Jeremias Gotthelf
Wie Uli der Knecht glücklich wird
Jeremias Gotthelf

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Zwanzigstes Kapitel

Uli kriegt Gedanken und wird stark im Rechnen

So lief die Fahrt glücklich und unschuldig ab, aber nicht ohne Folgen. Es stieg Uli nach und nach doch zu Haupt, daß er da leicht zu einer reichen Frau kommen, glücklich werden könne. Denn so unsinnig es ist, so ist doch im gemeinen Sprachgebrauch Glücklichwerden und Reichwerden gleichbedeutend. Man hört ja so oft: «Der kann wohl, der ist glücklich gewesen im Heiraten und hat mehr als zehntausend Pfund erwybet. Freilich ist seine Frau ein Laschi und er hat viel mit ihr, aber was macht das, wenn man Geld hat? Das Geld ist doch die Hauptsache.» Von dieser allgemeinen und doch so unbegründeten Ansicht war Uli nicht frei, wollte er ja doch auch reich, ein Mann werden. Wenn er an Elisis Äußerungen dachte, die freilich im Nebel und im Regen getan waren, so kam es ihm immer wahrscheinlicher vor, daß es ihn nehmen würde, wenn er es recht begehrte. Der Bruder hatte ihn so freundschaftlich behandelt, so viel Zutrauen ihm gezeigt, daß er meinte, der würde wirklich nicht sehr darwider sein. Wenn es einer sein müßte, so wäre er ihm lieber als mancher Andere. Den Eltern, dachte er, wäre es wohl im Anfang nicht recht, und sie würden wüst tun; aber wenn einmal Elisi es erzwängt hätte, die Sache geschehen, so machte es ihm keinen Kummer, ihnen lieb zu werden.

Der Gedanke, einmal auf der Glungge Bauer zu sein und so ganz frei schalten zu können, tat ihm gar unendlich wohl. In zwanzig Jahren, rechnete er manchmal aus, wollte er gut noch einmal so reich sein, der ganzen Gegend wolle er zeigen, was das Bauren könne. Es stieg ein Plan nach dem andern vor ihm auf, wie er es anfangen, was er alles vornehmen wolle, was der Pfarrer sagen werde, wenn er mit der reichen Tochter die Hochzeit angebe, was die Leute in seiner Heimat sagen werden, wenn er einmal mit eigenem Roß und Wagen daherkomme und es heiße, der Uli hätte sechs Roß im Stall und zehn Kühe von den schönsten! Freilich, wenn er dann das Elisi schlärplen sah, so gab es ihm einen Tolgg in seine Rechnung. Er sah wohl, daß es für die Haushaltung nichts, daneben wunderlich und bräuchig und mit allem unzufrieden sei. Das Letztere würde bessern, dachte er, wenn es einen Mann hätte. Er vermöge dann Diensten zu haben, es gehe sonst, wenn die Frau nichts mache; bei solchem Reichtum möge es wohl etwas erleiden. Es sei bei einer jeden etwas zu scheuen, er hätte noch von Keiner gehört, die gewesen sei, daß man nicht noch etwas anderes gewünscht. Reich, reich, das sei doch immer die Hauptsache. Und doch, wenn er Elisi sah, so wollte es ihm erleiden. Das verschienene Tirggeli, Hämpfeli kam ihm gar zu unappetitlich vor. Wenn es ihn mit seinen feuchtkalten Händen anrührte, so schauderte es ihn, es war ihm, als müsse er den Fleck abwischen, den es berührt. Wenn er es erst reden hörte, so zimperlig und doch so dumm, so wollte es ihn aus der Stube treiben, und er mußte für sich denken: «Nein, bei dieser haltest du es nicht aus; bei jedem Wort, das sie sagt, müßtest du dich ja schämen.» Aber wenn er dann von Elisi weg war, so sah er wieder den schönen Hof, hörte das Geld klingen, sah sich im Ansehen, und es kam ihm vor, als sei Elisi doch so wüst nicht, und nach und nach wollte es ihn dünken, als sei es wirklich gescheuter, als man glaube, und wenn es Liebe zu einem hätte und man vernünftig mit ihm rede, so wäre noch etwas mit ihm zu machen und bei einem rechten Mann könnte es noch eine recht vernünftige Frau abgeben.

Das alles ging nur in Ulis Kopf vor, allein es ist nichts so rein gesponnen, es kömmt doch endlich an die Sonnen. Die Reise hatte Elisi und Uli vertraulicher gemacht, es war ein anderer Ton, in dem sie zueinander redeten, und mit den eigenen Augen eines gewissen Einverständnisses blickte ihn ds Elisi an. Uli freilich suchte die Augen zu meiden, besonders wenn sie in Vrenelis Gesichtskreis waren. Denn so wie Elisis Reichtum ihn alle Tage heftiger lockte, so schien ihm Vreneli alle Tage hübscher und anschlägiger. Am besten, dachte er oft, würde es gehen, wenn Vreneli bei ihnen bleiben und die Haushaltung machen würde. Mehr als früher zog Elisi Uli nach, und wenn es an einem Sonntagnachmittag einen Augenblick alleine mit ihm in der Stube war, so ruhte es nicht, bis es ans Küssen kam. Es wäre für sein Leben gerne wieder einmal mit ihm ausgefahren, allein es wußte nicht wohin, und an die Märkte kamen Vater oder Mutter mit. Indessen, hätte Uli Böses im Sinne gehabt und auf schlechtem Wege zu einer Heirat kommen wollen, wie man deren Beispiele von Schlechtern, als Uli war, viele hat, Elisi hätte Gelegenheit genug dazu gegeben und in sich nichts getragen, das ihns davor geschützt. «Uli, bis nit so schüch!» hätte es vielleicht noch gesagt. Aber Uli war brav, begehrte nichts Böses, mied solche Gelegenheiten, ging der Anlässigkeit von Elisi recht oft aus dem Wege, wollte viel lieber Elisi verdienen als verführen. Er arbeitete um so emsiger, ließ sich alles besonders angelegen sein und wollte sich das Lob erwerben: wenn er schon jetzt nicht reich sei, so könne es ihm bei solcher Anstelligkeit nicht fehlen, es zu werden. Das, glaubte er, werde so viel bei den Eltern ziehen als viele tausend Pfund. Er dachte nicht an das Schreckenswort: Ume dr Knecht!

Nun aber hatten die Nebendiensten auch Augen im Kopf, und weit eher, als Uli noch an etwas gedacht, hatten sie Elisis zutäppisches Wesen bemerkt und Uli damit aufgezogen. Sie schrieben immer mehr seine Tätigkeit der Absicht zu, Tochtermann zu werden. Die Veränderung seit der Reise blieb ihnen nicht verborgen. Sie ersannen allerlei Märlein über die Vorgänge auf derselben, stichelten Uli ins Angesicht und verleumdeten hinter seinem Rücken. Alle Zumutungen, die er machte, deuteten sie, als ob er sich nur auf ihre Kosten wert machen wolle, nahmen sie daher böse auf, stellten sich ungebärdig und dachten, dem wollten sies vrha. Sie paßten Elisi und Uli auf, wo sie nur konnten, suchten ihr zufällig oder absichtlich Beisammensein zu stören oder zu belauschen, allerhand Schabernack ihnen zu machen, und hätten gar gerne irgend ein grobes Ärgernis aufgedeckt, aber dazu gab Uli keine Gelegenheit. Noch ging die Wage bei ihm auf und ab. Es erleidete ihm manchmal Elisi und das Dasein in der Glungge, daß er gerne hundert Stunden da dänne gewesen wäre. Das Mädchen aber ward immer verliebter, kramete Uli bei jeder Gelegenheit, verehrte ihm mehr, als er annehmen wollte, tat so narrochtig mit ihm, daß es endlich selbst den Eltern auffiel. Joggeli muckelte: Da hätte man es jetzt, da könne man sehen, was Uli eigentlich im Schilde führe, dem wolle er aber einen Strich durch die Rechnung machen. Indessen tat er nichts; insgeheim hätte er es seinem Sohn, der ihn so oft bschummelte, gönnen mögen, wenn Elisi einen dummen Streich gemacht und hätte heiraten müssen.

Die Mutter nahm das mehr zu Herzen und sprach Elisi zu: Es sollte doch mit Uli nicht so narrochtig tun und auch denken, was die Leute sagen und wie sie es auf die Trommel nehmen werden. Es schicke sich doch wahrhaftig nicht für ein reiches Meitschi, mit einem Knecht zu tun wie mit einem Schatz. Nit, sie hätte nichts wider Uli, aber er sei doch immer nur der Knecht, und es werde doch keinen Knecht wollen. Dann plärete ds Elisi und sagte: Es sei alles nicht recht, was es mache, man hätte in Gottsname immer mit ihm zu balgen; bald halte man ihm vor, es sei zu hochmütig, bald, es mache sich zu gemein. Wenn es mit einem Knecht ein freundlich Wort rede, so mache man ihm einen Lärm, einen ärgern könnte man ihm nicht machen, wenn es schwanger wäre. Aber man gönne ihm in Gottsnamen keine Freude und alles sei nur auf ihm. Es wäre ihm am wöhlsten, wenn es bald sterben könnte. Und Elisi plärete dabei immer heftiger, bis es keinen Atem mehr hatte, die Mutter in aller Eile das Göllert auftun mußte und wirklich glaubte, das Elisi wolle sterben. Dann schwieg die gute Mutter wieder, denn sie wollte wirklich nicht, daß ds Elisi sterbe. Sie klagte nur zuweilen Vreneli, sie wisse nicht, was sie da machen solle. Tue sie wüst, so wär ds Elisi imstand, etwas Ungeschicktes zu machen; lasse sie es gehen und geschehe dann wirklich auch etwas Ungeschicktes, so werde sie an allem schuld sein sollen und man werde sagen, warum sie nicht zu rechter Zeit dazu getan. Aber einmal jetzt wüßte sie nichts zu machen. Über den Uli könne sie nicht klagen, er führe sich vernünftig auf und sie glaube, es sei ihm eher zuwider. Und so mir nichts dir nichts, bis man mehr zu klagen habe, ihn fortzuschicken, reue sie auch. Und wenn sie es täte, so wäre Joggeli der Erste, der ihr immer vorhielte, sie hätte aus leerem Kummer den besten Knecht fortgeschickt, den sie noch gehabt. Aber er mache es immer so: da, wo sie möchte, daß er rede, da schweige er, und wo er schweigen sollte, da möffele er drein. Vreneli solle immer gut Achtung geben, und wenn es etwas Apartes sehe, es ihr sagen. Aber von Vreneli hatte die Alte wenig Trost, das tat, als ob die Sache ihns nichts anginge. Ds Elisi konnte sich nicht enthalten, dem Vreneli von Uli zu reden, wie er ein Hübscher und Freiner sei und wie es sich nicht verschwören wolle, daß es ihn nicht noch einmal heirate; wenn sie es einmal taub machten und ihm nicht tun wollten, was es begehre, so sollten sie nur sehen, was es mache. Es besinne sich dann nicht lange und es brauche nur ein Wörtlein zu sagen, so gehe Uli und gebe das Hochzeit an. Wenn Vreneli dann auch zu diesem wenig sagte, so hielt ds Elisi ihm vor, es sei schalus. Oder wenn Vreneli ihm zusprechen wollte, es solle doch Uli nicht so zum Narren halten, es begehre ihn doch nicht, oder es solle den Eltern nicht diesen Verdruß machen, so hielt es ihm vor, es möchte Uli selbst und wolle ihns nur abspenstig machen, um selbst ans Brett zu kommen; aber so eine mit einem blutten Füdle nehme Uli nicht, dafür sei er zu gescheut. Es solle sich nicht einbilden, daß es so bald einen Mann bekäme; der leidest Knecht besinne sich, ehe er so ein arm Meitli nehme, und zweimal, ehe er ein unehliches nehme. Das sei immer noch die größte Schand, die es gebe. Obgleich Vreneli solche Reden tief empfand, so ließ es es doch nicht merken, weinte nicht und zankte nicht, sagte höchstens: «Elisi, daß du nicht auch unehlich bist, dafür kannst du nichts, und daß du nicht schon ein Unehliches hast, daran bist du auch nicht schuld.»

Am meisten Not machte Vreneli das eigene Betragen gegen Uli. Je mehr diesem Elisis Geld zu Kopfe wuchs, desto mehr fühlte er sich zu Vreneli gezogen; er konnte es gar nicht leiden, wenn es ihm kurzen Bescheid gab oder böse über ihn schien, und suchte es auf alle Weise zu versöhnen, gut zu stimmen. Er floh Elisi oft und suchte es nie auf; er floh Vreneli nie, suchte es aber oft auf, während es ihn floh und Elisi ihn suchte. Vreneli wollte mit Uli kurz sein und trocken, und doch konnte es, wenn es den besten Vorsatz hatte, oft nicht anders als freundlich mit dem freundlichen Burschen sein, konnte zuweilen sich bei ihm vergessen und zwei, drei Minuten mit ihm schwatzen und lachen. Wenn das dann zufällig ds Elisi sah, so gab es gräßliche Geschichten. Zuerst hielt es Vreneli die wüstesten Sachen vor, bis es nicht mehr reden, kaum Atem finden konnte. In diesem Zustande schoß es manchmal an ihns hin und hätte es prügeln mögen, wenn es ihm nicht an Kraft gebrochen hätte. Dann ging es über Uli her; er mußte hundertmal hören, daß er ein Unflat sei und nur der Knecht. Und es sehe jetzt, was es zu erwarten hätte, wenn es so dumms wäre, wie man meine. Aber es sei Gottlob noch früh genug und es wolle nicht so ein Narr sein, sein Geld einem zu bringen, von dem es fürchten müsse, er verbrauche es mit Huren. Dann fing es an zu heulen über solche Falschheit, und wie es sterben wolle. Manchmal versöhnte es sich schon während diesen Tränen und Uli mußte versprechen, nicht mehr Andern nachzulaufen, dem wüsten Vreni, das ihn locken, verführen wolle, kein gutes Wort zu geben. Bald dauerte der Unfriede lange, und ds Elisi kupete. Dann kam es Uli doch vor: eine, die so schalus sei, die ihm den Knecht so oft vorhalte, so heulen oder kupen könne, sei doch nicht die liebenswürdigste Frau, und da gebe es ein bös Dabeisein und es wäre besser, wenn er die ganze Sache sich aus dem Sinne schlüge. So wie er nun gleichgültig gegen das Kupen ward, so ward es Elisi angst und es suchte die Versöhnung, kramete etwas oder suchte sonst eine Gelegenheit, wo es Uli flattieren, ihm anhalten konnte, er solle es doch lieb haben, es habe sonst keine Freude mehr am Leben. Und wenn es ihn so bös mache, so solle er ihm nicht zürnen, das geschehe nur, weil seine Liebe so groß sei, weil es ihn keiner Andern gönne usw. Wenn es ihn einst recht hätte, so wollte es nicht mehr schalus sein, aber solange es so dahange und nicht wisse, woran es sei, komme es ihm manchmal, als ob es lieber sterben wollte. Es wisse auch nie recht, ob Uli ihns lieb habe; es dunke ihns manchmal, wenn er es recht lieb hätte, so setzte er ganz anders an und nähme die Sache besser in die Hand, er sei da so wie ein Gstabi und mache kein Gleich (Glied). Wenn dann Uli sagte, er wüßte es nicht besser zu machen, er wisse ja auch nicht recht, ob ds Elisi ihn eigentlich wolle, und wenn es ihm Ernst sei, so solle es mit den Eltern reden oder sie wollten zum Pfarrer gehen und das Hochzeit angeben und dann sehen, was daraus werden wolle, so sagte Elisi: Das pressiere nicht halb so, Hochzeit halten könne sie immer noch. Das sei die Hauptsache, daß er es lieb habe, und dann sei es in einem Jahr noch frühe genug, oder wenn er recht dransetze (das komme auf ihn an, es wolle sehen), in einem halben. Aber mit dem Donners Vreni solle er nichts mehr zu tun haben, sonst kratze es Beiden die Augen aus und das Mönsch müsse aus dem Hause.


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