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Auf nach Valencia! Vergebliches Warten auf den Barcino. Deutsche und spanische Eilwagen. Der Delantero. Unglücksfälle. Nachtfahrten. Weihnachtsphantasien. Schlechter Weg. Angenehme Bilder aus der Heimath. Wir liegen im Graben. Taragona. Elende spanische Dörfer. Keine schattigen Kastanien an des Ebro Strand! Amposta. Ein chinesisches Diner. Landhäuser und Palmen. Der Weg am Meer. Schreckliches Unglück eines Eilwagens. Ein merkwürdiger Unfall. Murviedro. Die Huerta.
Der Zigeunerhauptmann in »Preciosa« hat gut reden und befehlen »auf nach Valencia!« er war an die schlechten spanischen Straßen gewöhnt, brauchte nur seine Zelte abzuschlagen, sie aufladen zu lassen, und konnte dann mit der schönen Preciosa und unter den Klängen der reizenden Weber'schen Musik zufrieden seines Weges ziehen. Hätte er aber wie wir in Barcelona gesessen, vergeblich auf ein Schiff wartend, und mit der untröstlichen Versicherung aller Reisenden, die Wege nach der alten Stadt des Cid seien selbst für hier augenblicklich in trostlosem Zustande, so würde er sein: Auf nach Valencia! in etwas gemäßigterem Ton gerufen haben. Der »Barcino«, ein spanischer Dampfer, obgleich er schon seit langer Zeit an allen Straßenecken vermittelst großer Zettel angezeigt war, wollte immer nicht erscheinen; ein anderes Schiff war schon gar nicht in Aussicht, denn die Linie von Marseille nach Cadix wurde in gegenwärtigem Augenblick sehr mangelhaft befahren, weil verschiedene Dampfer beim stürmischen Wetter des Novembers mehr oder minder Schaden genommen hatten und in Marseille behufs der Ausbesserung zurückbehalten wurden. Von Valencia kam fast jede Woche ein Schiff, aber umgekehrt wollten für uns nordwestlich am Horizont keine tröstenden Rauchwolken erscheinen. So mußten wir uns denn entschließen, die Fahrt über Taragona zu Land zu machen. In unserem Hôtel, der Fonda del Oriente, war das Bureau der Diligencen, und ich, der so oft Nachmittags mit Interesse und vielem Mitgefühl arme Reisende wie Häringe in den Wagenkasten einpressen sah, mußte endlich dasselbe mit mir geschehen lassen. Baumeister Leins und ich hatten das Coupé genommen, Horschelt saß an der hintern Thür des omnibusähnlichen Interieurs, und so wurden wir am einundzwanzigsten Dezember um drei Uhr Nachmittags im vollen Galopp von acht Maulthieren aus dem Hause und der Stadt befördert.
Unser Weg führte durch die Puerta del Monjuich, vor welcher wir Abschied von dem Meer nahmen, wenn auch nur für kurze Zeit, und rechts an der Stadtmauer dahin fuhren, bis zur großen Straße nach Madrid, die wir aber nach einigen Stunden ebenfalls verließen, um alsdann südwestlich unsern Weg zu verfolgen. Die Landstraße ließ sich übrigens anfänglich gar nicht so schlimm an, wie wir uns gedacht; sie war sehr breit, auch ziemlich eben, und da der Mayoral mit großer Geschicklichkeit verdächtige Löcher zur Rechten und zur Linken glücklich zu vermeiden wußte, so wäre die Fahrt gar nicht unbehaglich gewesen, wenn nicht das Kutschiren der Spanier an sich die Nerven in einer beständigen Aufregung erhielte. Bei uns in Deutschland sind Conducteure, Postillons, Pferde, Wagen, Passagiere und Straßen gewissermaßen vernünftige Geschöpfe, die sich verstehen und in einander zu fügen wissen; der Schwager hat seine vier Pferde in der Hand und fährt seinen soliden Trab, wo es die Straße erlaubt; der Passagier ist beruhigt, denn er weiß, der Wagen wird einem Stein oder Loch auszuweichen wissen, er kann sich sogar sorglos zum Schlag hinausbeugen und wenn ihm seine Reisemütze zufälligerweise abfällt, so wird der Conducteur einen Augenblick anhalten; man ist mithandelnde Person, und das gibt uns ein Gefühl der Behaglichkeit und Sicherheit. Hier aber ist man der Post wie ein Paket übergeben worden, man wird an Ort und Bestimmung befördert; ob man unversehrt oder zerschlagen und zerschunden ankommt, darum kümmert sich kein Mensch. Die spanischen Eilwagen haben unter anderem die angenehme Einrichtung, daß sich nur auf der linken Seite Thüren befinden; wirft man also zufälligerweise dorthin um, so befindet sich ein wohlbeleibter Reisender förmlich wie in einer Mausfalle. Das Gespann habe ich schon in einem früheren Bericht beschrieben. Der Mayoral hält nur die Zügel der beiden Stangenpferde, die mittleren sechs Thiere folgen dem Delantero, einem Buben von nicht über zwölf Jahren, der also alle zehn Maulthiere und das Geschick des Wagens in seiner schwachen Hand hält; meistens reitet er auf einem Pferd, da ein solches lenkbarer ist. Man nimmt zu diesem gefährlichen Geschäft des Vorreitens diese jungen Bursche, weil das Thier sie leichter tragen kann, und weil sie die Gefahr, der sie beständig ausgesetzt sind, nicht so kennen und achten; denn stürzt das Pferd unter dem Delantero zusammen, namentlich bei einer abschüssigen Stelle, so setzen nicht selten die anderen Thiere über ihn hinweg und er ist in den meisten Fällen verloren.
In Barcelona wurde mir eine schauerliche Geschichte der Art erzählt, wo ein Mayoral seinen eigenen Sohn überfuhr, der von dem schweren Wagen augenblicklich getödtet wurde. Dabei reiten diese Postillone nicht bloß eine Station, sondern, wenn nicht die ganze Reise von mehreren Tagen, doch meistens bis zur nächsten größern Stadt, selten unter vierundzwanzig Stunden. Unser Delantero war ein schmächtiges Bürschchen von vielleicht elf Jahren und einem feinen blassen und ausdrucksvollen Gesicht, ein wahres Kind; doch als man ihm aufs Pferd geholfen, zündete er sich sein Cigarilo an, und fort ging es im sausenden Galopp. Ich habe ihn etwas genauer beschrieben, weil er uns später in der Nacht im wahren Sinne des Worts in eine sehr unangenehme Verwickelung brachte. Unsere Reisegesellschaft im Innern des Wagens nach Art der Omnibus eingerichtet, bestand meistens aus Männern im Mantel oder in der Manta, mit dem andalusischen Hut auf dem Kopf. Eine einzige Sennora fuhr mit uns, eine Frau mit einem nicht jährigen Kind an der Brust, dessen sämmtliche kleine Angelegenheiten sie vor den Augen und Nasen der übrigen Passagiere auf die ungezwungenste Art von der Welt besorgte.
Nach der zweiten Station fuhren wir in die Berge hinein, und hier war die Straße nicht nur schön angelegt, sondern auch für hier gut unterhalten; gewiß sehr zum Kummer unserer Maulthiere, denn der Zagal erschöpfte sich in Aufmerksamkeiten für sie und so fuhren wir mit außerordentlicher Schnelligkeit dahin. Der Tag war klar und wunderschön und die Landschaft mannigfaltig belebt. Es ist eigenthümlich, wie in Katalonien, namentlich des Abends, der rothe Grund der Erde vom Sonnenlicht so warm und schön beleuchtet wird. Das Land scheint ordentlich die glänzenden Strahlen aufzusaugen, um sie darauf selbstleuchtend wieder von sich zu geben; dabei ist hier die Formation der Berge malerisch schön, den Thälern fehlt es nicht an Vegetation, und die Anhöhen sind hie und da gekrönt mit Kirchen, Ruinen und alten Schlössern. Ach, wenn es nur beim Reisen, namentlich bei den Eilwagenfahrten, keine Nacht gäbe, die mit ihrem sonst so traulichen Dunkel finstere Schleier über Berg und Thal zieht, und unsere Gedanken, die so gerne auswärts umherschweifen, um sich am Anblick der herrlichen Natur immer wieder neuer und lebendiger zu gestalten, in unser Inneres zurückscheucht, wo sie dann, ermüdet, so gern ernst und traurig werden. Vergebliches Wünschen!
Und scheint die Sonne noch so schön, |
Das that sie denn auch am heutigen Abend mit aller Pracht, indem sie die Höhen rings um uns her vergoldete, und im Widerschein die schon dunkeln Thäler mit einem freundlichen violetten Duft bedachte. Abendnebel stiegen hie und da auf, die Passagiere neben dem Mayoral wickelten sich fester in die Manta, der Zagal sang ein melancholisches Lied und unsere Maulthiere hörte man mehr als man sie sah an dem vieltönigen Geklingel ihrer Glöckchen und den Messingzierrathen ihres Geschirrs. Bald wurde es so dunkel, daß Berg und Thal sich kaum noch von einander unterscheiden ließen, und die hellere Landstraße lief in einem einförmigen Streifen vor uns dahin; zuweilen blitzte in der Ferne ein Licht auf, zuweilen leuchtete neben uns auf dunklem Grund die kleine Fläche einer Wasserlache, in welcher sich der Himmel widerspiegelte. Letzterer hielt am längsten mit gewohnter Treue und Liebe bei uns aus, und spannte sich noch klar über der Landschaft als diese schon längst in tiefe Dunkelheit verhüllt war. Es gibt Färbungen dort oben, die man zu gewissen Zeiten immer wieder sieht und die uns wie der Klang eines Liedes, wie ein freundliches Wort an angenehme Stunden erinnern; so war es mir heute Abend. Doch um diesen Erinnerungen nachhängen zu können, mußte ich meine Gedanken zurückrufen, die Augen schließen und wußte nun gleich, wo ich denselben gelben Streifen am Horizont halb von Wolken verdeckt schon gesehen habe – war es doch vor einem Jahr an demselben heutigen Tag, einige Abende vor Weihnachten – doch saß ich damals nicht im finstern Eilwagen, sondern ich eilte nach Hause und befand mich dort in einem freundlich erhellten Gemach, das ich jetzt wieder lebhaft vor mir sah, sowie ich die Augen schloß. Auf dem Tisch stand der Tannenbaum bereits halb bekleidet mit seinem Schmuck, denn auf der einen Seite schimmerten zwischen den grünen Nadeln schon silberne und goldene Nüsse hervor; auch glänzende Glaskugeln und zierlich geschnittene Netze von buntem Papier hingen gleich Guirlanden an den Zweigen; an der andern Seite waren meine Buben beschäftigt. Von den leuchtenden Augen und lachenden Lippen aufgefordert, verstand ich mich gern dazu, ebenfalls Hand an das große Werk zu legen. Eben schickte ich mich an, in Gedanken nämlich, eine schöne Fahne von Rauschgold auszuschneiden, als der Postwagen so gewaltig auf das Pflaster stieß, klirrte und rasselte, daß er mich unangenehm in meinen lieben Träumen unterbrach. Wir hatten die Station Villafranca erreicht, wo die Pferde gewechselt wurden und neue Passagiere aufstiegen, in der That aufstiegen, denn da der ganze Wagen unten besetzt war, so wurde eine Leiter angelegt, und eine Frau mit ihrem Säugling, sowie ein paar Guardias Civiles, ob zu ihrem oder unserem Schutz, weiß ich nicht, kletterten auf die Imperiale.
Es war da oben ein recht schwanker und luftiger Sitz, ich hatte so meine Gedanken für die arme Frau im Falle des Umwerfens des Wagens; unser Anerbieten einen der Plätze im Coupé einzunehmen verwarf sie indessen, und schien sich gar nicht unbehaglich droben zwischen den beiden bewaffneten Männern zu fühlen; diese waren fest in ihre dunkeln Mäntel gewickelt und hatten den dreieckigen mit Wachstuch überzogenen Hut auf dem Kopf, während ihre langen Flinten drohend zu beiden Seiten hinausragten. So fuhren wir denn weiter einem Stück des Wegs entgegen, das uns schon in Barcelona als unangenehm geschildert war, und es verdiente den Ruf in der That: denn kaum hatten wir den Ort hinter uns, so begann die Postkutsche sich auf eine höchst verdächtige Art in Seitenbewegungen zu ergehen; bald sanken wir auf die rechte, bald auf die linke Seite, wobei das Geschrei des Mayoral und Zagal immer lauter und lauter wurde. Wären sie wenigstens ruhig im Schritt gefahren, so hätte man sich doch mit einer gewissen Beruhigung in sein Schicksal gefunden; aber so wurden die Maulthiere mit aller Kraft der Lungen und Peitschen vorwärts getrieben, und rissen den Wagen in die Löcher hinein und wieder heraus, daß das ganze Gestell krachte und man sich jeden Augenblick wunderte, wie Achsen, Räder und Wagen noch zusammenhielten. Das ging eine Stunde so fort, worauf der Wagen anfing langsamer und weniger zu schwanken, die Räder gleichförmiger rollten und das Geklingel der Maulthiere wieder in einem angenehmern Takt ging. Leider ist es mir versagt, in dem Wagen zu schlafen, d. h. bei den längsten angestrengtesten Touren ist es mir kaum vergönnt, während der Morgendämmerung eine halbe Stunde oder so etwas leicht zu schlummern. Da ist es denn so natürlich, daß man liebe Erinnerungen hervorruft, um die langen Stunden der Nacht zu verkürzen, und ich begann die Augen schließend wieder an den freundlichen Lichterglanz zu denken, an die rauschenden Tannenzweige, zwischen denen diesmal statt der vergoldeten Äpfel und Nüsse die strahlenden Augen meiner lieben Kinder hervorleuchteten – da mit einem Male erklang das Geschrei des Mayoral und des Zagal auf eine eigenthümliche und erschreckte Art: wir rollten gerade auf einer ziemlich glatten Stelle des Wegs etwas aufwärts und hatten neben uns rechts und links tiefe Gräben; der Delantero mit seiner Kinderstimme stieß ein Angstgeschrei aus und meine Träume flatterten davon, Licht und Goldglanz und all die lieben Gesichter. Da ich die linke Ecke des Coupé's hatte und eines der Fenster geöffnet war, so bog ich mich schnell hinaus und sah, wie unser Vorreiter Kehrt gemacht hatte und im vollen Galopp bei unserem eigenen Wagen vorüberkam. Da aber an der Seite auf der Straße selbst kein Platz war, so stürzten seine Thiere in den Graben hinab; ihm folgten die sechs Mittelgespanne, alle fielen übereinander her, stürzten zusammen, rafften sich wieder auf und rissen endlich die Maulthiere an der Deichsel mit sich herum, diese den Wagen, der nun glücklicherweise fast ganz gerade mit den Vorderrädern in den Graben gezogen wurde. Daß er nicht ganz zum Sturz kam, dankten wir den beiden gestürzten Thieren an der Deichsel, die sich so in ihre Geschirre verwickelt hatten, daß sie, trotz vieler vergeblichen Versuche, nicht aufzuspringen im Stande waren. Das Geschrei unserer Passagiere hinten im Wagen, die nicht sahen was vorging, namentlich aber der beiden Weiber, wovon die eine mit ihrem Säugling oben auf dem Wagen in der größten Gefahr schwebte, kann man sich leicht denken. Die Sorglosigkeit der spanischen Fuhrleute bewährte sich hier aufs glänzendste; es wollte mir nämlich nicht gelingen, die alte rostige Thürklinke aufzudrehen, es bedürfte mehrmaligen Ersuchens, ehe dieß von außen geschah. Die Guardia's Civiles waren von oben herabgesprungen und da ich zufällig an der Seite des Wagens stand, so nahm ich das kleine Kind der Spanierin in Empfang, das sie mir in ein Tuch gewickelt weinend herabreichte. Neben uns im Graben herrschte eine unbeschreibliche Verwirrung; es war eine große verwickelte Masse von Maulthieren und Geschirren; glücklicherweise hatte der arme kleine Delantero keinen Schaden gelitten, er hinkte herbei, wir hatten ihn im Verdacht, er habe auf seinem Pferd geschlafen, doch entgegnete er: casallob malos, – no he dormido!
Wir legten alle hülfreiche Hand an, um die Maulthiere von ihrem Geschirr zu befreien und nach einem halbstündigen Aufenthalt war unser Gespann wieder so weit in Ordnung, daß wir unsern Weg fortsetzen konnten. Ein solch plötzliches Umkehren der vordern Thiere soll übrigens nicht selten vorkommen, und gleich auf der nächsten Station geschah das abermals, glücklicherweise aber noch vor dem Postgebäude, wo mehrere Knechte bereit standen, die eigensinnigen Thiere mit tüchtigen Hieben zurecht bringend. Gegen zehn Uhr Abends näherte sich die Straße dem Meer wieder, auch war der Mond unterdessen aufgegangen, so daß wir von der Höhe, auf der wir fuhren, die hellbeglänzte Fluth weit übersehen konnten. Taragona, die alte Römerstadt, erreichten wir um Mitternacht, und was wir von ihrer Lage im hellen Mondlicht sahen, war so malerisch schön, daß wir sehr bedauerten, nicht einen Tag daselbst zubringen zu können. Ehe wir die Stadt erreichten, lief der Weg eben längs dem Meer dahin und dann mit einemmal ziemlich steil aufwärts, um sich darauf an den weißen Felsen emporzuwinden, auf denen Taragona liegt. Links senkten sich tiefe Schluchten ans Gestade hinab, auf denen dunkle Schatten lagen; die See war ruhig wie ein Spiegel, so daß das Licht des Mondes nicht auf den Wellen glitzerte, sondern der lange Streifen, den es bildete, wie leuchtendes, blank polirtes Silber aussah; zuweilen wurde die Aussicht rechts und links durch gewaltige Trümmerhaufen, durch Häusermassen und Wälle verdeckt, und der Wagen rasselte und dröhnte gewaltig hindurch. Es war wie eine Art Vorstadt, die wir passirt hatten, doch konnten wir bei der ungewissen Helle nicht genau unterscheiden, ob wir Ruinen oder bewohnte Häuser hinter uns ließen; ich glaube das erstere, denn Taragona ist reich daran. Soll es doch in früheren Zeiten eine Million Einwohner gehabt haben, deren Zahl jetzt auf 10,000 zusamengeschmolzen ist.
Es war ein Uhr als wir vor dem Parador de las Diligencias hielten, wo wir eine schlechte Tafel und eine sehr geschwätzige Spanierin fanden, auch mußten wir die in Öl gekochten und reichlich mit Knoblauch gewürzten Speisen theuer genug bezahlen. Im Sommer, wo die Landstraßen trocken und besser sind und der Eilwagen deßhalb schneller zu fahren im Stand ist, werden dem Reisenden in den größern Städten unterwegs öfters längere Rasten gegönnt, um ihn ausruhen zu lassen von der Hitze und dem unerträglichen Staub in dieser Jahreszeit. Jetzt dagegen werden diese Halte bedeutend abgekürzt und höchstens alle zwölf Stunden einmal eine Stunde zum Ausruhen vergönnt; meistens sind aber auch die Dörfer, durch welche man kam, so über alle Beschreibung schmutzig und ärmlich, daß man gern auf ein Verweilen in denselben verzichtet, nur in der Türkei erinnere ich mich, ähnliche Häuser und Ortschaften gesehen zu haben. Die Wohnungen dort wie hier sind aus Lehm aufgeführt, natürlicherweise ohne Glasfenster und zerbrochene hölzerne Laden hängen vor den unregelmäßigen kleinen und großen Öffnungen, das Innere aber ist fürchterlich; man begnügt sich gern mit dem ersten Blick, wenn man allenfalls in eine dieser Hütten eintritt, um sich eine glühende Kohle für die Cigarre geben zu lassen. Im Allgemeinen ist das Ankommen in einem spanischen Dorf, in kleinern, selbst in größern Städten eine Qual für den Reisenden, denn ist außerhalb derselben der Weg schon sehr schlecht, so ist er zwischen den Häusern fast unfahrbar; sowie man die ersteren erreicht, sinkt der Wagen bis an die Achsen in den Koth, unergründliche Löcher können nur durch die äußerste Geschicklichkeit des Mayoral vermieden werden, oder die mit lautem Geschrei und Peitschenhieben gejagten Maulthiere reißen die Kutsche hindurch, so daß man sich oft mit den Händen festhalten muß, um nicht den Kopf an der Decke zu zerstoßen. Man findet das übrigens durch ganz Spanien, und der Grund dieser schrecklichen Verwahrlosung in den Straßen der Dörfer und Städte soll darin liegen, daß die Behörden der letztern mit der Regierung beständig darüber im Streit sind, wer eigentlich die Verpflichtung habe, diese Wege zu unterhalten; einer schiebt sie auf den andern, und da diese Meinungsverschiedenheit nie ausgeglichen wird, so bleibt es, wie so manches hier, bei dem Alten, Schlechten. Die Bevölkerung der Dörfer, namentlich der kleineren und entlegeneren, paßt übrigens hiezu vortrefflich, und kaum verläßt man den Wagen, so wird man umdrängt von zerlumpten elenden Gestalten, die mit einer bei uns unbekannten Ausdauer ihren Quarto zu erbetteln wissen.
Eines der schauerlichsten Nester dieser Art, ich glaube Perello, erreichten wir Morgens gegen acht Uhr. Hier wurde umgespannt, und wir begannen unsere letzte Station gegen den Ebro hin, der sich ungefähr auf der Hälfte unseres Weges ins Meer ergießt. Glücklicherweise war der Tag klar und heiter angebrochen, und erlaubte uns eine weite Aussicht über Land und Meer, sobald wir eine beträchtliche Höhe erstiegen hatten, zu der eine sehr gut angelegte Straße hinaufführte. Ein weites eigenthümliches Rundgemälde öffnete sich hier unsern Blicken: weit vor uns sahen wir die See, eine große Bucht ins Land herein bildend, welche am Horizont von langgestreckten Dünen begränzt war, so daß es aussah, als hätten wir einen sehr ausgedehnten Binnensee vor uns. Dort hinab fiel das Land viele Stunden lang in einer ununterbrochenen kahlen und öden Ebene unendlich einförmig, aber großartig in seiner Öde, eine Haide von röthlichem und gelblichem Boden mit magern Buxbaumsträuchern bedeckt und Büscheln der Palmitos, die mit ihren fächerartigen Blättern von dunkelgrüner Farbe auf lange Strecken hin das Land bedecken. Im vollen Trabe rollten wir hinab eine Stunde um die andere, ohne daß wir der Bucht drunten oder dem Thalgrund scheinbar auch nur im mindesten näher gerückt wären. Ich erinnere mich lange nicht eine so gewaltige und einförmige Fläche gesehen zu haben. Der Wagen mit unserem Gespann mußte darin wie ein Nichts erscheinen, und ein einzelner Fußgänger, der aufwärts gestiegen wäre, hätte sich unmöglich eines unbehaglichen Gefühls der Hülflosigkeit und Einsamkeit erwehren können. Endlich nach dreistündigem Fahren erkannten wir in den tiefen Streifen im Thal, die wir lange für den Schatten eines Berges oder für eine Schlucht gehalten, Baumreihen und einzelne graue Häuser, die uns anzeigten, daß wir uns einer bewohnten Gegend, wahrscheinlich dem Ebro, näherten, und so war es denn auch. Ein paar Mal noch ging es Berg auf und ab, und dann sahen wir ihn vor uns liegen den Strom mit dem stolzen, wohlklingenden Namen, der schon so vielfach in Liedern besungen worden ist. Auch die Dünen traten deutlicher hervor und zeigten sich so dicht um die Mündung gelagert, daß es selbst einem kleinen Fahrzeuge kaum möglich gewesen wäre durch sie hindurch das offene Meer zu gewinnen. Aber der Fluß selbst – unsere Blicke schweiften begierig umher, um die Stelle zu finden:
Wo die schattigen Castanien |
Du lieber Himmel, wir wären mit einer alten Birke oder mit einem melancholischen Tannenbaum zufrieden gewesen! Aber kein Strauchwerk, kein Grashalm wächst an diesen trostlosen Sandufern; so weit wir die Blicke hinaufsandten, sahen wir nichts als zwei kahle gelbe Streifen Landes, zwischen denen sich ein graues schlammiges Wasser langsam dahinwälzte. Das also war der Ebro, auf dessen klare Fluthen wir uns so sehr gefreut! Daß seine Ufer weiter hinauf nicht viel malerischer und castanienbesetzter seien als hier unten, versicherte uns bereitwillig ein landeskundiger Spanier auf unsere Bitte. Apollo mag es dem Dichter verzeihen, der einen Reim auf Spanien gesucht, und dafür Kastanien gefunden hatte, von denen wir keine Spur gesehen.
Gegenüber dem Strom lag die kleine Stadt Amposta, die in ihrer malerischen Gestalt einen schwachen Ersatz bot. Die hohen Mauern ihrer Häuser senkten sich bis zum Wasserspiegel herab, und bildeten oben so unregelmäßige Linien, daß sie von fern wie die ausgezackten Zinnen eines alten halbverfallenen Castells aussahen. Dort sollten wir nach zwölfstündigem Fasten unser Mahl finden und wir hofften auf eine gute Fähre, die den Eilwagen und uns übersetzen würde; aber wir waren ja in Spanien, im schönen Land des Weins und der Gesänge – und der grundlosen Straßen und brückenlosen Flüsse. Eine Fähre war vorhanden, aber sie lag invalid bei Amposta, weßhalb unser Eilwagen diesseits bei einer elenden Holzbaracke anhielt und unsere Koffer und Effekten abgeladen wurden. Hier war das Ufer des Ebro besonders unangenehm, denn man sank bis an die Knöchel in den Sand und Schlamm, durch welchen wir ein paar hundert Schritte abwärts wateten, wo ein altes, gebrechliches Boot lag, um unsere ganze Wagengesellschaft überzusetzen. Wir hatten übrigens von Glück zu sagen, daß der Wasserstand des Stroms heute ziemlich niedrig und er deßhalb zahm und mild war, denn ein Bekannter erzählte uns in Barcelona: er habe bei Regenwetter auf einer Reise hierher zweimal vierundzwanzig Stunden in der obenerwähnten Hütte zubringen müssen. Obgleich unser Boot sehr überladen war und tief ging, erreichten wir doch glücklich Amposta, welche Stadt uns armen Reisenden zu sagen schien: wartet nur, ihr habt mich von außen schön gefunden, ich will euch eure Illusionen schon benehmen. Und das that sie redlich – wie eine Heerde Gänse schritten wir fluchend, einer hinter dem andern, bei dem Kothstrom vorbei, den man hier mit einer unglaublichen Kühnheit eine Straße nannte. Da wir, um in den Gasthof zu gelangen, hinüber mußten, so war es ein großes Glück, daß wir einen Ortskundigen fanden, der uns eine Furt zeigte, denn sonst wäre sicherlich noch ein Unglück geschehen. Dem castanienrauschenden Ufer, dem Strome selbst und der Stadt reihten sich Speisesaal und Essen würdig an; ersterer war eine Dachkammer und das zweite war nach einem für unsere Mägen gänzlich unverständlichen Speisezettel hergerichtet; mit Ausnahme eines schwindsüchtigen Huhns, welches in seinen letzten Lebensstunden sehr viel Zwiebeln verzehrt zu haben schien, ist es unmöglich anzugeben, was wir eigentlich gegessen. Es kam uns vor, wie ein chinesisches Essen, wo kunstreich zubereitete Rattenschenkel und Fischflossen eine Hauptrolle spielen sollen. Obgleich wir uns lange nach einem ächt spanischen Essen gesehnt, waren wir doch hier so tief in die Brühe gerathen, daß wir uns unendlich nach einem festen bekannten Lande sehnten, welches denn auch am Schluß in Gestalt von Brod und Schafkäse erschien.
Nach einem einstündigen Aufenthalt setzten wir unsere Reise auf schlimmeren Wegen als bisher fort, es schien hier in den letzten Tagen bedeutend geregnet zu haben, wodurch der Weg völlig aufgeweicht war und die Räder fußtiefe Gleise einschnitten. Dieß hielt aber Mayoral und Zagal nicht ab, die Maulthiere aufs Äußerste anzutreiben; namentlich wo der Weg sich senkte, rasten sie wie toll hinab, um mit dem nachrollenden schweren Wagen die Anhöhe drüben im vollen Galopp hinauffahren zu können. Die Gegend hatte hier einen fruchtbareren und freundlicheren Charakter, als jenseits des Ebro; man sah vortrefflich angebaute Felder, hie und da kleine Dörfer mit malerischen Kirchthürmen und oft einzelne hübsche Landhäuser, über welche meistens eine hohe schlanke Palme schützend ihre Zweige ausstreckte, die Früchte derselben hingen unter der Krone in hellgelben Büscheln und hie und da beschäftigte man sich, um sie herunterzunehmen, was mittelst einer langen Stange geschah. Bald kam der Abend, die Gegend verschleierte sich langsam und allmälig und ich mußte mich darauf beschränken, unsere Zugthiere und Mayoral zu beobachten, was mir anfänglich im Schein unserer Wagenlaternen einige Unterhaltung verschaffte, bald aber wurde das Licht derselben schwächer und zuckte nur noch hie und da auf, bis es endlich ganz erlosch; worauf wir in der tiefsten Dunkelheit dahinrollten, die nur zuweilen unterbrochen wurde von den Funken, welche die Hufeisen unserer Thiere aus den Steinen schlugen, oder wenn sich die Außenpassagiere eine Papiercigarre anzündeten, was übrigens häufig genug geschah.
Gegen zehn Uhr erreichten wir die Station, ein einzelstehendes Haus, wo eine ziemlich steil abgehende und deßhalb einigermaßen verrufene Schlucht beginnt. An ein Wiederanzünden unserer Laternen dachte man natürlicherweise nicht, und so galoppirte unser Gespann in die Finsterniß hinein. Der Wagen rollte, trotz seiner zwei Hemmschuhe mit der größten Geschwindigkeit abwärts. Wie unser Weg eigentlich ging, konnte ich nicht unterscheiden, daß er aber ziemlich gefährlich war, sah ich an seinen vielen raschen Wendungen, sowie an schwarzen Schatten neben mir, welche tiefe Schluchten anzeigten, auch an der senkrechten Felsenwand, die wir oft so nah an der linken Seite hatten, daß man sie fast mit der Hand erreichen konnte; zuweilen bei Biegungen der Straße streifte der Wagen daran und dann wurde sein Hintergestell unsanft auf die Seite geworfen. Fast eine Stunde jagten wir so abwärts, dann ging es wieder bergauf; es wurde etwas heller und wir erreichten eine Stelle, wo der Weg auf einer senkrechten Felsenwand so dicht längs dem Meer hinführte, daß man, dem Anschein nach ohne große Mühe von dem Wagenfenster aus etwas in die Fluth hätte werfen können; getrennt waren wir von ihr nur durch die Ruinen einer niedrigen Mauer, die voll Löcher und Risse war, durch welche man das nun erhellte Wasser sehen konnte, indem der Mond soeben am Horizont emporstieg. Wie ich so an dem Wagenfenster lehnte und auf die glänzende See schaute, dachte ich an ein furchtbares Unglück, welches vor einigen Jahren hier geschehen und noch so unvergessen in der Erinnerung der Postillone ist, daß sie beim Umspannen die Einzelnheiten dem Reisenden gerne erzählen.
Eines Abends nämlich hatte die von Amposta kommende Diligence umgespannt und war mit ihren 18 Passagieren, worunter eine deutsche Familie mit ein paar Damen und Kindern, die oben erwähnte Schlucht hinabgefahren; ein heftiges Gewitter mit starken Regengüssen entlud sich gleich darauf über der Gegend, ohne gerade besondere Besorgniß einzuflößen; einer der Stallleute, die bei jeder Station eine Strecke Wegs neben dem Wagen herlaufen, um die Maulthiere anzutreiben, hatte die Diligence beim Leuchten der Blitze noch tief in der Schlucht fahren sehen, worauf sie in der dunkeln Nacht verschwand – um nie wieder zum Vorschein zu kommen. Wo sie mit ihren 18 unglücklichen Passagieren, Mayoral, Zagal, Delantero und Gespann eigentlich verunglückt ist, weiß heute noch Niemand; man glaubt ein plötzlich angeschwollenes sonst stilles Bergwasser habe sie mit allem in das Meer hineingespült, oder vielleicht auch sind auf dem Wege hoch über der See, von dem ich so eben sprach, die Thiere am Wagen durch das Gewitter scheu geworden und haben die Diligence mit sich hinab in die Tiefe gerissen, kurz man hat nie mehr eine Spur von ihr gesehen.
Glücklicherweise passirten wir diese Stelle ohne den geringsten Unfall, wie z. B. das häufig vorkommende Stürzen eines der Thiere, was aber auch hier von schrecklichen Folgen hätte sein müssen, und erreichten um Mitternacht Castellon, wo wir abermals abgefüttert wurden und zwar auf eine so vortreffliche Art daß wir das unverständliche Essen von Amposta gern darüber vergaßen.
In der nächstfolgenden Station hatten wir übrigens noch einen kleinen Unfall von so außerordentlicher Art, daß ich denselben nicht unerwähnt lassen kann. Es war vor dem Posthaus, und die Straße viermal so breit als gewöhnlich, eher ein kleiner Platz, aber von so unergründlichem Schmutz, daß der Wagen bis an die Achsen einsank und beim Ankommen nur im Schritt von den müden Thieren vor das Gebäude geschleppt werden konnte. Beim Abfahren wurde das gewöhnliche Manöver wiederholt und die Pferde – wir hatten schon seit Castellona keine Maulthiere mehr – durch Peitschenhiebe und Geschrei so angefeuert, daß sie den schweren Wagen im Galopp durch den Schmutz davonzogen. Plötzlich aber hielten wir mit einem tüchtigen Ruck, vier der mittleren Pferde waren gestürzt, die vordern vier aber hatten mit Beihülfe der Stangenpferde die Diligence über die gestürzten hinweggerissen, die nun, uns allen völlig unbegreiflich, unter unserem eigenen Wagen lagen. An ein Aussteigen war nicht zu denken, denn man wäre bis an die Kniee eingesunken; glücklicherweise kam man uns vom Posthaus zu Hülfe, aber es dauerte eine gute Zeit, ehe die Verwirrung unseres Gespanns gelöst war, man mußte die Geschirre aufschnallen und die gestürzten Thiere an Kopf und Schweif unter dem Wagen hervorziehen. Wäre in diesem Augenblick etwas komisch zu nennen gewesen, so hätte es die Stellung unseres Stangenhandpferdes sein müssen, denn dieses saß wie ein Hund auf den Hinterbeinen, und zwar auf dem Hals eines der andern gestürzten Thiere. Ich bin fest überzeugt, daß von den des Rosselenkens kundigen Lesern mancher ungläubig den Kopf schütteln wird, doch bin ich im Stand, jedem Zweifel die besten Zeugnisse für meine Worte zu verschaffen.
Als es endlich wieder Tag wurde – wir waren anhaltend abwärts gefahren – sahen wir abermals das Meer zu unserer Linken, und hatten den Anfang der Huerta erreicht, jenes baum- und wasserreiche Gartenland, in dem Valencia liegt. Die Felder waren hier schön und regelmäßig angebaut, mit neu aufkeimendem Grün bedeckt, oder mit Gemüsepflanzen, die noch auf die Ernte warteten. Über die, freilich kahlen und knorrigen Schosse der Reben breiteten mächtige Korkeichen und Johannisbrodbäume ihre immergrünen Blätter aus, Palmen standen bald einzeln, bald in Gruppen bei einander, und aus dem dunkeln Laube der Orangenbäume schimmerten freundlich die goldenen Früchte hervor. Die Huerta war so liebenswürdig, sich uns in recht schönem Lichte zu zeigen, das sie freilich von der eben aufsteigenden Sonne entlehnte, aber mit heiter lachendem Gesicht empfieng. Bei Murviedro, dem alten römischen Sagunt, spannten wir glücklicherweise um, und hatten deßhalb Zeit das mächtige Castell, hoch über dem Ort gelegen, welches mit seinen Mauern, Thürmen und gewaltigen Gebäuden in großer Ausdehnung dem Laufe des Hügels folgt, zu bewundern. Es war von der Sonne so schön angestrahlt, und glänzte in den lebendigsten rothen und gelben Farben, die sich um so frischer hervorhoben, als der Berg unterhalb mit einem Kranze von grünen Bäumen und Sträuchern eingefaßt war. Beim Weiterfahren zeigte sich die Huerta wohl in gleicher, aber doch in mannichfaltig wechselnder Gestalt; einzelne Häuser und kleine Dörfer erschienen zahlreicher, und das künstliche Bewässerungssystem dieser Ebene, das noch aus der Araberzeit herstammt, kommt immer deutlicher und vortrefflich unterhalten hervor. Die Felder sind mit zahlreichen Wassergräben durchschnitten, die an der Straße, von wo sich der Strom ergießt, sorgfältig mit rothen Ziegeln eingefaßt sind; kleine Brunnen von malerischer Gestalt sieht man auf allen Seiten; ein Pferd treibt das horizontale Rad, welches das Paternosterwerk bewegt – eine vertikale, mit Zähnen versehene Scheibe, über welche an Seilen irdene Krüge laufen, die das Wasser unten schöpfen und oben in einer Rinne ausgießen. Mir waren diese Brunnen alte, liebe Bekannte aus Syrien und Ägypten, wo ich an ihnen manchen guten Trunk gethan, überhaupt trat mir der Orient in der Nähe von Valencia auf der belebten Landstraße wieder klar vor Augen. Die Tracht der Männer mit ihren weiten Hosen, ein Stück Zeug um den Leib geschlungen, Sandalen an den Füßen, und das bunte Taschentuch auf dem Kopf, nach Art eines Turbans umgewunden, erinnerte mich nicht minder lebhaft daran als die Tracht mancher Weiber: ein einfaches blaues Gewand, den Kopf nach Art der Araberinnen bedeckt, den irdenen Krug auf der Schulter. Nach kurzer Zeit reihten sich die bisher einzeln stehenden Häuser immer dichter zusammen; der fluchende Mayoral mußte wegen der vielen Wagen, Karren und Packthiere, alle mit Gemüse oder sonstigen Lebensmitteln beladen, langsam fahren – noch eine Viertelstunde und wir hatten Valencia erreicht, wo wir vor dem Posthof anhielten, Wagen und Pferde im grauen Straßenschlammüberzuge, wir selbst aber nach achtundvierzigstündiger Fahrt ziemlich müd und abgespannt.