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Nach dem Montserrat! Der Omnibus diario. Spanische Fahrgelegenheiten und ihre Bespannung. Mayoral und Zagal. Aufenthalt am Thore. Spanische Landstraßen und Fahrt auf denselben. Esparraguera. Fliegenwedel. Unsere erste Tartane. Prachtvoller Anblick des Montserrat. Gefährlicher Ritt zu Esel. Blick in das Thal. Anblick des Klosters. Tiefe Stille und Ruinen. Die ärmliche Fremdenherberge. Malerische Überreste des Klosters. Der freundliche Prior. Die wunderthätige Madonna. Ruhe und Frieden. Der unvergeßliche Klostergarten. Zwei und siebzig Jahre in dieser Einsamkeit. Weg nach der Spitze des Berges. Ein Landsmann bei gefährlichem Wege. Die Einsiedeleien. Der Felsengarten. St. Geronimo. Die Namen unserer Lieben. Eine Frühmesse. Die Rosen des heiligen Berges.
Wenn man sich aus der Jugendzeit der Sagen und Geschichten erinnert, welche man von den geheiligten Bergen, dem Sinai, dem Carmel, gehört, so tritt einem zugleich das phantastische Bild des Montserrat lebendig vor die Seele. Man entsinnt sich der Erzählung von dem Marienbild, das dort in einer Höhle aufgefunden wurde, daß man zu dessen Verehrung ein großes Kloster baute, und daß der Ruf der Wunder, die hier geschehen, tausend und aber tausend von Andächtigen auf die Höhe dieser Felsen zog – Bettler wie Könige. Wie gern hörten wir nicht von den Einsiedlern, die an verschiedenen Stellen des Bergs in kleinen Kapellen ihre Lebenszeit verbrachten, und glaubten so fest der Tradition, die uns sagte, die Spitze des Montserrat, die wir heute in so wunderlicher Gestalt zerklüftet sehen, sei erst zerrissen worden in der Todesstunde Jesu Christi.
Den Sinai hatte ich – wenn auch aus weiter Entfernung – gesehen, auf dem Karmel eine Nacht zugebracht, und hier in Barcelona befand ich mich wenige Stunden Wegs vom Montserrat entfernt, weßhalb begreiflicherweise der Wunsch in mir rege wurde, demselben einen Besuch zu machen. Wie aber hier in Spanien überhaupt sehr wenig zur Bequemlichkeit der Reisenden gethan ist, und am allerwenigsten um auf angenehme Art von einem Ort zum andern zu gelangen, so mußte man sich um diese Tour zu machen entschließen, einen Omnibus diario zu benutzen, der zur höchst unpassenden Zeit, nämlich Nachts um zwei Uhr, von Barcelona abgeht.
Natürlicherweise ist hiedurch die ganze Nacht verdorben, denn man kann dem Schlaf nicht gebieten, daß er um zehn Uhr komme und uns für ein paar Stunden mit seinem erquickenden Schleier bedecke. Ein junger Däne, der mit uns die Tour machen wollte, Horschelt und ich hatten uns das Coupé des besagten Omnibus genommen, und als wir gegen halb zwei Uhr durch die Gassen Barcelonas nach dem Ort der Abfahrt gingen, kann ich nicht sagen, daß die Stadt, trotz der ungewöhnlichen Stunde, menschenleer oder still gewesen wäre; auf der Rambla brannten noch immer hell und lustig die Gasflammen, und zahlreiche Nachtschwärmer trieben sich dort umher, in ihre Mäntel eingehüllt, pfeifend, singend und lachend.
Der Anblick des Omnibus flößte uns ein geheimes Grauen ein: er war eng, alt und hinfällig, namentlich aber schien das Coupé nur für drei Zwerge mit sehr unbedeutenden Beinen eingerichtet zu sein; die Bespannung wäre für Deutschlands gute Wege wahrhaft verschwenderisch gewesen, fünf kräftige Maulthiere standen vor dem Wagen, die ungeduldig hin- und hertraten und auf dem Pflaster scharrten. Die Beschirrung dieser Zugthiere in Spanien ist höchst einfach, denn obgleich die Kopfgestelle reich mit rothen Quasten und kleinen Glocken versehen sind, haben nur die Stangenpferde Zügel, welche der Mayoral, der vorn auf einem Banket vor dem Coupé sitzt, in der Hand hält. Zur Leitung der vordern Thiere hat er einen Adjutanten, den Zagal, gewöhnlich ein aufgeschossener Bengel von vierzehn bis sechszehn Jahren, der seinen Platz auf dem Trittbrett des benannten Bankets hat. Der Zagal ist Peitsche und Zügel zu gleicher Zeit; er schreit den vordern Thieren zu, sie sollen rechts oder links gehen, und wenn eine einfache Ermahnung nicht fruchtet, so hat er die Tasche voll kleiner Steine, die er mit geschicktem Wurf den Thieren an eine kitzliche Stelle des Körpers wirft, und in dem Fall, daß das Maulthier, welches die Spitze führt, Anwandlungen von Eigensinn zeigt, springt er behende von seinem Sitz herab, eilt vorne hin und überrascht das betreffende mit kräftigen Peitschenschlägen. Der Zagal ist in diesen Dienstleistungen unermüdlich, stundenlang sitzt er nicht eine Minute ruhig auf seinem Platz: jetzt springt er auf den Boden, um das ganze Gespann der Reihe nach mit seiner Peitsche zu bedienen; gleich nachher hüpft er wieder auf seinen Sitz, und wenn die Hand ruht, ist dafür seine Zunge um so thätiger. Bald schmeichelt er den Thieren, bald überhäuft er sie mit den ehrenrührigsten Schimpfworten, und die Maulthiere verstehen jedes seiner Worte, jeden Zungenschlag, denn wenn sie in diesem Augenblick etwas langsam den Berg hinantraben und der Zagal läßt auf einmal durch die Stille der Nacht sein lauttönendes hatia, hatia! erschallen, so scheint sie neuer Lebensmuth zu durchströmen, sie heben Köpfe und Beine, Glocken und Messinggeschirr klingen und rasseln, in vollem Galopp jagen sie dahin, so daß der morsche, seufzende Wagen wie ein Betrunkener in den tiefen Löchern der Straße hin- und herwankt, und dem armen nichtspanischen Passagier Hören und Sehen vergeht.
Punkt zwei Uhr kletterten wir also in unser Coupé hinein, und nachdem sich unser Däne sowie Horschelt niedergelassen hatten, war kaum noch Platz übrig für ein sechsjähriges Kind, welcher für meine etwas breite Gestalt genügen sollte. Der Mayoral zuckte die Achsel, schob mich hinein, schloß den Schlag, und da saßen wir neben einander eingekeilt, ohne die Möglichkeit der geringsten Bewegung. Was den Sitz anbelangt, so hätte man sich das am Ende schon gefallen lassen können, aber die Beine waren noch schlimmer daran; der lange Horschelt machte die schrecklichsten Versuche, ohne zu einem angenehmen oder glücklichen Resultat zu gelangen. Die Abfahrt war ziemlich pünktlich, der Zagal bediente die Maulthiere mit einigen kräftigen Hieben, und dahin rasselten wir durch enge Straßen nach der Puerta de Santa Madrona. Doch waren wir nicht so glücklich, dieses Thor baldigst passiren zu können und die offene Landstraße zu erreichen. Diesseits desselben hielt plötzlich unser Omnibus, und als ich zum Wagenfenster hinausschaute, bemerkte ich, daß die ganze Straße vor uns mit Fuhrwerken gleich dem unsrigen vollgepfropft war. Von Barcelona aus gehen mehrere Posten und Verbindungswagen für benachbarte Städte zwischen ein und zwei Uhr Nachts ab, und da es für den spanischen Thorwächter zu mühsam wäre, jedem einzelnen aufzuschließen, so wartet er bis eine hübsche Anzahl beisammen ist, um sie dann alle mit einander hinauszulassen. So lange wir hielten, schlossen sich immer neue Wägen und Omnibusse an uns an, mit sechs, acht bis zehn Maulthieren bespannt. Obgleich wir fast eine halbe Stunde warteten, muß ich doch zur Ehre der Spanier gestehen, daß kein Wort des Mißvergnügens laut wurde, und sich jeder ruhig in sein Geschick ergab. Endlich wurden wir erlöst, man öffnete das Thor, und auf einem fürchterlichen Weg durch die Festungswerke der Stadt, wobei der Wagen bald rechts, bald links in fußtiefe Löcher hineinkrachte, gelangten wir in's Freie, und rollten auf der königlichen Landstraße von Madrid gen Esparraguera. Unser Wagen war sehr besetzt, im Interieur sechs Personen, im Coupé drei und auf dem Banket, wo nur für ebensoviele Platz war, wechselte die Zahl der Mitreisenden beständig zwischen fünf und sechs, von denen begreiflicherweise die an den beiden Enden förmlich rechts und links überhingen; ich habe den Zagal hier nicht mitgerechnet, denn dieser arme Teufel hatte seinen Platz bald auf dem Trittbrett, bald auf der Straße und bald in der Luft, denn er brachte wenigstens ein Viertheil des Wegs mit Auf- und Abspringen zu. Der Mayoral dagegen war eine dicke Standesperson, die gravitätisch sitzen blieb, in brauner Jacke, rother Mütze, ein Tuch um den Hals geschlungen und um die Schultern die vielfarbige spanische Decke, welche die Stelle des Mantels vertritt.
So rollten wir dahin in dicken Staubwolken, die man mehr fühlte als sah, über uns den wunderbar klaren südlichen Himmel mit funkelnden Sternen; aber unser Coupé zu drei Personen war eine vollständige Marterkammer, dazu die fürchterlichen Stöße des Wagens, das ewige Geschrei des Zagals, hinter uns aus dem Interieur die Düfte verschiedener Zwiebelsorten, von vorn der schlechte Geruch der Papiercigarren unserer sechs Außenpassagiere; es war in der That eine unerquickliche Nacht, und wenn ich, was jeden Augenblick geschah, aus einem leichten Halbschlummer aufgeschreckt wurde, so hörte ich, wie Horschelt in der andern Ecke traurige Verachtungen anstellte über die Lust des Reisens im allgemeinen, sowie über den Unterschied zwischen einem deutschen Bett und einem spanischen Eilwagen.
Man kann gerade nicht sagen, daß die Straße durchgängig schlecht gewesen sei, nur in der Nähe der Dörfer fanden sich immer verdrießliche Stellen, wo man jeden Augenblick befürchtete, hier müsse der schwere Wagen nothwendig stecken bleiben; am unangenehmsten jedoch waren kleinere und größere Flüsse und Bäche, die wir zu passiren hatten, denn hier fehlten regelmäßig die Brücken, d. h. wir sahen riesenhafte Trümmer derselben hoch neben uns emporragen, während wir tief unten durch eine Furt das Wasser passirten. Bei diesen Veranlassungen zeigte sich übrigens der Zagal in seiner ganzen Größe. Sowie wir zum Flußufer in scharfem Trab hinabfuhren, verschwand er plötzlich von seinem Sitz, und wenn unten die Maulthiere einen Augenblick zauderten, in das Wasser hineinzusetzen, richtete er eine Unzahl Prügel auf die armen Thiere, so daß sie in großen Sätzen durch die Furt eilten, wobei das Wasser an den Wagenfenstern emporspritzte und dieser verdächtig hin- und herschwankte. Freund Zagal hing jetzt wie eine Katze irgendwo am Wagen fest, um, sowie wir das gegenseitige ziemlich steile Ufer erreichten, zur höchst unangenehmen Überraschung der Maulthiere gleich wieder bei der Hand zu sein.
Gegen vier Uhr Morgens spannten wir in einem elenden Dorfe um, wickelten uns fester in unsere Mäntel, denn obgleich es den ersten Theil der Nacht – es war vom siebenten auf den achten Dezember – ziemlich warm gewesen, kam doch jetzt von den Gebirgen her eine scharfe Morgenluft, die uns bei der schlechten Beschaffenheit der Wagenfenster frostig durchdrang. Auch wurde es so dunkel, daß man vom Weg und der Gegend nichts mehr sehen konnte. Um sechs Uhr kamen wir in die Berge hinein, und da es auf und ab beständig in scharfem Trab oder Galopp ging, so waren die Bewegungen des Wagens noch unangenehmer, das Geschrei des Zagal noch heftiger als früher. Es ist eigenthümlich, daß bei den spanischen Posten der Mayoral und Zagal nicht auf jeder Station gewechselt werden, sondern daß dieselben selbst während einer ganzen Reise, wenn sie auch vierundzwanzig Stunden dauert, den Wagen begleiten, ja in Barcelona zeigte man uns einen Postillon, der schon mehreremale die ganze Reise nach Madrid und zurück, beständig auf dem Vorderpferd reitend, vier Tage und vier Nächte gemacht.
Nach unserer nächtlichen Fahrt kam der Morgen prachtvoll herauf. Im Osten erschien der Himmel glühend roth angestrahlt, und ehe die Sonne erschien, gossen ihre Strahlen über die bisher dunkle Luft einen glänzenden violetten Schimmer, der sich rings am Horizont zu einem matten gelben Lichtstreifen verdichtete. Als es so hell geworden war, daß wir die Gegenstände rings herum erkennen konnten, sahen wir mit Vergnügen den für uns so gänzlich fremden Charakter der Landschaft. Die Berge rechts und links so wie die wellenförmigen Felder hatten eine braunrothe Farbe, auf welchen sich das Graugrün der Olivenbäume einförmig abzeichnete. Die ganze Landschaft schien zerklüftet, zerrissen und steinig; letzteres sind auch alle Felder in der That, und es gehört der unermüdliche Fleiß der Catalonier dazu, die, wie das Sprüchwort sagt, selbst aus Steinen Brod zu machen wissen, um diesen Gründen etwas abzuzwingen. Die Straße, auf der wir fuhren, war breit, ziemlich eben, aber schlecht unterhalten; gelber tiefer Sand wechselte mit rauhen Steinen und Kieseln ab, und sie selbst lief in den eigensinnigsten Windungen, sich bald rechts, bald links drehend, ein heller Streifen über die dunkleren Anhöhen dahin. Für uns war die Einfassung ihrer hohen Seitenwände sehr interessant, denn sie bestand aus prächtigen großen Aloen, welche mit ihren blaugrünen, spitzigen, drohend emporgekehrten Blättern eine undurchdringliche Einzäunung für die Felder bilden, und sich so trotzig und keck auf dem dunkelblauen Himmel abzeichnen.
Als wir uns noch in der Morgendämmerung gegen sieben Uhr Esparraguera näherten, begegneten uns einige Gendarmen, welche mehrere, höchst verdächtig und wild aussehende Kerle transportirten, wahrscheinlich Räuber, die bei der Ausübung ihres saubern Handwerks auf der Landstraße gestört worden waren. Der Mayoral wenigstens beantwortete unsere Frage auf die gleichgültigste Art mit dem einzigen Wort: Ladrones. Esparraguera, welches wir um sieben Uhr erreichten, wo der Omnibus bleibt, ist ein kleines schmutziges Dorf, aber mit massiven steinernen Häusern, natürlicherweise vor jedem Fenster der in Spanien unentbehrliche eiserne Balcon. Zur Zeit des Unabhängigkeitskrieges 1808 fielen hier zahlreiche Gefechte vor, und die Erbitterung, mit der die Franzosen und Spanier gegen einander kämpften, zeigte sich noch lange nachher in der grenzenlosen Verwüstung der ganzen Gegend. In der Hauptkirche, mit einem hübschen Thurm, wurde nach der ersten Zerstörung des Klosters auf dem Montserrat das wunderthätige Marienbild lange Jahre aufbewahrt.
Der Omnibus setzte uns vor einer Posada ab, deren innere Räumlichkeiten große Ähnlichkeit mit einem Stall hatten, doch that uns ein flackerndes Kaminfeuer in einem finstern Winkel sehr wohl, und wir ließen uns da behaglich durchwärmen, während eine überaus dicke Wirthin unser Frühstück bereitete. Dieß bestand nach spanischer Landessitte aus einer, übrigens vortrefflichen, dicken schwarzen Chocolade mit geröstetem Brod; Kaffee zu verlangen muß man sich selbst in den größern Städten nicht beigehen lassen, denn man erhält unter diesem Namen eine kraftlose graue Brühe, deren Geschmack unter aller Beschreibung ist; frische Butter gehört hier ebenfalls zur Sage, und was man in dem Artikel aufgetischt erhält, ist Schweinefett mit Safran gelb gefärbt. Daß man indessen überall etwas lernen kann, fanden wir auch in hiesiger Posada, denn wir entdeckten im Gastzimmer derselben eine sinnreiche Art von Fliegenwedeln. An langen, über dem Tisch von der Decke herabhängenden Stangen waren große Fächer von Papier befestigt, welche, in Bewegung gesetzt, die zudringlichen Insekten vertreiben.
Um von hier an den Fuß des Berges nach einem kleinen Nest, Colbata, zu gelangen, braucht man eine Stunde, und nimmt dazu eine Tartane. Dieß ist ein zweirädriger Karren, mit einem Tuch bedeckt und ein paar gepolsterten Sitzen. In die Gabel wird ein Maulthier gespannt; der Kutscher läuft nebenher, oder springt auch zuweilen, wenn er sein Thier durch Hiebe und Geschrei in Trab oder Galopp versetzt, auf ein kleines viereckiges Polster, das auf dem rechten Deichselbaum angebracht ist. Auf diese Art versorgt, trollten wir zum Thor hinaus unter den tollsten Sprüngen und Stößen unseres federlosen Fuhrwerks. Schon von Esparraguera hatten wir im Grauen des Morgens riesenhafte seltsame Felsenmassen bemerkt, die fast ohne Übergang schroff vor uns aus dem leichthügeligen Terrain emporstiegen – der Montserrat.
Jetzt hatten wir ihn dicht vor Augen, und erstaunten über seine seltsamen willkürlichen Formen. Unten scheinen kolossale Blöcke auf einander gethürmt zu sein, ein Felsenberg auf dem andern, und oben hat die Natur in muthwilliger Laune Cylinder und abgestumpfte Kegel aufgesetzt, die in den sonderbarsten Zacken und Spitzen emporragen. Die Färbung des Bergs am heutigen Morgen bei klarem Himmel und glänzendem Sonnenlicht war überraschend und prächtig. Aus dem rothbraunen Terrain mit gelben und grünen Streifen erhob er sich mit der grauen Grundfarbe seiner Steinmassen, die durch Schluchten, durch Risse und Sprünge in dem Gestein, durch das Grün einer wenn gleich spärlichen Vegetation und durch die Schatten der vorliegenden Blöcke und Kegel mannichfaltig und malerisch schattirt war. Auf die hervorspringenden Ecken goß die Sonne ihr rosiges Licht, und indem sich dasselbe dort mit den hellen und dunkeln Tönen des Berges mischte, erschien die Felsenmasse ganz übergossen mit einem unaussprechlich warmen, röthlich violetten Schimmer.
Colbata, dicht am Fuße des Berges, besteht aus einigen wenigen ärmlichen Häusern, und man miethet hier Maulthiere oder Esel, um sich selbst und sein Gepäck bis zum Kloster tragen zu lassen. Unser Däne und ich bedienten uns zweier letztgenannten Reitthiere, Horschelt aber nahm den Weg unter die Füße, und so stolperten wir in Begleitung zweier alten Weiber aus dem Dörfchen durch dessen leere und holperige Gassen. Anfänglich geht es ziemlich gemäßigt aufwärts, man befindet sich fast noch in der Ebene, die den Felsenkegel von allen Seiten hügelig umgibt. Wir hatten hier weichen Sandboden, Olivenbäume und wieder die malerischen Einfassungen der Felder mit Aloestauden. Kaum aber beginnt man an dem Berg selbst hinaufzuklettern, so verändert sich auch mit einemmal sein ganzer Charakter. Ein schmaler, vielleicht vier Fuß breiter Weg, bedeckt mit Felsstücken und Steingeröll, beginnt in einer Schlucht ziemlich steil aufwärts zu steigen, um im Grund derselben sich rechts wendend an einer mächtigen Felsenwand hinzulaufen, in welche er mühsam gehauen ist. So geht die Steigung aufwärts, bald im Zickzack an einer fast senkrechten Wand empor, bald an den untern Massen des Berges in weiten Kreisen hin, wobei der Pfad, wenn man rückwärts schaut, nur wie ein dünner heller Faden aussieht, der vielfach um die grauen Massen geschlungen ist. Ich habe auf meinen Reisen manche gefährliche Wege gemacht, aber keinen schlimmern als diesen: bald war unser Pfad mit Steinen bedeckt, die unter den Tritten unserer Esel beständig nachgaben und nicht selten neben uns in die Tiefe rollten, bald bildete er förmliche Stufen und führte gleich darauf über glatte Steinplatten weg, auf denen der Huf der armen Thiere unter uns gar keinen Halt hatte. Von Geländern oder sonstigem Schutz ist durchweg keine Rede, und da der Esel in seinem Eigensinn beständig auf dem äußersten Rand des Weges dahin geht, so hing man fast immer mit dem halben Theil des Körpers über Abgründen, die mehrere hundert Fuß tief neben uns gähnten, während auf der andern Seite die senkrechte Felsenwand ebenso hoch emporragte.
Belohnend ist übrigens die Aussicht, die man bei den meisten Wendungen des Weges auf das Thal unter sich genießt, und die, je höher man steigt, immer reicher und großartiger wird. Bald verschwinden die einzelnen Linien der Felder und Wege, die Olivenbäume bemerkt man nur noch, wo sie in großen Gruppen bei einander stehen, und einzelne Häuser sind fast nicht mehr zu unterscheiden von dem felsigen Grund, auf welchem sie gebaut sind. Hügel an Hügel bildet die Landschaft durchgängig in röthlich gelber Farbe; nur hie und da sieht man hellgelbe oder grüne Streifen, große Waldungen oder Sandbrüche, und zuweilen das Glitzern des Sonnenlichts auf irgend einem einsamen Wasser. Einen eigenthümlichen, ja melancholischen Eindruck machten auf mich bläuliche Rauchwolken aus für uns unsichtbaren Häusern, die hie und da aus dem Thal emporstiegen und langsam und allmählich vergehend die Spitze eines Hügels umkreisten. Und wie still und feierlich war es hier oben in der gewaltigen Natur, wie seltsam und kolossal trennt sich ein Fels von dem andern, während man immer höher steigt! Die Wand, die, von unten gesehen, ein zusammenhängendes, wenn auch zerklüftetes Ganzes zu bilden scheint, besteht aus riesenhaften Blöcken, was wir deutlich sahen, sobald wir über ihnen angelangt waren. Vor uns hatten wir jetzt eine gewaltige Schlucht, man könnte sie ein Thal nennen, an deren anderer Seite sich die Felsen scharf und spitz emporheben. Da sich der Pfad, auf dem wir ritten, hier um ein paar Fuß erweiterte, so ließen wir die Thiere einen Augenblick halten, und unser Führer aus Barcelona erzählte uns von einem Geschützkampf, welcher auf dieser Stelle zwischen Spaniern und Franzosen im Jahr 1808 stattfand, und während die letztern mit einer ihnen gegenüberliegenden Batterie beschäftigt waren, wurden sie von hinten überfallen und mußten todt und lebendig in die gräßliche Tiefe vor ihnen hinab, gefolgt und zerschmettert von ihren eigenen Geschützen, welche ihnen die Spanier nachwälzten.
Zuweilen führt der Pfad eine Zeitlang abwärts, um auf den Grund einer Schlucht zu gelangen, von dem sich die nächste Höhe wieder besser ersteigen läßt. Ich habe selten ein Gebirge gesehen, dessen Vegetation in den tiefern Theilen so dürftig gewesen wäre wie die meisten Partieen des Montserrat; niedere Buchsbaumsträuche und Gebirgskräuter wachsen zuweilen am Wege, und ziehen sich in den Spalten der Felsen aufwärts; manchmal auch, aber selten, erreichten wir eine Stelle, wo die graue Wand mit saftigem Grün freundlicher bekleidet war, wo schöne, zierliche Erikenblüthen, auch eine Art Rhododendron mit dicken Blumenknospen, und blaue Glockenblumen von dem Gestein herabnickten.
Die eigentliche und so überaus sonderbare Form des Montserrat ist übrigens hier in seinen untern Theilen noch nicht zu erkennen; die Spitze des Berges hält sich beständig vor unsern Blicken verborgen, und was wir jetzt, schon ziemlich hoch gestiegen, von ihm unter und neben uns erblickten, trägt einen eher heimathlichen als fremden Charakter. Dieselben Gebirgsformationen wie hier findet man im Harz, in einigen Theilen der sächsischen Schweiz, ja im Siebengebirge am Rhein, wenn man den Drachenfels ersteigt und vom Rhein abgewendet in die Thäler schaut, nur muß man sich die dortigen dichten Baumgruppen hinwegdenken.
Nachdem wir zwei Stunden emporgestiegen waren, lief der Weg eine Zeitlang eben hin, neigte sich sodann abwärts, und wir erreichten ein kleines, mit gehauenen Steinen eingefaßtes Becken voll klaren grünen Wassers, das recht still und einsam unter einer senkrechten Felswand lag, worauf wir noch wenige Schritte weiter machten, um eine scharfe Ecke des Gebirges bogen und das Kloster des Montserrat vor uns liegen sahen – hier in dieser Einöde ein gewaltiger, unvergeßlicher Anblick. Zu unserer Rechten und vor uns fiel das Gebirge einige tausend Fuß senkrecht in den Llobregat hinab, um an der andern Seite in einer ebenso kolossalen Felswand wieder emporzusteigen. An dieser tief unter uns lagen die Klostergebäude geschmiegt, vor sich die gerade hinabgehende Wand, hinter sich ungeheure Felsmassen, deren Spitzen drohend überzuhängen schienen. Unregelmäßig ohne Zusammenhang hingebaute Häuser standen da bei einander, aus ihnen hervorragend zwei gelbe majestätische Gebäude mit vielen Fenstern, die hohe und lange Fronte uns zugekehrt, das eigentliche Kloster, über welche hinweg der nicht sehr hohe Thurm hervorschaut. Wir hielten eine Zeitlang auf dieser Stelle, um uns das vor Augen liegende eigenthümliche Bild recht ins Gedächtniß zu prägen. Ruhig und ernst lagen alle Gebäude da, fast unheimlich in dieser Öde und Einsamkeit, ohne Zeichen irgendwelchen Verkehrs und Lebens, und wenn man auch nicht schon von hier die Zerstörungen derselben bemerkte, so hatte doch das Ganze etwas verlassenes und ruinenhaftes. Als wir langsam hinabstiegen und dem Kloster näher kamen, bemerkten wir deutlich einzelne Wände, die ohne Verbindung mit den andern dastanden, eingestürzte Thorbogen, zertrümmerte Dächer. Vor der Einfahrt, deren Thor aus wenigen Brettern bestand und in rostigen Angeln hieng, befand sich ein kleiner überwölbter Wasserbehälter, dessen Quelle versiegt schien, und an dem nur noch an der äußern Wand mit melancholischem Schall einzelne Wassertropfen in ein zertrümmertes Becken niederfielen.
Wir brauchten keine Glocke zu ziehen um in den Klosterhof einzutreten, alles war weit geöffnet, und der einzige Laut der unsern Eintritt begrüßte war das Klappern der Hufe unserer Thiere auf dem Pflaster und der Wiederhall der eigenen Stimme.
Die Zerstörung des Klosters datirt sich bekanntlich aus dem Befreiungskrieg von 1808. Bei dem ersten Besuch hatten die Franzosen, da sie hier auf keinen Widerstand stießen, das Kloster verschont; doch als sie abzogen, machten die Spanier einen Waffenplatz aus demselben, den die französischen Truppen gegen das Ende des Kriegs stürmten und einnahmen, worauf sie den Versuch machten die festen Gebäude in die Luft zu sprengen und dem Erdboden gleich zu machen; doch rettete die Stärke der Mauern das Kloster von dem gänzlichen Untergang, und nach der Rückkehr Ferdinands VII. bauten die Mönche fleißig an der Wiederherstellung ihres Hauses. 1830 zum zweitenmal vertrieben, begann die Restauration des Klosters 1833 wieder, und wurde, soweit die spärlichen Mittel es erlaubten, bis 1835 fortgesetzt, wo sie durch den allgemeinen Klostersturm in Spanien abermals unterbrochen wurde, und es auch wohl für immer bleiben wird.
Früher wurden alle Pilger und Fremden, die den Montserrat besuchten, von den Mönchen mit herzlicher Gastfreundschaft aufgenommen; man fand hier ein eigenes sehr anständiges Fremdenhaus, und wurde aus der Klosterküche gespeist. Bei der Armuth indessen, in welche das früher so reiche Kloster verfiel, mußte diese Gastfreundschaft natürlicherweise aufhören, und von da an richtete sich ein Gastwirth auf dem heiligen Berg ein, bei dem die Fremden für Geld und gute Worte, wie auch anderwärts, ein Unterkommen fanden. Ob nun dieser Wirth in der That glänzende Geschäfte gemacht, bin ich nicht im Stand anzugeben, die Regierung aber hatte diesen Glauben, und legte ihm vor nicht langer Zeit eine Abgabe von jährlich 500 Thlrn. auf, und befahl im Weigerungsfall die Herberge zu schließen. Letzteres ist nun nicht vollständig geschehen, obgleich die Steuer begreiflicherweise auch nicht bezahlt wurde, und so besteht denn hier oben auf dem Montserrat für die hungrigen und durstigen Fremden eigentlich so gut wie gar keine Herberge. Man hatte uns schon in Colbata einen Wink gegeben Proviant mitzunehmen, doch war die Probe, die man uns von dem Eßbaren da unten gab, so schlecht, daß wir lieber den Beschluß faßten es mit dem halbgeschlossenen Wirthshaus da oben zu versuchen, und wir thaten daran nicht unrecht, denn wir fanden Brod, Käse und Wein, und Abends ein einfaches Mahl, bei welchem freilich alles Fleisch fehlte. In einem stehengebliebenen Flügel des Klosters, unter lauter Ruinen, wurde für uns ein Zimmer aufgeschlossen, auch Betten hergerichtet, und so befanden wir uns denn, gegenüber der prachtvollsten Aussicht wie ich lange keine mehr gesehen, bestens versorgt.
Das Kloster in seiner jetzigen Gestalt ist eine der malerischsten Ruinen die man sehen kann, die umliegenden Häuser, mit einziger Ausnahme der Herberge, sind nur vier Wände, ohne Dach und Fenster; aus den letztern wächst Epheu hervor und schmückt freundlich die zertrümmerten und zerrissenen Mauern. Große steinerne Wasserbehälter sind leer und staubig, denn die Leitung aus den Felsen ist zerstört, und einzelne Tropfen, die herabrieseln, nähren schmarotzende Schlingpflanzen, die jetzt die Stelle der klaren Fluth einnehmen und ihre wehenden Ranken über den Rand der Bassins herabhängen lassen. Eine der Hauptmauern, die früher den Klosterhof umgaben, ist gänzlich eingestürzt, und läßt, wie durch eine klaffende Wunde, den Blick in das todte Innere dringen; hie und da befinden sich noch kleine Theile des Kreuzganges, einzelne Säulen, denen die verbindenden Bogen fehlen. Trauernd steht im Vorhof eine zierliche Logenwand, zwei Reihen schlanker Säulen übereinander, die aber nicht mehr wie früher in ein Gemach führen, denn das dahinterliegende Gebäude ist abgesprengt, und durch die leichten zierlichen Bogen, deren Verzierungen hie und da zerstört und die in einzelnen Theilen vom Pulver geschwärzt sind, blickt man in den klaren Tag hinaus, in die großartige Felsgegend. Ein kleiner Brunnen in eigenthümlicher Gestalt, der davor steht, ist allein noch gut erhalten und scheint heute noch den Mönchen zu dienen, dagegen sind andere kleine Bauwerke im Hof, Nischen in denen Heiligenbilder standen, Grabmäler u. dgl., der allgemeinen Verwüstung nicht entgangen, und bieten mit herabgestürzten Statuen, mit zerbrochenen Säulen und zerstörten Inschriften ein trauriges Bild. Wirklich malerisch schön war das klare Sonnenlicht in seiner Verbindung mit diesen Ruinen, wo es durch die zerrissenen Gewölbe glänzend hereindrang, hier die hellsten Lichttöne bildend, daneben die seltsamsten tiefdunkeln Schatten.
Alle Gebäude sind aus einem röthlich gelben Stein gebaut, welcher durch das Sonnenlicht eine unaussprechlich warme Färbung annimmt; der äußere Hof erschien hiedurch in einzelnen Theilen wie vergoldet; über ihnen spannte sich der tiefblaue Himmel, und herabhängende Epheuranken, die oben auf den Mauern wuchsen, glänzten im saftigsten und frischesten Grün.
Nachdem wir in unserm Zimmer eine kleine Weile gerastet, erschien der Prior des Klosters, ein freundlicher liebenswürdiger Mann in den Fünfzigern, welcher sich längere Zeit in Salzburg und Wien aufgehalten und geläufig Deutsch sprach. Er führte uns durch die Klostertrümmer, an deren Wiederherstellung oder vielmehr Erhaltung, soviel es die Armuth der Mönche erlaubt, immer noch gearbeitet wird; an verschiedenen Stellen sahen wir Haufen von Backsteinen und Kalk, hier eine Mauer auszubessern, dort einen Bogen vor gänzlichem Einsturz zu bewahren. Die Kirche des Klosters ist in ihrem Innern nothdürftig wieder hergestellt, doch sind die Mauern, die früher mit buntfarbigem Marmor bedeckt waren, jetzt einfach weiß getüncht, und der Hochaltar, auf welchem das wunderthätige Madonnenbild steht, wird von ein paar ärmlichen Messinglampen beleuchtet, statt daß früher hier auf achtzig silbernen Leuchtern Tag und Nacht schwere Wachskerzen brannten.
Durch die Sacristei stiegen wir in ein kleines Gemach hinter dem Hochaltar, dessen Fenster mit rother Seide verhängt waren, wo es uns gestattet wurde das Marienbild näher zu betrachten. Die Statue ist beinahe lebensgroß, nicht ohne Kunst aus dunkelfarbenem Holz geschnitzt, welches mit der Zeit ganz schwarz geworden ist, und aus dem die hellen glänzenden Augen sonderbar hervorleuchten; sie ist bekleidet mit prächtigen seidenen und goldgestickten Gewändern, und trägt an den Armen und Fingern Geschmeide von Gold mit edlen Steinen besetzt, von denen einiges noch aus sehr alter Zeit herzurühren scheint. Die Madonna hält in ihren Armen das Jesuskind.
Von hier aus führte uns der Prior in die obern Theile des Klosters, und zeigte uns im Vorübergehen seine Wohnung, zwei Zimmer mit einfachen weißen Kalkwänden, einer kleinen Bibliothek, einem Schreibtisch mit Büchern und Papieren, und einigen mathematischen Instrumenten. So bescheiden diese Klause auch war, so war sie doch gewiß für den Bewohner ein lieber angenehmer Aufenthalt in dieser Stille und Einsamkeit, und mit der herrlichsten Aussicht auf das großartige Felsengebirg und das schöne Thal des Llobregat. Wir lehnten lange an dem eisernen Balcon, der in schwindelnder Höhe über der senkrechten wohl tausend Fuß hohen Felsenwand hieng; wir träumten von der Welt, die mit ihren Leiden und Freuden tief zu unsern Füßen lag, und begriffen daß ein Herz, welches gelitten und sich verletzt und wund von ihr zurückgezogen, hier, wenn auch nicht glücklich sein, doch seine Ruhe wieder finden kann.
Indem uns der gute Prior herumführte und uns bald von diesem bald von jenem Fenster die Aussicht zeigte, machte er es wie die Kinder: das Schönste und Beste bis zuletzt aufhebend, und dieß war das kleine Klostergärtchen, das die Mönche dem Felsen abgerungen, indem sie mühsam die Erde hinauftrugen, um dort duftende Kräuter und Blumen zu pflanzen. Ich habe in der That nie einen wunderbareren kleinen heimlichen Platz gesehen; lang und schmal lief dieser Garten an der Felswand hin, um sie am Ende zu verlassen, und auf eine kleine Gallerie nach einem vorspringenden Punkt des Gebirgs zu führen, der zum Spaziergang benutzt wurde, und in seiner einfachen Schönheit alles übertraf. In der Mitte befand sich in den Fels gehauen ein großes Becken mit klarem und so ruhigem Wasser, daß sich die darüber hängenden Felsenkronen aufs deutlichste darin abspiegelten. Die Trümmer eines kleinen hart angebauten Häuschens enthielten ein zertrümmertes Schöpfrad, dessen zerrissene Kette still, schwer und traurig in das Wasser herabhieng. Die Terrasse welche dieses Becken umgab, hieng buchstäblich in der Luft über dem tiefen Thal; ein eisernes Geländer zwischen ihr und der unermeßlichen Tiefe war hie und da unterbrochen durch Piedestale, auf denen kolossale Heiligenbilder aus Stein gehauen standen, welche sich ernst und gewaltig von der Luft abhoben, und wohl schon Jahrhunderte als treue Wächter des Klosters in das Thal hinabschauen. Die Sonne warf helle Lichtmassen auf Kopf und Brust der Figuren, während auf ihrer schattigen Rückseite der blaue Luftreflex lag. Vor uns breitete sich in unermeßlicher Weite das Thal aus, Berg an Berg, und die Schlangenwindungen des Llobregat erschienen zu unsern Füßen dunkelgrün und glänzend, während sie weit hinaus wie ein dünner Silberfaden glitzerten und leuchteten und aus der dunkeln Landschaft hervorblickten bis an das Meer, das, von der Sonne angestrahlt, nur eine gewaltige Masse von Glanz, Licht und Flimmer war.
Von dem herrlichen Punkt zurückkehrend, besahen wir gern die kleinen Blumenanlagen des Priors, die er mit besonderer Liebe zeigte. Da blühten noch Eriken, Verbenen und Rosen. Von letztern versprach er uns auf morgen früh einen Strauß für unsere Lieben zu Hause; doch pflückte er jetzt schon duftende Kräuter für jeden, die wir zur Erinnerung in unsere Taschenbücher legten. Wirklich liebreich war die Pflege, die er hier einem kränklichen Citronenbaum widmete, der mit gelben welken Blättern in einer Nische stand, nur der Sonne zugänglich, sonst vor kalten Winden geschützt, und den er Abends mit Strohdecken verhüllte. Ehe wir den Garten verließen, warfen wir noch einen Blick hinüber auf die Terrasse mit den Steinfiguren, wo jetzt ein paar der Benedictinermönche in ihren schwarzen Gewändern auf- und abgiengen, und die Stimmung des Ganzen dadurch noch feierlicher machten. Wahrhaft rührend erschien uns ein alter Mönch, der an der Felsenwand neben dem Wasserbecken saß, an einer Stelle wo die Sonne gerade ihre warmen Strahlen hinwarf. Er hatte ein Tuch über das Gesicht gedeckt, und ein Buch, in dem er gelesen, ruhte auf seinem Schooß. Der Mann war 83 Jahre alt, und als Chorknabe von zehn Jahren hierher auf den Montserrat gekommen – welch ein Leben!
Unterdessen war es beinahe 3 Uhr geworden, und der Führer hatte uns schon mehreremal in den schönsten Naturbetrachtungen durch die Mahnung gestört: es sei jetzt endlich Zeit zur Spitze des Berges aufzubrechen, denn er für seinen Theil habe keine Lust den gefährlichen Weg im Dunkel zurückzulegen, und so nahmen wir denn vorläufig von dem guten Prior Abschied und verließen den so lieben Klostergarten.
Vor der Posada fanden wir zu unserer großen Verwunderung einen deutschen Landsmann, der so eben zu Esel von Colbata heraufgekommen war, und nun in unserer Gesellschaft die obern Felspartien besuchen wollte. Er sagte nicht woher er komme, doch nachdem er uns versichert: der Weg hier hinauf sei polizeiwidrig, unanständig und schauderös, wußten wir, daß er dem Land entsprossen war, wo aus tiefem Sand keine Felsen emporragen. Übrigens benahm er sich sehr anständig und wohlerzogen, weßhalb wir uns seine Begleitung gern gefallen ließen.
Sobald wir das Thor des Klosters verlassen hatten, wandte sich der Führer nach einer Schlucht, die von fast senkrechten Felsen umgeben war, und wo wir uns vergebens nach einem Weg oder Pfad umsahen. Um aufwärts zu kommen, bedienten wir uns denn auch einer tiefen Spalte in dem Gestein, in welche hie und da eine Stufe gehauen war, wobei man die Hände gebrauchen mußte, um sich an den glatten Wänden in die Höhe zu helfen. Die Abwechselung, welche dieser Pfad darbot, war, daß er zuweilen um einen Felskegel herumbog, der neben uns schroff in die Tiefe abfiel, und wo einer dem andern kopfschüttelnd nachfolgte, schüchtern in den Abgrund blickend, wobei man die Fußspitzen in kaum bemerkbare Löcher und Schrammen setzte. Glücklicherweise waren diese Stellen kurz, und dann gieng es wieder an den Steinen aufwärts über viertelstundenlange Felsentreppen. Endlich erreichten wir einen, kleinen Absatz von vielleicht 6 Fuß im Quadrat, wo wir einen Augenblick ausruhen konnten. Mit starkklopfendem Herzen blickte ich rückwärts; denn ich muß gestehen, der beschwerliche Marsch hatte mich angestrengt. Schon lagen die Klostergebäude tief unter uns, eine röthliche Masse zwischen den grauen Felsen. Unser norddeutscher Landsmann war schon seit längerer Zeit sehr still geworden, obgleich er anfänglich seine Lungen mit witzigen Bemerkungen übermäßig angestrengt und mehrmals gefragt hatte: ob das der ganze gefährliche Weg sei. Er war der letzte, der zu uns hinaufkletterte, und ließ sich augenblicklich in sichtlicher Verstimmung auf den Boden nieder, wobei er verstohlenerweise trostlose Blicke auf die Höhe über uns warf. Was ihm auf der Seele lag, merkten wir alle, doch hätten wir nicht geglaubt daß er schon so bald Anstalten zum Umkehren machen würde. Diese bestanden darin, daß er seine beiden Seiten festhielt und über furchtbares Seitenstechen klagte; auch affectirte er ein ominöses Kopfweh, und klagte überhaupt so lange fort, bis wir ihm riethen die Tour zur Spitze des Montserrat auf ein andermal zu verschieben – ein Vorschlag, den er auch bereitwillig ergriff, worauf er plötzlich seine gute Laune wieder erhielt. Er meinte freilich, auf den Bergen sei Freiheit, und der Hauch der Grüfte dringe nicht hinauf auf die Spitze dieser Felsen, wo es auf Ehre magnifique sein müßte, aber er wolle nichtsdestoweniger sich für uns aufopfern, indem er zum Kloster zurückkehre und dort auf den Abend ein herrliches Essen bestelle. Nach einigen Versicherungen, daß der Weg abwärts wahrscheinlich teufelmäßig schwer zu finden sei, verließ er uns, und rutschte die Felsen wieder hinab; doch hielt er hundert Schuh tiefer nochmals an, indem er uns zurief: wir möchten doch den nächsten Eremiten freundlich von ihm grüßen.
So waren wir denn wieder auf unsere frühere Gesellschaft reducirt, unser Däne, Horschelt und ich. Noch eine halbe Stunde gieng es nun in derselben Art, wie ich eben beschrieben, aufwärts; ich weiß nicht, soll ich sagen daß der Weg eigentlich halsbrechend und gefährlich war; für jemand mit sichern Füßen und gutem Auge vielleicht nicht, wer aber die geringste Anlage zum Schwindel hat, soll ja diese Partie nicht machen. Beständig führte unser Pfad an steilen und tiefen Abgründen hin, wo es genug war auf einer der ausgehauenen Stufen zu gleiten oder auf einen lockern Stein zu treten, um das Gleichgewicht zu verlieren und alsdann ohne Rettung in die Tiefe hinabzustürzen.
Mit dem ersten größern Absatz des Gebirgs erreichten wir eine der dreizehn Einsiedeleien des Montserrat, die aber seit der Franzosenzeit alle in Trümmern liegen. So eine kleine Capelle mit der Wohnung des Eremiten ist in ihrem Verfall ein rührendes Bild, namentlich die, welche wir so eben betraten. Sie lag an einem Felsenabhang, und man erblickte noch deutlich die Mauern des Kirchleins, ja die Stelle, wo sich der Altar befunden, und daneben die Wohnung des Eremiten. Alles war aus röthlichem Stein ziemlich fest gebaut, und die meisten Gemächer mit Gewölben versehen, die aber eingestürzt sind, und der Sonne, dem Wind und dem Regen Einlaß gestatten. Nicht weit von dem kleinen Hause war roh in den Felsen eine Steinbank gearbeitet, wo der Bewohner desselben gewiß lange Stunden gesessen, um in die wilde Felspartie vor sich hinabzustarren.
Von hier aus geht der Weg eine Zeitlang sanfter ansteigend fort durch ein ziemlich breites Thal, wo wir von Zeit zu Zeit in den Felsen gearbeitete Mulden sahen, die gewiß dazu dienten das Regenwasser für die Einsiedeleien anzusammeln, doch kömmt es auch der Vegetation zu Nutze, die mit einemmal hier üppiger aufwächst als wohl tausend Fuß tiefer. Wir mußten uns auf unserem jetzigen Wege oft mühsam durch das sechs bis acht Fuß hohe Buchsbaumgestrüpp durcharbeiten und zertraten manche duftende Kräuter, manche hübsche Bergblume. Schlingpflanzen verschiedener Art kletterten von hier an den grauen Felsen empor und nisteten sich dort in Schluchten und Rissen ein, wodurch oft die wunderlichsten Zeichnungen entstanden. Bald stiegen wir an der Thalwand wieder hinauf und warfen gern einen Blick rückwärts, denn das dichte grüne Gebüsch hier zwischen kolossalen Steinmassen nahm sich gar lieblich und freundlich aus. Abermals gieng der Weg eine Strecke lang stark aufwärts, und wurde mit jeder Minute steiler. Wir umschritten einen Kegel von seltsamer Form, und hatten plötzlich, auf demselben angekommen, einen der merkwürdigsten Anblicke vor uns. Auf einmal waren die bisherigen Felswände verschwunden, und statt ihrer sah man unzählige riesenhafte Steingestalten, Thürme, Kegel, Figuren in der seltsamsten Bildung an den Himmel emporragen. Es ist gerade, als seien diese Massen vielleicht im einstigen flüssig glühenden Zustande aus der harten Schale des Bergs emporgespritzt worden und plötzlich erkaltet; wenn man Blei in Wasser gießt, so bringt der Zufall oft ähnliche seltsame Bildungen hervor. Man blickt staunend an diesen Riesengestalten in die Höhe, und braucht der Phantasie nicht viel zuzumuthen, um Bauwerke, Menschen und Thiergestalten zu erkennen. Vor uns ragt ein Tempelbau mit Kuppeln und Thürmen in die Höhe, gegen den unsere größten Kirchen klein erscheinen würden; ihn umgeben Opferaltäre in den gewaltigsten Dimensionen, einzelne glatte riesenhafte Felskegel, Meilenzeiger, Säulen mit Capitäl und Piedestal; gleich daneben sieht man deutliche Riesengestalten, sitzend, liegend und stehend, nachdenkend das Haupt geneigt, wie mit einander sprechend oder aufmerksam in die Tiefe blickend. Deutlich sahen wir unter uns eine Sphinx auf dem Felsen ruhend, und über ihr auf gewaltigen Blöcken lang ausgestreckt eine Gigantengestalt, die hinabzulauschen schien. Unverkennbar und wahrhaft schön in Form und Haltung erschien uns eine sitzende Figur, reich in lange Gewänder drapirt mit der phrygischen Mütze auf dem Kopf, die über ihre rechte Schulter hin den Blick abwandte; sonderbarerweise bildeten einige Gesträuche einen förmlichen Kranz, den sie auf dem Schooße hielt, und ebenso hatte sie einiges Grün in der herabhängenden linken Hand. Auch komische Figuren waren hier zu erkennen: ein paar dickbäuchige alte Herren, sowie eine fette untersetzte Gestalt mit vollkommen ausgeprägten Augen und Nase, die um den Mund ein dickes Tuch geschlungen hatte. Andere Formationen dieser himmelhohen Felsen sind über alle Beschreibung abenteuerlich, so namentlich an der Nordseite, wo der Berg seinen Namen Montserrat (gesägter Berg) gewiß mit dem vollsten Recht verdient; hier könnte man wirklich auf den Glauben kommen, als haben sich einstens die Titanen damit belustigt, eine viele hundert Fuß hohe und breite Felsenwand in fast gleichförmige Theile zu zersägen. Nachdem wir uns längere Zeit am Anblick dieser Steinwelt ergötzt, mußten wir noch eine Viertelstunde höher steigen, um den äußersten Gipfel St. Geronimo zu erreichen. Hier befinden sich die Überbleibsel einer Capelle der heil. Jungfrau, zwei Mauern durch einen morschen Bogen verbunden, durch welchen man schon von weitem den blauen Himmel sieht. Die Aussicht, die man hier oben nach allen Weltgegenden hat, ist unermeßlich, und es wurde uns das Glück zu Theil sie bei einem vollkommen klaren Tage aufs umfassendste genießen zu können. Rings zu unsern Füßen lag wie eine Landkarte ganz Catalonien und ein Theil der ehemaligen Königreiche Aragonien und Valencia ausgebreitet. Gegen Nordosten ist der Horizont begränzt durch den majestätischen Zug der Pyrenäen, die sich mit Schnee bedeckt in einem weißen ungeheuern Streifen von fünfzig bis sechzig Stunden Länge dahinziehen; nach Südwesten hin erschaut man das Meer, und bläuliche Punkte in der glänzenden Fluth bezeichnen die balearischen Inseln.
Wir hatten fast zwei Stunden gebraucht, um den Berg zu ersteigen, und lagerten uns ziemlich ermüdet vor dem kleinen Mauerwerk mit dem Blick nach Nordosten, wo hinaus ja die Heimath lag, und bedauerten nur bei dem Anblick all des Schönen hier, daß wir nicht im Stande seien, es unsern Lieben zu Hause ebenfalls zu zeigen; doch unterließen wir nicht, eine Erinnerung an diese hier oben zurückzulassen. Bevor wir wieder hinabstiegen, grub jeder von uns in einen Stein der alten Capelle Namen ein, die ihm lieb und theuer waren. Da mögen sie stehen in der Gluth der Sonne, in Wind und Regen, und wenn nach langen Jahren die letzte Spur von ihnen verschwunden ist, so sind wir selber alt geworden, verwittert unter des Lebens Sonnenschein, Sturm und Regen; manch tiefer Riß in unsern Herzen mag vernarbt, manche schön klingende Saite bis dahin gesprungen sein oder ihren Wohlklang verloren haben; vielleicht aber auch sind wir in jene Harmonie getreten, die in uns ertönt, wenn traurige Erinnerungen langsam verschwunden sind, wie die Schrift auf diesem Stein.
So langsam und mühsam wir aufwärts gestiegen waren, so rasch und mit großen Sprüngen kamen wir abwärts; alle die Gegenstände, bei denen wir vorhin staunend längere Zeit verweilt, sahen wir jetzt wie im Flug noch einmal wieder, die Riesengesellschaft, die seltsamen Bauwerke, das schöne grüne Thal, die erste Einsiedelei. Wenn auch der Weg im Herabsteigen noch gefährlicher erschien, so trieb doch unser Führer, der hereinbrechenden Dämmerung wegen, gewaltig vorwärts, und springend, rutschend, auch zuweilen leicht hinfallend erreichten wir bald die Stelle, wo vor einigen Stunden unser norddeutscher Landsmann umgekehrt war. Da aber von hier ab der Pfad immer dicht an den Abgründen und auf glatten Felstreppen niederführte, auch der Blick wegen der hereinbrechenden Nacht schon unsicher wurde, so mußten wir langsamer klettern, was mir für meine Person, ich gestehe es, gar nicht unangenehm war, denn mein Tritt war nicht mehr ganz sicher und es fing an, mir vor den Augen zu flimmern. Ohne Unfall erreichten wir indessen den Klosterhof, wo wir unsern Landsmann wiederfanden, dessen Kopfweh bedeutend nachgelassen hatte, und der nebst vielen Klagen, daß kein Beefsteak aufzutreiben sei, ja nicht einmal ein elendes Huhn zu erhalten wäre, uns mit großer Ruhmredigkeit die Versicherung gab, er habe in Betreff der Zubereitung unseres Essens dem Wirth einige Anweisungen gegeben, die wir nachher nicht vermissen würden. Nun weiß ich nicht, ob diese Anweisungen an sich schlecht waren, oder ob sie der Koch nicht befolgt. Genug, unsere Mahlzeit war sehr mangelhaft, und das Gesicht unseres freiwilligen Küchenintendanten verlängerte sich zusehends. Zuerst hatten wir weiße Bohnen mit Essig und Öl, dann Reis mit geröstetem Stockfisch, wobei das Ganze sein Bewenden hatte. Doch hielten wir uns an die ungekünstelten Landesprodukte: Brod, Mandeln und Wein, und waren dabei heiter und guter Dinge.
Ehe wir uns in unser Schlafzimmer zurückzogen, machten wir noch einen Gang durch das Kloster und die Ruinen, die jetzt im hellen Mondschein nicht weniger schön als in der Tagesbeleuchtung erschienen. Unser Führer, sowie der Prior, der uns eine gute Nacht wünschte, ersuchte uns, das Zimmer sorgfältig zu verschließen, denn, wie er sagte, triebe sich beständig allerlei verdächtiges Gesindel in den Bergen umher. Die beschwerliche Tour hatte uns übrigens sehr müde gemacht und gab uns einen ruhigen, festen Schlaf, doch erwachten wir glücklicherweise vor Tagesanbruch, um die Sonne glühend roth, prächtig gerade vor unserem Fenster aufgehen zu sehen.
Um sieben Uhr erklangen die Glocken des Klosters ruhig und feierlich durch den schönen klaren Morgen, und mit den ersten Tönen derselben, die hier in der Einsamkeit das Herz unwillkürlich weich und empfänglich stimmen, kam der gute Prior in unsere Zelle und lud uns ein, der Frühmesse in der Klosterkirche beizuwohnen. Der Chor derselben lag noch in tiefer Dunkelheit da, nur sparsam erhellt von den wenigen Lampen am Bilde der Mutter Gottes und einzelnen Kerzen, die soeben von Chorknaben angezündet wurden; durch die Fenster der Emporkirche dagegen schwamm schon helles, freundliches Morgenlicht in die düstern, hallenden Räume. Nach der heiligen Handlung überreichte der Prior jedem von uns einige duftende Rosen, die er schon früh Morgens gepflückt und bis zu diesem Augenblick in der Kirche niedergelegt hatte; dann führte er uns auf unsere Bitte nochmals in seinen kleinen, mir unvergeßlichen Garten. Gleich schön, wie am gestrigen Tage, erschien doch Alles wieder anders durch die verschiedene Beleuchtung; wo gestern glühendes Licht neben tiefem Schatten gelegen, war heute die Sonne noch nicht hingedrungen und erwartend ihren glänzenden Kuß bedeckte unten die Schluchten und Thäler ein tiefvioletter Duft, feuchte Nebel erhoben sich langsam und kreisten feierlich, luftigen Schleiern gleich, um die zackigten Felsen. So sehr unser Führer zum Aufbruch drängte, so wurde es doch fast neun Uhr, ehe wir uns losreißen konnten von dem Kloster des Montserrat und seinem würdigen Prior, der uns liebgewonnen zu haben schien. Doch mußten wir deßhalb auch in größter Eile den Rückweg machen, um die Tartane nicht zu versäumen, die seit halb elf Uhr am Fuß des Berges auf uns wartete. Unser kundiger Führer wußte übrigens allerlei angenehme, geradeausgehende Fußpfade, eigentlich Wege konnte man es nicht nennen, denn es waren meistens abschüssige Felsen mit Steingerölle bedeckt, auf denen wir indessen rutschend und springend in kurzer Zeit zur Ebene hinabkamen.
In Colbata machten wir eine Rast, um ein sehr geringes Frühstück einzunehmen. Mit Hülfe eines Dictionärs und Vocabulärs kauderwälschten wir zu unserem Privatvergnügen ein entsetzliches Spanisch mit der Wirthin und ihren beiden Töchtern; nur Horschelt nahm keinen Theil an der Unterhaltung, wogegen er dem Frühstück eifriger zusprach, was endlich die Wirthin zu der Frage veranlaßte: ob er nicht auch irgendein Wort spanisch wüßte, worauf ich ihr entgegnete: es sei eigentlich traurig für uns, aber, wenn man die Umstände kenne, verzeihlich, daß er uns mit der Sprache so im Stich lasse, indem er doch ein Spanier sei und noch dazu aus Madrid, der aber der Dame seines Herzens das Gelübde gethan, sich auf seinen Reisen nie mit einem andern weiblichen Wesen zu unterhalten.
Heute Morgen that uns der Postmeister von Esparraguera die Ehre an, eigenhändig die Tartane zu lenken, welche uns dahin zurückbrachte. Der Omnibus dort war ebenso besetzt, wie auf der Herfahrt; im sausenden Galopp fuhren die Maulthiere mit uns davon, daß das Wagengestell krachte; es war ganz dieselbe Geschichte, wie gestern Nacht, nur daß wir am hellen Tage die Mühseligkeiten und das Reiseungemach mit fröhlicherem Muth ertrugen. Der Mayoral rauchte eine Cigarre um die andere, der Zagal flog auf und ab und erwies jedem der Maulthiere mit Steinen und Peitsche tausend kleine Aufmerksamkeiten. Übrigens fuhren wir langsamer als in der Nacht, denn die Straße war bedeckt mit Fuhrwerken aller Art; hochaufgepackten Karren mit sechs, acht, zehn Maulthieren bespannt mußten wir bald rechts, bald links ausweichen, Postwagen, in dichte Staubwolken eingehüllt, rasten an uns vorüber, um im tollen Wetteifer unseres Zagals mit dem andern gleich darauf wieder von uns überholt zu werden. Je näher wir Barcelona kamen, um so malerischer war die Straße belebt, dazu kamen die Fußgänger mit der rothen und blauen Manta, einzelne auf schönen Pferden vorbeigaloppirende Bauern, Weiber mit buntfarbigen Kopftüchern und hie und da Navarresen, schöne, kräftige Gestalten mit der rothen oder weißen Boina auf dem Kopf, in brauner Jacke, eine farbige Decke auf der linken Schulter und einem hellen Gürtel. Auch entlassene Soldaten begegneten uns in großer Anzahl, halb militärisch gekleidet, alle mit einem breiten Rosaband über der Brust, an dem sie eine lange Blechkapsel trugen, worin sich der Abschied befand.
Nachdem wir in den Festungswerken Barcelona's, die wir gegen 5 Uhr erreichten, noch einigemal in sehr ernstliche Verwicklungen mit andern Fuhrwerken gerathen waren, schaukelten wir bei einbrechender Dämmerung durch die Straßen, ziemlich müde und abgespannt, doch aufs höchste befriedigt von unserem Ausflug auf den Montserrat.