Friedrich Hackländer
Ein Winter in Spanien
Friedrich Hackländer

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So war denn die Partei der Königin in gespannter Erwartung von Morgens acht Uhr bis Mittags um zwei, als sich immer noch kein Kämpfer gezeigt hatte. Da auf einmal hörte man Lärmen, den Ruf des Volks, sowie das Klirren von Pferdehufen hinter dem Thore von Vivarrambla. Vier Ritter erschienen in türkischer Tracht, die auf mächtigen Rossen in die Schranken sprengten und sich als Kämpfer für die Königin ankündigten. Sie waren himmelblau gekleidet; die Turbane um die Stahlhauben von weißer Leinwand, mit goldenen und blauen Streifen durchwirkt, zeigten oben eine Spitze mit einem reichen Busch von blauen, grünen und rothen Federn, untermischt mit Gold- und Silberschnüren. Die Inschriften auf ihren Schildern waren verschieden und bezogen sich auf den Kampf, um die Ehre der Königin zu reiten. Eine hieß:

Himmelan will ich ihn heben,
Daß er desto tiefer falle,
Für die weltbekannte Bosheit,
Die er ohne Scheu begangen.

Die vier unbekannten Kämpfer aber waren christliche Ritter aus dem Lager König Ferdinand's und zwar Ponce de Leon, Don Alonzo de Agilar, Don Johann Tchacon und der Alkaide von Donzelles. Nach einem wilden erbitterten Kampfe tödteten sie die vier Zegri's und so wurde die Ehre der Königin gerettet. –

Nicht umsonst habe ich vor den Augen des Lesers den jetzt stillen Platz von Vivarrambla mit Gestalten und Bildern der ehemals so glänzenden Zeit bevölkert; mir selbst tritt an solchen Stellen das Andenken an eine gewaltige Geschichte, die sich hier abrollte, immer lebhaft vor die Seele und bringt mich in eine Stimmung, die mich besonders fähig macht, was aus jener Zeit noch übrig geblieben ist, mit doppeltem Interesse zu betrachten. Ich habe nun einmal die glückliche Phantasie, um mir einbilden zu können, hier auf der Vivarrambla sei soeben ein glänzendes Kampfspiel beendigt, und ich sei umfluthet von dem Gewühl der Zuschauer und Kämpfer, die nun eilfertig auf allen Seiten dem Platze entströmen. Vor uns geht es den Zacatin hinauf, eine enge Straße, auf beiden Seiten im Erdgeschosse der Häuser mit reichen Gewölben besetzt, Kaufläden, aus denen heute noch wie damals bunte seidene Stoffe und goldene Geschmeide flimmern und glänzen. Dort hinauf führt der Weg zur Alhambra und die Straße ist mit einem dichten Menschenstrome, mit Reitern und Fußgängern angefüllt. Kriegerische Musik erschallt, die Waffen klirren, die Hufe der Pferde dröhnen auf dem Pflaster und wenn man so hinschaut, erblickt man nichts wie einen bunten leuchtenden Strom aus zahllosen Farben, aus Gold- und Silberglanz bestehend; gewaltige Wogen, die sich vor uns hinwälzen, und deren Schaumkronen aus bunten Fähnlein, wehenden Federbüschen und strahlenden Helmzierden bestehen. – – Weiterhin zieht es über die Plaza nueva und jetzt erreichen wir die Calle de los Zenetes, so benannt von einem tapfern maurischen Stamme, der die Leibwache der letzten Könige von Granada bildete, die hier am Fuße der Alhambra ihre Quartiere hatte, und die Calle de Gomeles. Mit dem Ende dieser Straße sind wir auch am diesseitigen Ende der Stadt, am Thor de las Granadas, von den Mauren Bibleuxar genannt, von wo der Weg aufwärts nach der Alhambra führt, angelangt.

Wie es soliden Reisebeschreibern geziemt, wollen wir hier unsere Phantasie dahinter lassen und mit ihr die Schaaren der glänzenden Reiter, denen wir bis hieher in Gedanken gefolgt. Was sollten sie auch droben thun, die alten edlen Geschlechter, in den zerstörten Palästen ihrer Könige? Gewiß scheuen auch ihre gespenstigen Pferde vor dem christlichen Kreuze, das auf der Kirche prangt und sie selbst vor dem Palast des christlichen Königs, dessen Vorfahren sie aus ihrem Paradiese verjagt. Entlassen ist also unser kriegerisches Traumgefolge, und während wir die Blicke zurück zur Gegenwart führen, flattert die Farbenpracht, die uns soeben umgab, Gold und Silber wie ein strahlender schillernder Schaum in alle Lüfte, ohne aber für uns zu verschwinden, denn über uns haben wir ja das tiefe Blau des schönen spanischen Himmels; die glänzende Sonne wirft eine Masse von Gold rings um uns her und aus dem dunkeln Grün der Cypressen blicken uns in einer wahren Farbengluth rechts von der Höhe herab die rothen Thürme, Las torres bermejas entgegen.

Wir sind am Fuße der Alhambra, die Festungsmauern derselben, von denen ich schon früher sprach, senken sich hier in eine Schlucht hinab, welche den Cerro de Santa Elena in zwei Theile theilt; hoch oben am Rande dieser Schlucht steht, links den zwei rothen Thürmen entsprechend der Thurm der Vela, um auch von diesseits den Eingang zu vertheidigen. Das jetzige Thor de las Granadas rührt von Karl V. her, ist etwas schwerfällig und nicht besonders groß, aber aus ihm lacht uns ein herrlicher Garten entgegen.

Wenn man das Thor hinter sich gelassen hat und den Berg hinansteigt, so glaubt man im ersten Augenblicke nicht mehr in Spanien zu sein, wo auf Straßen im Allgemeinen, sei es auf Chausseen oder auf Wege, selbst in den königlichen Parkanlagen, keine besondere Sorgfalt verwandt wird. Der ganze Berg, auf dem die Alhambra liegt, ist mit hochstämmigen Bäumen; Ulmen, Eichen, Platanen, Lorbeeren und Kastanien bewachsen und von Wegen durchzogen, die sanft aufwärts führen und so breit sind, so reinlich und gut erhalten, daß sich sogar eine englische Parkanlage daran nicht zu schämen brauchte. Hier ist man davon überrascht, entzückt, geblendet. Die Kronen der hohen Bäume, durch welche der Weg führt, neigen sich oben gegen einander und bilden einen dichten Laubgang, der die heiße Sonne abhält, und der bevölkert ist mit einer Menge lustig singender Vögel. Zu beiden Seiten an den Stämmen vorbei ziehen sich Rosenhecken hin, die jetzt schon so früh im Jahre mit Laub bedeckt waren und aufspringende Knospen zeigten. Rechts und links von der Straße sind die Partieen waldartig gehalten, mit niedern Sträuchen und Gras bedeckt, und heute sahen wir ganze Strecken blauer Veilchen, die einen wunderbaren Duft aushauchten. Der ganze Berg ist überreich an Quellen, die überall hervorquillen und sprudeln und die Vegetation angenehm befeuchten, wozu die Menschenhand hier nachhalf. Zu unserer Rechten strömt das Wasser an einem kleinen Abhange hervor, wird von einer Steinschale aufgefaßt, übersprudelt diese wieder von allen Seiten, um sich dann wieder als Bächlein zusammenzufinden, das eine Zeitlang willkürlich hin und her zu fließen scheint, bis es sich endlich weiter unten in eine Rinne zwängen muß, die es an den Stamm durstiger Bäume hinleitet. Zu unserer Linken, wo der Weg eine Biegung macht und so ein kleiner Platz entsteht, erhebt sich ein Springbrunnen mit zierlichen Becken von weißem Marmor, über welche das Wasser in einem dicken Strahl hoch hinauf springt, dann im Herabstürzen die verschiedenen Schalen füllt und mit melodischem Plätschern von einer zur andern niederfällt. Hier haben wir eine natürliche Bodenvertiefung mit zu- und abfließendem Wasser, dort an der Mauer, welche röthlich durch die grünen Zweige schimmert, bricht es hervor aus weiten Kupferröhren und ergießt sich in einen zierlichen maurischen Steinbehälter, der aus Einem Stücke gehauen ist. Man kann nicht glücklicher sein, als so beim Beginn des schönen Frühlings zur Alhambra hinaufzusteigen. Dieser Morgen ist mir unvergeßlich mit seinem Blüthenduft, mit den smaragdglänzenden, eben sich entfaltenden Blättern der Bäume, mit dem strahlenden Himmel und der Sonnenlichtmasse, welche durch die jetzt noch nicht dichtbelaubten Zweige hie und da zu dringen vermag und zitternde leuchtende Punkte auf den Boden niederwirft; im grauen Sande goldene Flecken, auf denen wir glänzende Käfer emsig dahin ziehen sehen, bei dem Fächeln einer wunderbar lauen Luft und bei dem Rauschen der unzähligen Quellen, die alles das hier noch in ehemaligem Glanze und Pracht gesehen, und die gewiß so schön zu erzählen wüßten von den tapfern Rittern und den schönen Maurinnen.

Nach einigen Windungen des Weges, den wir träumend und erwartungsvoll zurückgelegt, und nachdem wir an einem großen an die Terrassemauer angelehnten, auch von Karl V. herrührenden monumentalen Brunnen von großem Wasserreichthum vorbeigekommen, bleiben wir endlich staunend stehen, denn wir haben das Hauptthor der Alhambra vor uns, das wir in Zeichnungen und Bildern gesehen in einer früheren Zeit, wo wir noch nicht an das Glück dachten, unter diesem Thorbogen dahinschreiten zu können. Am Abhang des grünen Berges, rechts angebaut an eine mächtige Terrassemauer erhebt sich die gewaltige viereckige Masse, das Thor des Gerichts Arco de justicia, mit der kühnen Wölbung seiner Halle in hufeisenförmigem Bogen, über dem eine zierliche lange Inschrift besagt, daß der Thurm durch den Maurenkönig Jussuf Abulhagehg im Jahre 749 der Hegira erbaut wurde. Auf dem Schlußstein des Thorbogens befindet sich eine Hand, oben drüber im Schlußstein des wagrechten Bogens das Abbild eines Schlüssels, welcher für den Muselmann symbolisch die Eröffnung des Himmelreiches bedeutet. Unter dem Thurme des Gerichtes pflegte nach alter orientalischer Sitte der Kadi oder auch der König selbst Recht und Urtheil zu sprechen. Indem wir unter seinem dunkeln, kühlen Gewölbe dahin gingen, war es ordentlich rührend für mich, an der Wand eine Einrichtung zum Aufstellen der Lanzen zu sehen, die noch so gut erhalten war, als sei sie erst gestern benützt worden. Vom Thore des Gerichts führt der Weg eine Strecke zwischen hohen ausgezackten Mauern dahin und bald erreichten wir das zweite Thor im sogenannten Weinthurme Torre del vino; doch ist sein Gewölbe verschlossen und da die Straße neben ihm vorbeiführt, so steht er wie verlassen auf der Seite. Die Wölbung seines Thorbogens, wunderschön von einem reich ornirten einrahmenden Viereck umschlossen, ist ebenfalls mit zierlichen Sculpturen und Inschriften bedeckt; auch sind die ganzen Verhältnisse dieses Baues so graziös, wie man nur etwas sehen kann. Oben in dem Thurme scheint sich eine spanische Familie eingenistet zu haben, denn unter dem arabischen, durch eine kleine Säule gespaltenen zierlichen Doppelfenster bemerkten wir ein paar neue Blumentöpfe mit blühenden Geranien, sowie das reizende Gesicht eines schönen Mädchens, das behaglich an der Brüstung lehnte und uns ruhig mit ihren großen glänzenden Augen ansah; das war in dem dunkeln, halbverfallenen Gemäuer eine recht angenehme Erscheinung.

Wir haben jetzt die Höhe des Berges erreicht und zugleich eine große Esplanade, den Platz der Algiven; man könnte ihn mit dem Schloßhof einer weitläufigen Ruine des Nordens vergleichen; gerade vor uns ist eine niedere zertrümmerte Brustwehr, von welcher hinab man auf den Albaycin blickt, der tief unten am Abhang liegt, durch die malerische Darroschlucht getrennt. Links an dem ziemlich öden Platze erheben sich, beinahe von keinem Fenster durchbrochen, die schweren stumpfen Massen der torre quebrada und del Hommage mit einer kleinen in der uns zunächst liegenden Ecke angebrachten Eingangsthür, durch die man zu den Vorwerken und der torre de la Vela gelangt; hinter uns erheben sich jenseits des Thals die rothen Thürme; neben dem Weinthore, bei dem wir stehen, geht es eine breite Straße hinauf, an der hie und da ein kleines Haus liegt; das Ende derselben ist geschlossen mit der Pfarrkirche und deren durchbrochenem Glockenthurm. Rechts von uns aber erhebt sich der riesenhafte unvollendete Palast Karls V. in seinen für die damalige Zeit staunenswerthen Verhältnissen.

Man sagt, Karl V., dem Granada, namentlich aber die Aussicht hier oben vom Berg der Alhambra außerordentlich lieb gewesen sei, habe diesen Palast zu einer Residenz für sich erbauen wollen; eine andere Ansicht ist die, der stolze Kaiser und König habe damit ein Werk herstellen wollen, bestimmt, die Wunder der Alhambra zu verdunkeln; wie dem auch sei, wir wären dankbar, wenn dieser Bauplan gar nicht zur Ausführung gekommen wäre, der nur mit Aufopferung eines großen Theils der alten arabischen Konstruktionen ermöglicht werden konnte, und jetzt durch etwas, wenn auch an sich sehr Prächtiges, aber doch völlig Fremdartiges, die kostbare Schöpfung der alten Mauren herrisch beengt und den wohlthuenden Einklang der Bauart zernichtet.

Dieser Palast, dessen Bau Beruguete leitete, besteht aus zwei gewaltigen, in gelbem Stein ausgeführten Stockwerken über einander, von wohlgelungenen Proportionen, die Einfassungen der Thore und Fenster sind, so wie die beiden Hauptgesimse, die die Stockwerke abschließen, schön und kräftig profilirt, die Haupteingänge durch gekuppelte cannelirte Säulen ausgezeichnet, an deren Postamenten der Schmuck sehr lebendig componirter und schön gehauener Reliefe, Kämpfe zwischen christlichen Rittern und Mauren darstellend, mit Geschick angebracht ist. Der Palast ist so lang als breit, die Zimmer und Säle erstrecken sich längs der Façaden, und die Verbindung der einzelnen Räume unter einander wird durch doppelt über einander gestellte Colonnaden vermittelt, welche den in der Mitte liegenden kreisförmigen Hof umgeben, der groß genug wäre, einem Kampfspiel oder Stiergefecht zu dienen. Die Treppen liegen in den Ecken, die zwischen dem Kreis und dem umschriebenen Quadrat übrig bleiben. Das Ganze gewährt von Innen und Außen einen majestätischen Eindruck, aber gleichsam wie wenn der altehrwürdige Bau der Alhambra hätte eine Genugthuung empfangen sollen, wurde das Werk Karl V. nicht vollendet, das Ganze liegt in traurigem Verfalle, der Fußboden im Innern ist mit Schutt bedeckt, von den Säulen sind schon viele verletzt, manche der Balustraden zertrümmert und oben auf den Zinnen des unfertigen Gebäudes, das nie ein Dach gehabt, wachsen Pflanzen und kleine Bäume, und dort haben die Vögel des Himmels freien Zutritt.

Aber wo ist die Alhambra, der Mährchenpalast, den zu sehen wir unsere Erwartung kaum zügeln können? Auf dem Platze, von dem ich eben sprach, ist nur das zu sehen, was ich erwähnt; doch richtig, dort hinten noch etwas. An die kolossalen Wände des kaiserlichen Palastes lehnt sich eine Mauer, bescheiden vom Platz zurücktretend, und so einen dunkeln Winkel bildend, in dessen Hintergrund sich ein mäßig großes Thor befindet, der Eingang zur Alhambra. Wer sich vom Schlosse der maurischen Könige zuvor ein Bild gemacht, und dabei seine Phantasie von dem Ausdruck Palast und von Erinnerungen an orientalische Mährchen oder Beschreibungen hinreißen ließ, findet sich hier sehr enttäuscht; wer aber, wie ich, die Wunder der Stadt Damaskus gesehen, mit ihren fabelhaft prachtvollen Häusern, die aber an der Straße nur eine zerfallene Lehmwand mit schlechtem Thore und schießschartenähnlichen Fenstern haben, der konnte schon geduldig, wenn gleich mit klopfendem Herzen warten, bis sich die Thür in der Mauer vor uns geöffnet. Befinden wir uns ja nicht vor einem Tempel oder Palast der Griechen, Römer oder Egypter, die ihre Bauwerke mit auf äußeren Effect berechneten. Hier aber sind wir auf einem orientalischen Schlosse, das seine Wunder hinter festen Thürmen und hohen Mauern verbirgt, denn der müßige Spaziergänger will sich ja nicht daran erfreuen, nur er, der Besitzer, ruhend an den murmelnden Wassern seines Feenhofes unter kühlen Säulengängen und duftenden Orangen.

Die Thür öffnet sich langsam und wir treten ein. Was wir aber hier sehen, können Worte nicht schildern. Kann man ja auch nicht die wunderbaren Klänge der Musik beschreiben, oder vielmehr nicht ihre Wirkung, nachdem sie uns im Innersten ergriffen und gerührt. So auch hier. Gewöhnlich wird eine gespannte Erwartung nicht befriedigt; aber hier in der Alhambra wird sie übertroffen. Das Thor hat sich hinter uns wieder geschlossen, tiefe Stille umgibt uns und wir befinden uns in einer andern, einer Mährchenwelt. So muß es den fahrenden Rittern zu Muthe gewesen sein, die sich kämpfend und siegend durch alle Hindernisse durchschlugen und jetzt endlich das Feenschloß erreichten, in dessen Räumen das kostbare Gut zu finden ist, dem sie nachgestrebt. – Das Schwert entsinkt ihrer Hand, sie können nur staunen und bewundern.

Wir befinden uns nach Durchschreitung eines dunkeln Vestibüles in einem Hofe, den die Mauren Mesuar nannten, jetzt aber heißt er de los Arrayjanes, Hof der Myrthen, oder Patio de la Alberca, der Hof des Teiches; vor uns haben wir ein etwas über hundertzwanzig Fuß langes und etwa dreißig Fuß breites marmornes in den Fußboden eingelassenes Becken, der Länge nach auf beiden Seiten bekleidet mit Rosenhecken und Gesträuch; der Teich ist mit klarem Wasser gefüllt, das von Goldfischen belebt ist, und die rings um die Pflanzenbeete herlaufenden Gänge sind mit breiten Platten von weißem Marmor belegt. Zu unserer Rechten, sowie zu unserer Linken befinden sich an den schmalen Seiten des Hofs zwei offene Hallen von je sieben Bogen und von schlanken Marmorsäulen getragen, die Bogen sind im Halbkreis geschlossen und die filigranartigen in Stuck ausgeführte Ornamente über und an den Bogen sind noch vortrefflich erhalten, die Decken der hinter diesen Bogen hinlaufenden Hallen glänzen uns in ihrer Farbenpracht und in ihren wunderbaren Arabesken wie ein geöffnetes Schatzkästlein entgegen; das leuchtet und strahlt durch einander, und das Auge ist lange nicht im Stande, irgend etwas mit gehöriger Ruhe zu betrachten. Alles ist mit Skulpturen bedeckt, die in Roth, Blau, Gelb und Grün gemalt sind, vom Fußboden bis zur Höhe der Lambris erheben sich glänzende Fayenceplatten, Azulejos, das Ganze mit einem Netze der phantastischsten Fäden überziehend, welche bald die wunderbarsten Arabesken darstellen, bald in zierlichen Buchstaben arabische Sprüche. Hier im Hofe des Teichs findet man häufig den Spruch: »Và le ghalibile Allah,« Gott allein ist Sieger; der Wahlspruch von Aben-Hamar, den er seinem Volke entgegenrief, wenn sie ihn Ghalib, Sieger, nannten. Man findet ihn unzählige Male, meistens auf Fayenceplatten, die einen blauen Balken im silbernen Felde zeigen. Die beiden Langwände, die diesen Hof umschließen, von gleicher Höhe wie die Bogenstellung der Hallen, sind nur von wenigen Thüren und kleinen darüber angebrachten Fenstern, die das obere Stockwerk beleuchten, durchbrochen und machen einen sehr wohlthätigen ruhigen Eindruck, aber jede dieser einzelnen Öffnungen ist in so wunderlieblicher Weise durch die sie umgebenden ornamentirten Rahmen eingefaßt, und wird durch die über den Marmorboden hinlaufenden Lambris von bunten Fayenceplatten mit den andern verbunden, daß sie das innigste Wohlgefallen erwecken. Nachdem wir uns in der bei unserem Eintritt zu unserer Linken gelegenen Bogenhalle sattsam umgesehen, uns in den an ihren beiden Enden angebrachten, mit den zierlichsten Azulejos ausgetäfelten Nischen niedergelassen, erkennen wir erst den neuen Reiz der an den Palast Karl V. angelehnten gegenüberliegenden Seite, die sich in entzückender Weise in dem Wasserbecken abspiegelt, und die auf der untern Bogenreihe noch ein kleines Halbstockwerk, und darüber eine zweite Reihe von Arcaden, den untern ähnlich trägt, und so das schwerfällige Nachbargebäude verdeckt. Ein sehr feines Gefühl ließ die Araber den mittlern untern Bogen diesseits und jenseits größer als die übrigen machen, um dem springenden Strahl aus der im Boden senkrecht je unter dem Mittelbogen befindlichen Schale Platz zu geben und die Übersicht über den Hof, unter der Thüre, die in den anstoßenden Raum führt, noch freier und unbeengter zu gewähren.

Dieses hinter den Arcaden liegende lange und schmale Gemach, parallel mit der Halle laufend und von gleicher Länge, Sala de la Harca oder Halle des Segens genannt, dient als Vorzimmer zum Saal der Gesandten. Rechts und links in der Mauer vor der Eingangsthür befinden sich kleine Nischen, wo diejenigen, welche vor den König traten, ihre Pantoffeln ablegten. Eigenthümlich ist eine Inschrift, die sich hier befindet, und die von dem Hofe und Saale sprechend, in Versen sagt: »Wenn Du meine Schönheit anschaust, ohne Beziehung auf Gott, so muß ich Dir sagen, daß es eine große Thorheit ist, Deine Bewunderung nicht zu Gott zu erheben, der Dir den Tod geben kann. Und wer diese kunstreiche Arbeit betrachtet, von ihrer Schönheit angezogen, der lege zu seinem Schutze und damit er gesund bleibe, die fünf Finger seiner Hand zusammen.« Es ist dieß der Schutz gegen das böse Auge, das Gettatore, dessen sich auch heute noch die Italiener bedienen.

Eine wunderschöne Holzdecke, fast noch mannigfaltiger in der Verschlingung der einzelnen Formen als diejenigen der hinter uns liegenden Bogenhalle zieht sich über die Sala de la barca hin, aus den glatten Deckenflächen wölben sich einzelne Kuppeln heraus, und die nahe an beiden schmalen Enden quer über den Raum gesprengten Querbogen vermählen sich mit dem Deckenwerk in der reizendsten Weise; die Azulejos der Lambris, die Stuckbekleidung der Wandungen, die liebliche Harmonie der Färbung, die herrliche Arbeit der Thürflügel in tausendfältiger Verschlingung sternförmiger Grundformen steigern die Erwartung auf den Raum, zu dem wir hier nur gleichsam das Vestibüle sehen, und in der That ist der nun folgende Saal der Gesandten, Sala de los embajadores, ein Prachtwerk, auf welches das bisher Gesehene nur annähernd vorbereitete.

Auf der Verlängerung der Mittellinie des Myrthenhofs gelegen und von drei Seiten frei als einer der Festungsthürme vor den anderen Gebäuden hervortretend, ist dieser Thurm »des Comares« eine von außen schwerfällige krenelirte Masse; die schon beim Eintritt in den Myrthenhof zu unserer Linken hoch die übrigen Gebäude überragte, die unscheinbare Hülle eines kostbaren Inhalts. Im Gegensatz zu den in die Breite gestreckten Verhältnissen des Myrthenhofs und der Halle der Segnung, hat der Saal der Gesandten durch seine hoch aufstrebende schlanke Proportion eine imponirende Majestät erlangt und beweist die Feinheit des Verständnisses, die diese glückliche Steigerung herbeiführte. Dieser Prachtsaal, in dem die fremden Gesandten empfangen wurden, so lang als breit, und bis zur Gewölbspitze fast zweimal so hoch, ist von sehr dicken Mauern umschlossen, und in jeder der nach außen gekehrten Wände von drei Bogenöffnungen in der Höhe des Fußbodens durchbrochen, die so gleichsam besondere Kabinete bilden, von denen die mittleren je durch eine in der äußern Mauerfläche stehende feine Marmorsäule in zwei Theile gespalten ist; höher oben unter dem Kuppelanfang dringt in jeder Wand durch eine Reihe von je fünf kleinen Bogenfensterchen noch weiteres Licht in den auf diese Weise geheimnißvoll erhellten Raum. Dieser Saal, der größte bedeckte Raum der Alhambra, ist von einer ans Wunderbare gränzenden Ausschmückung, jede Erwartung, die man sich von dieser eigenthümlichen Schöpfung machen kann, übertreffend, seine Wände haben bis zur Höhe von etwa vier Fuß eine ringsumlaufende Lambris von glänzenden Azulejos mit blauen und grünen Verzierungen, Rosetten, Sterne und phantastische Blumen darstellend; darüber ist die ganze Wand mit erhaben gearbeiteten Arabesken bedeckt, die vermittelst einer Form aus dem weichen Gyps gedrückt und dann hellblau mit rothem Grunde gemalt wurden, über welche Vergoldungen rings umher ein phantastisches Netzwerk bilden. Arabesken im gewöhnlichen Sinne sind die Verzierungen in der Alhambra eigentlich nicht, denn sie bilden keine größeren zusammenhängenden Gegenstände, auch keine Blumen, Blätter oder Thiere, obgleich eine Andeutung an das vaterländische Lotosblatt sehr vielgestaltig und häufig vorkommt. Es ist, wie schon gesagt, ein Netzwerk von bunten Farben und Gold, deren einzelne Fäden oder Ranken das Auge fast unmöglich verfolgen kann, in den eigensinnigsten Windungen springen sie hierhin und dorthin hinab, verschlingen und durchkreuzen sich, scheinbar im Chaos, das aber in gewissen Gränzen wieder die wunderbarste Symmetrie zeigt. Diese Verzierungen wiederholen sich an allen Wänden, nur über Fenstern und Thüren befinden sich breite Ränder mit andern Mustern, die hier eine Menge von Inschriften enthalten, welche einen Theil der Verzierung ausmachen, indem sie oft durch die Verschlingung der einzelnen Fäden gebildet sind. Der in polygonischen Abschnitten kuppelförmig gewölbte Plafond zeigt Boiserieen von prachtvoller Arbeit, welche Sterne und Achtecke in schönster Symmetrie bilden; wo sich das Gewölbe an die Wände anschließt, bildet es Steinfestons mit herabhängenden Bögchen, Zapfen vorstellend, die aus den Höhlungen herabtropfen und wie Versteinerungen erscheinen. Wunderlieblich ist von der dem Eingang gegenüberliegenden Fensternische die Aussicht auf die Stadt mit ihrer Ebene, auf das Thal des Darro und ins Gebirge hinein, aber nicht minder reizend der Rückblick durch die beiden herrlichen Thüröffnungen hindurch nach dem Saal der Segnung, durch die davor liegende Halle, und über den glänzenden Wasserspiegel des Myrthenhofs hinweg nach dem jenseitigen fernen Bogengang.

Nach längerem Verweilen kehrten wir wieder zu diesem Bogengang zurück, und von dort aus betraten wir das Allerheiligste der Alhambra, den Löwenhof, und waren wir vorher schon erstaunt und überrascht, so blieben wir bei diesem Anblick mit einem Ausrufe der Bewunderung auf der Schwelle stehen. Es gibt nichts Reizenderes und Zierlicheres in der ganzen Welt, als den Patio de los leones; früher war es ein Garten voll blühender Gebüsche, Rosen, Oleander und Jasmin, jetzt steht er verödet und die Gewächse sind verdorrt; seine Längenaxe bildet einen rechten Winkel mit der des Myrthenhofs, und er umfaßt ein Viereck von hundert Fuß in der Länge und sechsundfünfzig in der Breite; zweiundachtzig schlanke weiße Marmorsäulen tragen einen bedeckten Bogengang, der rings umherläuft, und sich in der Mitte einer jeden der beiden schmalen Seiten zu einem viereckigen Pavillon erweitert, der in den Hof vorspringt. Wir sind in der Mitte der schmalen Seite eingetreten, rechts und links von uns erstreckt sich die diesseitige Arkadenhalle, in deren Fußboden drei runde Wasserbecken eingelassen sind, und wir überblicken den sonnigen Hof durch den uns zunächst gelegenen Pavillon, den zweiundzwanzig der eben genannten Säulen im Quadrat umgeben, und der wieder ein rundes Wasserbecken im Fußboden umfaßt; gerade aus fällt der Blick auf den in der Mitte stehenden Löwenbrunnen, links überragt die achteckige Kuppel des Schwesternsaals, rechts die Erhöhung vom Saal der Abencerragen, die in zierlicher perspektivischer Flucht sich verlierenden Bogengänge der beiden Langseiten, und gegenüber öffnen sich die Bogen des Gerichtssaals gegen den Hof, der in diesem magischen dunklen Rahmen gefaßt ein in der That einziger Anblick ist. Die Säulen des Hofs sind glatt und stehen alternirend paarweise und einzeln, mit Ausnahme der Ecken, sowohl des Hofes als der Pavillons, wo sich drei oder auch vier gekuppelt befinden. Alle Capitäle derselben sind verschieden, aber eins immer zierlicher als das andere; die einzelnen Bogen sind über den Säulen getrennt durch senkrechte Friese, die, von ungleicher Breite, je nachdem die Säulen darunter einzeln oder paarweise gestellt sind, ziemlich hoch über die Bogenrundung hinauf reichen und einen eckigen Rahmen darum her bilden, der in Verbindung mit einem prachtvoll verzierten Band, das rings um den Hof herumlaufend, oben die aufsteigende Friese unter sich verbindet, das über jedem Bogen verbleibende, aufs Zierlichste durchbrochene Oberfeld nur noch eleganter erscheinen läßt, und durch das kunstvoll geschnitzte Hauptgesimse der ganzen Bogenreihe einen unvergleichlich schönen und edlen Abschluß verleiht. An den beiden Pavillons ist bei Überspannung der Säulenweiten die Form des Halbkreisbogens verlassen und stoßen die über den Säulen allmählich sich erbreiternden Massen in zwei gegen einander geneigten Linien zusammen, so daß die Bogenflächen gleichsam vom Gesimse herabzuhängen und nur leicht auf den Säulen zu ruhen scheinen. Da sie aufs Kunstreichste durchflochten sind, so daß man überall Tageslicht und Sonne durchflimmern sieht, so kann man sie mit kostbaren Spitzengeweben vergleichen, mit denen Hof und Säulen reich drapirt sind. Betrachtet man den Rand eines solchen Bogens genau, so muß man gestehen, daß man nichts Schöneres sehen kann, und daß es fast unmöglich ist, eine Beschreibung davon zu machen. Man könnte sagen, die unzähligen Höhlungen, mit welchen er durchbrochen ist, erscheinen uns wie die Zellengewebe der Bienen. Obgleich die Vertiefungen, die so gebildet werden, willkürlich durcheinander geworfen zu sein scheinen, so geben sie doch wieder ein festes System, haben dagegen, flüchtig betrachtet, ganz das Ansehen von Stalaktiten in Tropfsteinhöhlen. Die übrigen Bogen bilden nicht die vollständige nach unten einwärts gekrümmte Hufeisenform, sind vielmehr verhältnißmäßig zur Höhe etwas schmal, doch ist das Alles mit einem solchen Verständniß für Eleganz und Zierlichkeit ausgeführt, und paßt so harmonisch zusammen, daß hier auch gar nichts anders gestaltet sein dürfte. Die Decke des Säulenganges besteht aus kostbarer, eingelegter und reich bemalter Holzarbeit, wie die im Saale der Gesandten. Von den ehemaligen bunten und glänzenden Dachfliesen ist nichts mehr vorhanden und die Gebäude sind mit gewöhnlichen Ziegeln bedeckt. Wie muß dieser Anblick gewesen sein in jener Zeit, da die Alhambra noch vollkommen erhalten und bewohnt war, wo der so feenhaft umschlossene Garten selbst in dem höchsten Blumenschmucke prangte! Was wir überhaupt heute noch davon sehen, ist nur der Sommeraufenthalt der maurischen Könige; der Winterpalast befand sich da, wo jetzt das Schloß Karls V. steht.

In der Mitte des Patio de los leones befindet sich auf der Kreuzung der beiden Mittellinien der berühmte Löwenbrunnen; zwei übereinander stehende Marmorschalen, wovon die vieleckige große untere, deren Rand mit Inschriften bedeckt ist, durch zwölf sehr roh gearbeitete Löwen getragen wird, denen man eigentlich nur durch die Mähnen ansieht, was sie vorstellen sollen. Da die Proportion dieser beiden Schalen und alle übrigen Verhältnisse so schön und richtig abgewogen sind, so ist das Zerrbild der Löwen durch den Mangel an Übung der Nachbildung lebender Wesen, welche den Orientalen eigentlich verboten war, zu entschuldigen. Jetzt steht dieser Brunnen staubig und trocken, ehemals sandte er einen reichen Wasserstrahl hoch über die Dächer hinaus, sowie dieses auch aus den Rachen der zwölf Thiere hervorsprudelte, und das herabstürzende Wasser lief aus der Marmorschale in Rinnen, die sich heute noch am Fußboden befinden, welche den klaren Quell durch den ganzen Garten und die anstoßenden Gemächer führten, den Pflanzen Nahrung bringend, den Menschen Kühle und Frische.

Da wir vom Myrthenhofe hereingetreten sind, haben wir auf der linken Seite im Patio de los leones den Saal der zwei Schwestern, de las dos hermanas, der seinen Namen hat von zwei gleichen Marmorplatten von ausgezeichneter Größe und Weiße, die in den Fußboden eingelassen sind. Dieser Saal, durch einen schmalen Vorraum etwas abgerückt von der Kolonnade des Löwenhofs und um einige Stufen gegen dieselbe erhöht, ist ein Gemach von etwa fünfundzwanzig auf dreißig Fuß mit zwei sich gegen dasselbe in weiten Bogen öffnenden dunkeln Seitenkabineten, an deren schmalen Enden besondere Stücke, unverkennbar für Bettnischen abgeschnitten sind. Rückwärts dem Saaleingang gegenüber öffnet sich ein vierter Bogen als Zutritt zu einem Corridor, der so lang ist als der Saal und die beiden Kabinete zusammen, und über den an seiner langen Außenwand als Schluß dieser, mit dem Myrthenhof parallelen Enfilade ein kleiner Erker, das Kabinet der Infanten genannt, nach außen frei hervorragt.

Die Mitte des Fußbodens zwischen »den beiden Schwestern« nimmt wieder ein rundes Wasserbecken ein, dessen Überfluß nach dem Löwenbrunnen abwärts läuft. Die Anlage dieses Appartments, obwohl von außerordentlicher Einfachheit, hat einen unsagbaren Reiz; die drei aufeinanderfolgenden Räume sind von ausnehmender Schlankheit und einer unbeschreiblichen Eleganz des Details; von unten herauf ist der Saal mit Azulejos getäfelt, die obern neben den vier Bogenthüren übrig bleibenden quadratischen Felder jeder Wand von den originellsten Dessins und äußerst harmonisch gefärbt, höher hinauf übergeht der Raum nach und nach ins Achteck und sind die Ecken durch zierliche an der Wand klebende Marmorsäulchen gefaßt; ein breiter Fries zieht sich rings unter den obern kleineren Fensterchen umher, deren sechszehn wieder durch ganz feine Säulchen getrennt ein träumerisches Licht in das Innere ergießen, und der aus einer Menge kleiner Kuppelnischen der verschiedensten Gestalt, bestehend in tausend abwechselnden Bienenzellenformen der Spitze zustrebende Deckenwölbung eben so viel Licht zuführen um den Beschauer einzuladen diese fabelhaften Durchdringungen der mannigfachen Formen mit dem Auge zu verfolgen und zu enträthseln, um ihn recht die Unmöglichkeit seines Beginnens fühlen zu lassen. In gleicher Zierlichkeit und Feine strahlen die anstoßenden Gemächer, der Corridor und das Kabinet der Infanten sich wechselsweise an Reiz der Erfindung überbietend. Zahlreiche Inschriften bedecken überall die Wände. Fast alle ermahnen zur Anbetung Gottes und zum Lobe des Propheten. Eine größere in Versen preist in der erhabenen und glühenden arabischen Ausdrucksweise die Schönheit des Löwenhofes:

»Ein Garten bin ich der Wonne, zusammengesetzt aus allen Schönheiten. Anmuth und Zierlichkeit sind in mir niedergelegt. Kein Werk mag neben mir bestehen und der Blick sagt dir, wie vielfach meine Schönheiten sind; ein ruhiges Gemüth wird nirgends erquickendere Kühle finden, als bei mir. Ich enthalte ein kostbares Gemach, dessen Anfang und Ende sehr rein ist. Das Zeichen der Zwillinge allein deutet die schöne Verzweigung meiner Zierrathen, welche ihnen ein Scheindasein gibt, sehr ähnlich der Wirklichkeit. Auch der Mond am Himmel muß mir weichen, weßhalb schöne Frauen zu meinem Reiche gehören mögen. Wenn die Sonne in ihrem Laufe ruhete, so wäre es nicht zu verwundern, denn sie hält sich auf, um meine Klarheit zu sehen; da ich, ein Gemach, den Himmel verdunkle und alles Schöne von mir Dasein erlangen könnte. Und wer mich recht ansieht, der wird mich betrachten mit der Ruhe und Sorgfalt, die ich verdiene. Die Kreise des Himmels scheinen neben mir verdunkelt und mit Wolken bedeckt. Ich entfalte auch weiße Säulen von großem Werthe, ihre Gestalt ist schlank und frei, und der Schatten, den sie geben, ist gleich einem hellen Strahl, und an ihnen sind Perlen ohne Gleichen. Und wer sie errichtet hat, kann sich über alle erheben. Unvergleichlich ist ihre Pracht und ihr Leben, und Niemand vermag ihren Preis zu nennen. Und wenn die untergehende Sonne ihre Strahlen ausbreitet und dieses Gemach trifft, entsteht ein Glanz ohne Gleichen, dem du weder an Form, noch an Farbe etwas vergleichen kannst. Was mir aber meinen größten Werth gibt, ist der Glaube, der in mir sich in seinem vollsten Glanze zeigt und in ihm vereinigen sich alle meine Schönheiten.«

Von dem Saal der zwei Schwestern gehen wir durch den Bogengang des Hofes nach dem Hintergrunde desselben in den Saal des Gerichtes. Rechts und links von dem Säulenpavillon, der vor ihm in der Mitte liegt, sowie gegen diesen selbst öffnet sich der Saal mit drei großen Bogenportalen gegen den Löwenhof; jedes derselben ist aber an und für sich durch zwei freistehende Marmorsäulen wieder zu drei kleineren Arkaden abgetheilt, vor deren mittleren jedesmal ein rundes Wasserbecken den Fußboden der Bogenhalle unterbricht. Der Saal ist neunzig Fuß lang und sechszehn breit, also mehr eine Gallerie als ein Saal; den drei Portalen, die ihm allein Licht zuführen, entsprechen jedoch an seiner Rückwand drei große Nischen oder Divans, die ihn auf fünfundzwanzig Fuß erbreitern. Sechs prachtvolle Querbogen sind von der vordern nach der Rückwand gesprengt und über denselben wölben sich drei hohe Kuppeln, wetteifernd an Zierlichkeit mit der des Schwesternsaals. Es ist leicht zu erachten, welchen reichen Anblick sein Inneres durch diese vieltheilige Disposition gewähren und wie poetisch der dämmerige Raum den Bewohner stimmen muß.

In den Divans sind, abweichend von der übrigen Verzierungsweise die Deckengewölbe mit bildlichen Darstellungen auf Goldgrund geschmückt; die an den Enden etwas abgelöste Bildfläche zeigt, daß die Gemälde auf Leder aufgetragen sind und die mittlere Darstellung einer Versammlung von zehn bewaffneten Greisen in zwei sich gegenüberstehenden Gruppen, worin man eine Rathsversammlung erblickte, hat dem Saal den Namen sala del Tribunal verliehen; die Bilder in den beiden anderen Nischengewölben stellen Jagden und Kämpfe dar und trage ich nach der ganzen Behandlungsweise kein Bedenken, die Bilder für ächt arabisch zu halten.

Gegenüber dem Saal der beiden Schwestern befindet sich nun der Saal der Abencerragen, den wir zuletzt betreten. Eine in der schon beschriebenen Form reich geschmückte Bogenthüre führt wie jenseits zuerst in ein sehr schmales Vorzimmer, gegen das der Saal um etwas erhöht ist. Er ist länglicht und sind von demselben zu beiden Seiten durch zwei Bogenwände, die je auf einer freistehenden Marmorsäule ruhen, zwei Alkoven abgeschnitten, so daß der Mittelraum wieder ins Quadrat gerückt wird. Ein breiter reicher Fries läuft an allen Seiten darüber hin und von dort nimmt durch bienenzellenartige Übergänge höher und höher hinauf der Saal die Grundform eines vieleckigen Sternes an, in jeder Seite von einem kleinen, halbrund geschlossenen Luftfenster durchbrochen; die spitzig nach oben darüber zusammenlaufende Decke, den ein- und ausspringenden Winkeln des Sternes folgend, ist eine so staunenswerthe Combination, daß alle Beschreibung unzureichend wird. Durch und durch reizend und aller Schwere beraubt, baut diese luftige Architektur sich bei jedem veränderten Standpunkt kaleidoscopartig zu immer neuen überraschenden Effecten in wirklich den Beschauer verwirrender Weise zusammen.

Hier hat man eine der wunderbaren Wände, nach dem Vorbild einiger noch fast ganz wohlerhaltene Stellen, wiederhergestellt, indem man Farben und Vergoldung auffrischte, und sieht nun deutlicher, wie überaus reizend diese unendlich verschlungenen arabischen Dessins gewesen sind. Die Herzogin von Montpensier, welche in Sevilla wohnt, gibt jedes Jahr eine bedeutende Summe zur Herstellung der Alhambra, und diese rühmenswerthe Munificenz hat die Behörden von Granada in den Stand gesetzt, Bedeutendes für die Unterhaltung, ja Wiederinstandsetzung der Alhambra zu thun.

Auch an den Gallerieen des Löwenhofs ist man beschäftigt, die Stukkatur-Arbeiten zu erneuern, zu welchem Zweck man von den alten Verzierungen neue und sehr genaue Formen gemacht hat, in welche die weiche Gypsmasse gegossen wird und so die neuen Arabesken den alten vollkommen ähnlich werden. Um den Löwenhof aber vollständig zu restauriren, brauchte man ziemlich bedeutende Mittel, denn von den Säulen sind manche aus ihrer ehemaligen Lage gewichen und einige der prachtvollen, durchbrochenen Bögen mußten durch starke Eisenstangen befestigt und so vor dem Zusammenstürzen bewahrt werden. Da während unseres Besuches auf der Alhambra gerade an den neuen Wandverzierungen gearbeitet wurde, so gelang es uns, freilich zu ziemlich theuren Preisen, von den alten herabgenommenen ein paar Stücke zu erlangen, die wir als kostbare Andenken mit uns nahmen.

Nahezu in der Mitte des Fußbodens des Saales der Abencerragen befindet sich nun die große Marmorschale, welche den blutigen Mittelpunkt jener romantischen Geschichte bildet, die unter den Lorbeergängen der Cypressen auf der Xeneralife entstanden und mit dem früher erwähnten Gotteskampfe auf der Vivarrambla, sowie mit dem Untergange Granadas endigte.

Es waren vier Zegri, welche, um den verhaßten Stamm der Abencerragen zu verderben, sich eines Tages zum Könige Boabdil begaben und ihm zuschworen, daß sie mit eigenen Augen gesehen, wie seine Gemahlin im Garten der Xeneralife mit dem Abencerragenritter Abin-Hamad eine Liebesnacht gefeiert. Dieß sei geschehen, gaben die Zegri an, bei einem nächtlichen Fest auf der Xeneralife, die Königin habe ihre Frauen verlassen und sich allein unter das Cypressendunkel begeben, wohin nun Abin-Hamad von einer andern Seite gekommen. Dort vernahmen wir, so reizten sie den schon wüthenden König, innige Seufzer und feurige Küsse, und als der Abencerrage nach einiger Zeit glühend vor Lust und Freude zurückkam, trug er auf seinem Kopf denselben Kranz von rothen Rosen, den die Königin früher in ihrer Hand gehalten. – Daß Boabdil auf diese Anklage sehr blutig und summarisch verfuhr, ist wohl begreiflich. Er entbot dreißig der edelsten Abencerragen-Ritter, worunter Abin-Hamad, der sein eigener Schwager war, in die Alhambra, und als sie im Myrthenhof versammelt waren, ließ er den Palast schließen und sie einzeln in den Saal treten, in welchem wir uns gerade befinden und wo am Boden die Marmorschale das Blut der ermordeten Abencerragen aufnahm, die niedergemetzelt wurden, so wie sie einzeln das Gemach betraten. Diesen Dreißig, die sich diensteifrig zuerst einstellten, sollten noch viele Andere folgen; doch: »Gott wollte es nicht,« erzählt der arabische Chronikenschreiber, »daß diese Grausamkeit weiter ginge, und es begab sich, daß der junge Edelknabe eines der Ritter, ohne daß es Jemand gewahr wurde, mit seinem Herrn hineinkam, und sah, wie sein Herr und die übrigen Ritter enthauptet wurden. In dem Augenblick, daß die Thür geöffnet ward, um einen andern zu rufen, schlüpfte der Edelknabe hinaus. Voller Angst um seinen Herrn weinend begegnete er bei der Quelle der Alhambra, wo noch jetzt die Pappeln stehen, den Rittern Malike Alabez, Abenamar und Sarrazino, die zur Alhambra hinaufstiegen, um den König zu sprechen; und sagte ihnen weinend und zitternd: ›Ach, ihr Herren Ritter, beim heiligen Allah gehet nicht weiter, wenn ihr nicht bösen Todes sterben wollt!‹ So wurde die blutige Justiz des Königs bekannt, und der größte Theil der Abencerragen konnte sich retten.

Daß man heute noch in dem weißen Marmor der Wasserschale am Boden röthliche Flecken und Streifen sieht, kann ich bezeugen, ohne aber behaupten zu können, ob es natürliche Flecken des Steins, oder Blutspuren sind. Unser Führer ben Saken und ebenso manche Reisende, die den Saal der Abencerragen besucht, sind der letztern Ansicht. Doch ist über diese ganze Sache schon so viel geschrieben und in Romanzen gesungen worden, daß man nicht weiß, wo die Gränze zwischen Wahrheit und Dichtung ist. Wollen doch spätere Bewohner der Alhambra nächtlicher Weile im hellen Mondlicht gespenstige Schatten im Löwenhof bemerkt haben, weiße, flatternde Gewänder, die aus dem Saal der Abencerragen zu fliehen schienen. Erzählte mir doch ein glaubwürdiger Bekannter, er habe längere Zeit auf der Alhambra gewohnt und in stillen Nächten oftmals ein leises Geflüster und seltsame Klagetöne gehört. Doch ist dieß leicht zu erklären; wenn das zierliche Durcheinander der unzähligen Säulen mit ihren schneeweißen Steinbroderien vom bleichen, zitternden Mondlichte beschienen ist, so kann sich eine erhitzte Phantasie bei diesen, im Halbdunkel unbestimmteren und darum noch wunderbareren Formen wohl gespenstige Vorstellungen machen.

Wenn man aber hier in diesem Feenhofe wandelt, so glaubt man unwillkürlich an alle Wunder, an alle diese poetisch schönen Geschichten, welche uns Chronikenschreiber und Romanzen erzählen. Ich habe da eine überaus glückliche Natur und es wird mir zu einem wahren Bedürfnisse, solche merkwürdige Stellen mit Gestalten und Sagen aus ehemaliger Zeit zu bevölkern, deßhalb glaube ich auch an das unverschuldete Unglück der schönen maurischen Königin, an die Rache Boabdils, an die dreißig ermordeten Abencerragen, an die Blutflecken im Marmorbassin, sogar an die nächtlich flüsternden und klagenden Stimmen im Löwenhofe und an die gespenstigen Schatten, welche dem Saal der Abencerragen entflattern. Ja, als wir jetzt wieder zurückkommen in den Saal des Komares, so bin ich fest überzeugt, daß es der Platz dort links am Fenster war, wo man die wunderbare Aussicht auf die Ebene hat, von dem die Romanze singt:

In dem Zimmer von Komares
Einst die schöne Galiane
Mit Geschicklichkeit und Mühe
Stickte einen reichen Ärmel,
Für den tapfern Sarrazino,
Welcher treibt für sie das Rohrspiel.
Solchen Werth hat dieser Ärmel,
Daß er keine Schätzung findet.

Übrigens sind wir der schönen Galiane zu Liebe nicht hieher zurückgekehrt, sondern vom Saal der Gesandten führt in der Dicke der Mauer eine Treppe zu einer hoch auf dessen Zinnen liegender, eine prachtvolle Aussicht gewährender Terrasse, eine andere geräumigere Treppe aber zu einer beiderseits freistehenden, von den christlichen Königen auf die Höhe der Festungsmauer angelegten Gallerie, deren Dach von arabischen Marmorsäulen getragen ist. Von hier hinab blicken wir in tiefe düstere Höfe, die sich noch ein Stockwerk unter dem Patio de los leones an der Umfassungsmauer befinden, aber auch in den hübschen Garten der schönen Maurin Lindaraja, der freilich sehr verwildert ist und nichts Gartenähnliches mehr hat. Bemerkenswerth ist hier nur eine geschuppte Brunnenschale von ganz außerordentlich schöner Arbeit. Unangenehm fällt dem Beschauer eine seitwärts liegende Fortsetzung dieser Gallerie auf, die von oben bis unten mit eisernen Stäben vergittert ist und zum Aufenthalt der tollen Johanna gedient haben soll, die hier bis zu ihrem Tode verwahrt wurde. Doch wollen wir alle trüben Gedanken an Wahnsinn und Kerker hinter uns lassen, denn wir haben einen der viereckigen Thürme erreicht, die sich kühn und trotzig aus der Schlucht erheben, in welcher tief unten der Darro braust. Auf diesem Thurme aber befindet sich einer der schönsten und wunderbarsten Punkte der Alhambra, ein kleiner, viereckiger, ganz isolirter Pavillon, auf jeder Wand von drei Öffnungen durchbrochen mit einem äußeren, ringsumlaufenden Gange, der auf drei Seiten frei, von acht schlanken, weißmarmornen Säulchen getragen wird, welche durch leichte, reich verzierte Bogen verbunden sind. Es ist dieß das sogenannte Boudoir der Maurenkönigin el tocador de la reyna mora. Wände und Decke sind mit Frescogemälden aus der Zeit Karls V., Arabesken, Landschaften, Blumen und Früchte vorstellend, bedeckt; wenn aber auch diese Wandmalereien noch schöner wären, als sie sind, so ist doch die Aussicht von hier oben so großartig und prächtig, daß wir zum Betrachten der Wände kaum die Zeit finden und uns immer wieder an eins oder das andere der Fenster hingezogen fühlen. Vor uns auf grüner Bergwand lauscht die zierliche Xeneralife zwischen ihren Cypressen hervor, neben welcher die zackigen Felshörner der Sierra Elvira in weiter Ferne heraustreten, auf ziemliche Strecke die fruchtbare Vega umspannend und zu gleicher Zeit Granada, das weit ausgebreitet zu unseren Füßen liegt, stolz und herrisch, grau und ehrwürdig und dabei wieder so jugendfrisch durch den grünen Kranz der Granaten- und Orangenbäume, wie das ewig lebendige, murmelnde Wasser des Darro und Xenil, welches sie umströmt. An einem andern Fenster haben wir die Schneegipfel der Sierra Nevada vor uns und hier ist der Anblick wahrhaft zauberisch. Ist die Aussicht nach der Vega sanft und lieblich, so ist diese hier stolz und majestätisch, denn hoch über den weißen Schneeflächen erheben sich die mit Eis bedeckten Hörner des Mulahacen und Picacho de la Veleta, und da die Luft so unbeschreiblich klar und rein, der Himmel aber tiefblau ist, so treten diese Bergriesen so eigenthümlich nah vor uns hin, daß man glaubt, sie mit einem Steinwurfe erreichen zu können und den angenehmen kalten Hauch zu fühlen, den der Wind, über sie dahinstreichend, herüber trägt.

Daß unberufene Finger die Wände dieses himmlischen kleinen Ortes mit höchst prosaischen Bemerkungen und Namen bekrizelt, ist recht traurig und that uns um so weher, als auch Mancher sich nicht gescheut hatte, mit seinem eigenen unbedeutenden Namen durch irgend eine Arabeske zu fahren.


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