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Bald darauf führten Meister und Knecht Steine zu einem neuen Stubenofen. Auf dem Heimweg kehrten sie ein, da sie einen weiten und bergichten Weg hatten. Da der Meister nicht hundshärig war und vom schlechtesten Wein befahl, wenn der Knecht bei ihm war, und für zwei Personen nur um einen halben Batzen Brot aufstellen ließ, so wurde Uli auf dem Rest des Weges gesprächig. Er erzählte dem Meister die Begegnung mit Anne Lisi und wie er froh sei, daß er nun des Kummers und dem Mensch ein für alle Male los sei. Es hätte ihm gewohlet, er könne es niemand sagen wie. Er begreife erst jetzt, was man mit dem Sprüchwort sagen wolle: Es sind mir Zentnersteine ab dem Herzen gefallen. Der Meister freute sich der Nachricht, aber warnte, er solle es nicht machen wie gar Viele, die, solange sie die Folgen ihres Lasters fühlen, reuig seien, dann aber wiederum um die Sünde herumfahren wie die Fliege um ein Licht, bis sie sich die Flügel verbrannt und vielleicht ein für alle Male. So kenne er manchen Trunkenbold, der allemal, wenn er sein Geld ver- und einen sturmen Kopf ertrunken, sich vornehme, sich nie mehr so zuzuputzen – und das nächstemal, wenn er zum Wein komme, sei er wieder ein volles Kalb. So gehe es Manchem mit dem Weibervolk: die, welche meinen, die Listigsten geworden zu sein, die gebe es oft am wüstesten. «Nein, Uli, halt dich jetzt, so kannst du noch einen Mann abgeben, wie ich es dir ausgelegt habe,» sagte der Meister.
«Los, Meister,» sagte Uli, «ich habe der Sache nachgesinnet, und der Pfarrer, wo dich unterwiesen hat, ist nicht ganz ein Narr gewesen; aber was ein Baurenknechtli für Lohn hat und was er braucht, davon hat er nichts gewußt; er wird gemeint haben, ungefähr so viel als ein Vikari. Aber du solltest es besser wissen und solltest es wissen, daß es aus sei mit Fürhusen und Reichwerden. Ich habe manchen Tag lang gerechnet, daß es mir fast den Kopf obenabgesprengt hat; aber ich habe immer das Gleiche herausgebracht: aus Nichts wird Nichts, und nüt von nüt geht auf.» «Wie hast du denn gerechnet?» sagte der Meister. Uli machte ihm die ganze Rechnung punktum wieder durch, und als er fertig war, fragte er spöttisch den Meister: «Und jetzt, was sagst du dazu, ists nicht so?» Der Meister sagte: «Deiner Rechnung nach macht es allerdings so viel; aber man kann noch ganz anders rechnen, Bürschli. Los einmal, ich will dir jetzt auch eine Rechnung machen auf meine Art; es nimmt mich wunder, was du zu dieser sagen wirst.
«An dem, was du für deine Kleidung angesetzt hast, will ich nicht viel ändern. Es ist möglich, daß du, wenn du dich ordentlich instand stellen und namentlich Hemder haben willst, um den Wascherlohn zu ersparen, und überhaupt daherkommen Sonntag und Werktag, wie es einem braven Burschen wohl ansteht, in der ersten Zeit noch mehr brauchst. Für Tubak hingegen hast du zwei Kronen angesetzt, das ist zu viel. Ein Knecht, der in den Stall und auf die Bühne muß, soll den ganzen Tag nicht rauchen, nie als nach dem Feierabend. Um den Hunger zu vertreiben, brauchst du bei mir nicht zu rauchen, und wenn du es dir ganz abgewöhnen könntest, so würde es dir als Knecht viel nützen. Wenn einer nicht tubaket, so macht er allenthalben mehr Lohn.
«Die andern zehn Kronen, welche du für Lustbarkeiten aller Art rechnest, die tue ich dir ganz durch, vom ersten Kreuzer bis zum letzten. Ja, tue nur das Maul auf und sieh mich an wie dStorche ein neues Dach. Willst du dich kurieren und etwas werden, so mußt du dir einmal auf etwas Rechtes vornehmen, vornehmen, von deinem Lohn keinen Kreuzer zu verhudeln, auf keine Weise. Nimmst du dir vor, nur etwas weniger als früher zu laufen, etwas weniger zu vertun als sonst, so ist das nur den Mäusen gepfiffen. Bist du einmal im Wirtshaus, so bist du deiner nicht mehr Meister, die alte Kameradschaft, die alte Gewohnheit reißt dich hin, und du vertust wieder zwei bis drei Wochenlöhne. Dann kömmt der Nachdurst, und du mußt andere Abende nachbessern und verlierst immer mehr allen Glauben, daß du dir je aufhelfen könnest, wirst alle Tage liederlicher und verzweifelst immer mehr an dir selbst. Das ist übrigens nicht so schrecklich, als du ein Gesicht machst. Sieh doch, wie Viele jahraus jahrein nie einen Schoppen trinken und in kein Wirtshaus gehen. Es sind nicht nur arme Tagelöhner, welche genug zu tun haben, der Gemeinde sich zu erwehren, sondern es sind darunter auch vermögliche, ja reiche Leute, welchen es zur Gewohnheit geworden ist, nichts unnütz zu vertun, und sie sind nicht nur wohl dabei, sondern die können noch viel weniger begreifen, wie einem vernünftigen Menschen wohl beim Hudeln sein könne, als du mich jetzt begreifen willst, daß ein Mensch, ohne zu hudeln, leben könne. Ich bin einmal mit einem Mannli vom Langentalermärit zeitlich heimgegangen. Es verwunderte sich, mich schon auf dem Heimweg zu finden, es müsse sonst gewöhnlich alleine heim, sagte dasselbe. Ich antwortete ihm, ich hätte apartig nichts mehr zu tun gehabt, und im Wirtshaus sitzen bis am Abend sei mir auch zuwider gewesen. Das Geld gehe drauf, die Zeit damit, und am Ende wisse man nicht, wann und wie man heimkomme. Ja, sagte er, ihm sei es auch so. Er hätte mit nichts angefangen und gar kaum tun müssen. Lange hätte er Vater und Mutter alleine erhalten, aber doch jetzt ein zahltes Heimat und jahraus und jahrein zwei Kühe, von denen keine minder als sechs Zentner mache. Aber er habe auch von Anfang an keinen Kreuzer zUnnutz vertan. Ein einziges Mal erinnere er sich, daß er in Burgdorf ein halbbatziges Mütschi gekauft habe, das er hätte können sein lassen. Er hätte es auch erleiden mögen bis heim und dort wohlfeileres Essen gefunden. Ja, sagte ich, so viel könne ich nicht sagen, es sei mir mancher Batzen entronnen; aber man könne es auch zu weit treiben, der Mensch müsse doch auch gelebt haben.
«Ja freilich, sagte er. Ich lebe auch und bin froh dabei. Ein Kreuzer, den ich erspare, tut mir wöhler als ein Neutaler einem, der ihn verhudelt. Wenn ich es nicht so angefangen hätte, so wäre ich wohl zu nichts gekommen. Ein armes Bürschli hat nicht den Verstand, wenn er einmal angefangen hat, aufzuhören zu rechter Zeit; hat er einen Batzen verschlengget, so zieht der zehn andere nach. Du mußt aber nicht etwa glauben, daß ich dabei ein wüster Gythung sei. Es ist schon Mancher z'leerem von großen Baurenhäusern weggegangen und hat bei mir erhalten, was er nötig hatte. Ich habe nadisch dann nicht vergessen, wer mir den Segen zu meiner Arbeit gegeben hat und wem ich bald Rechnung ablegen muß. Auf diese Rede hin habe ich das Mannli von oben bis unten angesehen mit großem Respekt; es hätte ihm kein Mensch angesehen, was hinter ihm stecke. Ehe wir voneinander gingen, wollte ich ihm noch eine Halbe zahlen für seine gute Lehre. Allein er wollte nicht und sagte, er hätte gar nichts nötig, und ob er mein Geld oder seines zUnnutz vertäte, das käme ja einst bei der Rechnung auf das Gleiche heraus. Seither habe ich das Mannli nicht mehr gesehen; es hat wahrscheinlich seine Rechnung schon abgelegt, und wenn niemand eine schwerere hätte als der, so käme es Vielen wohl.
«Siehe, so meine ich, sei jeder Kreuzer, den du von deinem Lohn für solche unnütze Sachen brauchst, durchaus ein schlecht gebrauchter. Bleibe zu Hause, und damit ersparst du nicht nur zehn Kronen, sondern noch gar viel dazu. Es klagen alle Knechtlein, wie viel Schuhe, wie viel Kleider sie brauchen, wie sie in Wald und Wetter sein müßten; aber weißt du, womit sie die meisten Kleider verderben? Mit ihrem Herumfahren des Nachts bei allem Wetter durch Dick und Dünn und mit allem dem, was dabei vorgeht. Wenn man die Kleider vierundzwanzig Stunden am Leibe hat, so verderbt man sie offenbar mehr, als wenn es nur vierzehn Stunden geschieht. Zu Kilt läuft man nicht in den Holzböden, und wann sprengt man mehr Schuhnägel aus, des Tages oder des Nachts, wo man keinen Stein sieht, kein Loch, keinen Graben? Und sag mir: wie sehen die Sonntagskleider aus, wenn man voll herumghürschet ist, einander herumgerissen, im Kot herumgedröhlt hat? Wie manche Sonntagskutte ist so in Stücke gegangen, wie manches Paar Hosen unbrauchbar, wie manche Kappe verloren worden!
«Es brauchte gewiß manch Knechtlein dsHalb weniger für seine Kleider, wenn es daheim bliebe; von den Mädchen will ich nur nicht reden. Und denk daran, Uli, wenn du jetzt schon zehn Kronen für solche unnütze Gewohnheit brauchst, so brauchst du in zehn Jahren zwanzig und in zwanzig Jahren vierzig, wenn du sie hast; denn so eine Gewohnheit steht nicht stille, sie wächst, und führt das nicht schnurstracks dem alten Hudel zu?
«Endlich, Uli, hast du nicht bloß dreißig Kronen, sondern auch noch manchen Batzen Trinkgeld, wenn eine Kuh, ein Roß usw. verkauft wird. Die brauche, wenn du wohin laufen mußt und das Einkehren nicht vermeiden kannst. Daraus kannst du meinethalb an einer Musterung einen Schoppen trinken, kannst etwas zusammentun, wenn du in Garnison mußt; das reicht vollkommen hin dazu. Du hast schon viel Lohn eingezogen, aber wenn du mir glauben und folgen willst, so kommst du schon dieses Jahr aus den Schulden; das andere Jahr kannst du ans Vorschlagen gehen. Und wenn du mir glaubst, so ist dann nicht gesagt, daß ich nur dreißig Kronen Lohn geben könne. Wenn ein Knecht so recht bei der Sache ist und mit seinem Sinn nicht nur beim Narrenwerk, wenn man ihm etwas anvertrauen kann und es gleich geht, sei ich dabei oder nicht, und ich nicht allemal mit Kummer heim muß, es sei etwas Ungrads gegangen, so, Uli, kommts mir auf ein paar Kronen nicht an. Denk daran, Uli: je besser die Gewohnheit, je besser der Name, desto besser auch der Lohn.»
Dem Uli gingen ob diesen Reden Maul und Nase auf, und endlich sagte er: Das wäre wohl schön, aber es werde es kaum geben, er glaube nicht, daß er das usgstang (aushalte). «He, probiere einmal einen Monat und siehe, wie es kommt, und sinn nicht an Laufen, Schoppen und das Wirtshausgehen, so wird es sich schon machen.»