt in den Hof mündete, war, wie fast durchgängig in guten Häusern des Südens, ein Gitterthor von zierlich verschlungenen Schmiedeisenstäbchen angebracht, das den Blick in den Hof von der Straße aus erlaubt. Der Springbrunnen war sehr klein mit achteckigem Becken aus blau und weißen Fayenceplatten, und vier kleine broncene Seepferde spieen die munteren Wasserstrahlen aus. Das Haus mußte sehr alt sein, denn bei genauer Durchsicht fanden wir später in den Zimmern sehr schöne, alle bunt bemalte Balkendecken mit Ornamenten, bei denen die arabische Überlieferung unverkennbar war; eine allerliebste Azotea oder Terrasse zu oberst auf dem Hause wurde von uns häufig erstiegen der herrlichen Aussicht wegen.

Obgleich uns der Wirth des Gasthofes aufs Freundlichste empfing, so bedauerte er doch, uns für heute nur eine kleine Stube in einem hintern Winkel seines Gasthofs geben zu können, da ausnahmsweise heute Morgen mehrere Fremden gekommen seien, und fast sein ganzes Haus durch den Prinzen von Joinville, der mit Gemahlin, Kindern und Dienerschaft schon fast vierzehn Tage da sei, in Anspruch genommen war. Doch versprach er uns morgen eine andere Wohnung, und zwar in dem reizenden Hofe selbst, wo wir abgestiegen. Unser vortrefflicher Hombre valiente wollte heute Abend Cordova noch verlassen, um in einem benachbarten Meierhofe, wo er bekannt war, die Nacht zuzubringen. Auf sein Verlangen stellten wir ihm ein vortreffliches Zeugniß, und zwar in spanischer, deutscher und französischer Sprache aus, worin er uns besonders bat, seine Zuverlässigkeit und seinen Muth nicht unerwähnt zu lassen. Bis ans Thor des Gasthofs gaben wir ihm auch das Geleite, und als er mit seinen vier Thieren die enge Straße hinabkletterte, überschlich mich, ich möchte fast sagen, ein wehmüthiges Gefühl. Voraussichtlich war die Reise von Granada hieher die letzte Reittour, die wir in Spanien machen würden, hatten wir doch sowohl in der Mancha als auch in Andalusien hoch zu Roß sitzend mit unsere angenehmsten Reisetage erlebt.

Am andern Morgen verließen wir zeitig unsern Gasthof, um eine Wanderung durch die Straßen Cordovas zu machen. Dieselbe Ruhe und Stille, die über dem weiten Weichbilde der Stadt liegt, das Ruinenhafte und Verlassene, das uns dort überall entgegentrat, fanden wir auch hier in den engen Gassen wieder. Cordova erinnert mehr noch als Granada an seine arabischen Erbauer. Hier ist Alles maurisch, die Straßen sind eng und gewunden, um die heißen Sonnenstrahlen abzuhalten; an den Häusern erblickt man fast überall arabische, reich verzierte Portale und Friese und Bögen, die zu ihnen passen; uralte Marmorsäulen in Masse sind überall hinein verbaut, bald hoch oben luftige Bogengänge bildend, bald unten an dem Hause zu arabischen Vorhallen zusammengereiht, oder Arcaden unterstützend, die im Innern der Gebäude um die stillen schattigen Patios herumlaufen. Aber wenigstens drei Viertheile jener ehemaligen Pracht ist verfallen. In vielen Straßen wuchert das Gras auf dem Pflaster und nicken üppige Schlingpflanzen freundlich von den moosbedeckten Dächern herab. An Thorwegen fehlen die Thürflügel, an ehemals reichen Balcons die zierlichen Geländer; zerborstene Treppenstufen erschweren hie und da den Eingang in das Innere von Gebäuden, deren Fundamente gewichen sind und die den Einsturz drohen. Freilich gibt es auch Straßen, deren Häuser besser erhalten sind; so die, in welcher unser Gasthof lag, doch geben auch hier unzählige verschlossene Fensterladen und die tiefe Stille, die über Alles brütet, dem Anblick der Stadt etwas Gespensterhaftes. Am traurigsten und verlassensten ist die ehemals wirklich prachtvolle Plaza major, jetzt Plaza de la Constitucion. Es ist dieß der Hauptplatz der Stadt, den in einem regelmäßigen Viereck große stattliche Häuser umgeben, die unten mit Arcaden versehen sind. Einstens waren diese bestimmt, reiche Waarenlager aufzunehmen, jetzt aber sind sie verödet und nur hie und da hat sich in irgend einem Winkel ein armseliger Kramladen eingenistet. Wenn wir über den Platz schreiten, so rufen unsere Fußtritte ein bedenkliches Echo wach, und wenn wir darüber erstaunt an den hohen fast prächtigen Häusern emporblicken, so sehen wir an geschlossenen Balkonthüren und Jalousien, ja an öden Fensterhöhlen, durch welche Wind und Wetter ziehen, daß die meisten dieser Gebäude verlassen sind, und gewiß schon seit langer Zeit, denn manche zeigen verdächtige Spuren ihres gänzlichen Verfalls und drohen den Einsturz. Daß dadurch das Straßenleben auch nicht bewegt und mannigfaltig sein kann, versteht sich von selbst; die Leute, die man auf der Straße sieht, gehen still und ruhig ihrer Wege und scheinen ernsthafter zu sein, als ihre übrigen andalusischen Landsleute. Vielleicht fühlen sie schmerzlich den Verfall ihrer einstens so schönen Stadt, deren prachtvolle Lage in einem so fruchtbaren Thale an den Ufern des schönen Guadalquivirs wohl ein besseres Schicksal verdient hätte. Ja, die Lage von Cordova ist schön, und auch die Stadt trotz ihrer öden Stille und trotz der überall sichtbaren Spuren ihres Verfalls. Wölbt sich doch über sie fast beständig ein klarer tiefblauer Himmel, und gießt doch die Sonne fast ohne Unterbrechung ein wahres Meer von Licht über Cordova aus.

Hat man sich erst einmal an diese stillen Straßen, an diese stummen Häuser gewöhnt, so kann man sie ordentlich liebgewinnen. Gerade das Ruinenhafte ihrer Häuser bringt eine so malerische Wirkung hervor, und wenn man durch die schattigen Straßen wandelt, so findet das Auge überall Etwas, worauf es mit Interesse verweilt: die tiefdunkeln untern Stockwerke dieser Häuser mit ihren Balkonen, Säulen und Eisengittern, die oben ein scharfer, freundlicher Strahl der Sonne vergoldet, der liebend hineinzudringen scheint in die offenen Fenster leerer Gemächer und hoch oben blendend erglänzen läßt die weißen Marmorsäulen einer luftigen Loggia, die sich so deutlich von dem tiefblauen Himmel abhebt. Dort senkt sich eine Straße hinab, gewunden, unregelmäßig, so daß sich die charakteristischen Häuser wie eine Theaterdecoration auseinanderschieben, uns so den vollen Anblick eines alten röthlichen Thurmes gewährend, der trotzig mitten im Wege zu stehen scheint mit seiner arabischen Mauerkrönung und der Wölbung seines Thores in eleganter Hufeisenform. Dabei liegt die Straße tief im Schatten, in dem einzelne Handwerker vor der Thüre arbeiten. Die Sonne kann noch nicht hier eindringen, glüht aber dafür auf der andern Seite des alten Thurmes und beleuchtet den Thorweg unter demselben mit strahlendem Lichte. Dort werden plötzlich ein paar Reiter sichtbar, Gensdarmerie zu Pferde, die aus dem glänzenden Thorbogen hervor im tollen Carrière die Straße heraufspringen und so dort einiges Leben verursachen. Die Handwerker sehen einen Augenblick von ihrer Arbeit in die Höhe, ja hie und da öffnet sich ein Fensterladen, ein weiblicher Kopf wird sichtbar, um aber sogleich wieder zu verschwinden, und dann ist es wieder so ruhig wie vorher. Der Schneider näht ruhig weiter, der Schuster klopft sein Leder, und außer diesen taktförmigen Schlägen hört man weiter nicht den geringsten Lärm in der Straße.

Unten an dem alten maurischen Thurme führt eine schmale Seitengasse auf einen kleinen Platz, der wo möglich noch stiller und melancholischer ist. – Wohnt hier Jemand, oder sind hier alle Häuser verlassen? Wir wissen es im ersten Augenblicke nicht. Sämmtliche Thüren sind verschlossen, ebenso die Fenster und Balkone, die erstern haben zum Überflusse inwendig noch einen weißen Vorhang, über die letzern ist eine Strohmatte niedergelassen, die über die Brüstung des Balkons herabhängt. – Tiefe Stille rings umher, und wenn wir uns räuspern, so ist es gerade, als räuspern sich viele unsichtbare Bewohner der umliegenden Häuser ebenfalls.

Wir schreiten langsam weiter und sind schon in der Nebenstraße, als wir den Accord einer Guitarre vernehmen. Gleich darauf ertönt eine weibliche Stimme und singt die ersten Strophen eines Volksliedes. Auch Schritte erschallen nun von der andern Seite her, aber die Füße, welche sie verursachen, treten so fein und leicht auf, daß es uns nur die tiefe Stille rings umher möglich machte, sie zu vernehmen. Es ist ein junges und schönes Mädchen, die gerade auf die Thüre des Hauses zuschreitet, woher wir den Gesang vernommen. Während die eng anschließende Basquina von dunkel violetter Seide die weichen Umrisse des stolzen Leibes und der schlanken Glieder verräth, fällt die Mantille von schwarzen Spitzen leicht von der Stirne über die Schulter bis in die feine Taille herab; die Hand mit dem Fächer hält sie unter dem Kinne zusammen, und ein kleiner Druck der Finger läßt uns einen Moment den Anblick des schönen Gesichts genießen, um im nächsten die Spitzen zusammenzuziehen und den Fächer auseinander zu werfen. So schreitet die Andalusierin leicht und graziös die Treppen an dem bezeichneten Hause hinauf, und da die Basquina ziemlich kurz ist, so sehen wir einen wunderbar zierlichen grünen Schuh und noch ein ziemliches Stück des weißen seidenen Strumpfes. Gleich darauf aber ist sie hinter der Thür verschwunden, der Gesang hat aufgehört, und eine tiefe Stille herrscht wieder auf dem Platze. Aber nicht lange; denn bald hören wir es flüstern hinter der herabhängenden Strohmatte, und an jeder Seite lugte eine Mantille hervor und unter jeder ein paar glänzende schwarze Augen. Es scheint uns, die jungen Damen in Cordova haben auch zuweilen Langeweile und betrachten sich alsdann, vielleicht nicht ganz ohne Interesse, ein paar Fremdlinge, die vor ihrem Hause stehen, und es fast ungebührlich angaffen. – Es ist zuweilen sehr gut, wenn einem eine vollkommene Kenntniß der Landessprache mangelt, denn der Platz war sehr einsam, nicht einmal die Sonne warf einen neugierigen Blick herein, rings umher tiefe Stille und Einsamkeit.

Wie unser Wirth versprochen, bekamen wir schon am Mittag ein Zimmer neben dem Patio, und wenn wir die Thüren öffneten, so vernahmen wir das freundliche Murmeln des kleinen Springbrunnens. Nachdem wir uns dort gehörig eingerichtet, gingen wir mit einem kundigen Führer zur berühmten Moschee von Cordova, der größte, fast einzige maurische Tempel, von dem mehrere Theile ganz unverändert auf unsere Zeit übergegangen sind; die Mesquita, wie sie bei den Arabern hieß, wurde von Abderrhaman erbaut und war uns mit ihrem imposanten Säulenwalde schon längst aus Zeichnungen und Bildern bekannt. Von außen macht dieß wunderbare Gebäude nur an der Seite des Haupteingangs einen einigermaßen großartigen Eindruck. Die Moschee steht ohne erhabenen Thurm hoch gelegen über den Ufern des Guadalquivirs und ist rings von einer glatten hohen Mauer eingefaßt, die außer den stark vorspringenden Strebepfeilern keine andere Verzierung zeigt, als schlanke arabische Mauerzinnen. Nach dem Gebrauche der Orientalen verschließt sie die innere Pracht und Herrlichkeit vor dem Blicke der Außenwandelnden und läßt nicht ahnen, welch prachtvolles Bauwerk sie umgürtet. Unter einem niedrigen Minaret im Style der Giralda befindet sich der Haupteingang; doch öffnet sich nicht weit davon vor uns ein kleiner maurischer Thorbogen, der uns aber statt in die Kirche selbst auf den Vorhof führt, den man bei jeder Moschee findet, auf den Patio de las naranjas, den Orangenhof. Es ist dieß eine reizende liebliche Einrichtung der orientalischen Tempel. Hier lustwandelten die Gläubigen unter duftenden Orangen, oder sahen gedankenvoll dem hoch aufspringenden Strahl der Fontainen zu, ehe sie sich in die dunklen Hallen der Kirche begaben. Für mich wird dieser kleine reizende Platz immer eine liebe Erinnerung bleiben, und ich saß hier träumend manche Stunde, wenn meine beiden Reisegefährten in den benachbarten Straßen zeichneten. Und doch war der Orangenhof gar so einfach, aber gerade dieß Einfache, so wie die gänzliche Abgeschlossenheit von der Welt, ist es, was seinen Reiz ausmacht, ein geräumiger, viereckiger Hof mit Orangen bepflanzt, deren Duft ihn ganz erfüllt; in der Mitte erhebt sich eine große Marmorfontaine, die ihren Wasserstrahl hoch hinaufwirft, während sich zu ihren beiden Seiten ein paar klare plätschernde Brunnen mit glänzenden Goldfischen befinden. Das Abwasser dieser Brunnen kann vermittelst gemauerter Rinnen, die nach allen Richtungen auf der Erde hinlaufen, an den Fuß jedes der Orangenbäume geleitet werden. Man öffnet eine kleine Schleuße und im Augenblicke ist der Fuß der schönen Bäume von dem klaren frischen Wasser umspült. Zwischen den Orangen erheben sich einige düstere, fast schwarze Cypressen und neben ihnen ein paar schlanke Dattelpalmen, deren herabhängende feingezackte Blätter sich leise im Hauche des Windes wiegen. Auf zwei Seiten dieses Platzes befinden sich bedeckte Arkaden mit zierlichen maurischen Säulen und Bogen, über dem glatten, darauf ruhenden Mauerwerk ragen die sägenförmigen Zinnen der mit dicken Strebpfeilern verstärkten Umfassungswand herein, auf der dritten ist, wie gesagt, der Thurm, ein moderner Aufbau über dem alten Untertheil, aus dem der herrliche Bogen der Puerta del Perdon ausgeschnitten ist, die den Hauptzugang zu diesem Hofe bildet. Die gewaltigen Thürflügel sind mit Bronzeplatten von zierlicher Arbeit in sechseckiger Ineinanderfügung beschlagen und wunderschöne Thürklopfer zieren diese ruhigen prächtigen Flächen. Ein paar breite Stufen führen innerhalb von diesem Thor auf die Terrasse und vor uns haben wir die Moschee selbst mit ihrem hohen Portal, eine langgestreckte ruhige, einfache Masse, die nicht ahnen läßt, was im Innern verborgen ist. So oft ich hierher kam, fand ich den Vorplatz belebter, als die Kirche selbst. Eine Menge kleiner Buben spielten um die Bewässerungsrinnen am Boden oder umlagerten die Brunnen, wo sie vermittelst der herabgefallenen Blätter der Orangen Wasser schöpften und tranken. Alte Männer saßen, obwohl es dem Kalender nach Winter war, in den schon recht heißen Strahlen der Sonne, die zur Mittagszeit neben dem Haupteingange glänzend und die dunkeln Steinmauern angenehm erwärmend hereindrangen.

Endlich öffnet sich vor uns die große Thüre der Moschee und wir stehen aufs Höchste überrascht vor dem Säulenwalde, der sich vor unsern Blicken erhebt und sich endlos auszudehnen scheint. Eintausend und achtzehn Säulen stehen hier in neunzehn Reihen von Norden nach Süden zu dem Alquibla, d. h. dem Theile gegen Mittag. In entgegengesetzter Richtung gezählt, bilden sie achtunddreißig andere Säulenreihen, die von Osten nach Westen gehen und hier eine engere Eintheilung haben. Diese Säulen sind von verschiedenen Arten von Marmor und Granit gearbeitet, bald weiß, gelblich, grau, röthlich, ins Bläuliche schimmernd, bald gefleckt, bald schwarz. Theils sind sie glatt, theils canelirt, theils haben sie gewundene Verzierungen. Aber gerade diese Mannigfaltigkeit stört nicht im Geringsten die erhabene Wirkung, vielmehr erzeugt der Wechsel dieser Farben einen überraschenden Totaleffect. Die Dicke derselben beträgt nicht über anderthalb Fuß, ihre Höhe nicht über sechszehn Fuß; sie tragen auf zum Theil etwas derben, an das Korinthische erinnernden Kapitälen zwei Reihen von hoch gesprengten maurischen Hufeisenbögen übereinander, so daß trotz der Niedrigkeit der Säulen, die aus eingelegtem Holzwerk reich verzierte frühere Decke des Gebäudes an vierzig Fuß hoch war. Worin liegt nun die ungeheure Wirkung, welche diese Kirche auf uns macht? Die Moschee des großen Kalifen in Damaskus ist erhabener, prächtiger, aber als ich sie betrat, umwehte mich nicht diese eigenthümliche, ich möchte fast sagen, berauschende Poesie, wie hier in dem endlos scheinenden Säulenwalde von Cordova, dort hat man Zeit und Laune, alles ruhig zu betrachten, zu vergleichen, abzumessen, hier möchte man nur träumend durchschreiten, und dabei trauernd an jenes wunderbare Volk denken, welches diese ungeheure Wirkung mit so wenig Mitteln hervorgebracht. Herrlich war die Ausschmückung in Gold und Farben, wie sie einstens bestand –; jetzt ist sie verblichen und übertüncht. Aber die Conception des Ganzen ist so einfach, wie möglich, Säulen, und Bogen die sie verbinden, und darüber das Dach, keine prachtvollen Fenster, keine großartige Kuppelwölbung! und doch so reizend, so unvergeßlich schön! Die Säulen sind fein im Vergleich zu dem Anblick der großen Last, die sie tragen, aber aus welchen herrlichen Materialien bestehen sie, aus den härtesten Graniten und Marmorn, sie haben schon an die tausend Jahre ihre Last getragen und werden, wenn man sie nicht niederreißt, noch aufrecht stehen, wenn manches gewaltige Bauwerk einer früheren oder späteren Periode zusammengestürzt ist.

Langsam schreiten wir durch die stillen Räume und wohin wir uns wenden, wo wir auch stehen mögen, überall treten zahllose Perspectiven in geraden und besonders überraschend in den Diagonallinien vor unsere Augen, so daß namentlich bei dem feierlichen Halbdunkel, welches hier herrscht, dieselben endlos zu sein scheinen.

Ums Jahr 786 begann der König Abderrhaman I. den Bau der großen Moschee. Man behauptet, er habe selbst den Plan dazu entworfen und sei dabei von der Absicht ausgegangen, diesen Tempel dem in Damaskus ähnlich, aber größer und erhabener in Pracht und Aufwand, als die neue Moschee zu Bagdad errichten zu lassen, damit er mit der Alaksa, dem heiligen Hause zu Jerusalem verglichen werden könne. Bekanntlich verehren die Muhamedaner zwei Tempel oder heilige Häuser, die Caaba in Mekka und die Alaksa zu Jerusalem. Alaksa heißt die Entferntere, auch wird die Moschee in Jerusalem der Tempel der Auferstehung genannt, sowie auch Assahara die vom Felsen. Zum Bau der Mesquita wurden Säulen herbeigeschafft von Nimes und Narbonne in Frankreich, von Sevilla und Aragonien, von Italien, von Constantinopel und aus den Ruinen Carthago's. Der erste Kalif erlebte aber den Ausbau nicht mehr, und leider entstellte sein Nachfolger Hirem, der ein berühmter Poet war, durch symmetriewidrige Erweiterung den ursprünglichen Bauplan und zerriß so die Einheit und Harmonie desselben. Das hätte aber Alles noch nicht so viel zu sagen gehabt, als die langsame und systematische Zerstörung dieses wunderbaren Bauwesens durch das erobernde Christenthum, welches den Gewohnheiten und Bedürfnissen seines Cultus gemäß hier eine unpassende Kapelle zwischen die Säulen hineinzwängte, dort Altäre errichtete, deren spitze Aufsätze den runden schwunghaften Bogen so unaussprechlich wehe thun. Die gewaltsamste Zerstörung aber begann im fünfzehnten Jahrhundert; die als herrlich beschriebene, geschnitzte und bemalte Decke von Lärchenholz wurde herausgenommen und durch nackte, weiß getünchte Gewölbe ersetzt, diese vielfach durchbrochen, um mehr Licht hereinzuführen und so die frühere geheimnißvolle Dämmerung, so günstig für die dem Islamismus entsprechende Beleuchtung dieses unabsehbaren Raumes durch zahllose Lampen, vertrieben.

Nicht genug, die eifrige Geistlichkeit wußte dem großen Karl die Erlaubniß abzunöthigen, in die Mitte der Moschee eine christliche Kirche setzen zu dürfen und zu diesem Behuf ließ der Bischof Alonzo Manrique, der sich für ein Bautalent hielt, trotz aller Einwürfe der vernünftigeren Stadtbehörden die Säulen und Bogen, die hinderlich waren, ausbrechen, um für ein Schiff und Chor, die zusammen die Größe einer ansehnlichen Kirche haben, Raum zu gewinnen. Karl V., der bei andern Gelegenheiten leider selbst keine große Vorliebe für die nachgebliebenen Bauwerke der Araber zeigte, war, wie uns Ponz berichtet, als er später während des Kirchenbaus, der nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte, die Moschee zum erstenmale besuchte, doch so entrüstet, daß er zu dem Bischof und Kapitel sagte: Ihr wißt nicht, was ihr gethan habt. Um eine Kapelle zu erbauen, die ebenso gut draußen hätte stehen können, habt ihr leichtsinniger Weise Etwas vernichtet, was in seiner Vollendung einzig in der Welt bestand. Und darin hatte der große König sehr Recht. Hätte man die christliche Kirche neben die Mesquita gebaut und diese als den größten Portikus der Welt belassen, so wäre eines der erhabensten Bauwerke entstanden, ein achtes Weltwunder.

An und für sich ist die Kirche von edlen Proportionen und mit einem prachtvollen gerippten Gewölbe überspannt, alles Detail ist in den schönsten Renaissanceformen und die Vergoldung fast überreich; man könnte ein wahres Wohlgefallen daran haben, aber sobald man aus ihr heraus wieder den wunderbaren Arkadenhain, der sie umgibt, betritt, überkommt einen ein unwiderstehlicher Unmuth über die Blindheit des Eifers jener Priester.

Wohl mochten die Mauren, als sie im Jahr 1336 Cordova für immer verlassen mußten, eine Ahnung davon haben, wie die eindringenden Christen mit ihrem heiligen Hause umgehen würden, und um das Allerheiligste in demselben, die Mirah zu schützen, vielleicht auch damals an eine Rückkehr denkend, vermauerten sie dieselbe so kunstvoll, daß sie erst fast sechshundert Jahre später und zwar im Jahr 1815 aufgefunden wurde, wo Steinhauer, die irgend eine Reparatur vorzunehmen hatten, auf die zugemauerte Wölbung stießen.

Die Mirah, wegen einer Reliquie von den Gebeinen Muhameds, die hier aufbewahrt wurde, auch Zancarron genannt, verschloß ein kostbares Exemplar des Alcoran; sie ist gegen Osten an der sehr dicken Umfassungswand der Moschee gelegen und in dieser Mauer war der Raum zu Aufbewahrung obiger Kostbarkeiten ausgespart, ein verhältnißmäßig kleines Gemach, nur durch eine einzige Thüre von der Moschee aus zugängig. Dieses Gemach nun, wie die hufeisenförmige Thüre, die dazu führt, ist hinsichtlich der Pracht der Mosaiken wirklich das Kleinod dieses gewaltigen Ganzen, der Hufeisenbogen der Thüre ist in keilförmige Felder nach dem Fugenschnitt getheilt und der Führer, indem er das an einer Stange befindliche Wachslicht den feinen Mosaiken in der Höhe nähert und auch das kleine Gewölb in der Mauer uns beleuchtet, denn Lichtöffnung von Außen ist keine da, vermehrt durch die Möglichkeit einer genaueren Besichtigung noch unser anfängliches Erstaunen.

So hatte ein guter Genius dieß Heiligthum der Moschee bewahrt, und es stand lange, lange Jahre beschützt von dicken Marmorwänden mitten unter Crucifixen und Altären, und während draußen die Orgel klang, Glocken läuteten und christliche Hymnen ertönten, riefen im stillen Innern der Kapelle unzählige goldene und farbige Inschriften: Es ist kein Gott als Gott und Muhamed ist sein Prophet!


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