Friedrich Hackländer
Ein Winter in Spanien
Friedrich Hackländer

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Langsam gehen wir vorwärts, und langsam scheint sich die Stadt vor uns zu drehen, während wir sie umwandeln, und führt uns immer neue malerische Bilder vor Augen. Ist es nicht eine gezackte Mauer, die tief hinabgeht bis zum Wasserspiegel, so ist es ein trotziger Thurm, der so keck auf einem Felsenvorsprunge steht, daß man sich wundert, wie ihn nicht schon lange der Wind hinabgeweht. Bald sinken die Häusermassen Toledos vor unserem Blicke scheinbar zusammen, bald steigen sie wieder hoch empor, je nach unserem Standpunkte; aber immer liegt die alte ritterliche Stadt vor uns, gleich schön und prächtig, bei jedem Schritt für Maler und Zeichner die verschiedensten und dankbarsten Aufgaben zu zeigen. Von der Kathedrale sieht man den Thurm auf dem ganzen Wege; nur zuweilen zeigt sich die niedrigere Kirche zwischen den Häusern, um aber beim Weiterschreiten unserem Blicke bald wieder zu verschwinden. Fast beständig haben wir dagegen die gewaltigen Massen des Alcazars vor uns, der hoch emporragt über die Stadt, Alles beherrschend.

Der Fußpfad selbst, auf dem wir gehen, wird mit jedem Schritte malerischer und interessanter. Wir haben das Felsplateau verlassen, ein Hohlweg nimmt uns auf, in dem wir auf schlüpfrigen Steinen abwärts steigen, und wir sehen eine Zeit lang nichts als graue Mauern zu beiden Seiten und einen schmalen Streifen des dunkelblauen Himmels über uns. Jetzt bemerken wir zu unserer Linken eine kleine, offene Pforte, wir treten hinein und befinden uns auf einer Terrasse, von deren Stützmauern es Hunderte von Fußen steil in den Tajo hinabgeht. Die Brustwehr hat eine Veranda, zwischen deren Säulen hindurch, und von ihnen gleichsam eingerahmt, wir eine neue köstliche Ansicht der gegenüberliegenden Stadt haben. Niemand stört uns hier, als wir uns, im Anschauen versunken, auf der Brustwehr niederlassen; denn Terrasse und Veranda ist nicht Privat-Eigenthum, sondern gehört zu einer kleinen Kapelle, die im Hintergrunde in den Felsen gehauen ist, deren Thüren weit offen stehen, welche uns einen kleinen, mit Heiligenbildern und Goldflittern ausgeputzten Altar zeigen, und ein einfaches Christusbild, bei dem die ewige Lampe brennt, heimlich und traulich in dieser Einsamkeit. Neben dieser Kapelle ist kunstlos eine flache Schale in den Stein gehauen, in welche aus dem Felsen ein Strahl frischen, klaren Wassers hineinsprudelt. Leider können wir uns nicht zu lange hier aufhalten, denn die Sonne ist schon stark hinabgesunken, und wir haben noch ein ziemlich Stück Weges bis zur Brücke von Alcantara. Bald haben wir den Hohlweg verlassen, überschauen abermals von der Höhe die ganze Stadt und folgen nun unserem schmalen Pfade, der uns rechts in das Land hineinführt; an den Felsplatten weg steigen wir ziemlich steil abwärts und haben nach wenigen Minuten ein stilles und einsames Thal erreicht, so still und völlig abgeschieden, daß man glauben sollte, meilenweit um uns her seien nicht die Spuren einer menschlichen Wohnung. Die Wände dieses Thales sind mit dichten Buxbaumsträuchern bedeckt, was dem Auge sehr wohl thut im Gegensatze zu den kahlen gelben Felspartieen, die wir soeben verlassen. Der Boden, ist mit grünen Kräutern und frischem Grase bedeckt, und eine reichliche Quelle entspringt hier und befruchtet rings umher das Erdreich. Wenn die einfache Steinbank neben der Quelle erzählen könnte, wir würden von diesem Platze viel Interessantes erfahren; denn ich bin überzeugt, daß sich bei den vielen und langen Belagerungen, welche Toledo zu bestehen hatte, hier an diesem abgeschiedenen und doch so nahe bei der Stadt liegenden Orte jedesmal ein Theil des feindlichen Lagers verschanzte und daß Thal und Quelle abwechselnd das christliche Kreuz und den Halbmond sahen. Doch schon ist Alles hier mit tiefem Abendschatten angefüllt, und es treibt uns die Höhe hinan, auf deren Rande wir Sträucher und Gräser vom letzten Strahl der Sonne vergoldet sehen. Hier oben ist ein prächtiger Sitz, eine breite Felsplatte, die uns so freundlich zum Ausruhen einzuladen scheint, daß wir nicht widerstreben können. Sehen wir ja doch das Ziel unserer heutigen Wanderung, die Brücke von Alcantara, ganz in unserer Nähe, und es fesselt uns ja auch der Gedanke, daß wir das prächtige Toledo von diesem Punkte aus so schön beleuchtet wohl nie in unserem Leben mehr wiedersehen werden.

Wenn man Toledos Lage betrachtet, so begreift man leicht, welch wichtige Rolle die Stadt in der alten Kriegsgeschichte Spaniens gespielt. Für die damalige Zeit, für die einfachen Angriffsmittel, welche die frühere Kriegskunst bei Belagerungen bot, war Toledo durch seine natürliche Lage beinahe unzugänglich. Wie schon bemerkt, ist der Felsen, auf welchem die Stadt liegt, nach der Flußseite so hoch und steil und obendrein durch die Schlucht, in welcher der Tajo fließt, wie durch einen ungeheuren Graben geschützt, daß man hier fast keine Vertheidigung, nur eine Bewaffnung brauchte. Auf der Landseite ist die natürliche Felsmauer allerdings weniger steil und hoch, dagegen die Ausdehnung dieser Fronte so gering, daß die Belagerten all ihre Kraft auf diesem Punkte vereinigen konnten, um mit geringem Verluste Sturm um Sturm abzuschlagen. Daß dieß häufig geschah und die Stadt sich überhaupt aufs hartnäckigste vertheidigte, lesen wir in den Büchern der alten Geschichtschreiber.

Ich kann hier nicht umhin, dem Buch eines jüngeren Beschreibers der Stadt Toledo, unserem verehrten Rochau, dessen nicht genug zu empfehlendes »Reiseleben in Spanien« ich selbst bei meinen Ritten in der Satteltasche bei mir führte, nachfolgende kurze, gedrängte Beschreibung der Kämpfe um Toledo zu entnehmen.

Toledo war eine von den wenigen Städten, die sich gegen die Araber tapfer vertheidigten; es wurde erst zwei Jahre nach der Schlacht bei Xerez de la Frontera erobert, und wie es scheint, nur mit Hülfe der Einverständnisse, welche die Saracenen mit der zahlreichen jüdischen Bevölkerung anzuknüpfen wußten, die sich für die Mißhandlungen mehrerer Jahrhunderte und für die zuletzt erzwungene Scheinbekehrung zum Christenthum zu rächen hatte. Meister Toledos, gaben die Araber den Juden Gewalt und Waffen in die Hand, um sich eine starke Besatzung zu ersparen. Toledo blieb indessen während der ganzen Dauer der arabischen Herrschaft die aufrührerischste Stadt des ganzen Landes, es war das Barcelona des damaligen Spaniens. Die Stärke seiner Bevölkerung, ihre Zusammensetzung aus drei Glaubens- und National-Parteien, die an Zahl nicht viel von einander verschieden sein mochten, und das Vertrauen auf die Festigkeit der Stadtmauern, alle diese Ursachen wirkten zusammen, um Toledo in einem fast beständigen Zustande des Krieges und der Empörung zu erhalten. Der Chalif Hakem, der Enkel Abderrhaman's, benutzte endlich irgend einen Kriegslärm als Vorwand, um auf einem hochgelegenen Punkte der Stadt, an der Stelle, wo die heutige Christophskirche steht, eine Burg zu bauen, die ihm die Unterwürfigkeit der Stadt gewährleisten sollte. Zur Feier der Vollendung dieses Baues, welchen man den Toledanern nicht aufgezwungen, sondern aufgeschwatzt hatte, wurde ein großes Fest in der neuen Citadelle veranstaltet, zu welchem der Chalif oder sein verantwortlicher Minister einen großen Theil der Bürgerschaft einladen ließ; aber von fünftausend Gästen, die im fröhlichen Getümmel durch das Thor der Burg gezogen waren, kehrte kein Einziger in die Stadt zurück: sie wurden bis auf den letzten Mann erschlagen und in einer großen Grube verscharrt, die man zu diesem Zwecke von vornherein in Bereitschaft gesetzt hatte. Diese energische Regierungshandlung schaffte denn wirklich auch einige Zeit Ruhe; aber schon 834 brach ein neuer Aufstand aus, der trotz der Citadelle erst vier Jahre später durch den Hunger gedämpft werden konnte, so daß klar wurde, die Maßregel des Chalifen Hakem oder seines verantwortlichen Ministers sei doch im Grunde nur eine halbe gewesen, und die Regierung habe das Wohl des Staates durch unzeitige Großmuth Preis gegeben. Ob sich nun der Chalif und sein Kabinet jene Lehre zu Nutze gemacht, und ob sie bei der nächsten Gelegenheit zehntausend der unruhigen Köpfe von Toledo haben abschlagen lassen, davon erinnere ich mich nicht gelesen zu haben.

Im Anfang des eilften Jahrhunderts verlegte der Statthalter Mahomed's auf Erden seinen Fürstensitz nach Toledo, und fünfzig Jahre später wurde die alte Residenz der gothischen Könige von Alphons VI. zurückerobert, der zu diesem Ende einen förmlichen Kreuzzug ausgeschrieben hatte, an welchem Ritter und Reisige aus allen Ländern der Christenheit Theil nahmen.

Vergebens rückten die Saracenen später zu wiederholten Malen mit unermeßlicher Heeresmacht vor Toledo; diese Stadt blieb hundert und fünfzig Jahre lang das Bollwerk Castiliens gegen das Volk Ismael's, bis die Araber durch den großen Sieg bei Las Navas über die Sierra Morena hinausgeworfen wurden, deren Pässe sie während der letzten dreihundert Jahre ihres Reiches in Spanien kaum noch in einzelnen unbedeutenden Streifzügen überschritten.«

Die Sonne war schon längst am Horizont verschwunden, als wir nach der Stadt zurückkehrten und, aufwärts durch die steilen Gassen kletternd, unsere Wohnung erreichten. Da die Wohnungen, wie ich schon früher bemerkt, meist hinten hinaus, dem Hofe zu liegen, so sieht man bei Abend auf der Straßenseite wenig erleuchtete Fenster, was die Straßen still und trübselig macht; auch begegneten wir sehr wenig Menschen. Die schweren Hausthore waren verschlossen, und nur hier und da bemerkten wir einen Diener oder eine alte Frau, welche den Brassero für den abendlichen Gebrauch mitten auf die Straße gestellt hatte und mit einem Wedel die Kohlen anfachte, so daß man in der Dunkelheit die Funken weit umher fliegen sah. Zu Hause glühte ebenfalls der Brassero, flackerten die dreiarmigen Leuchter, und dort fanden wir den Tisch gedeckt, auf dem alsbald unser bescheidenes Diner aufgetragen wurde. Natürlicher Weise ist, sobald der Abend hereingebrochen, der Fremde in Toledo auf seine Stube angewiesen. Das Theater war wirklich zu schlecht, die Kaffeehäuser eng, trübselig und finster, und ein ziemlich kalter Wind, der an den Felsen herfegte, ließ selbst keinen Spaziergang auf den Markt-Platz zu. Ich gestehe auch, daß wir von der heutigen Tour ziemlich ermüdet waren und uns deßhalb bald in unsere Schlafgemächer zurückzogen. Vorher nahmen wir übrigens noch freundlichen Abschied von unserem lieben Reisegefährten Herrn W., den seine Geschäfte schon am anderen Morgen nach Madrid zurückriefen. Er hatte sich für den Eilwagen einschreiben lassen, der ungefähr zehn Stunden zur Fahrt von hier nach der Hauptstadt braucht, wobei man Aranjuez rechts liegen läßt.

Am anderen Morgen gingen wir nach der Kirche San Juan de los Reyes, einem schönen Denkmal gothischer Kunst aus den Zeiten Ferdinand's und Isabella's, zum Dank für den Sieg über die portugiesischen Waffen bei Toro erbaut. Das Innere der Kirche, mit vielen Bildhauer-Arbeiten geschmückt, unter welchen sich übrigens große Kunstwerke befinden, ist hier und da etwas überladen, wie dieß Eigenthümlichkeit der Bauwerke des sogenannten gothique fleuri ist; schön in Kreuzform geordnet mit hoch oben angebrachten Fenstern sind die Wände mit der feinsten Steinfiligran-Arbeit bedeckt, ein breiter prachtvoller Fries, der sich unter den Fenstern rings herum zieht, trägt immerwährend die Inschrift Ferdinandus et Ysabella, und das gekrönte F und Y begegnet dem Auge auf allen Schildern, unzählige Heiligenstatuen mit zierlichen Baldachinen überdeckt, stehen in langen Reihen zwischen großen Wappenschildern, so daß fast nirgends die glatte Wandfläche sichtbar bleibt. Der oben erwähnte Fries erweitert sich an einem der Kreuzpfeiler zu einer um denselben herlaufenden freischwebenden Gallerie, welche die schönste Kanzel bildet, die wohl gedacht werden kann; in reich ornirten Bogen überdeckt das Gewölbe diesen reizenden Raum, der, obwohl von keiner besondern Ausdehnung, doch zum Prächtigsten gehört, was in Kirchenbauten in Spanien zu finden sein wird. Ist die Kirche reich und mannigfaltig, so ist es noch mehr der daranstoßende Kreuzgang, in dem ebenfalls Statuen in Menge auf wunderschönen Untersätzen sich an die Strebpfeiler anlehnen; halbverfallen, wie er leider ist, gibt er mit den üppigen Rankengewächsen, die zu den schlanken, von dem feinst durchbrochenen Maaßwerk ausgefüllten Fenstern hereinwuchern, ein Bild von unbeschreiblich malerischer Wirkung. An den Außenwänden sieht man eine traurige Merkwürdigkeit: eiserne Fesseln nämlich in langen Reihen aufgehängt, welche man den Mauren in Granada abgenommen, und welche sie christlichen Sklaven anzulegen pflegten; es sind Ringe, durch schuhlange dicke Eisenstäbe verbunden, und müssen dem Ansehen nach von außerordentlicher Schwere sein.

Bei der Kirche San Juan beginnt ein Stadtviertel, welches man in dem eng begränzten Toledo, dessen schmale Gassen und zusammengedrängte Häuser uns deutlich gezeigt, wie sehr man bemüht war, hier auf dem Felskegel jeden Schuh breit des kostbaren Raumes gehörig zu benutzen, nicht vermuthet, leere, öde Stätten nämlich, mit Trümmerhaufen aller Art bedeckt und von alten Wohnhäusern umgeben, die trotz ihrer Armseligkeit in Bauart und Form so echt maurisch sind, daß man glaubt, irgendwo in einem syrischen Orte zu sein. Ob die Kriege hier ihre verwüstenden Spuren hinterlassen, oder große Feuersbrünste, oder ob hier ein maurischer Herrscher ehemals Gärten und Badanlagen besaß, wer weiß das? Der weite Platz ist öde und leer, aber trotzdem interessant und malerisch. Schutthaufen liegen überall umher, deren Geröll sich in langen, schrägen Linien bis an den Tajo hinunterzieht. Die hellgelben Gebäude, von denen ich oben sprach, scheinen sich wie scheu zurückgezogen zu haben, um mit ihrem luftigen Aufbau die wüsten Stätten ängstlich zu betrachten. In diesem Stadtviertel muß sich das Maurenthum am längsten erhalten haben; heute gehört es zum Judenquartier, und da wir unserem kundigen Führer folgten, so zeigte er uns in jedem scheinbar baufälligen Gebäude, oder hinter jeder Mauer, wo wir höchstens eine alte Scheuer erwarteten, einige schöne Denkmäler altarabischen Glanzes. Nachdem wir an einem derselben angeklopft, öffnet sich uns ein altes, zusammengeflicktes Thor, und wir treten in einen Hof, in dessen Hintergrunde sich ein Gebäude erhebt, das schon von Außen durch seine Form etwas verspricht. Wie sind wir aber überrascht, als wir nun diesen Raum betreten und die reichen Knäufe auf den achteckigen Pfeilern sehen, welche die Bogen tragen, die in zierlicher Hufeisenform von einem zum andern gesprengt sind. Die Bogenstellungen trennen das Gebäude in drei Schiffe und tragen noch viele Spuren von Vergoldung, bunter Malerei und Stukkatur. An den Wänden und Säulenschäften die zierlichsten Arbeiten in glänzenden, alle Farben zeigenden Fayence-Platten! Leider war in diesem Raume arg gehaust worden. Die Decken sind herabgefallen und die rohen Sparren schauen herein. Die Malereien waren größtentheils zerkratzt und abgeschlagen, und in den Ecken lagen ganze Haufen der kostbarsten Azulejos, wo wir uns für ein paar Realen nach Belieben herauslesen durften. Heute heißt dieser Bau Santa Maria la blanca, und war einst die Hauptsynagoge von Toledo.

Nahe bei diesem Bauwerke, in dem von außen ganz unscheinbaren Hause, von welchem ich oben sprach, befindet sich die andere, frühere jüdische Synagoge, ein schöner Raum, ebenfalls im besten maurischen Styl und dabei vortrefflich erhalten; man erkennt noch deutlich den prächtigen Plafond mit Boiserieen, mit ihren Vergoldungen in herabhängenden Tropfen wie Eiszapfen und Versteinerungen aussehend. Überhaupt ist diese Decke noch vortrefflich erhalten und von einer wunderschönen aus dem Achteck entspringenden Eintheilung, zierlicher, sternförmiger Cassaturen, die nach der Mitte ansteigen. In den Ecken sind noch Überreste der wunderbaren arabischen Bogen, in unzähligen Höhlungen durchbrochen, die ihnen das Ansehen von Bienenzellgeweben verleihen. Von unten sind die Seitenwände bis auf Mannshöhe noch mit gut erhaltenen Azulejos bedeckt, an diese schließen sich die zierlichen Stuckarbeiten an; doch ist leider die frühere Malerei auf denselben verschwunden, und man sieht deutlich, daß die ganze herrliche Fläche von Vandalenhänden weiß übertüncht wurde. Auf den beiden kurzen Seiten des langen Saales befinden sich oben in der Höhe kleine Räumlichkeiten, welche durch die bekannten kunstreichen maurischen Gitter von dem Saale selbst abgesperrt waren. Diese Gitter sind das Zierlichste, was man sehen kann, gerade goldene Linien, die sich so unglaublich verschlingen und umwenden, daß das Auge kaum folgen kann, und so in den Zwischenräumen die zierlichsten Figuren, meistens Achtecke oder Sternchen, bilden. Hier und da sieht man in der Stuckarbeit noch Spuren von Inschriften, die aber ebenfalls durch weiße Tünche fast ganz zugedeckt und vertilgt sind. Heute ist diese Kirche dem San Benito Abad geweiht, und wird gemeinhin el Transito genannt.

Über den öden Platz, in welchem die Synagoge liegt, gehen wir abermals und kommen nach kurzer Zeit an dem schönen arabischen Thurme, Santo Tomé, vorbei wieder in belebte Stadtviertel und endlich auf den Sammelplatz des Toledaner gewerblichen Lebens den Zocodover. Dieser kleine Marktplatz zeigt ebenfalls noch deutlich seinen maurischen Ursprung, er ist von regelmäßiger Form mit kleinen Häusern umgeben, deren jedes von dem andern verschieden ist. Aber an fast allen entdecken wir etwas, das die Zeit seiner Erbauer verräth; hier ein paar schlanke Säulen, welche einen Balkon mit zierlicher Brüstung tragen, dort einen zugemauerten Bogen in Hufeisenform; an jenem Hause ein paar schmale vergitterte Fenster, in dem anderen daneben einen zierlichen Hof mit Mosaikpflaster, einem kleinen Springbrunnen und offenen Arcaden. Leider dient er nicht mehr den Zwecken, zu denen ihn seine Erbauer bestimmt, und verschwunden sind Weiber und Kinder, die sich ehemals beim Klange des Saitenspiels einem süßen Nichtsthun hingaben. In den Ecken, wo früher Teppiche und Polster lagen, erblickt man jetzt Pferdegeschirr unordentlich durch einander geworfen, und aus dem Hause selbst klingen statt der Guitarrenklänge taktmäßige Ambosschläge zu uns herüber.

So sind fast alle Häuser des Zocodover, wo ehemals die alten Geschlechter wohnten, aufs prosaischste umgewandelt, und den heutigen Bedürfnissen entsprechend, reihen sich hier Werkstätten und Kramläden an einander. Dadurch ist nun freilich der Platz belebt, und interessante Bauerngruppen aus der Mancha, die rothe wollene Decke auf der Schulter, den spitzen Hut auf dem Kopfe, besorgen ihre Einkäufe oder stehen plaudernd und Cigarren rauchend bei einander, während ein paar Reiter aus dem toledaner Gebirge in ihrem bunten, malerischen Costüme, welches ans Andalusische erinnert, mit Messern und langen Flinten bewaffnet, über den Zocodover galoppiren und lustig nach diesem oder jenem Fenster hinaufgrüßen, wo sich ein Paar blitzender Augen unter einer schwarzen Mantille sehen läßt. – Der Platz ist mit Bäumen bepflanzt und mit Steinbänken von sehr alter Form versehen, die wir beim kleinsten Sonnenstrahle, der sich auf den Platz schleicht, auch jetzt im Winter fast immer besetzt fanden. Freilich war vom schönen Geschlechte nicht viel zu sehen, vom anderen dagegen ganze Reihen bleichsüchtiger Seminaristen in langem schwarzem Rock, die hier unbeweglich saßen, wie Krähen auf einer Stange.

Auf der südlichen Seite des Zocodover, ungefähr in der Mitte, befindet sich ein großer Thorbogen, hinter welchem die gepflasterte Straße steil wie ein Dach den Tajo hinab fällt. Wir folgen ihr einige Schritte, denn hier befinden sich zwei der merkwürdigsten Bauwerke von Toledo: das Spital von Sta. Cruz, links dicht an der Straße, von welcher ihr Vorhof durch ein äußerst kunstreiches Gitter getrennt ist: rechts eine Caserne, neben welcher sich ein altes Lattenthor befindet, durch welches der Weg zu dem mit Recht berühmten Alcazar von Toledo führt.

Kaum ist man aus dem Thorbogen getreten, so zieht die Façade des Spitals die Blicke unwiderstehlich auf sich und nachdem man die Schwelle des den Vorhof umgebenden Eisengitters überschritten, bleibt man gefesselt stehen; das Gebäude imponirt nicht durch seine Größe, aber sogleich erkennt man, daß man etwas ganz Ungewöhnliches vor sich hat. Aus der ersten Zeit der Renaissance stammend, ist ein Reiz über die Verhältnisse des Ganzen und der Einzelheiten ausgegossen, der bei genauer Betrachtung zur Bewunderung hinreißt. Der Haupteingang, eine viereckige Thüre mit darüber angebrachter Halbkreisbekrönung und seine nächsten Umgebungen sind von einer Feinheit des Verständnisses und einer Zartheit der Ausführung, die ihn zu einem der hervorragendsten Erzeugnisse dieser Kunstperiode machen. Nachdem man das geräumige Vestibüle durchschritten, gelangt man in einen weiten Hof mit zwei Bogenstellungen über einander von sehr gut abgewogenen Proportionen, aber bei einer Wendung rückwärts trifft der Blick auf die Haupttreppe, die in drei Armen von dem Hofboden zum oberen Stock führt und ein Ausruf freudiger Überraschung ist die unwillkürliche Wirkung dieses Anblickes. So einfach in der ganzen Anlage, gibt es nichts zierlicheres und wohlverstandeneres, wobei das Ornament edler vertheilt und die Einzelheiten künstlerischer durchgebildet sein könnten. Herrliche Säle mit gekrümmten, prächtig geschnitzten Holzdecken liegen um den Hof her und die Kirche im griechischen Kreuz angelegt mit einem schlanken Dom in der Mitte, muß gleichfalls von wunderschöner Wirkung gewesen sein, nun sind leider zwei der Kreuzarme durch eingeschobene Wände davon abgeschnitten und so der Raum verstümmelt. Von dem großen Cardinal Mendoza wurde dieser Bau an der Stelle der alten Burg der Gothenkönige, die besonders von Galafre, dem Vater der berühmten Galiana bewohnt wurde, 1504 gegründet und zu einem Findelhaus bestimmt. Heinrich von Egas, der Sohn des Erbauers der Kathedrale von Toledo errichtete den Bau, der ihn zu einem der ersten Künstler seiner Zeit erhebt. Nach Durchwanderung aller Räume dieses Hauses, das später ein Spital wurde und heute eine Cadettenschule ist, wandten wir uns, nicht ohne das Bild der herrlichen Treppe, einer wahren Perle, uns noch einmal recht eingeprägt zu haben, dem Alcazar zu.

Um ihn sehen zu dürfen, muß man sich die Erlaubniß beim Director der Kriegsschule holen, der in der eben erwähnten Caserne wohnt und mir eine Art Platzoffizier zu sein schien. Wir ließen uns bei ihm melden, er empfing uns recht wohlwollend und als ihm unser wortführender Architekt in einer wohl gesetzten Rede unseren Wunsch vorgetragen, gab er uns eine schriftliche Erlaubniß zum Besuche des Alcazar; doch hatten wir uns damit keinen Führer erworben, der uns zu den prächtigen Ruinen hinausbegleitete, um uns Dieß und Das zu erklären; es wurde uns vielmehr bei Vorzeigung unseres Papiers von einem Manne der Wache nur das vorhin erwähnte Gitterthor geöffnet, und dann mochten wir unsern Weg den Berg hinauf suchen, so gut uns das möglich war. Doch konnten wir nicht fehlen; denn kaum waren wir so weit empor gestiegen, um die Caserne unter uns zu sehen, so erblickten wir über uns auch schon die gewaltigen Massen des Alcazar, der, von allen Seiten frei stehend, trotzig und ernst in das Land hineinschaut. Dieses ehemalige Schloß von Toledo ist eine der prächtigsten und interessantesten Ruinen. Wer es versteht, kann hier Überbleibsel auffinden von der Baukunst vieler Jahrhunderte, die hier nach einander ergänzten und restaurirten; ob sich noch Spuren von dem ersten Erbauer, dem Gothenkönig Wamba auffinden lassen, vermochte selbst unser Baumeister nicht mit Bestimmtheit anzugeben. Gothische, maurische und castilische Fürsten haben den Alcazar der Reihe nach bewohnt und ihn nach dem je herrschenden Geschmacke verändert und ausgeschmückt hinterlassen, eines der seltsamsten Gebäude, die vielleicht jemals existirt. Leider ist hiervon fast gar nichts auf unsere Zeit gekommen; die gewaltigen Kämpfe in und um Toledo legten den größten Theil dieses Schlosses in Trümmer, und so blieb es lange stehen, bis endlich Karl III. den Wiederaufbau unternahm und mit königlicher Pracht vollführte; ihm also hat man die jetzige großartige Ruine zu verdanken. Daß es nur Ruine ist, daran tragen die Spanier selbst die Schuld; denn in den ersten Jahren des Unabhängigkeitskrieges schossen sie den Alcazar in Brand, um die Franzosen daraus zu vertreiben. Da indessen das mächtige Gebäude von würfelähnlicher Form meistens aus festen Granitmauern bestand, so konnte das Feuer dem Äußeren nicht viel anhaben, das denn auch, namentlich in seiner der Stadt zugekehrten Hauptfaçade, majestätisch und großartig aussieht. Hier ist die Mauer des Gebäudes von zwei starken Thürmen flankirt, welche eine äußere Gallerie mit einander verband. Noch deutlich sieht man das kunstvolle steinerne Geländer derselben fast unversehrt an der Vordermauer. Prächtig ist der große innere viereckige Hof und wäre eines Palladio würdig, bietet aber in neuester Zeit ein trauriges Bild der Zerstörung. Die jonischen und korinthischen Säulen, welche die zwei Reihen rings umherlaufender Arcaden tragen, sind vortrefflichster Arbeit, doch stehen nur die untern noch alle aufrecht, und sind ihre Capitäle theilweise abgeschunden und zertrümmert, die Säulenschäfte vom Rauche geschwärzt und auf mehrere Schuh hoch umgeben von Stein- und Kalktrümmern. Die breiten prächtigen Treppen, welche im Hintergrunde des Hofes nach den oberen Gemächern führten, liegen, da die Vorderwand eingestürzt ist, vor den Augen bloß da, und mancher der marmornen Fußtritte ist aus seinen Fugen gewichen, aus denen nun Gras und Strauchwerk lustig emporgewachsen ist. Steigt man hinauf, so bleibt man oben schwindelnd stehen, denn dort wo man ehemals ein weites Vestibüle betrat, befindet sich nichts mehr, als vier nackte Seitenmauern, die vor uns tief hinab gehen. Die Gewölbe und Platten des Fußbodens sind verschwunden, und an einigen Stellen blicken wir durch zerbrochene Kellerbogen auf den untersten Grund des Schlosses hinab.

Wenn wir nun den Treppen folgen, die uns hinunter in den Keller führen, so erstaunen wir über diese mächtigen unterirdischen Bauten. Der Begriff eines Kellers reicht hier nicht aus; es sind unterirdische Hallen und Säle, die in einem großen Quadrat rings unter dem Gebäude durch einander laufen. Von Seiten der Franzosen wurden sie als Ställe benutzt, und es hatten hier die Pferde mehrerer Regimenter Platz. Auch heute noch befindet sich eine kleine Cavallerie-Abtheilung hier, doch nehmen sich die paar Pferde und die wenigen Leute in dem unermeßlichen Gebäude fast unheimlich oder komisch aus. Die letztere Wirkung machten mir zwei dieser Reiter, die auf der weiten Terrasse vor dem Schlosse saßen und singend die Knöpfe ihrer Uniformen putzten. Dieß ist alles Leben und aller Glanz, die übrig geblieben sind von dem Palaste des reichsten Königs der Christenheit.

Nachdem wir uns ziemlich lange in dem alten Schlosse aufgehalten, auch Baumeister Leins nach Herzenslust gemessen und gezeichnet, traten wir wieder ins Freie und setzten uns, ehe wir wieder zur Stadt hinabstiegen, auf den Rand des Berges, wo wir eine prächtige Aussicht in das Tajothal und auf die weite Mancha hatten, um diese Aussicht zu genießen und dabei einen kleinen Kriegsrath zu halten. Da wir nach dem südlichen Spanien wollten, so hatten wir freilich von Madrid aus bis hieher den richtigen Weg eingeschlagen, fanden uns aber, was das Weiterkommen per Eilwagen anbelangte, hier auf jenem Punkte, wo die Welt so zu sagen mit Brettern vernagelt ist. Jede Spur einer Chaussee hört bei Toledo auf, und was an Straßen und Wegen von hier weiter führt, sind äußerst unebene Pfade für Maulthiere und Pferde, höchstens für kleine Bauernkarren. Die große Straße von Madrid nach Sevilla lief freilich nördlich bei Toledo vorbei in einer Entfernung von vielleicht vier Leguas und in der deutschen Heimath hätten wir im gleichen Falle nur dorthin zur nächsten Station zu reisen gebraucht, um einen Platz im nächstankommenden Hauptwagen oder in einer Beichaise zu erhalten. Letztere aber sind für Spanien ganz unbekannte Dinge, und was den Eilwagen anbelangt, so sind sämmtliche Plätze desselben gewöhnlich schon lange Zeit vorher in Madrid für die ganze Tour bis nach Sevilla besetzt, so daß man selbst auf den größeren Zwischenstationen, wie Baylen und Cordova, befürchten muß, wochenlang liegen zu bleiben. Das Alles hatten wir freilich in Madrid schon überlegt, hatten eingedenk unserer höchst fatiganten Eilwagentour, nur mit stillem Grauen den Marterkasten betrachtet, der jeden Abend vor den Fenstern unseres Hôtels mit zehn bis zwölf Maulthieren bespannt wurde und Abends um zehn Uhr nach Sevilla abging, bis wohin er drei Tage und vier Nächte brauchen sollte, jetzt aber im Winter oft fünf Tage und fünf Nächte unterwegs blieb.

Einen Ritt von Toledo nach Andalusien hatte man uns wieder eben so ernstlich abgerathen wie damals, als wir unsere Tour zu Pferde durch die Mancha machen wollten. Alle, die wir um Rath fragten, meinten achselzuckend, im Winter sei dieß eine gewagte Geschichte, das Wetter kalt, Flüsse und Bäche häufig ausgetreten, die Straßen öde und leer und wenn man auch hie und da Reitern begegnete, so wäre einem eine solche Begegnung noch unlieber, als gar keine. Endlich fanden wir Jemanden, der uns die Sache in einem besseren Licht darstellte und uns mit gutem Rath an die Hand ging; es war dieß ein freundlicher und liebenswürdiger Landsmann, Herr Steinfeld, der uns bei dem Aufenthalte in Madrid mit Freundlichkeit jeder Art überhäufte, und in dessen gastlichem Hause wir Abends manche Partie Whist spielten, und manchen vortrefflichen Punsch tranken. Möge es ihm und seiner Gemahlin, einer liebenswürdigen Andalusierin, dafür recht wohl ergehen auf Erden! Herr Steinfeld meinte nun, für gesunde Leute, wie wir, die auch des Reitens nicht unkundig seien, wäre eine solche Tour nach Andalusien selbst im Winter wohl zu machen; ja, da er in nächster Zeit selbst in Sevilla Geschäfte habe, so sei er nicht abgeneigt, wenigstens mit uns den Ritt über die Felsenpässe der Sierra Morena zu machen. Die Sache war danach reiflich überlegt und besprochen worden; Herr Steinfeld und noch einer unserer Bekannten wollte mit dem Eilwagen nach Val de Penas fahren; dort sollten wir am bestimmten Tage ebenfalls eintreffen und dann vereint unsern Weg zu Pferde fortsetzen. Ob wir nun direkt von Toledo nach Val de Penas reiten oder nach Madrid zurückkehren und von da den Eilwagen nehmen sollten? Diese Frage beschäftigte uns, als wir kriegsräthelnd auf der Terrasse des Alcazar bei einander saßen. Unser Baumeister hatte sich zur Fahrt entschlossen; er that es in der edlen Absicht, uns dadurch einen wichtigen Dienst zu leisten; denn wir mußten doch Jemanden haben, der unsere Koffer von Madrid nach Val de Penas besorgte, und so gewann er noch einen Tag zu Besichtigung des Taller del Moro, des Cristo de la luz, der Parroquia San Roman und wie die alten Bauwesen, die er unermüdlich aufsuchte, alle hießen. Der Maler Horschelt und ich mochten uns dagegen nicht zur Eilwagentour verstehen und entschlossen uns also zu einem neuen abenteuerlichen Ritte. Schon seit einigen Tagen hatten wir pro und contra Eilwagen mit uns selbst gekämpft und waren jetzt recht froh, als wir endlich mit uns im Reinen zur Stadt hinabstiegen. Am Zocodover sei einer der ersten Pferdevermiether von Toledo, hatte man uns gesagt, und wir fanden auch bald dessen Behausung, und zwar in jenem kleinen maurischen Hofe, von dem ich vorhin gesprochen, wo wir den großen Haufen Pferdegeschirr gesehen. Der Padron war ein dicker Mann mit einem ernsten und finsteren Gesichte, der kaum von seinem Stuhle aufstand, als wir in seine Wohnung traten, und unter einem steifen Kopfnicken mit seinen Fingern leicht den breiten Rand seines Hutes berührte. Unseren Wunsch, Pferde und einen Begleiter nach Val de Penas zu erhalten, nahm er sehr herablassend auf, wechselte aber einen bedeutsamen Blick mit zweien seiner Stallleute, die neben ihm standen, die aber beide sehr hoch die Achseln zuckten und meinten, das sei ein weiter Weg. »Sehr weit,« bekräftigte der Padron, »bei zweiunddreißig Leguas.« »In wie viel Tagen können wir das zu Pferde machen?« fragte ich ihn. Er rechnete an den Fingern nach: »Erstes Nachtquartier Yvenes, sieben Leguas; den zweiten Tag nach Fuentelfresno, acht Leguas; den dritten nach Almagro, acht Leguas; bleiben für den vierten Tag ebenfalls noch acht Leguas nach Val de Penas – wenn die Herren, fuhr er lächelnd fort, sich ausdauernd genug fühlen, vier Tage lang täglich beinahe acht Leguas über sehr schlechten Weg zu reiten. Wenn es die Thiere aushalten, meinten wir, so soll es an uns nicht fehlen. Das sei eben die Frage, entgegnete der Padron wichtig; er müsse uns das Beste geben, was in seinem Stalle sei, und daß er dafür einen höheren Preis verlange, als für ein gewöhnliches Reitthier, das würden wir doch wohl begreiflich finden. Wir fanden dieß aber durchaus nicht begreiflich, sondern erklärten ihm, nur auf den in Spanien gewöhnlichen Preis, und zwar für Tag und Pferd einen Duro unterhandeln zu wollen. Zuerst zuckte er verächtlich die Achseln, gab auch ein paar Carajo von sich und meinte, das sei der Preis für einen schlechten Esel, für ein miserables Maulthier, höchstens für eine Tagereise zur Sommerzeit. Natürlich machten wir auf diese Bemerkung hin Miene, den Hof zu verlassen; doch hielt er uns mit der Bemerkung zurück, er wolle nochmals das Ganze berechnen. Wir brauchten also drei Pferde, zwei für uns, eines für den Begleiter: seien täglich drei Duros, in vier Tagen zwölf, für die Rückreise eben soviel, mache vierundzwanzig. Allerdings pflegt man bei Reittouren so in Spanien zu rechnen, doch mit dem Unterschiede, daß man für drei Tage der Hinreise nur zwei zur Rückkehr annimmt; davon wollte aber der Pferdevermiether nichts hören. Vierundzwanzig Duros und ein Trinkgeld für unseren Begleiter, im Falle wir mit ihm zufrieden seien, das war sein Ultimatum, auf welches endlich eingegangen wurde, unter der Bedingung, morgen früh um sechs Uhr abzureisen. Wir besahen noch Pferde und Sattelzeug – eine Vorsicht, welche bei ähnlicher Veranlassung kein Reisender in Spanien versäumen sollte. Auch unseren Begleiter ließen wir uns vorstellen; es war ein junger Bursche mit einem pfiffigen Gesichte, der uns freundlich angrinste.

So waren wir also für den nächsten Tag engagirt und froh, dem verhaßten Eilwagen entronnen zu sein.

Da der Tag schön und klar zu Ende ging, so machten wir noch einen Spaziergang an den Tajo hinab, und zwar bis tief an das Flußufer unterhalb der Brücke von Alcantara. Da liegt eine alte kleine Mühle zwischen den Felsen des Ufers so still und melancholisch, wie ich mich lange nicht erinnerte, Ähnliches gesehen zu haben. Ein Wehr von schwarzen, bemoosten Steinen staut das Wasser zu einem kleinen dunkeln See, der unergründlich tief zu sein scheint und dabei so verführerisch ruhig und klar ist, so anlockend und geheimnißvoll glänzend, daß es, glaube ich, für ein betrübtes Gemüth gefährlich wäre, hier lange hineinzuschauen; ist man doch hier in der tiefen Schlucht, namentlich wenn der Abend niedersinkt, wie von allem Leben abgeschnitten. Geheimnißvoll gluckst und murmelt das Wasser neben uns und schleift in seltsamen Tönen an den steilen Felswänden, während es eilfertig dahinschießt und uns zuzurufen scheint: Komm mit, komm mit! – Dunkle Abendschatten liegen schon auf der tiefen Schlucht, und nur das dahinströmende Wasser leuchtet und glänzt eigenthümlich. In unbestimmten Umrissen sehen wir gegenüber auf der Stadtseite die alten Thürme am Wasser stehen und die zerbröckelten Mauern, welche sich den Abhang hinaufziehen. Dort bemerken wir noch die gewaltigen Überreste eines alten Gebäudes, das staffelförmig bis zur Stadt emporsteigt und von irgend einem Erzbischof von Toledo erbaut wurde, um die Stadt mit einer größeren Menge Wassers zu versehen, das hier mittelst eines Druckwerks emporgehoben werden sollte; doch wurde es nie beendigt, die dicken Mauern verfielen nach und nach, und jetzt blicken die leeren Fensterhöhlen recht unheimlich zu uns herüber.

Wollte man eine passende Decoration für den Styx malen, so brauchte man nur die Felsenschlucht an der alten Mühle hier zu copiren. Der Pfad, auf dem wir hinabgeklettert, ist in der Dunkelheit nicht mehr zu erkennen; man fühlt sich abgeschnitten von der ganzen Welt, und während wir hoch über uns die Felsenzacken, so wie die Zinnen des Alcazar vom letzten Strahle der Abendsonne beleuchtet sehen, tönt es in uns, die wir uns so tief unten in der Nacht befinden: »Laßt alle Hoffnung hinter euch!« Den prächtigsten Schluß dieser Unterweltdecoration macht vor uns die hohe schwarze Brücke von Alcantara, deren einziger riesenhafter Bogen sich in dem ruhigen Wasser wiederspiegelt und sich zu einer vollkommenen Rundung abschließt, ein Kreis, der, von der Abendröthe angestrahlt, jenseits der Brücke in röthlicher Gluth glänzt, mit seiner finsteren Einfassung den Eingang zur Hölle vorstellen könnte. Allerlei Nachtvögel, Eulen und Fledermäuse umschwirren uns, während wir schweigend aufwärts klettern. Uns alle Drei hatte die Öde des Ortes seltsam erfaßt, so wie nicht minder der Gedanke an unsere morgende Trennung, voraussichtlich freilich nur für wenige Tage, aber – wer kann das so genau wissen, wenn man sich mit spanischen Eilwagen und Reitgelegenheiten einlassen muß? Erst als wir wieder in unserer Locanda bei unserem Brassero saßen, nach dem Essen unsern guten, heißen Punsch trinkend, thauten unsere Gemüther wieder auf, daß wir im Stande waren, unsere kleinen Geschäfte zu arrangiren. Der Verabredung gemäß sollte uns Leins mit Herrn Sternfeld und dessen Freunde nach vier Tagen zu Val de Penas treffen, er nahm auch den größten Theil unserer Baarschaft mit; denn Horschelt und ich wollten, um für alle Fälle sicher zu gehen, nur das eben Nothwendige mit uns führen. Unsere kleinen Nachtsäcke versorgten wir dagegen reichlich mit Wäsche, um nicht wieder in Verlegenheit zu kommen, wie bei unserem Ritte durch die Mancha. Also in vier Tagen Zusammentreffen in Val de Penas, dem kleinen Orte, wo der berühmteste spanische Landwein wächst! Und so trennten wir uns denn wirklich am andern Morgen mit einem lustigen »Auf Wiedersehen in der schönsten Val de Penas-Laune!«


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